Die Transkriptionsmaschinerie der Archaea

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Michael Thomm, Institut für Allgemeine
Mikrobiologie, Universität Kiel
Die Transkriptionsmaschinerie
der Archaea
Die basale Transkriptionsmaschinerie der
Archaea besteht aus einer RNA-Polymerase
vom RNA-Polymerase II-Typ sowie Orthologen der eukaryotischen Transkriptionsfaktoren TATA-Box-Bindungsprotein und TFIIB.
TBP erkennt die archaeelle TATA-Box als
entscheidendes Transkriptionssignal, TFB
stabilisiert diese Bindung. Dieser Komplex
des Promotors mit zwei Transkriptionsfaktoren dient als Plattform für das Andocken
der RNA-Polymerase. Die Kristallstruktur
des Komplexes aus TBP und der C-terminalen Domäne von TFB mit der Promotor-DNA
weist große Ähnlichkeit mit dem entsprechenden eukaryotischen Komplex auf. Im
Gegensatz zur RNA-Polymerase II benötigt
die archaeelle RNA-Polymerase keine
zusätzliche Energie zur Initiation der
Transkription und Bildung des offenen
Promotorkomplexes. Dieser erstreckt sich
über etwa 15 Nukleotide von Position –11
bis +3. Die Polarität der archaeellen
Transkription wird durch die Interaktion
eines helix-turn-helix-Motivs von TFB mit
einem Erkennungssegment der DNA
unmittelbar stromaufwärts von der TATABox (B-recognition element, BRE) vermittelt.
Die archaeelle RNA-Polymerase interagiert
in extrem asymmetrischer Weise mit den
beiden DNA-Strängen im Präinitiationskomplex und einem an Position +25 pausierten
Elongationskomplex. Die ersten beiden
durch in vitro -Experimente näher charakterisierten Transkriptionsregulatoren der
Archaea sind vom bakteriellen Typ und
hemmen die Bindung der RNA-Polymerase
an den TBP-TFB-Promotor-Komplex.
쑺 Die archaeelle Transkriptionsmaschinerie
stellt eine faszinierende Mischung aus eukaryotischen und bakteriellen Merkmalen dar.
Archaeelle Promotoren enthalten eine TATABox, die etwa 25 Nukleotide stromaufwärts
vom Transkriptionsstart liegt. Im Gegensatz
zum bakteriellen Holoenzym vom β‘βα2σTyp sind archaeelle RNA-Polymerasen nur in
Ausnahmefällen zur spezifischen Initiation
der Transkription in vitro befähigt. Die effektive Transkription hängt von der Anwesenheit zweier archaeeller Transkriptionsfaktoren ab, die durch Phosphocellulose- bzw.
durch Molekularsieb-Chromatographie oder
Rohrzucker-Dichtegradientenzentrifugation
von der RNA-Polymerase abgetrennt werden
können [1-3]. Einer dieser Faktoren bindet
an die TATA-Box. Da dieser Faktor auch auf
der Ebene der DNA-Sequenz und im prinzipiellen Aufbau große Ähnlichkeit zum eukaryotischen TATA-Box-Bindeprotein besitzt,
wurde er als archaeelles TATA-Box-Bindeprotein (aTBP) bezeichnet. Auch der zweite archaeelle Transkriptionsfaktor, TFB, weist
sehr auffällige Ähnlichkeit zu einem eukaryotischen Transkriptionsfaktor, dem RNA-Polymerase II-Faktor TFIIB auf. TFB interagiert mit TBP, der DNA und der RNA-Polymerase in fast gleicher Weise wie sein eukaryotisches Gegenstück [4, 5]. Ebenso wie
bei höheren Zellen rekrutiert der Komplex
von TBP und TFB mit der DNA die RNAPolymerase. Bei Eukaryoten sind noch weitere Faktoren wie TFIIF, TFIIH an der Bildung des Präinitiationskomplexes beteiligt.
Homologe zu diesen Faktoren wurden in den
sieben bisher vollständig sequenzierten archaeellen Genomen nicht gefunden. Ebensowenig gibt es Evidenz, daß die TBP-assozierten Faktoren (TAFs), die bei Eukaryoten
zusammen mit TBP den Faktor TFIID bilden, bei den Archaeen vorkommen. In vitro-
A
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Abb. 1: Untereinheitenstruktur der RNA Polymerasen aus drei Domänen.
