FLUGS-Fachinformationsdienst Infektionen im Winter: Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? Herbst und Winter bringen Kälte, Wind und Niederschlag. Dieses Wetter beansprucht das Immunsystem stark. Der häufige Aufenthalt in geheizten Räumen mit trockener Luft tut sein Übriges: Die Schleimhäute sind unter diesen Umständen oft nicht ausreichend befeuchtet, um Krankheitserreger abzuwehren: Bakterien und Viren können leichter als sonst in den Körper eindringen. Wenn sich viele Menschen nahe beieinander in geschlossenen Räumen aufhalten, finden die Erreger außerdem schnell neue Brutstätten zur Vermehrung. Oft besteht jedoch zwischen der Angst vor einem Erreger und dem tatsächlichen Infektionsrisiko ein großer Unterschied. Das folgende Informationspapier des FLUGS-Fachinformationsdiensts bietet einen Überblick, welche Erreger für die Menschen in Deutschland besonders in den Wintermonaten wirklich gefährlich werden können und vor welchen sich die Menschen zu Unrecht fürchten. Dargestellt sind Infektionswege, Krankheitsverlauf sowie die Höhe des Ansteckungsrisikos. 1. Echte Grippe – Influenza Die echte Grippe ist eine Infektionserkrankung, ausgelöst durch Influenzaviren der Gattung A (elektronenmikroskopische Aufnahme rechts), die Menschen und Tiere befallen können. Sie tritt alle ein bis drei Jahre epidemisch (stark gehäuft, aber örtlich und zeitlich begrenzt) und im statistischen Mittel alle zwölf bis 24 Jahre pandemisch (stark gehäuft, sich über mehrere Länder ausbreitend) auf. Die Typen B und C infizieren nur Menschen und führen zu sporadischen Erkrankungen. Anders als so genannte grippale Infekte, die meist harmlos verlaufen, kann die Influenza vor allem bei alten und geschwächten Menschen zu schweren Erkrankungen mit gefährlichen Komplikationen führen. Influenzaviren schädigen die Atemwege und ermöglichen den weiteren Eintritt von Viren oder Bakterien in den Körper. Die Erkrankung beginnt plötzlich mit hohem Fieber, Frösteln, Rachenbeschwerden, Kopf-, Glieder-, Nacken- und Kreuzschmerzen, Heiserkeit und trockenem Husten. Vor allem der dauerhafte Reizhusten schwächt das Immunsystem so stark, dass weitere so genannte Superinfektionen den Körper lebensgefährlich schädigen können. Jährlich verzeichnet das Robert-Koch-Institut durchschnittlich 10.000 Todesfälle durch das Influenzavirus. Damit ist das Risiko, an den Folgen einer Grippe zu sterben, doppelt so hoch wie die Gefahr, bei einem Verkehrsunfall – hier starben laut Statistischem Bundesamt in Deutschland etwa 5.100 Menschen – ums Leben zu kommen. Die Übertragung der hochinfektiösen Influenzaviren erfolgt durch Tröpfcheninfektion, vor allem beim Sprechen, Husten oder Niesen. Auch über die Luft oder durch Händeschütteln und anschließenden Kontakt mit Mund oder Nase können die Viren auf die Schleimhäute der Kontaktperson gelangen. Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs - 2 - Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? - Erreger, über die man besonders im Winter spricht Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Tage, wobei infizierte Personen bereits einige Stunden vor den ersten Beschwerden und drei bis fünf Tage nach Auftreten der ersten Symptome ansteckend sind, bei Kindern ist dieser Zeitraum verlängert. Besonders häufig betroffen sind jedes Jahr ältere Menschen mit Kreislaufkrankheiten und jüngere Personen mit Herzklappenfehlern oder chronischer Bronchitis. Generell wird diesen Gruppen ebenso wie allen Menschen ab 60 Jahren, Personen mit erworbener oder angeborener Immunschwäche, Stoffwechselerkrankungen sowie Asthmakranken und Personengruppen, die beruflich mit vielen Menschen in Kontakt kommen, dringend die Grippe-Schutzimpfung