Informationen für Fachstellen Inhaltsverzeichnis 1. Aufnahme 2. Behandlungsdauer 3. Krankheitsverständnis 4. Menschenbild 5. Prämissen 6. Therapeutische Prinzipien 7. Struktur des Rehabilitationsprogramms 8. Behandlung von Comorbiditäten 9. Sucht und Migration 10. Psychotherapie in türkischer Sprache 11. Konzeption 1. Aufnahme Das Vorliegen einer Diagnose nach ICD 10 (F10.2. oder F10…) an erster Stelle ist neben der Kostenzusage Voraussetzung für die Aufnahme. Die Patienten werden nur entgiftet aufgenommen. Patienten mit akut zu behandelnden infektiösen Erkrankungen (z.B. TBC, Salmonellosen, AIDS Erkrankung etc.) können nicht aufgenommen werden. Patienten mit HIV-Infektionen ohne Ausbruch der Erkrankung werden aufgenommen. Akute Psychosen sind Kontraindikationen. 2. Behandlungsdauer Wir bieten Langzeittherapie mit einer Dauer bis zu 16 Wochen, Kurzzeittherapie mit in der Regel 8 Wochen und Kombitherapien in Zusammenarbeit mit der zuweisenden Stelle mit durchschnittlich 8 Wochen Dauer an. Bei einer 8-wöchigen Dauer sollten soziale Stützsysteme vorhanden sein; hier wird sehr viel Wert auf engmaschige Vernetzung des therapeutischen Handelns zwischen stationärer und ambulanter Suchthilfe gelegt. 3. Krankheitsverständnis Wir betrachten pathologischen Suchtmittelkonsum als eine Strategie zur Problemlösung und Befriedigung von Bedürfnissen, die gelernt wurden und unter Umständen aus Entwicklungsstörungen resultieren. Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit steht häufig im Zusammenhang mit comorbiden Störungen wie z.B. Depressionen, Ängsten, Zwängen, Persönlichkeitsstörungen, Anpassungsstörungen, oder ist assoziiert mit Missbrauch oder Abhängigkeit von anderen Drogen und/oder Nikotin und ist oft von Chronifizierung geprägt. 4. Menschenbild Wir betrachten den Menschen, basierend auf christlichen Wertvorstellungen, zugleich als biologisches, soziales, psychisches und spirituelles Wesen. Er ist in seinen Lebensvollzügen und in der permanenten Konstitution seines Selbst und seiner Identität auf ein `DU´, auf eine Gemeinschaft angewiesen. In sozialen Vollzügen ist der Mensch ein Wesen, das seine Wirklichkeit schafft, seine Wahrnehmungen und Bedeutungen konstruiert und seine Realität aktiv gestaltet. Im menschlichen Zusammenleben geht es immer um Sinnbezüge und Deutungen des jeweiligen Verhaltens. Der Mensch trägt Verantwortung für sich selbst und seine Gesundheit, Mitverantwortung für die Gestaltung seines Alltags und seiner sozialen Mitwelt. Der für die Übernahme dieser Verantwortung notwendige Willen wird als Bündelung und Organisation von Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen auf ein affektivkognitives Ziel hin verstanden (Schiepek 1999). 5. Prämissen Wir gehen entsprechend dem wissenschaftlichen Kenntnisstand davon aus, dass Systeme wie Familien, Teams, Paare und auch einzelne Menschen autonome Einheiten darstellen, generell bezüglich ihrer Umwelt selektiv und auf diese in ihrer Entwicklung und in ihrem Verhalten angewiesen sind. Eine deterministische Intervention von außen ist nicht möglich. Die einzelnen Systeme werden durch den Beobachter definiert. Systeme sind als dynamisch und prozesshaft anzusehen. Veränderung erfolgt durch Wechselwirkung der beteiligten Systeme. 