A. Untereinheitenmuster der RNA Polymerasen aus drei Domänen des Lebens. Die Untereinheiten sind
der Größe nach von oben nach unten angeordnet. Untereinheiten, die aufgrund der Sequenzähnlichkeit von vermutlich gleicher evolutionärer Herkunft sind, wurden durch identische Farbe markiert. Die
Bezeichnung der Untereinheiten sowie ein Großteil der Information wurde aus Daten entnommen, die
beim Munich center for protein sequences abgefragt werden können (http://www.mips.biochem.
mpg.de/). Die schwerste Untereinheit der eukaryotischen RNA Polymerasen I, II und III sowie β‘ der
bakteriellen RNA Polymerase kommen bei Archaea als zwei Polypeptide vor, wobei A' etwa den Nterminalen 60 Prozent des entsprechenden Moleküls entspricht, während A'' zum C-terminalen Teil
dieser Untereinheiten homolog ist. Dies ist durch die Verwendung zweier Farben für die Untereinheiten
RPA190,RP021,RPO31 sowie β' angedeutet. Die Untereinheit α wurde ebenfalls mit zwei Farben
markiert, um darstellen zu können, daß zwei archaeelle Untereinheiten (RpoD und RpoL) mit Sequenzmotiven von α existieren. Die Molekulargewichte der RNA Polymeraseuntereinheiten sind jeweils in
Klammern angegeben. Die Sequenzdaten für die Untereinheiten der RNA Polymerase aus Pyrococcus
horikoshii wurden der Arbeit von Kawarabayasi et al. [27] entnommen.
B. Anordnung einiger RNA Polymerase Gene im Genom der Archaea Sulfolobus acidocaldarius und
Pyrococcus furiosus. Die Gene sind mit den gleichen Farben markiert wie die korrespondierenden
Polypeptide in Abb. 1A. L bzw. S gibt Gene für ribosomale Proteine der großen (L) und kleinen (S)
Untereinheit des Ribosoms an ; z.B., L30 = Protein Nr. 30 der großen Untereinheit, S12 = Protein Nr. 12
der kleine Untereinheit. NusA ist ein Transkriptionselongationsfaktor.
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Transkriptionsexperimente haben gezeigt,
daß die beiden archaeellen Faktoren zusammen mit der hochgereinigten RNA-Polymerase für die Transkription einiger Promotoren
mit linearisierter DNA als Matrize ausreichen
[4, 5]. Bei dem einfachsten eukaryotischen
zellfreiem System genügt auch die Anwesenheit der Faktoren TBP und TFIIB für spezifische Initiation der Transkription, nur ist hier
das Vorliegen negativ superhelikaler Matrizen-DNA notwendig [6], die energetisch das
Aufschmelzen der DNA im Promotorbereich
erleichtert. An linearisierter und sogar an positiv superhelikaler DNA, die bei hyperthermophilen Archaea die natürliche Matrize in
vivo darstellt, genügen zwei Faktoren zur spezifischen Initiation in vitro. [7, 8]. Die Transkription positiv superhelicaler DNA im zellfreien Pyrococcus-System war nur bei hohen
Temperaturen möglich, während lineare
DNA in einem Methanococcus-System auch bei
20 °C noch transkribiert wurde. Alle bisherigen Befunde weisen darauf hin, daß die archaeelle Transkriptionsmaschinerie eine vereinfachte Version des eukaryotischen Systems
darstellt. Wahrscheinlich war dieser Typ des
Transkriptionsapparates in dem gemeinsamen
Vorläufer von Archaeen und Eukaryoten vorhanden und bildete die Grundlage für die
Evolution der wesentlich komplexeren eukaryotischen Maschinerie. Es wird auch die
Möglichkeit diskutiert, daß die archaeelle
Maschinerie die evolutionär ursprüngliche
darstellt, aus der sich sowohl die bakterielle
und eukaryotische entwickelt hat [9]. Dies
wird von dem Befund abgeleitet, daß Archaea
eine basale Transkriptionsmaschinerie vom
eukaryotischen Typ, jedoch überwiegend
Transkriptionsregulatoren vom bakteriellen
Typ aufweisen. Die Frage, ob der archaeelle
oder der bakterielle Transkriptionsapparat
evolutionär ursprünglicher ist, kann noch
nicht beantwortet werden. Es erscheint jedoch wahrscheinlich, daß im gemeinsamen
Vorläufer von Archaea und Eukaryoten bereits
TBP und TFB die Promotorerkennung durch
die RNA-Polymerase vermittelt haben.