empfohlen. Bester Impfzeitpunkt ist der Monat November, um einen ausreichenden Schutz aufzubauen. Aber auch noch zu Beginn der Grippesaison ist Impfen sinnvoll: Selbst wenn es innerhalb der ersten zwei Wochen nach einer Impfung zur Infektion kommt, ist der Krankheitsverlauf abgeschwächt. Da sich Influenzaviren ständig verändern, wird der Impfstoff jedes Jahr angepasst. Auf der Nordhalbkugel kommt es vor allem von Dezember bis April häufig zu Grippe-Epidemien, weil sich Influenzaviren in trockener, kalter Winterluft besser verbreiten als unter warmen, feuchten Bedingungen. 2. Lungenentzündung – Pneumonie Eine Pneumonie ist eine akute, infektiöse Erkrankung des Lungengewebes. Die Übertragung der Erreger erfolgt meist über die Luft, seltener über den Blutweg. Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten können diese Entzündung verursachen. Die bekanntesten viralen Erreger sind Grippe (Influenza-)- und Adenoviren. Besonders häufig sind bakterielle Infektionen durch Pneumokokken, Hämophilus influenza, Mykoplasmen und Chlamydien. Aber auch eine anfänglich virale Pneumonie kann durch eine Superinfektion mit Bakterien kompliziert werden. Je nach klinischem Krankheitsbild unterscheidet man zwischen typischer und atypischer Pneumonie. Erstere wird durch Pneumokokken und andere Bakterien ausgelöst, beginnt akut mit Fieber und Schüttelfrost, Husten und Auswurf. Bläuliche Verfärbungen von Lippen und Fingernägeln sind Zeichen einer Zyanose, also einer ungenügenden Sauerstoffaufnahme in den entzündeten Lungenbläschen. Atypische Pneumonien sind durch Viren oder besondere Bakterien (Legionellen, Chlamydien, Mycoplasmen) bedingt, die Erkrankung beginnt meist langsamer mit grippeähnlichen Symptomen und allmählich steigendem Fieber. Beidseitige Lungenentzündung durch Legionella pneumoniae. Foto: CDC. Auch Lungenentzündungen treten vor allem im Herbst und Winter auf. Grundsätzlich kann jeder daran erkranken, besonders gefährdet sind jedoch Säuglinge, Kleinkinder, ältere oder abwehrgeschwächte Menschen. Für letztere sowie chronisch kranke Personen werden Impfungen gegen Pneumokokken und Influenzaviren empfohlen. Pneumonien führen verglichen mit anderen Infektionskrankheiten in den industrialisierten Ländern am häufigsten zum Tod, 2006 waren sie die siebthäufigste Ursache unter allen Todesumständen. Dem Statistischen Bundesamt wurden 2006 19713 Todesfälle durch Lungenentzündungen gemeldet. Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? - Erreger, über die man besonders im Winter spricht 3. Häufige Magen-Darm-Infektionen – Gastroenteritiden 3.1 Viral bedingte Gastroenteritis Virale Durchfallerreger haben im Winter Hochkonjunktur; sie können in kühler, feuchter Luft besonders gut überleben. Etwa ein Drittel aller infektiösen Durchfallerkrankungen werden durch Viren verursacht. Kinder sind besonders oft davon betroffen. Die häufigsten Erreger sind Rota-, Noro- und Adenoviren. Die Viren dringen in die Darmzellen (Enterozyten) ein und verursachen eine entzündliche Reaktion des Körpers. Daraufhin zerstören die menschlichen Abwehrzellen befallene Enterozyten oder beeinflussen deren Funktion. Rotaviren Rotaviren sind die häufigste Ursache für akute Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern weltweit. Sie können heftige Durchfälle auslösen und machen nicht selten eine kurze Krankenhausbehandlung notwendig, um den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt auszugleichen. Die Inkubationszeit beträgt 24 bis 72 Stunden. Durchfälle und Erbrechen können vier bis fünf Tage anhalten, außerdem kann Fieber bis 39 Grad Celsius auftreten. Vor allem für ältere Menschen und Kinder kann die Kombination von Fieber