6. Therapeutische Prinzipien Die therapeutische Grundhaltung basiert auf humanistisch-psychologischen Grundwerten wie Respekt, Wertschätzung, Neugier, Lösungs- und Ressourcenorientierung und schließt salutogenetische Grundannahmen ein. Zu den Prinzipien der therapeutischen Vorgehensweise gehören die Stärkung der Verfügbarkeit eines persönlichen Lebenssinns sowie die Hoffnung auf Gesundung. Die Ressourcen des Rehabilitanden sind immer wieder im Fokus der Behandlung. Als Ressourcen können unterschiedliche Bedingungen und Potentiale ("Kraftquellen") wirken, die ein Individuum oder ein soziales System zur Gestaltung und zum Gelingen des Zusammen-/Lebens sowie zur Gestaltung der Identität nutzen kann Auf der Grundlage der Psychotherapierichtlinien und einer lösungs- und ressourcenorientierten Herangehensweise ist es möglich, passende Ziele mit dem Patienten zu entwickeln, konstruktive Maßnahmen zu empfehlen und positive Behandlungsergebnisse zu erzielen. Das Vertrauen der Patienten in ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation wird gestärkt. Das Spektrum der Zugehensweise der Therapeuten auf den Patienten reicht von motivierender Beratung über Anleitung, Kompetenzvermittlung und Begleitung (Umgang mit nicht Veränderbarem) und Erwachsenenbildung bis hin zu reinem auftragsorientiertem Handeln (Therapie, Training). Die vom Patienten erlebten Probleme werden im Kontext von familiären und anderen sozialen Systemen betrachtet. Die Förderung von Kompetenzen und Lösungsstrategien muss die sich möglicherweise daraus ergebenden Konsequenzen für den Patienten innerhalb seines sozialen Umfeldes beachten; dies schließt auch die Würdigung von Loyalitäten, vor allem in den familiären Bindungen, mit ein. Zur Realisierung der genannten Grundhaltungen bedarf es der Bereitstellung möglichst günstiger Rahmenbedingungen, die sich unter anderem in der möglichst einfachen, unkomplizierten, transparenten und verbindlichen Art der Beziehungsgestaltung präsentieren. Der Rehabilitationsprozess ist in der Fachklinik Hirtenstein klar in die unterschiedlichen helfenden Systeme differenziert: Therapie, Beratung, Begleitung, Wissensvermittlung, Arbeitstherapie, Sport, kreatives Gestalten, Freizeitgestaltung, soziale Kontrolle. Mit der kontinuierlichen Verbesserung der Eigenmotivation, der Entwicklung eines Verständnisses für Eigenverantwortung bezüglich Therapie und daraus resultierend für das gesamte Leben und die damit verbundene Stärkung der Persönlichkeit des Patienten werden wesentliche Ressourcen als unverzichtbare Hilfesysteme entwickelt. 7. Struktur des Rehabilitationsprogramms Prinzipiell sind körperliche, psychische und soziale Behandlung innerhalb der Gesamtrehabilitation gleich gewichtet. Es wird zwischen obligatorischen und fakultativen Maßnahmen unterschieden. 8. Behandlung von Comorbiditäten Comorbiditäten werden mitbehandelt, sofern es sich um keine akuten Psychosen handelt. Entsprechende Vordiagnosen werden streng beachtet. Im Vordergrund der mitbehandelbaren Doppeldiagnosen stehen · Persönlichkeitsstörungen · Angststörungen · Zwänge · Depressionen. 