RNA-Polymerase
Die komplette Sequenz der Gene für die
Untereinheiten der RNA-Polymerase wurde
von der Arbeitgruppe Zillig [10] erstmals für
den Crenarchaeoten Sulfolobus aufgeklärt und
ist aufgrund der Sequenzanalyse archaeeller
Genome auch für eine Reihe von Euryarchaeota verfügbar. Auf der Basis dieser und
vorhergehender immunochemischer Untersuchungen ist klar, daß archaeelle RNA-Polymerasen sowohl in der Untereinheitenstruktur als auch in der Sequenz einzelner Untereinheiten größere Ähnlichkeiten zu den eukaryotischen RNA-Polymerasen aufweisen
als zur Core-RNA-Polymerase vom bakteriellen Typ. Dennoch lassen sich signifikante
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Sequenzähnlichkeiten zwischen der bakteriellen Untereinheit und der archaeellen B-Untereinheit sowie zwischen β' und der A'- bzw.
A''-Untereinheit nachweisen. Das Auftreten
von zwei Polypeptiden A' und A'', die zu den
N-terminalen zwei Dritteln bzw. dem C-terminalen Drittel der schwersten Untereinheit
der drei eukaryotischen RNA-Polymerasen
und der Untereinheit β' homolog sind, ist ein
charakteristisches Merkmal aller archaeellen
RNA-Polymerasen (Abb. 1A). Es finden sich
auch Sequenzmotive der bakteriellen Untereinheit α in zwei archaeellen RNA-Polymerase-Untereinheiten (D und L, Abb. 1A). Viel
ausgeprägter ist jedoch die Sequenzähnlichkeit zwischen den schwersten Untereinheiten archaeller und eukaryotischer RNA-Polymerasen, insbesondere zur RNA-Polymerase II. So zeigt die Untereinheit B von Sulfolobus 44% Sequenzidentität mit RPB2 aus
Pol II der Hefe und A' 43 % Identität mit dem
N-terminalen Teil von RPO21 [10]. Es gibt
auch eine Reihe kleiner Untereinheiten, die
allen eukaryotischen und der archaeellen
RNA-Polymerase gemeinsam sind, RPB5/
RpoH, RPB10/RpoN und RPO26/RpoK
(Abb. 1A). Dies weist erneut auf eine evolutionäre Verwandtschaft des archaeellen Enzyms zu eukaryotischen RNA-Polymerasen
hin. Die Zuordnung der kleineren Untereinheiten ist jedoch teilweise noch nicht endgültig und aufgrund nicht so ausgeprägter Sequenzähnlichkeiten etwas schwierig. So wurde kürzlich vermutet, daß die Untereinheit
RPB9 von PolII ein Homolog (RpoM ) in der
archaeellen Polymerase besitzt, das auch Sequenzähnlichkeit mit dem eukaryotischen
Transkriptionselongationsfaktor TFIIS zeigt
[9]. Biochemische Untersuchungen haben
jedoch deutlich gemacht, daß RpoM weder
im Rohextrakt noch im gereinigten Enzym
mit der archaeellen RNA-Polymerase assoziiert ist und somit keine Untereinheit der archaeellen RNA-Polymerase darstellt [11]. In
seiner Funktion ähnelt dies Protein eindeutig dem wesentlich größeren eukaryotischen
Faktor TFIIS. Es ist auch durchaus möglich,
daß noch weitere kleinere Untereinheiten archaeeller RNA-Polymerasen existieren, die
bisher aufgrund reiner Sequenzvergleiche der
Genome nicht ermittelt werden konnten.