und Durchfall lebensgefährlich sein. Obwohl Rotaviren alle Menschen infizieren können, erkranken am häufigsten Säuglinge und Kleinkinder bis zu drei Jahren. Kleinkinder – wie auch ältere Menschen – haben das höchste Komplikationsrisiko, denn sie haben kaum die Möglichkeit, durch Umverteilung vom körpereigenen Wasservorrat zu zehren, ihre Körper trocknen bei länger anhaltenden Brechdurchfällen besonders schnell aus. Bei schweren Verlaufsformen kann es zu Störungen des Elektrolyt- und des körpereigenen Säure-Base-Haushalts kommen, was im extremen Fall zu Organversagen führen kann. Um das zu verhindern muss bei Säuglingen und Kindern, die keinerlei Nahrung beziehungsweise Flüssigkeit bei sich behalten, die Flüssigkeitszufuhr über einen Tropf aufrecht erhalten werden. Bei weniger extremen Fällen, ohne Krankenhausaufenthalt, führt man einen langsamen Nahrungsaufbau durch. Zwar gibt es seit 2006 zwei orale Impfstoffe gegen Rotaviren, diese sind jedoch nicht generell von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen. Bis zur 44. Kalenderwoche 2007 wurden dem Robert Koch-Institut 51.329 Erkrankungen durch Rotaviren sowie 129.050 Erkrankungen durch Noroviren (siehe unten) gemeldet. Noroviren Noroviren sind die zweithäufigsten Übeltäter, sie verursachen bei Kindern etwa ein Drittel aller durch Viren ausgelösten Magen-DarmInfekte. Sie sind überaus resistent und extrem ansteckend. Die Erkrankung beginnt mit abrupt einsetzendem heftigem Erbrechen und Durchfall, begleitet von Bauch- und Kopfschmerzen, Fieber tritt nur selten auf. Die Symptome klingen nach 24 bis 72 Stunden wieder ab. Allerdings bleibt der Patient bis zu zwei Tage danach ansteckend, da er noch Erreger im Stuhl ausscheidet. Für die Übertragung der Keime reicht aber schon der Kontakt mit Erbrochenem oder kontaminierten Gegenständen (z.B. Türklinken an Toiletten!) oder der Verzehr verunreinigter Lebensmittel. Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs -3- - 4 - Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? - Erreger, über die man besonders im Winter spricht Weil für Kleinkinder und ältere oder kranke Menschen die Toilettenhygiene schwieriger ist, kann sich das Virus in Kindereinrichtungen, Krankenhäusern und Seniorenheimen besonders schnell ausbreiten. Eine Impfung gegen Noroviren gibt es nicht. Adenoviren Bis zu zwölf Prozent aller Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kindern werden durch Adenoviren verursacht. Die Keime werden von Mensch zu Mensch über Schmierinfektion übertragen und sind gegen Umwelteinflüsse und einfache Desinfektionsmittel recht stabil. Von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung vergehen in der Regel fünf bis acht Tage. Der Krankheitsverlauf ist meist mild. Eine Impfung gegen Adenoviren gibt es nicht. 3.2 Bakteriell bedingte Gastroenteritis Anders als die oben beschriebenen Viren vermehren sich bakterielle Erreger von Magen-Darm-Infekten vor allem in den warmen Sommermonaten. Salmonellen, Yersinien und Escherichia coli-Bakterien sind Deutschland die häufigsten Auslöser von bakteriellen Gastroenteritiden. Salmonellen Salmonellen befinden sich vor allem in tierischen Produkten von Geflügel, Rindern und Schweinen. In unseren Breiten sind sie die häufigste Ursache für bakteriellen Brechdurchfall. Schon wenige Stunden bis zu drei Tage nach der Infektion zeigen sich die Symptome: Wässriger Durchfall, der im weiteren Verlauf auch blutig sein kann, Bauchschmerzen, manchmal Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Die Symptome dauern in der Regel nur wenige Stunden oder Tage an. Keime werden von den Erkrankten etwa drei bis sechs Wochen ausgeschieden, von Säuglingen sogar über Monate. Bei