8.1. Persönlichkeitsstörungen Im Rahmen der Behandlung suchtkranker Patienten nehmen die in der klassischen analytischen Psychopathologie unter dem Begriff „frühe Störungen“ subsumierten Persönlichkeitsstörungen (als Strukturneurosen im Gegensatz zu Symptomneurosen wie Ängste, Zwänge und Depressionen) einen wichtigen Stellenwert ein. Dabei halten wir die Unterscheidung zwischen Persönlichkeitsänderungen, die sich in der Folge körperlicher oder lebenskritischer Einflüsse im Erwachsenenalter ausbilden (unter anderem infolge der Suchterkrankung), und Persönlichkeitsstörungen als frühkindlich erworbene oder genetisch bedingte psychische Dispositionen wegen unterschiedlicher therapeutischer Implikationen für bedeutsam. Persönlichkeitsstörungen schlagen sich nieder in grundlegenden, relativ stabilen Einstellungen und Verhaltensmustern auf dem Hintergrund mangelnder Impulskontrolle, veränderter Affektivität, Wahrnehmung und Denkweisen und werden gemäß unterschiedlicher Merkmalsausprägungen dieser Kategorien in eine Reihe von Untergruppen (wie emotional instabile, ängstliche, abhängige etc. Persönlichkeitsstörungen) eingeordnet und klassifiziert. Gemeinsam ist ihnen die weit reichende Beeinträchtigung der Beziehungsfähigkeit und des Selbstwertgefühls. Bei der Psychodiagnostik von Persönlichkeitsstörungen orientieren wir uns an den von Fiedler (2004) entwickelten Kriterien und vergeben diese Diagnose nur, „wenn die betreffende Person selbst unter ihrer Persönlichkeit leidet, und/oder wenn die betreffende Person wegen ihrer Persönlichkeitseigenarten ihre existenziellen Verpflichtungen nicht mehr erfüllt, was zumeist (und/oder) heißt, wenn die betreffende Person mit Ethik, Recht und Gesetz in Konflikt geraten ist und deren Probleme mit Persönlichkeitseigenarten begründet werden können, und/oder wenn Persönlichkeit(-sstil oder –sstörung) das Risiko der Entwicklung oder Verschlechterung einer psychischen Störung impliziert: Depression, Dissoziation, Suizidalität etc.“ Die Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen stellt erfahrungsgemäß hohe Anforderungen an das klassische therapeutische Setting und an die therapeutischen Kapazitäten. Die systemisch lösungsorientierte Psychotherapie verlässt auf der Grundlage ihres ressourcen- und kompetenzorientierten Verständnisses das pathozentrische Erklärungsmodell der klassischen Psychopathologie. Sie erlaubt es uns, die Persönlichkeit des Patienten nicht als Problem, sondern als seine Ressource zu verstehen, und so das Lösungspotential seiner Sicht- und Erlebensweisen für den therapeutischen Prozess zu würdigen. Im therapeutischen Kontext unserer Einrichtung gelingt es nicht selten, schwierig anmutende Persönlichkeitseigenschaften als akzentuierte persönliche Stärken zu deuten. In der therapeutischen Arbeit sehen wir konzeptionell von Konfrontation ab und orientieren uns am Auftrag des Patienten, auch wenn es auf den ersten Blick als nicht indiziert erscheint. Gerade das flexible Setting der systemisch orientierten Psychotherapie hilft, die „Bedingungen der Möglichkeiten von Veränderungen“ (im Sinne des „generischen Prinzips“ von SCHIEPEK 1999) aufrechtzuerhalten, gerade wenn die strukturellen Besonderheiten des Patienten das therapeutische Arbeitsbündnis zu unterminieren drohen. 8.2. Angststörungen Angst lässt sich als eine existentielle Erfahrung des Menschen beschreiben, die eine Bewusstseinsleistung voraussetzt. Phänomenologisch ist Angst durch ein Gefühl von Beklemmung, Unsicherheit und unruhevoller Spannung, mitunter auch Lähmung sowie eine Reihe vegetativer Symptome (Herzklopfen, Schweißausbruch, Erstickungsgefühl, Mundtrockenheit, Schwindelgefühl) gekennzeichnet. Philosophisch kann man Angst als ein Grundgefühl des Menschen betrachten, das eine Erschütterung seiner Existenz bewirkt oder anzeigt (nach Haring (1989), S. 34). Gemäß der psychoanalytischen Vorstellung wirken insbesondere die Erschütterung fest gefügter Vorstellungen, welche