Innerhalb der Archaea lassen sich zwei
unterschiedliche RNA-Polymerase-Typen
unterscheiden. Das Untereinheitenmuster
BA'A''D... (wie in Abb. 1 A dargestellt) findet man bei den Crenarchaeota und den hyperthermophilen Euryarchaeota mit Ausnahme der Methanogenen. Bei allen methanogenen und extrem halophilen Archaea wird
die Untereinheit B in der Form zweier einzelner Polypeptide unterschiedlicher Größe,
B' und B'', exprimiert (A'B'B''A''D-Typ). Die
RNA-Polymerasen aus Cren- und Euryarchaeota scheinen jedoch einen zumindest in
den Grundprinzipien übereinstimmenden
Mechanismus der Inititiation zu nutzen. Die
Promotorsignale sind sehr ähnlich und die
basalen Transkriptionsfaktoren ortholog (siehe unten). Trotz der auffallenden Übereinstimmung vieler Merkmale eukaryotischer
und archaeeller RNA-Polymerasen besteht
ein deutlicher Unterschied in der Komplexität der Enzyme, der auch die unterschiedliche Komplexität eukaryotischer und archaeeller Zellen reflektieren könnte. Die
drei RNA-Polymerasen aus der Hefe S. cerevisiae weisen ein Gesamtmolekulargewicht
von ca. 600 kDa auf, während die archaeellen RNA-Polymerasen ebenso wie das CoreEnzym der bakteriellen RNA-Polymerase
nur ein Molekulargewicht von ca. 380 kDa
besitzen.
Der signifikanteste Unterschied zwischen
archaeellen/eukaryotischen und bakteriellen
RNA-Polymerasen liegt drin, daß in Archaea
und Eukaryoten keine Sigma-Faktoren existieren, die die spezifische Bindung der bakterieller RNA-Polymerase an den Promotor
vermitteln. Dies hat bedeutende Implikationen für den Mechanismus der Initiation und
die Regulation der Transkription, die im Folgenden diskutiert werden.
Die Gene für die schweren Untereinheiten der archaeellen RNA-Polymerase sind
sowohl bei dem Crenarchaeoten Sulfolobus als
auch bei dem Euryarchaeoten Pyrococcus in der
Reihenfolge H,B,A', A'' angeordnet (Abb. 1
B). Die Anordnung der Untereinheiten B,
A'und A'' entspricht der Reihenfolge der Gene
für die homologen Untereinheiten β und β'
der bakteriellen RNA-Polymerase im rpoBCOperon von Escherichia coli, nur daß bei den
Archaea das Gen für die kleine Untereinheit
H stromaufwärts des rpoB-Gens angeordnet
ist. Für diese Untereinheit existiert kein bakterielles Homolog. Sie scheint auch von einem separaten Promotor aus transkribiert zu
werden, während die Gene für die schweren
Untereinheiten der archaeellen RNA-Polymerase wahrscheinlich von einem gemeinsamen Promotor aus exprimiert werden [10].
Ebenso wie beim Gen für die α-Untereinheit
der bakteriellen RNA-Polymerase liegt das
Gen für die Untereinheit D archaeeller RNAPolymerasen in unmittelbarer Nachbarschaft
von Genen für ribosomale Proteine, bei Pyrococcus findet man in der Nähe der Gene für
die Untereinheiten D, N und K auch einige
tRNA-Gene (Abb. 1B). Es ist wahrscheinlich,
Abb. 2: Promotorstrukturen in den verschiedenen phylogenetischen Domänen.
Die entscheidenden Transkriptionssignale auf der DNA sind durch Boxen hervorgehoben; BRE=B
recognizion element; INR, Initiatorelement;
N= beliebige Base; R= Purin; Y= Pyrimidin; W= A oder T ; S= G oder C ;
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daß diese und andere Gene für Untereinheiten archaeller RNA-Polymerasen mit Komponenten des Translationsapparates kotranskribiert werden. Eine gemeinsame Expression von Genen für ribosomale Proteine
und Untereinheiten der RNA-Polymerase ist
bei den Bakterien schon lange bekannt.
Promotoren
Die erste Beschreibung einer archaeellen
Konsensus-Promotorsequenz wurde von
Wich et al. [12] für Promotoren von Genen
für stabile RNAs von Methanococcus vorgenommen. Das damals beschriebene Box-A-Motiv
bestehend aus ca. 20 Nukleotiden stromaufwärts vom Transkriptionsstart enthält beide
Elemente, die später als Erkennungssequenzen für die beiden archaeellen Transkriptionsfaktoren TBP und TFB erkannt wurden, die
TATA-Box und das „ factor B recognition element“ (BRE). Drei leicht variierende Konsensus-Versionen der TATA-Box existieren
bei methanogenen, halophilen Euryarchaeota und bei Crenarchaeota (Abb. 2) [13, 14]. In
zellfreien Transkriptionsreaktionen in einem
Methanococcus- und Sulfolobus-System und bei
Haloferax in vivo wurde die Bedeutung dieser Sequenz als Promotorsignal in funktionellen Tests nach Mutagenese aller Nukleotide
der TATA-Box nachgewiesen [13, 14]. Die
TATA-Box ist der entscheidender Faktor für
die Promotorstärke und bestimmt auch die
Position der Transkriptionsstartstelle.
