1 Bedeutungsbezogene Wissensrepräsentation Der Mensch besitzt die Fähigkeit, das Wesentliche eines Ereignisses zu behalten, ohne sich an die genauen Einzelheiten zu erinnern. Unser Gedächtnis besitzt die Fähigkeit, sich am Besten an das zu erinnern, was am wichtigsten ist. In der Kognitiven Psychologie wurde viel Forschung betrieben um die Wichtigkeit solcher bedeutungsbezogenen Erinnerungen nachzuweisen und aufzuzeigen, dass sie sich von der wahrnehmungsbezogenen Erinnerung unterscheiden. Zuerst kommt ein Überblick, dann möchte ich genauer auf 2 Arten bedeutungsbezogener Repräsentation eingehen: propositionale Strukturen, in denen bedeutsame Informationen über bestimmte Ereignisse kodiert sind, und, in konzeptuelles Wissen, hier sind Klassen von Ereignissen/Gegenständen an Hand typischer Eigenschaften/Merkmale repräsentiert. 1. Das Gedächtnis für Interpretationen der Bedeutung von Ereignissen Das Gedächtnis für verbale Informationen Ein Experiment von Wanner 1968 – Erinnerung an genauen Wortlaut oder Sinn der Aussage: Wanner spielte VG Tonbänder vor; eine VG erhielt Hinweis: auf Instruktionen achten, weil diese geprüft werden, andere Gruppe nicht, ansonsten alle Instruktionen identisch. Im Anschluss erhielten beide VG gleiche Instruktionen: geben sie an welchen der nachfolgenden Sätze sie gehört haben. – sahen den speziellen Satz und Alternativsätze Umstellung Bedeutungsänderung und stilistische Variationen. Satzpaare unterscheiden sich in Anordnung zweier Wörter. Wanner untersuchte also die Fähigkeit der Vpn, zwischen verschiedenen Satzpaaren zu unterscheiden und maß ihre Fähigkeit sich and die Bedeutung oder an den Stil der Sätze zu erinnern, außerdem konnte erhoben werden, ob diese Fähigkeit damit zusammenhängt dass die Teilnehmer vorher einen Hinweis erhalten haben oder nicht. -) Wortlautveränderungen, die zu Bedeutungsunterschieden führen können besser erinnert werden als Wortlautveränderungen die stilistische Änderungen sind. Die Überlegenheit des bedeutungsbezogenen Gedächtnisses weist darauf hin, dass Menschen normalerweise die Bedeutung der Kommunikation extrahiert und erinnert und nicht den genauen Wortlaut. Außerdem hängt das Gedächtnis für Bedeutungen nicht von entsprechenden Hinweisen ab. -) Wanner folgert, dass vorwarnende Hinweise das Gedächtnis für stilistische Veränderungen beeinflusst. Ohne Hinweis erreichen Vpn nur Zufallswahrscheinlichkeit, aber mit Hinweis gute Erinnerungsleistungen, erinnert normalerweise kaum Informationen über wörtliche Formulierungen aber durchaus dazu in der Lage, wenn passende Vorinformationen. Aber Gedächtnis für stilistische Informationen selbst mit Hinweis noch schlechter als Gedächtnis für Bedeutung. Das Gedächtnis für visuelle Informationen Gedächtnis weit höhere Kapazität für visuelle Informationen als für verbale Informationen. Experiment Shepard (1967), Zeitschriftenbildern ansehen; anschließend Paare von Bildern – ein gesehenes und ein neues– Aufgabe: welches Bild schon gesehen, verbale Situation gegenübergestellt, gleiches Experiment mit verschiedenen Sätzen; Fehlerrate Sätzen 11,8 % bei Bildern nur 1,5% !! Erinnerungsleistung bei Sätzen schon sehr hoch, bei Bildern nahezu perfekt! n= 600 Bilder Hohe Gedächtnisrate für Bilder aber erinnern eher Interpretation des Bildes als exakte Darstellung. Mandler und Ritchey (1977): Bilder von einzelnen Szenen betrachten, acht Bilder für je 10 Sekunden vorgelegt – Wiedererkennungstest: Bilder herausfinden, die schon gezeigt wurden: Originalbild und Distraktorbilder (Klassenzimmer, Schüler, Lehrerin) 1 2 Distraktorbilder = merkmalsbezogene Distraktorbilder z.B.: Muster der Hose der Lehrerin – optisches Detail für Interpretation unwichtig; typenbezogene Veränderung z.B.: Wechsel der Objektklasse – statt Weltkarte=> Gemälde wichtigeres Detail – könnte Rückschlüsse auf unterrichteten Gegenstand zulassen Vpn 77% richtiges Erkennen des Originalbildes; Aussonderung der merkmalsveränderten Distraktorveränderungen