Kindern und älteren Menschen besteht eine hohe Ansteckungsgefahr und die Infektion verläuft oft schwer. Zur Therapie sind nur in bestimmten Fällen Antibiotika geeignet. Eine (Reise)-Impfung ist nur gegen Salmonella typhi möglich, dem Erreger des Typhus, der in unseren Breitengraden kaum vorkommt. Yersinien Yersinien werden über kontaminierte Lebensmittel oder direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Sie kommen im Darm vieler Haustiere vor und verursachen fünf bis sieben Tage nach einer Infektion beim Menschen Übelkeit, Erbrechen, krampfartige Bauchschmerzen und Durchfälle. Nach sieben bis neun Tagen heilt die Infektion meist spontan aus. Wie bei Salmonellen-Infektionen kann es allerdings auch bei Yersinien-Infektionen bei überschießenden Immunreaktionen zu Hauterscheinungen und Gelenkentzündungen kommen, oder bei Abwehrschwäche oder Diabetes mellitus zu Abszess-Absiedelungen im Bauchraum. Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? - Erreger, über die man besonders im Winter spricht Escherichia coli (E. coli) Eigentlich machen E. coli-Bakterien unsere gesunde Darmflora aus. Einige aggressive Vertreter dieser Familie bilden jedoch Giftstoffe, die den Transport von Wasser und Elektrolyten (besonders Natrium und Kalium) durch den Darm negativ beeinflussen und so zu wässrigen Durchfällen, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen führen. Säuglinge, Kleinkinder, alte und abwehrgeschwächte Menschen erkranken erfahrungsgemäß häufiger schwer und mit Komplikationen. Die Keime werden von Mensch zu Mensch über Schmierinfektion verbreitet, auch über verunreinigte Nahrungsmittel, Wasser und Rohmilch. Schon einige Stunden bis wenige Tage nach der Infektion können teils schmerzhafte, manchmal blutige Durchfälle auftreten. Eine Schutzimpfung gibt es nicht. Nur bei ganz bestimmten E. coli-Bakterien sind Antibiotika zur Therapie hilfreich; bei anderen E. coli-Formen dürfen sie nicht gegeben werden, weil sich die Giftwirkung der Bakterien-Produkte verstärken kann. Eine genaue Erregerbestimmung ist deshalb wichtig. 4. Hirnhautentzündung – Meningitis Die Meningitis ist eine seltene Entzündung der weichen Hirn- und Rückenmarkshäute (Meningen), die schwerwiegende Folgen mit lebensbedrohlichen Komplikationen mit sich bringen kann. Sie beginnt mit starkem Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit, hohem Fieber, Erbrechen, Schüttelfrost, Gelenk- und Muskelschmerzen. Darauf können relativ rasch Krämpfe oder Bewusstseinsstörungen folgen. Als typisches Zeichen einer Hirnhautentzündung tritt Nackensteifigkeit auf. Bewusstseinstrübung, punktförmige Hautblutungen und Kreislaufkollaps sind Hinweise auf einen lebensbedrohenden Krankheitsverlauf. Die Erreger können nur bei engem Kontakt mit dem Keimträger über infizierte Sekrete übertragen werden. Die Inkubationszeit beträgt drei bis vier, seltener zwei bis zehn Tage. Entscheidend für den Therapieerfolg ist eine möglichst frühe Behandlung mit Antibiotika. Eine Meningitis kann sowohl durch Bakterien als auch durch Viren ausgelöst werden. Bakterielle Hirnhautentzündungen verlaufen oft schwerwiegend und können bleibende Schäden hinterlassen. Anfällig für eine durch Meningokokken (Neisseria meningitidis; Foto rechts) verursachte Erkrankung sind vor allem Kinder im Alter bis fünf Jahre (35 bis 40 Prozent aller Erkrankten), Jugendliche von 15 bis 19 Jahren (drei bis vierfacher Erkrankungsprozentsatz) sowie Personen mit geschwächtem Immunsystem. Die MeningokokkenMeningitis führt bei zehn bis 20 Prozent der Patienten zu Komplikationen, die beispielsweise zu psychosomatischen Entwicklungsstörungen, aber auch zum Tod führen können (Letalität: bei isolierter