Die TATA-Box-Sequenz reicht für die
Bindung des TBP und die Etablierung eines
kristallisierbaren TBP-TFB-Promotor-Komplexes aus. Jedoch zeigte dieser Komplex bei
der ersten Analyse die umgekehrte Orientierung wie der entsprechende eukaryotische
Komplex [15]. Bei Eukaryoten wurde eine
kurze purinreiche Sequenz stromaufwärts der
TATA-Box als Interaktionsstelle des TBPgebundenen TFIIB mit der DNA identifiziert
[13], das BRE. Dies löste die Frage aus, ob
auch bei Archaea Sequenzen stromaufwärts
der TATA-Box für die korrekte Bindung von
TFB benötigt werden, und das Fehlen dieser Sequenz bei den ersten Kristallisationsexperimenten die Ursache für die umgekehrte Orientierung des archaeellen Komplexes
darstellte. Deshalb wurde analysiert, ob ein
Umdrehen der TATA-Box oder eine Vertauschen der Sequenzen unmittelbar stromaufwärts oder -abwärts der TATA-Box einen Einfluß auf die Richtung der Transkription hatten [17]. Weder das Umdrehen der TATA-Box
noch ein Austausch der ersten drei Basen
ober- und unterhalb der TATA-Box veränderte die Richtung der Transkription. Wenn jedoch 6 oder 10 Basenpaare oberhalb und unterhalb der TATA-Box vertauscht wurden,
kam es zu einer vollständigen Änderung der
Richtung der Transkription. Diese Experimente zeigten, daß Sequenzen die zwischen
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zwei und sechs Basenpaaren entfernt von der
TATA-Box liegen, für die Definition der Orientierung des Transkription von entscheidender Bedeutung sind. Diese Versuche, die in
einem zellfreien Sulfolobus-System durchgeführt wurden, haben zur Ermittlung der Konsensus-Sequenz RNWAAW (R = Purin, W =
A oder T, N = jede beliebige Base; Abb. 2)
für das Sulfolobus-BRE geführt. Mutationsexperimente, die schon früher an einem Methanococcus-Promotor durchgeführt worden waren, sprechen jedoch dafür, daß dieses Element auch bei anderen Archaea wichtig für
die Bindung von TFB ist. Beispielsweise führt
der Austausch des Adenin-Restes an Position –3 (relativ zur TATA-Box), der bei Sulfolobus das Schlüsselelement für die Bindung
TFB an das BRE darstellt, gegen G zu einer
Reduktion der Aktivität des MethanococcusPromotors um 50 Prozent [18]. Dieser Befund
und die starke Konservierung der DNA-Sequenz stromaufwärts der TATA-Box [12, 14]
sprechen dafür, daß diese Element generell
bei Archaea eine wichtige Rolle bei der Assemblierung des Initiationskomplexes und
zur Festlegung der Polarität der Transkription spielt.
In der Arbeitsgruppe vom Paul Sigler an
der Yale University wurden unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse erneut die Struktur des archaeellen Präinitiationskomplexes
analysiert. Diesmal enthielt das DNA-Fragment, das für die Kokristallisation von TFB
und TBP verwendet wurde, das BRE. Dieser Komplex wies nun die gleiche Orientierung wie der eukaryotische Präinitiationskomplex auf [19], im Gegensatz zu der ersten beschriebenen Struktur, die nach Verwendung
eines DNA-Fragmentes mit TATA-Box, aber
ohne BRE erhalten worden war [15]. Dabei
tritt ein helix-turn-helix-(HTH)-Motiv im
Bereich der zweiten Wiederholungseinheit
von TFB (siehe unten) in Kontakt mit BRE.