dem Individuum Halt und Sicherheit bieten, und das (Wieder-) Erleben ungelöster Konflikte als bedrohlich und angstauslösend. Auch aus systemischer Sicht birgt die Symptomatik einer Angststörung sowohl Hinweise auf aktuell nicht hinreichend gelingende Lösungsbemühungen hinsichtlich der Anpassung des Systems an sich verändernde Lebenskontexte (Symptom als Problemindikator) als auch auf Lösungsressourcen im Sinne notwendiger Strukturveränderungen des Systems (Symptom als Lösungsversuch im Sinne der Reorganisation des Systems), welche weitere Lösungen und Probleme erzeugen bzw. mit sich bringen können. Im Verlauf der Therapie sind die vielfältigen Lösungsfunktionen und –merkmale der Angst zu würdigen, insbesondere die aktivierende und vitalisierende Funktion sowie der Signal- und Schutzcharakter der Angstsymptomatik im Sinne der Foucaultschen Selbstsorge. Die häufige Koinzidenz von Angst(störungen) und Sucht macht auf dem Hintergrund sich wechselseitig verstärkender Wirkungszusammenhänge Sinn: Zum einen kann die sedierende und anxiolytische Wirkung des Suchtmittels die Wahrnehmung der Angst nur temporär und unzureichend unterdrücken, zum anderen befördert die Abhängigkeitsentwicklung neue existentielle Gefährdungen, welche sich als Angst vor z. B. Arbeitsplatzverlust, Gefährdung der Leistungsfähigkeit und Gesundheit, Verschlechterung/Verlust sozialer Beziehungen und vieles mehr manifestieren. Die Entstehung einer Angstsymptomatik lässt sich aus systemischer Sicht wie folgt beschreiben: jede Veränderung im System, die von einem oder mehreren Mitgliedern des Systems als existentielle Erschütterung konnotiert wird, kann das Gleichgewicht des Systems gefährden. Eine solche angstauslösende Veränderung kann ein belastendes Lebensereignis sein (Anpassungsstörung) oder bereits im Verzicht auf ein Suchtmittel bestehen (wie er jedem Patienten mit Beginn der Entwöhnungstherapie abverlangt wird). Häufig tritt Angst auch in Verbindung mit Depression und Persönlichkeitsstörungen auf. Ungeachtet der Komplexität der Symptomatik orientiert sich die systemische Psychotherapie an der Vorstellung, dass das jeweilige Symptom grundsätzlich die Funktion der Aufrechterhaltung der Struktur des Systems hat. Das Therapieziel besteht folglich darin, möglichst günstige Bedingungen für eine Veränderung der Systemstruktur zu schaffen. Therapeutische Interventionen verstehen wir (von daher) als "Verstörungen" bzw. Anregungen zur Änderung von z.B. Glaubenshaltungen, Regeln oder Interaktionsmustern eines Systems, auf welches dieses mit einer Strukturänderung antwortet. Im Idealfall ändert sich die Systemstruktur in der Weise, dass die Symptome bzw. das problematische Verhalten ihre Funktionen verlieren. 8.3. Zwänge Als Zwang definiert die Psychiatrie "Gedanken, Vorstellungen oder Handlungsimpulse (die) sich innerhalb des Erlebens gegen Widerstand durchsetzen" (Haring (1989), S. 48). Die klinisch-diagnostischen Leitlinien des ICD-10 unterscheiden zwischen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Wesentliches Diagnosemerkmal ist – neben der Ichsyntonie der Symptomatik und der charakteristisch als unangenehm oder sinnlos erlebten Qualität der Zwangsgedanken und – handlungen die stereotype Wiederholung der Zwangsimpulse (Andrängen der Gedanken, Zwangsrituale) – das Kriterium des Widerstands, welchen der Patient mindestens einem Zwangsgedanken/einer Zwangshandlung entgegensetzt, wenn auch mit