Meningikokken-Meningitis 3 %, bei Sepsis 10 %, bei Sepsis und Waterhouse-Friderichsen-Syndrom 35 %). Impfstoffe stehen gegen Meningokokken der Serogruppen A und C beziehungsweise A, C, W135 und Y zur Verfügung. Bester Impfzeitpunkt ist der Herbst, da sich Meningokokken-Infektionen – wie alle über Tröpfchen übertragenen Erkrankungen – im Winter und Frühjahr häufen. Als weitere bakterielle Erreger kommen die auf den Nasen-RachenSchleimhäuten vorkommenden Pneumokokken und Hämophilus influenza in Frage, oder über Milchprodukte übertragene Listerien. Virale Meningitiden verlaufen meist banal, allerdings können sie rasch auf die Gehirnsubstanz übergreifen. Man spricht dann von Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs - 5 - - 6 - Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? - Erreger, über die man besonders im Winter spricht einer Meningo-Enzephalitis. Herpes-Viren oder das FrühsommerMeningoenzephalitis (FSME)-Virus (s. unten) können dauerhafte Schäden hinterlassen. Bis zur 44. Kalenderwoche 2007 wurden dem Robert Koch-Institut 360 Erkrankungen gemeldet. 5. Blasenentzündung – Zystitis Die Blasenentzündung ist eine bakterielle Erkrankung. Da Unterkühlung oder kalte Füße, die Infektion begünstigen, tritt auch sie besonders im Winter häufig auf. Weil Frauen eine deutlich kürzere Harnröhre als Männer haben, können die Bakterien bei ihnen leichter einwandern und sich einnisten. Etwa 50 Prozent aller Frauen erkranken mindestens einmal in ihrem Leben an einer Infektion der ableitenden Harnwege. Bei Männern sind bakterielle Harnwegsinfekte vor dem 50. Lebensjahr eher selten, danach treten sie wegen der erhöhten Zahl an Prostataerkrankungen vermehrt auf. Symptome einer Blasenentzündung sind Brennen beim Wasserlassen, ständiger Harndrang mit geringen Harnmengen und krampfartige Schmerzen. Symptomatische bakterielle Harnwegsinfekte müssen antibiotisch behandelt werden Da die Keime bis in die Niere wandern können und dort Nierenbeckenentzündungen hervorrufen können, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Eine reichliche Flüssigkeitsaufnahme, die eine vermehrte Harnausscheidung anregt, senkt das Risiko dieser Infektion. 6. FSME – Frühsommer-Meningo-Enzephalitits Die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) ist eine entzündliche Erkrankung des Gehirns oder der Hirnhäute. Sie wird durch das FSME-Virus (Foto rechts unten) ausgelöst, das über einen Zeckenbiss übertragen werden kann. Nach einer erfolgten Infektion treten bei etwa 30 Prozent der Infizierten Krankheitserscheinungen auf, die einen biphasischen Verlauf haben: Nach grippeähnlichen Symptomen mit mäßigem Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen und Schwindelgefühl, folgt ein fieberfreies Intervall von etwa einer Woche. Bei etwa zehn Prozent der infizierten Personen entsteht dann eine Meningo-Enzephalitis, die mit Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Psychosen einhergeht, aber auch zu Lähmungen und zum Koma führen kann. Nach Ausbruch der Krankheit ist eine Therapie sehr schwierig. Dennoch kann es trotz monatelanger schwerer Symptome zur völligen Heilung kommen. Etwa ein bis zwei Prozent der Krankheitsfälle, bei denen das Zentrale Nervensystem befallen ist, führen zum Tod. Gegen FSME gibt es eine Impfung. Die ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung Personen, die in FSME-Risikogebieten Zecken exponiert sind sowie beruflich durch FSME gefährdeten Personenkreisen (Laborpersonal, Forst- und Landwirschaftsarbeiter). Um eine ausreichende Immunität zu Beginn der Zeckenzeit im Frühjahr sicher zu stellen, beginnt man mit der Impfung am besten im Winter. Bis zur 44. Kalenderwoche 2007 wurden dem Robert Koch-Institut 221 Erkrankungen gemeldet. Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? - Erreger, über die man besonders im Winter spricht 7. Vogelgrippe – Aviäre Influenza A / H5N1 Die Vogelgrippe wird wie die echte Grippe durch Influenzaviren ausgelöst, allerdings durch den Subtyp Influenza A / H5N1. Dieser löst vor allem bei Vögeln – speziell bei eng gehaltenem Geflügel – die so genannte Vogelgrippe aus. Wie alle anderen durch Influenzaviren verursachten Geflügelkrankheiten handelt es sich auch bei dieser Unterform um eine meldepflichtige Tierseuche. Nur in seltenen Einzelfällen ist das A / H5N1-Virus (Foto rechts) im Ausland auch auf Säugetiere und den Menschen übertragen worden. Betroffen waren Personen mit intensivem Kontakt zu infizierten Tieren, etwa beim Schlachten, also beim Umgang mit Blut und Kot sowie Einsatzkräfte, die mit der Beseitigung infizierter Tiere befasst sind. Generell wird geraten, direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Ausscheidungen zu meiden. Kommt es trotz Vorsichtsmaßnahmen zu einer direkten Berührung, sollen Hände und Kleidungsstücke gründlich gereinigt und bei Grippesymptomen ein Arzt aufgesucht werden. Grundsätzlich stellt das Virus für die Allgemeinbevölkerung in Deutschland jedoch ein äußerst geringes Risiko dar. Von Mensch zu Mensch kann das Virus nicht übertragen werden. Seit 2003 hat sich die Vogelgrippe vor allem unter Geflügelbeständen in Asien aber zunehmend auch in Europa ausgebreitet. Vor allem im Winter gibt es auch infizierte Vögel in Deutschland. Der Grund: Das Virus überlebt bei Kälte und der geringeren UV-Strahlung der Sonne im Winter länger als bei warmen Temperaturen. Außerdem sind Wasservögel als potenzielle Virusüberträger im Winter durch die Kälte geschwächt und leben auf den wenigen eisfreien Stellen enger als sonst zusammen, so dass die Ansteckungsgefahr unter den Tieren steigt. Derzeit gibt es keinen Impfstoff gegen das A / H5N1-Virus, jedoch kann eine Schutzimpfung gegen das Influenzavirus für Personen mit engem Kontakt zu Geflügel in Risikogebieten sinnvoll sein: Sie verhindert eine gleichzeitige Infektion von Influenza- und dem H5N1Virus und damit die Möglichkeit einer Neukombination der Viren, in deren Folge ein von Mensch-zu-Mensch übertragbares Virus entstehen könnte. Bis zur 44. Kalenderwoche 2007 wurde – wie in den Vorjahren – dem Robert Koch-Institut keine Erkrankung gemeldet. 8. Kinderkrankheiten In den Winter- und Frühjahrsmonaten häufen sich auch klassische Kinderkrankheiten. Sie sind hoch ansteckend und treten deshalb meist schon im Kindesalter auf. Infizieren können sich aber auch Erwachsene – unter Umständen mit schwerwiegenden Komplikationen. Meist besteht bereits Ansteckungsgefahr bevor die Krankheit ausgebrochen ist. Nach einer durchlebten Erkrankung ist die entsprechende Person typischer Weise ein Leben lang gegen den spezifischen Erreger immun. Eine Aunahme ist das Herpes-Zoster (Windpocken)-Virus (Foto rechts), das in Nervenknoten persistiert und bei Wiederausbruch einen schmerzhaften Herpes zoster verursachen kann. Eine andere Ausnahme ist der Keuchhusten (Pertussis): Hier schützt das Immunsystem nach zehn bis 20 Jahren nicht mehr ausreichend vor einer neuen Infektion. Obwohl es gegen alle Erreger eine entsprechende Schutzimpfung gibt, erkranken immer mehr Jugendliche Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs - 7 - - 8 - Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? - Erreger, über die man besonders im Winter spricht und Erwachsene an Kinderkrankheiten. Einerseits, weil viele Eltern sich selbst und ihr Kinder nicht mehr konsequent impfen lassen, andererseits weil sich bei ungeimpften Kindern der Zeitpunkt der Ansteckung nach hinten verschiebt: In kleineren Familien ohne Geschwister, ist das Infektionsrisiko geringer. Zu den typischen Kinderkrankheiten gehören Masern, Mumps, Röteln, Keuchhusten und Windpocken. Masern – Morbilli Maserviren (Foto rechts) infizieren über Tröpfcheninfektion, die Inkubationszeit beträgt zehn bis 14 Tage. Masern führen zu einer generellen Abwehrschwäche, können mit schwerwiegenden Komplikationen einhergehen und Folgeschäden an verschiedenen Organen hinterlassen. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Gehirnhautentzündung kommen, die zu geistiger Behinderung oder zum Tod führen kann. Zudem können Lungenentzündung, Mittelohrentzündung sowie Infektionen des Kehlkopfes und der Luftröhre („MasernKrupp“) auftreten. Für Masern wird ein Kombinationsimpfstoff, der gleichzeitig gegen Mumps und Röteln schützt, empfohlen. Bis zur 44. Kalenderwoche 2007 wurden dem Robert Koch-Institut 470 Erkrankungen gemeldet. Mumps – Ziegenpeter, Parotitis epidemica Die Mumpsviren (Foto rechts) werden durch Tröpfcheninfektion übertragen und führen bei einer durchlebten Erkrankung zur lebenslangen Immunität. Während der Erkrankung kommt es zu einer schmerzhaften Entzündung der Ohrspeicheldrüsen (Parotitis) mit Schwellungen, Schmerzen und Fieber. Häufiger als bei Kleinkindern verläuft Mumps beim Erwachsenen mit Komplikationen. Die Erkrankung dehnt sich auf andere Organe aus, infiziert vor allem die Bauchspeicheldrüse, Gehirn oder Hirnhäute. Eine seltene, aber dennoch typische Folge der Erkrankung ist die meist einseitige, mitunter auch beidseitige Hörstörung. Besonders gefürchtet bei geschlechtsreifen Jungen und erwachsenen Männern: Die Hodenentzündung (Mumps-Orchitis), die bei gut einem Viertel der männlichen Erkrankten auftritt und zur Unfruchtbarkeit führen kann. In der Schwangerschaft kann die Infektion – vor allem wenn sie während der ersten drei Monate auftritt – eine Fehlgeburt auslösen. Für Mumps wird ein Kombinationsimpfstoff, der gleichzeitig gegen Masern und Röteln schützt, empfohlen. Röteln – Rubeola Die durch Tröpfcheninfektion übertragenen Rötelviren (Foto rechts) sind für Kinder meist relativ harmlos. Typische Symptome sind Fieber (selten über 39 Grad Celsius), Gelenkbeschwerden, Lymphknotenschwellungen (im Nacken) und der hellrote, feinfleckige Hautausschlag am ganzen Körper. Seltene, jedoch mit zunehmendem Lebensalter häufigere Komplikationen sind zum Beispiel Ohr-, Gehirn- und Gelenkentzündungen. Bei einer Infektion in der Schwangerschaft besteht das Risiko, dass die Viren auf das ungeborene Kind übertragen werden und bei ihm zu Fehlbildungen des Herzens und des Gehirns, zu Blindheit und Taubheit führen (RötelnEmbryopathie), oder Fehlgeburten ausgelöst werden. Für Röteln wird ein Kombinationsimpfstoff, der gleichzeitig gegen Masern und Mumps schützt, empfohlen. Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? - Erreger, über die man besonders im Winter spricht Windpocken – Varizellen, Wasserpocken Bei Windpocken handelt es sich um eine sehr ansteckende Infektionskrankheit, die per Tröpfcheninfektion, aber auch mit dem Wind übertragen wird. Wie bei den meisten Infektionskrankheiten gibt es anfangs ein uncharakteristisches Krankheitsstadium mit allgemeinem Krankheitsgefühl. Danach kommt es zu Fieber und dem typischen Hautausschlag mit linsengroßen rötlichen Flecken, die sich zu wasserhaltigen Bläschen umbilden. Der Ausschlag juckt heftig und kann – wenn er aufgekratzt wird – Narben hinterlassen. In der Regel erkrankt der Mensch nur einmal im Leben. In einigen Fällen überleben die Viren allerdings in den Nervenknoten und können – neu aktiviert, zum Beispiel bei Immungeschwächten