zu 60%, typenveränderte Bilder 94%!!! Ähnliche Schlussfolgerungen wie Wanner; Vpn empfindlicher auf bedeutungsrelevante Veränderungen; besseres Gedächtnis für Bedeutung von Bildern als von Sätzen – aber schlecht an Oberflächendetails erinnern. Details vs. Bedeutung beim Behalten Menschen enkodieren zunächst viele wahrnehmungsbezogene Details eines Satzes oder Bildes, sie vergessen die Informationen aber schnell wieder. Die räumliche Orientierung gehört zu den Details, die in der Erinnerung schnell wieder verschwinden. Erinnerungsvermögen für Bedeutungen: Einige Anwendungsaspekte Um bestimmtes Informationsmaterial merken zu können erleichtert wenn man es mit bedeutungshaltigen Interpretationen belegt. Viele Menschen dessen nicht bewusst – könnte bessere Gedächtnisleistungen erzielen!! Anwendung einfacher Mnemnotechnik gedächtnisunterstützendes Verfahren bedeutungslose Inhalte mit Interpretationen zu versehen. Man kann somit verschiedene Dinge des privaten Lebens einfacher merken, indem man sie mit Bedeutungen belegt. 2. Propositionale Repräsentationen Verwendung unterschiedlicher Notationssysteme um Bedeutung von Sätzen und Bildern darzustellen, beschreiben bedeutungsbezogene Struktur übrig bleibt wenn man wahrnehmungsbezogene Details abstrahiert. Weitesten verbreitet propositionale Darstellung; 70er Vorschläge für propositionale Darstellungsweisen und für korrespondierende Annahmen der propositionalen Repräsentation im Gedächtnis Anderson und Bower, Clark, Frederiksen Kintsch, Norman und Rumelhart. Propositionale Darstellungen gängige Methode bei analysierender Beschreibung bedeutungshaltiger Informationen. Proposition spielt in Analysen eine wichtige Rolle. Proposition kleinste Wissenseinheit kann selbständige Aussage bilden. Proposition kleinste Einheit sinnvoll als wahr oder falsch beurteilen lässt. Propositionale Analysen am eindeutigsten an sprachlicher Information durchzuführen. Propositionale Netzwerke Räumliche Anordnung der Elemente für Interpretation völlig irrelevant. Man versucht, das netz möglichst leicht verständlich zu machen, im Prinzip ist jede beliebige Anordnung möglich. Kommt darauf an, welche Elemente mit welchen verknüpft sind, unerheblich an welcher Stelle einzelne Komponente positioniert. Lineare Propositionen – übersichtlicher und kompakter Netzwerke – hebt Verbindungen zwischen Elementen deutlicher hervor Propositionen und räumliche Vorstellungsbilder – gemeinsam – können in hierarchische Beziehungen eintreten – 1 Proposition als Einheit innerhalb anderer Propositionen Weisberg (1989) Assoziationsaufgaben – Sätze merken – 1 Wort vorgeben – 1. Wort das einfällt antworten, aber von Sätzen vorher – eingeschränkt freie Assoziationen Propositionale Informationen kann man in Netzwerken darstellen, die die Beziehungen zwischen Konzepten aufzeigen. 2 3 3. Konzeptuelles Wissen Charakteristika solcher Repräsentationen bedeutsame Abstraktion die von Erfahrungen wegführt; hier umfasst Löschung vieler wahrnehmungsbezogener Details und Speicherung wichtiger Beziehungen zwischen Inhaltselementen. Weitere Abstraktion von spezifischen Merkmalen absehen und Merkmale und Kennzeichen der Erfahrungsklasse allgemein (Tiere, Möbel, ..). Vorteil: Fähigkeit Dinge vorherzusagen zB Reaktion von Tieren oder Gebrauch von Möbeln. Kategorien ermöglichen uns große Einsparungen bei Repräsentation und Kommunikation. Forschung über Kategorisierungen wie sie gebildet werden, wie sie zur Interpretation von Erfahrung genutzt werden, mit welchen Notationssystemen es darzustellen ist. semantische Netzwerke Quillian 1966 speichern Menschen Informationen über verschiedene Kategorien in einer Netzwerkstruktur. Dort ist eine Hierarchie kategorialer Tatsachen skizziert wobei einzelne Sachverhalte durch sog. isa-Verbindungen verbunden sind. Mit einzelnen Kategorien sind zutreffende Eigenschaften verbunden, wenn diese für Kategorien auf einer höheren Hierarchieebene zutreffen, gelten sie auch für darunterliegende Ebenen, allerdings kann man auch Ausnahmen zulassen. Collins und Quillian (1969) Prüfung psychischer Realität von Netzwerken. Schemata Wichtig an einem Kategorienbegriff, dass er vorhersagbare Informationen über einzelne Exemplare dieser Kategorie speichert. Schema scheinen somit besser geeignet zu sein die Komplexität unseres Wissens über bestimmte Dinge zu erfassen als semantische Netzwerke. Schemata sind nicht nur Erweiterung propositionaler Repräsentationen sondern sie erlauben die Enkodierung kategorialer Regelhaftigkeiten. Propositionen können abbilden, was für bestimmte Dinge wichtig ist, Schema repräsentieren, was best. Dinge gemeinsam haben. Gibt noch Oberbegriff-Slots, entspricht den isa-Verbindungen in semantischen Netzwerken, und gibt an, zu welchen übergeordneten Kategorien eine Objektklasse gehört. Generalisierungshierarchie – Konzepte von unten nach oben immer allgemeiner; 2. Hierarchie, Teil-Ganzes-Beziehungen über Eigenschaften kann man auf Ganzes ableiten Schlussfolgerungsprozesse müssen jedoch auch mit Ausnahmefällen umgehen können und wechselseitige Einschränkungen für die Ausprägungen einzelner Attribute kennen. Die psychische Realität von Schemata Kennzeichen eines Schema für bestimmte Attribute Default-Werte, dadurch mit Schlussfolgerungsmechanismus ausgestattet. Erkennt: best. Objekt gehört Best. Objektkasse an – besitzt es gleiche Default-Werte. Brewer und Treysen (1981) untersuchten Effekt von Schemata auf Schlussfolgerungen im Gedächtnis. Vpn einzeln in Büro warten=> Vorwand; nach 35 Sekunden in Labor – alles aufschreiben, was in Büro gesehen. Annahme und Ergebnis: Wiedergabe stark von Schema von Büro beeinflusst. Gegenstände in Büro-Schema gut, nicht in Schema schlecht, Wiedergabe von dingen, die in Schema aber nicht in Versuchs-Büro. Folgt: Erinnerung an ort stark von Default-Annahmen beeinflusst, was typisch ist solange sie nicht explizit etwas anderes feststellen. Schema = Möglichkeit zur Enkodierung dieser Default-Annahmen. unterschiedliche Grade der Klassenzugehörigkeit Objekte die zu Schema passen gewisse Unterschiede. Gibt zwar Einschränkungen für typische Ausprägungen aber wenig absolute Ausschlusskriterien. Annahme: Schema enkodieren Wissen über bestimmte Objektklassen – Übergang von weniger typischen zu sehr typischen 3 4 Mitgliedern dieser Kategorie je besser die Merkmale der Klassenmitglieder den im Schema vorgegebenen Restriktionen entsprechen. Eleanor Rosch (1973) Typikalität best. Mitglieder einer Kategorie bewerten (1 = sehr typisch – 7 = sehr untypisch). Sowohl verbal als auch mit Bildern Mit vorgegebenen Kategorienbezeichnungen Sätze bilden – ersetzt Kategoriennamen durch seht typischen wenig typischen Vertreter – Sinnhaftigkeit der Sätze einschätzen – je typischer – je sinnvoller eingeschätzt Wenn Menschen an ein Kategoriemitglied denken stellen sie sich bevorzugt ein typisches Exemplar vor. Objekt wird nicht von Zugehörigkeit einer Kategorie ausgeschlossen, weil es nicht die typischen Ausprägungen hat, sollte schwieriger zu beurteilen sein, wenn Objekt sich am äußeren Rand der Kategorie befindet und diese Urteile sollten zwischen verschiedenen Beurteilern auch unterschiedliche ausfallen. McClonskey und Glucksberg (1978) welche Exemplare noch Mitglieder einer Kategorie und welche nicht – in den meisten Fällen Vpn sehr uneinig. Nach 1 Monat erbeute Untersuchung – Vpn hatten oft ihr Meinung geändert. Mangelnde Übereinstimmung nicht nur zwischen verschiedenen Personen sondern auch innerhalb einer Person Unsicherheiten. Ereigniskonzepte Konzepte über verschiedene Ereignisarten (Restaurant). Diese Kategorien können mit Hilf von Schemata dargestellt werden, wir können unser Wissen über stereotype Ereignisse an Hand einzelner Ereignisse enkodieren. Schank und Abelson (1977) Variante von Ereignisschemata – Scripts, heben hervor, dass in vielen Zusammenhängen stereotype Handlungssequenzen auftreten. Reihe von Effekten von Handlungsscripts auf Erinnerung an Ereignisabläufe. Vpn Geschichte in der einige typische Teilereignisse vorkamen – Aufgabe nacherzählen, oder welche Aussagen zu Geschichte gehören – erzählen – oft Teilereignisse die nicht vorhanden waren aber sehr typisch sind; Wiedererkennung ähnlich. Geschichte vorgelesen, einige Handlungen zum falschen Zeitpunkt – Wiedergabe in richtiger Reihenfolge erzählen Hinweis: neue Ereignisse unter Berücksichtigung der Schema enkodiert werden und großen Einfluss auf Wiedergabe haben. Scripts und Schema existieren, weil sie die bevorzugte Abfolge von Teilereignissen in bestimmten Situationen enkodieren. Sie bilden eine nützliche Grundlage für das Auffüllen fehlender Informationen und dienen zur Berichtigung falscher Informationen. Abstraktionstheorien vs. Exemplartheorien Weil Schemata und semantische Netzwerke für die Forschung inadäquat sind, hat man zwei Alternativtheorien entwickelt: Abstraktionstheorien und Exemplartheorien. A: geht davon aus, dass wir aus den Exemplaren allgemeine Merkmale und Eigenschaften abstrahieren; Schemata sind Abstraktionstheorien Aber auch noch andere Modelle: *Mensch speichert einzigen Prototyp und beurteilt andere Exemplare an hand Ähnlichkeit mit Prototyp; *Mensch speichert Repräsentation welche Vorstellung von der zulässigen Variation des Prototyps ist E: wir speichern im wesentlichen nur best. Exemplare und aus ihnen ergeben sich allgemeinere Schlussfolgerungen Annahme: kein zentrales Konzept speichern, nur einzelne Exemplare, um festzustellen ob ein Objekt typisch ist vergleichen wir es mit typischem Vertreter – Einschätzung mittlerer Unterschiede; Vertreter Medin und Schaffer, Nosofsky Trotz unterschiedlichem Ansatz in vielen Forschungsarbeiten gleiche Ergebnisse 4 5 A: zentrale Exemplare der zentralen Repräsentation des zugehörigen Konzepts ähnlicher – E: zentrale Exemplare größere durchschnittliche Ähnlichkeit aufweisen = gleiches Ergebnis!! Jedoch Unterschiede zwischen Erwartungen der beiden Theorieklassen Das Erlernen von Schemata in einem neuronalen Netzwerk Gluck und Bower Versuch: Vpn mussten an Hand Symptomen Entscheidungsdiagnosen treffen welche von 2 hypothetischen Krankheiten vorliegt. Pro Patient wurden die gleichen 4 Symptome genannt, nur mit unterschiedlichen Ausprägungen. Eine Krankheit trat dreimal häufiger auf als die andere. Gluck und Bower gaben neuronales Netzwerk an mit vier Eingängen (Symptome) die mit zwei Ausgabeneuronen verschaltet sind (Krankheiten); sie setzten eine neuronale Lernregel ein. Vpn hatten hunderte Patienten zu untersuchen, Wahrscheinlichkeit für eine der Krankheiten immer unterschiedlich – Vpn sollen an Hand von Erfahrung mit einzelnen lernen Dieses Modell ist nur einer von vielen Mechanismen die vorgeschlagen wurden um schematische Abstraktionen auszubilden. Hier ist die synaptische Verbindungsstärke ein Maß dafür, wie typisch ein Symptom für eine bestimmte Krankheit ist. Kategorien und das Gehirn Es gibt noch wenig Erkenntnisse über die konkreten Gehirnstrukturen. Man hat entdeckt, dass Patienten mit Schädigung des Temporallappens Defizite in Wissen über biologische Kategorien (Tiere, Pflanzen, Obst u. Gemüse) aufweisen, wohingegen das Wissen über Artefakte (Gegenstände) relativ wenig beeinträchtigt ist. Patienten mit frontoparietalen Läsionen bei Verarbeitung von Artefakten beeinträchtigt aber nicht biologische Kategorien. Man nimmt an dass dies auftritt weil biologische Kategorien eher mit Wahrnehmung Kategorien assoziiert werden und Artefakte eher mit Handlungen, die wir damit vollziehen, in Verbindung gebracht werden. Farah und McClelland (1991) haben in einer Computersimulation gezeigt, dass der Verlust kategorialer Informationen in Beziehung zu einem Verlust an Informationen über ein Merkmal steht, die diese Kategorien definieren. Das scheint auch auf die betroffenen Patienten übertragbar zu sein. Wissensdefizite in Bezug auf unterschiedliche Kategorien werden durch Schädigungen unterschiedlicher Gehirnregionen hervorgerufen. 5