Die Erkennungshelix dieses HTH-Motivs
tritt in Wechselwirkung mit Basen, die in der
großen Furche der DNA lokalisiert sind. Dabei spielen stereospezifische Wasserstoffbrükken- und Van der Waals-Kontakte mit den
Basen an Position –3 und –6 (relativ zur
TATA-Box) des BRE die entscheidende Rolle. Dieser Befund bestätigt die Schlußfolgerung, daß BRE-TFB-Kontakte maßgeblich an
der korrekten Positionierung der Transkriptionsfaktoren am Promotor beteiligt sind.
TBP und TFB
Charakteristisch für diese beiden archaeellen und die entsprechenden eukaryotischen Faktoren ist der Aufbau aus zwei imperfekten direkten Wiederholungseinheiten
aus ca. 90 Aminosäuren, die jeweils eine Domäne bilden (Abb. 3). TFB besitzt zusätzlich
noch eine N-terminale Domäne aus 100 bis
120 Aminosäuren. Bisher konnten sowohl bei
Eukaryoten als auch bei Archaea nur Kristalle von TFB erhalten werden, wenn die Nterminale Domäne des TFB-Moleküls deletiert wurde (das resultierende Molekül wird
als TFBc bezeichnet). Da in diesen Kristallen die Bindung von TFBc an TBP und die
Wechselwirkung von TFBc mit dem BREElement des Promotors nachgewiesen wurde, ist die N-terminale Domäne für die korrekte Bindung von TFB an TBP und die Promotor-DNA nicht essentiell. Möglicherweise fungiert sie jedoch als Bindungsstelle für
die RNA-Polymerase.
Bisher wurde ausschließlich die Kristallstruktur von Transkriptionsfaktoren aus dem
hyperthermophilen Archaeon Pyrococcus bestimmt, zuerst von TBP [20], später die des
TBP/ TFBc-Komplexes mit der PromotorDNA [15,19]. TBP ist ein sattelförmiges Molekül, das mit der Unterseite des Sattels in
der kleinen Furche der DNA mit der TATABox in Wechselwirkung tritt. Dies führt zur
Erweiterung der Furche und dem Auftreten
von Knicken in der DNA, was eine dramatische Verbiegung der DNA-Konformation zur
Folge hat. Eukaryotische TBPs besitzen eine
zusätzliche N-terminale Domäne mit variabler Länge und Sequenz, die bei den Archaea
fehlt. Am C-Terminus einiger archaeeller
TBPs ist jedoch eine Sequenz aus sechs bis
zehn meist saurer Aminosäuren zu finden, deren Funktion bisher unbekannt ist. Die beiden Wiederholungseinheiten des archaeellen
TBP weisen untereinander eine Sequenzidentität von 40 %, während diese zwischen
den eukaryotischen Wiederholungseinheiten
nur 28 bis 30 % beträgt. Dies führt auch zu
einem größeren Ausmaß an Symmetrie der
beiden Domänen in der Kristallstruktur. Gelfiltrationsexperimente haben gezeigt, daß archaeelles TBP – ebenso wie sein eukaryotisches Gegenstück – in Lösung als Homodimer vorliegt. Die thermische Übergangstemperatur der Entfaltung lag bei Pyrococcus-TBP
bei 101 °C, 40 °C höher als bei TBP aus Hefe
[20]. Im Vergleich zu TBPs aus mesophilen
Organismen fällt das Vorliegen einer Disulfidbrücke im Molekül, eine höhere Anzahl
von Ionenpaaren an der Oberfläche des Proteins sowie eine dichtere Packung des Polypeptids auf. Alle diese Faktoren zusammen
tragen wahrscheinlich zu der erhöhten Thermostabilität des Pyrococcus-TBP bei.
Im Gegensatz zu eukaryotischen TBPs
wird bei Erhöhung der Temperatur und Salzkonzentration die Affinität von PyrococcusTBP zur DNA drastisch erhöht. Die Affinität
des Proteins zur TATA-Box wird bei einem
Anstieg der Salzkonzentration von 800 mM
Kalium-Phosphat auf 1,3 M 24fach erhöht.