aber auch völlig Gesunden – eine schmerzhafte Gürtelrose auslösen. Seltene Komplikationen sind: Entzündungen des Gehirns, der Lunge, des Mittelohrs oder des Herzmuskels. Kommt es bei einer Schwangeren zu einer Erkrankung, kann dies beim Kind zu Hautnarben, Augenmissbildungen und krankhaften Veränderungen des Gehirns führen. Ganz besonders schwere Konsequenzen kann es haben, wenn eine Schwangere fünf Tage vor der Geburt oder bis zu 48 Stunden danach erkrankt: 30 Prozent der zu diesem Zeitpunkt angesteckten Neugeborenen sterben. Gegen Windpockenviren gibt es eine Schutzimpfung. Keuchhusten – Pertussis Bei dieser hoch ansteckenden und vor allem langwierigen Infektionskrankheit erfolgt die Übertragung der Pertussis-Bakterien (Foto rechts: in-vitro-Kultur) durch Tröpfcheninfektion. Die Erkrankung beginnt wie eine harmlose Erkältung mit Schnupfen und Husten. Im weiteren Verlauf treten – meist nachts – die typischen, abgehackten Hustenanfälle (Stakkatohusten) auf, die vor allem bei Säuglingen zu Atemnot führen können. Seltene Komplikationen der Erkrankung sind Lungenentzündungen und neurologische Störungen. Je älter die erkrankte Person ist, umso höher ist jedoch die Wahrscheinlichkeit eines schwerwiegenden Verlaufs. Den besten Schutz bietet eine Impfung im Säuglingsalter. Ausgewählte Internetadressen Arbeitsgemeinschaft Influenza http://influenza.rki.de/ Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit http://www.lgl.bayern.de/ Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz http://www.stmugv.bayern.de aktuelle Informationen zu Infektionen, Epidemien und Impfschutz Bundesministerium für Gesundheit Informationen zur Vogelgrippe http://www.bmg.bund.de/cln_041/nn_604238/DE/Themenschwerpunkte/Gesundheit/Vogelgrippe/vogelgrippe-node,param=.html__ nnn=true Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs - 9 - Berechtigte Sorge oder unnötige Panik? - Erreger, über die man besonders im Winter spricht - 10 - CAPNETZ – Kompetenznetz ambulant erworbene Pneumonie http://www.capnetz.de/ Broschüre: http://www.capnetz.de/html/pneumonie/cap. pdf?tm=1199624820 Gesundheitsberichterstattung des Bundes http://www.gbe-bund.de Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung http://www.helmholtz-hzi.de/ Helmholtz Zentrum München, FLUGS-Fachinformationsdienst http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/FLUGS/PDF/Themen/Krankheitsbilder/Kindergesundheit.pdf http://www.gsf.de/flugs/Zecken.pdf http://www.gsf.de/flugs/Desinfektion.pdf Robert Koch-Institut - Empfehlungen der Ständigen Impfkommission http://www.rki.de/ -> Infektionsschutz -> Impfen -> Empfehlungen der STIKO; RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten - Merkblätter für Ärzte (Epidem. Bulletin 02/08) http://www.rki.de/cln_048/nn_969736/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2008/02__08,templateId=raw,property=publicationFile. pdf/02_08.pdf Weitere Informationen zu Rotaviren: http://www.rki.de/cln_048/nn_199596/DE/Content/Infekt/EpidBull/ Archiv/2007/Ausschnitte/Rota__02__07,templateId=raw,property= publicationFile.pdf/Rota_02_07.pdf http://www.rotavirus-info.de/content/ http://www.dgk.de/gesundheit/impfen-infektionskrankheiten/krankheiten-von-a-bis-z/rotavirus-erkrankungen/haeufigedurchfallerreger.html http://db.uni-leipzig.de/aktuell/index.php?pmnummer=2007293 Stand: 21.01.2008 Redaktion: FLUGS - Fachinformationsdienst Wiss. Beratung: Prof. Dr. Ulrike Protzer, Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Institut für Virologie Helmholtz Zentrum München – FLUGS-Fachinformationsdienst, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg Hotline: 089/3187-2710, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs