Chemie für Biologen

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Chemie für Biologen
WS 2005/6
Arne Lützen
Institut für Organische Chemie
der Universität Duisburg-Essen
(Teil 1: 26.10.2005)
Lehrbücher
B. Keppler, A. Ding
Chemie für Biologen
Spektrum Akademischer Verlag,
Heidelberg, 1997
ISBN 3-86025-107-4
H. P. Latscha, U. Kazmaier, H. A. Klein
Chemie für Biologen
2. Aufl.,Springer-Verlag,
Berlin, 2005
ISBN 3-540-21161-6
A. Zeeck, S. Eick, B. Krone, K. Schröder
Chemie für Mediziner
6. Aufl., Urban & Fischer, München, 2005
ISBN 3-437-42442-4
C.E. Mortimer,
Chemie, Das Basiswissen der Chemie,
8. Aufl., Thieme-Verlag, Stuttgart, 2003
ISBN 3-13-484304-8
Starthilfen
S. Hauptmann
EAGLE-Starthilfe Chemie
3. Aufl., Edition am Gutenbergplatz Leipzig, 2004
ISBN 3-937219-07-2
Katherina Standhartinger
Chemie für Ahnungslose
Hirzel, Stuttgart, 2004
Was ist Chemie und warum ist das wichtig ?
•
Naturwissenschaftliche Disziplin
•
Sie befasst sich mit dem Aufbau, den Eigenschaften und den Umwandlungen von
Materie (Materie: alles was Masse besitzt und Raum erfüllt)
•
Sämtliche Stoffe sind aus einfachen Bausteinen, den chemischen Elementen,
aufgebaut. Die Elemente bestehen aus winzigen Teilchen, den Atomen. Die
Stoffvielfalt kommt durch das Bestreben der Atome verschiedener Elemente,
miteinander Verbindungen zu bilden, zustande.
•
Die Eigenschaften einer Verbindung resultieren aus ihrer Struktur. Die Chemie
erforscht diese Zusammenhänge. Auch das Verständnis von Stoffumwandlungen hat
einen hohen Stand erreicht, so dass die Suche nach nützlichen neuen Materialien
planmäßig erfolgen kann. Dies ist einer der aufregendsten Aspekte der modernen
chemischen Forschung.
Warum sollten man sich mit Chemie beschäftigen?
•
Eines der leichteren Elemente ist der Kohlenstoff, das wichtigste Element der
Organischen Chemie. In organischen Verbindungen vereinigen sich Kohlenstoffatome
über Kräfte, die man chemische Bindungen nennt, mit anderen Atomen zu Molekülen.
Diese können ein, mehrere oder viele Kohlenstoffatome in Ketten oder Ringen sowie
andere Atome wie Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor
enthalten. Organische Moleküle besitzen vielfältige Strukturen und Eigenschaften.
•
Es gibt mehr als 20 Millionen bekannte Kohlenstoffverbindungen. Die Kenntnis ihrer
Eigenschaften hat ihre Verwendung als Brennstoffe, Farbstoffe, Kosmetika, Pharmaka,
Kunststoffe, Fasern u.v.a. ermöglicht.
•
Die Kenntnis der Eigenschaften organischer Moleküle eröffnet einen Zugang zum
Studium von Lebensvorgängen. Ein lebender Organismus besteht aus organischen
Molekülen, Wasser und bestimmten Mineralstoffen. Struktur und Funktion von
Proteinen, Fetten, Zuckern, Nucleinsäuren ("genetischen" Molekülen) u.a. bestimmen
unsere Gestalt, unsere Körperfunktionen und sogar unsere geistige Aktivität.
Warum "Chemie für Biologen"?
•
Lebensvorgänge wie Stoffwechsel, Wachstum, Vermehrung, sinnliche
Wahrnehmung
(Riechen,
Schmecken,
Sehen),
Kommunikation,
Informationsspeicherung (Gedächtnis),.... sind chemische Prozesse.
•
Zu ihrem Verständnis ist es erforderlich, diese Vorgänge auf der chemischen Ebene
aufzuklären.
•
Molekularbiologie = Biologie auf molekularer (chemischer) Ebene
•
Biochemie: Chemie der Lebensvorgänge
•
Physiologische Chemie: Physiologie (griech.: physis = Natur). Wissenschaft von
den natürlichen Lebensvorgängen der Organismen.
•
Lebensmittelchemie
•
Ökologie: Umweltwissenschaft, untersucht die Wechselwirkungen zwischen
Lebewesen und Umwelt
•
Toxikologie: untersucht Gifte und ihre Wirkungsweise
Warum sollten man sich mit Chemie beschäftigen?
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Zum Beispiel…Epothilone – neue Wirkstoffe gegen Krebs
Alles beginnt Anfang der
80er Jahre am Ufer des
Sambesi mit einem kleinen
bodenlebenden Bakterium...
Myxobakterium Sorangium cellulosum 90
Vegetative Zellen von Sorangium cellulosum
Schwarm von Myxobakterien
Fruchtkörper von Sorangium cellulosum mit robuster Wand
D. Schinzer, A. Limberg, Magdeburger Wissenschaftsjournal 2000 (1), 23-29.
(Die Abbildungen stammen größtenteils aus der Sammlung von Prof. Dr. H. Reichenbach)
Isolierung
1987 gelang es H. Reichenbach und G. Höfle
von der Gesellschaft für Biotechnologische
Forschung (GBF) in Braunschweig die ersten
Epothilone zu isolieren.
Die damalige Zielsetzung war die Suche nach
antimykotisch und pestizid wirksamen
Substanzen. Da sich die Epothilone jedoch als
zu toxisch für die praktische Anwendung
erwiesen, gerieten sie zunächst wieder in
Vergessenheit..
G. Höfle, Wissenschaftlicher Ergebnisbericht der GBF 1999/2000, 21-34.
Strukturaufklärung
Me
Me
H
O
H
H
HO
H
H
H
H
H
H
O
O
O
HO
H
H
H
H
Me
Me
Me
Me
S
N
Kristallstrukturanalyse
Die Epothilone bilden eine neue Klasse von
Polyketiden. Sie enthalten einen 16-gliedrigen
Lactonring, weshalb sie auch zu den Makroliden gezählt werden.
Den Namen verdanken die Epothilone ihren
Epoxid-, Thiazol und Ketonfunktionen.
Konformation in Lösung mit ausgesuchten
NOE-Kontakten
O
S
OH
N
O
O
OH
O
G. Höfle, N. Bedorf, H. Stenmetz, D. Schomburg, K. Gerth, H. Reichenbach, Angew. Chem. 1996, 108 (13/14), 1671-1673.
(26.3.1996)
die wichtigsten Epothilone
S
S
OH
N
OH
N
O
O
O
OH
O
O
Epothilon C
OH
O
Epothilon D
O
O
S
S
OH
N
OH
N
O
O
O
OH
O
O
Epothilon A
Epothilon B
O
O
S
HO
OH
S
OH
N
O
HO
OH
N
O
O
OH
Epothilon E
O
O
OH
Epothilon F
O
O
Antitumorwirkung –Stabilisierung der Mikrotubuli
Erst 1995 wurde von Merck, Sharp
und Dohme in gemeinsamen AntiTumor Testreihen von über 100.000
Substanzen eine tumorzerstörende
Wirkung
ähnlich
des
schon
®
bekannten Taxols
und anderer
verwandter Taxane festgestellt.
Beide Substanzklassen stabilisieren
die aus Tubulin gebildeten Mikrotubuli und hemmen deren Depolymerisation.
Tatsächlich sind die Epothilone
dabei sogar wirksamer als Taxol®.
D. M. Bollog, P. A. McQueney, J. Zhu,
O. Hensens, L. Koupal, J. Liesch, M.
Goetz, E. Lazarides, C. M. Woods,
Cancer Res. 1995, 55, 2325-2333.
Humane HeLa Tumorzellen, bei denen Tubulin rot und die
Zellkerne blau kontrastiert wurden. Man erkennt links die
Mikrotubuli, die als Bestandteil des Cytoskeletts die Zelle
netzartig durchziehen. Nach Behandlung mit Epothilon
verschwindet das Netzwerk und die Mikrotubuli
verklumpen zu lokalen Bündeln (rechts).
D. Schinzer, A. Limberg, Magdeburger Wissenschaftsjournal 2000 (1), 23-29.
Antitumorwirkung – Bedeutung der Mikrotubuli in der Mitose
Centrosomen
frühe
Mitosespindel
Chromosomen
Chromatin
(verdoppelt) Interphase
Mitosespindel aus
Mikrotubuli
Prophase
Prometaphase
Mitosespindel
sich abbauende
Mitosespindel
Metaphasenplatte
Teilungsfurche
Telophase und Cytokinese
Tochterchromosomen Anaphase
Apoptose
Metaphase
Antitumorwirkung – Auf- und Abbau der Mikrotubuli
K. C. Nicolaou, F. Roschanger, D. Vourloumis, Angew. Chem. 1998, 110, 2121-2153.
Totalsynthesen
16-gliedriger Lactonring mit 7 stereogenen Zentren und einer E-konfigurierten Doppelbindung
R
O
S
N
13
12
15
O
1
O
3
OH
8 7
6
OH
O
Die erste erfolgreiche Totalsynthese von Epothilon A (R=H) wurde bereits Ende 1996, nur wenige
Monate nach Veröffentlichung der absoluten Konfiguration durch G. Höfle und H. Reichenbach, von
S. J. Danishefsky vorgestellt. Bereits einige Wochen später erschienen dann auch schon die nächsten
beiden erfolgreichen Synthesen von K. C. Nicolaou und D. Schinzer.