wechselndem Erfolg. Während bei der Angst in der Regel die Inhalte der Befürchtungen des Patienten im therapeutischen Diskurs relativ gut zugänglich sind und die Sinnhaftigkeit der Angstsymptomatik im Verlauf der Problemdekonstruktion gewürdigt werden kann, steht bei Zwangsstörungen anfangs oftmals die Würdigung des Widerstands des Patienten im Fokus der Betrachtung. Aus systemischer Sicht kann man auch die Zwangssymptomatik selbst als Lösung betrachten im Sinne einer Strukturierung der Alltagskomplexität und Reduktion ihrer angstauslösenden Aspekte. Therapeutische Angebote wie Reframing und die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf Ausnahmen eröffnen dem Patienten die Möglichkeit der Einflussnahme auf sein bisher als unwillkürlich (unwiderstehlich) erachtetes Verhalten. An die Stelle der Kontrolle des Zwangssymptoms tritt die Würdigung des Symptoms als Bestandteil eines steuerbaren Prozesses. Ziel der Therapie ist damit die autonome Prozesssteuerung durch den Patienten. 8.4. Depressionen Bei der Depression handelt es sich um ein in Verbindung mit der Sucht häufig auftretendes psychisches Phänomen mit einer vielfältigen Symptomatik, die sich durch niedergestimmte Affektivität, Antriebsarmut, eingeengte, negative Sicht und Denkweisen sowie einer Reihe typischer vegetativer Begleiterscheinungen (Schlafstörungen, Erschöpfung, etc.) auszeichnet. In der klassischen analytisch orientierten Psychopathologie wurde das Phänomen der Depression als missglückte Umgangsweise mit Verlusterlebnissen gedeutet (im Sinne einer abnormen Trauerreaktion), das durch ein kritisches Lebensereignis ausgelöst wird und frühkindliche Bindungs- und Trennungskonflikte reaktiviert. In Zusammenhang mit der Suchterkrankung begegnen wir spezifischen Verlusterfahrungen wie dem Verlust gesundheitlicher Faktoren in Form von physischen und psychischen Folgen des Suchtmittelkonsums, dem Verlust familiärer und sozialer Bindungen sowie schmerzhaften beruflichen und wirtschaftlichen Einbußen. Nicht zuletzt ist mit dem durch die Abstinenzentscheidung erfolgten Wegfall des langjährigen „Weggefährten Alkohol“ eine Trauerreaktion impliziert, deren Thematisierung sich im suchttherapeutischen Prozess als überaus wichtig im Sinne der Abstinenzstabilisierung erweist. Ausgehend vom letzten Beispiel wird die Bedeutung einer kritischen Würdigung und Nutzung des der Depression innewohnenden Lösungspotentials im Sinne des systemisch lösungs- und ressourcenorientierten Therapieansatzes für die suchttherapeutische Praxis deutlich. Depression wird demzufolge aus dem Kontext des Sucht- und Lebensverlaufs des Patienten als Lösungsversuch konnotiert unter dem Aspekt des Selbstschutzes durch „Verlangsamung“ und „Entschleunigung“ sowie der Dämpfung des subjektiven Lebensgefühls mit dem impliziten Ziel einer „Enttäuschungsprophylaxe“. Im Rahmen einer dergestalten Würdigung der Funktionalität der depressiven Symptomatik als Lösungsversuch einer als oftmals ausweglos erscheinenden kritischen Lebenskonstellation wird die Grundlage geschaffen, sich im therapeutischen Prozess auf die Sichtweisen und Konstrukte des Patienten einzulassen, die von Negativität sich, dem sozialen Umfeld und der Zukunft gegenüber geprägt ist und die nunmehr unter Zuhilfenahme kognitiv therapeutischer Vorgehensweisen diskursiv herausgefordert und einer systemisch-lösungsorientierten Dekonstruktion unterzogen wird. Weiterhin liegt ganz im Sinne der systemischen Tradition auch in Zusammenhang mit der Depression das Augenmerk der therapeutischen Betrachtung auf der Herausarbeitung von Ausnahmen und Unterschieden im „depressiven Erleben“, um so den „Möglichkeitssinn“ des Patienten für eine potentielle symptom- und damit suchtmittelfreie Zukunft zu reaktivieren. 9. Sucht und Migration Die Angebotsstruktur im Sozial- und Gesundheitswesen hat sich nicht zuletzt nach der Verabschiedung des neuen Zuwanderungsgesetzes auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe einzustellen. Die Fachklinik Hirtenstein zeigt die Bereitschaft und das Interesse, sich in ihrem Mitarbeiterteam aktiv mit dieser Entwicklung auseinanderzusetzen und ihre Konzeption diesbezüglich fortzuschreiben. Sie bietet uns zudem die Möglichkeit, in einem Prozess der schöpferischen, sozialen Konstruktionsbildung (nach Jahren nicht zuletzt politischer Verdrängung dieser Thematik) unser Bewusstsein für Migration und ethnische Begegnung zu schärfen und so unsere Behandlungskonzeption den veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechend voranzutreiben. Der Anteil suchtkranker Migranten in der stationären Suchtarbeit ist mittlerweile so hoch, dass sich die Frage stellt, wie man den spezifischen Zielen dieser Gruppe besser gerecht werden kann. Die Aufgaben und Konfliktfelder, die diese Gruppe zu bewältigen hat, unterscheiden sich in besonderer Weise von denen anderer Patienten: Entwurzelung, Erwartungsenttäuschung, Sprachbarrieren, höhere Anforderungen der Existenzsicherung und stark kontrastierende Wertekanons prägen die Identitätsfindung und färben die intrafamiliären Konflikte von Migranten. Neben dem spezifischen Risikoprofil dieser Gruppe gibt es eine Reihe von Resilienzfaktoren, die es im Sinne der systemischlösungsorientierten Therapie herauszuarbeiten gilt: Stärkeres soziales Netz, klarer Wertekanon, enge familiäre Bindungen und die Möglichkeit eines sprachlichen und kulturellen Zugewinns vor dem allgemeinen Hintergrund des Zusammenrückens der Gesellschaften. In der therapeutischen Arbeit geht es nunmehr darum, den Kontext für die Migration genauer zu betrachten und die ihr innewohnenden progressiven Potentiale zur Gestaltung eines abstinenten Neuanfangs zu erschließen. Die systemisch-lösungsorientierte Herangehensweise bietet uns eine Reihe bewährter Ansatzpunkte, um effektiv mit suchtkranken Migranten und ihren Familien zu arbeiten, unter anderem im Sinne der Erarbeitung von interkulturellen Handlungs- und Konfliktlösungsstrategien, der Bewältigung von Ablösungs- und Generationenkonflikten sowie der Unterstützung bei der Ausbildung einer gelungenen interkulturellen Identität. Die Herausarbeitung von Differenzen und Ausnahmen und die Dekonstruktion von Lösungspotentialen im Sinne der systemischen Therapie drängt sich im interkulturellen Kontext geradezu auf, so dass in diesem Zuge weitere für den Therapieverlauf förderliche Hypothesen und Fragestellungen generiert werden können. 10. Psychotherapie in türkischer Sprache Eine besondere Spezialität der Fachklinik liegt im Angebot türkischsprachiger Einzelpsychotherapie; hier können durch Kenntnis der soziokulturellen Bedingungen der Patienten entsprechende Anliegen sachgerecht behandelt werden. Für die Teilnahme an Gruppen sind ausreichende deutsche Sprachkenntnisse erforderlich. Die Patienten sind in die Patientenschaft integriert, Unterschiede ergeben sich gegebenenfalls in der Verpflegung.