Bis heute sind über 30 weitere Totalsynthesen der Epothilone A-F beschrieben worden, unter anderem
von J. Mulzer, M. Kalesse, L. Wessjohann, K.-H. Altmann, A. Fürstner, R. E. Taylor, E. J. Thomas,
M. A. Avery, J. S. Panek, C.-H. Wong, E. M. Carreira, J. D. White, P. A. Grieco, S. V. Ley, M.
Shibasaki, R. A. Lerner und S. C. Sinha, Z.-Y. Liu und R. M. Borzilleri.
Daneben wurden auch zahlreiche
Partialsynthesen vorgestellt.
interessante
Kombinationen
aus
Fermentationen
und
Totalsynthesen – die synthetische „Spielwiese“
Epoxidierung
Ringschlußolefin- und
Ringschlußalkinmetathese,
Wittig-Reaktion
Hydrierungen
Desoxygenierung
Suzuki- oder Negishi-Kupplung
Allylierungen
Nozaki-Hijyama-Kishi-Reaktion
O
Ringschlußolefinmetathese,
Sonogashira-Kupplung,
Wittig-Reaktion,
Hydrierungen
R
S
OH
N
Stille-Kupplung
Wittig-Reaktion
diastereoselektive Hydroxylierungen
Veresterung,
Makrolactonisierung
diastereoselektive Alkylierung
Aldolreaktion
O
O
OH
O
Aldolreaktion
Oxidation
Noyori-Reduktion
Aldolreaktion,
Makroaldolcyclisierung
- Enantioselektive Synthese mit chiralen
- Ex-chiral-pool-Synthesen
Katalysatoren
- Diastereoselektive Synthesen mit chiralen
- kinetische Racematspaltungen mit Enzymen
Auxiliaren
oder katalytischen Antikörpern....
Kleine strukturelle Unterschiede mit großer Wirkung
Antheraea polyphemus C
CHO
OH
Antheraea polyphemus D
Antheraea pernyi D
Bombyx mori D
OAc
Komplexe Strukturen für komplexe Funktionen - Antibiotika
OH
H 2N
OH
OH
O
O
CH2OH
O
O
Cl
Cl
HO
O
OH
O
H
N
N
H
O
NH
N
H
O
NH
H
N
O
NHMe
O
O
NH2
HO2C
OH
OH
HO
H
N
O
O
H
H
N
N
H
H
O
O
OH
NHAc
Vancomycin im Komplex mit einer
D-Alanin-D-Alanin-Peptidsequenz
Komplexe Strukturen für komplexe Funktionen - Antibiotika
Cl
N
NH2
H2N
HN
H
N
N
H
O
NEt2
Chlorochin
N
H2N
O
O
N
H
HN
N
Netropsin
NH2
Komplexe Strukturen für komplexe Funktionen - Mosaikviren
Das Virus besitzt eine stabförmige Struktur von ca.
3000 Å Länge und einem Durchmesser von ca. 180 Å.
Etwa 2130 identische Proteinuntereinheiten bilden eine
rechtshändige Helix. Ein einzelner RNA-Strang liegt
zwischen den einzelnen Proteinuntereinheiten. Jede
Untereinheit bindet an drei Nucleotide.
Inhalt der Vorlesung "Chemie für Biologen"
A
1.
2.
3.
4.
5.
Allgemeine und Anorganische Chemie
Atome und Moleküle (Elemente, chemische Bindung)
Aggregatzustände und zwischenmolekulare Kräfte
Chemische Reaktionen und chemische Gleichgewichte
Elektrolyte (Säuren, Basen, Salze)
Oxidation und Reduktion
B Organische Chemie - Stoffsystematik
6. Kohlenwasserstoffe (Alkane, Alkene, Alkine, Aromaten)
7. Monofunktionelle Verbindungen: Halogenverbindungen, Alkohole, Thiole,
Ether, Sulfide, Amine, Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren und ihre Derivate
8. Heterocyclen
9. Polyfunktionelle Verbindungen: Aminocarbonsäuren u.a.
10.Stereochemie: chiraler Molekülbau, Spiegelbildisomerie, Enantiomere,
Diastereomere
11.Wichtige Naturstoffklassen – Kohlenhydrate, Nucleinsäuren, Aminosäuren
und Terpene
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