Wenn die Temperatur von 25 auf 45 °C erhöht wird, steigt die Affinität des Proteins zur
DNA 30fach. Die Analyse der Struktur des
Proteins liefert eine plausible molekulare Erklärung für diese ungewöhnlichen Effekte
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von Salz und Temperatur auf die Bindungseigenschaften [20]. Die Mehrzahl der Kontakte zwischen dem TBP und der DNA sind
bei Eukaryoten und Archaea von hydrophober Art. Die ionischen und polare Kontaktstellen der eukaryotischen TBP mit dem
DNA-Rückgrat sind bei Pyrococcus-TBP
durch Aminosäurereste ersetzt, die van der
Waals-Wechselwirkungen mit den Zuckern
der DNA eingehen können. Im Gegensatz zu
ionischen und polare Kontakten werden hydrophobe Wechselwirkungen oft durch höhere Temperatur und Salzkonzentrationen nicht
vermindert, sondern unter diesen Bedingungen sogar erhöht. Gerade dies scheint bei Pyrococcus-TBP der Fall zu sein, und somit könnte die hydrophobe Natur der DNA-Interaktionsstelle die ungewöhnlichen Bindungseigenschaften des Pyrococcus-TBP erklären.
Trotz dieser Unterschiede in der Struktur der DNA-Kontaktstelle beim TBP aus
Pyrococcus ist die Gesamtstruktur eukaryotischer und archaeeller TBPs außerordentlich
ähnlich. Biochemische Evidenz dafür erbringt
der Befund, daß in einem zellfreien Transkriptionssystem aus Methanococcus, das bei 37 °C
sehr gut funktioniert, das archaeelle TBP
ohne Verminderung der Transkriptionsaktivität von TBP aus Hefe oder Hela-Zellen ersetzt werden kann [21]. Dies zeigt, daß eukaryotisches TBP mit der archaeellen TATABox, dem archaeellen Faktor TFB und der
archaeellen RNA-Polymerase spezifisch in
Wechselwirkung treten kann. Diese Konservierung funktionell wichtiger Interaktionsstellen über die Grenzen der phylogenetischen
Domänen hinweg spiegelt die gemeinsame
evolutionäre Herkunft der beiden Proteine
auf eindrucksvolle Weise wider.
Der zweite archaeelle Faktor, TFB, ist
nicht über die Grenzen der Domänen, jedoch innerhalb methanogener Archaea der
Gattungen Methanococcus und Methanosarcina funktionell austauschbar (Thomsen und
Thomm, unveröffentlichte Daten). TFB
besteht aus drei Domänen, einer N-terminalen Domäne, bestehend aus 100 bis 120
Aminosäuren und der C-terminalen Region,
die die beiden Wiederholungseinheiten aus
ca. 90 Aminosäuren umfaßt (Abb. 3). Die interne Symmetrie der Wiederholungseinheiten ist bei Archaea wiederum höher als bei
Eukaryoten, 25-37% gegenüber 11-25%. Die
N-terminale Domäne bildet eine Zink-ribbon-Struktur [22]. Derartige Metallbindungsmotive sind bei eukaryotischen Regulatoren häufig an der DNA-Bindung beteiligt, deshalb wäre es möglich, daß diese Nterminale Domäne bei der Bindung an die
DNA eine Rolle spielt. Es wurde jedoch
gezeigt daß das TFB-Molekül ohne diese
Domäne, TFBc, im Komplex mit TBP an
die DNA-Region stromaufwärts der TATABox binden kann [19]. Zwei Helices in der
zweiten Wiederholungsdomäne von TFB
A
B
Abb. 3: Organisation der Gene der basalen Transkriptionsfaktoren TBP und TFB bei Archaea und
Eukaryoten. Die identischen Aminosäuren zwischen den jeweiligen Wiederholungseinheiten sind durch
horizontale Pfeile angezeigt, der Prozentsatz identischer Aminosäuren (As) in den beiden Domänen ist
jeweils oberhalb der Pfeile angegeben.
bilden ein Motiv, daß strukturell einem bakteriellen helix-turn-helix-Motiv (HTH) sehr
stark ähnelt. Die Details der Struktur dieses archaeellen HTH (und eukaryotischen
HTH in TFIIB) und seiner Interaktion mit
der DNA sind fast identisch mit denen bakterieller HTH, z.B. mit dem Komplex, den
der λ-Repressor mit der Operator-DNA bildet [19]. Somit wurde im atomaren Detail bewiesen, daß die über HTH-Motive vermittelten Protein-DNA-Kontakte in allen drei
phylogenetischen Domänen die spezifische
Interaktion von Transkriptionsfaktoren und
Regulatoren mit der DNA ermöglichen können.
Elongationsfaktoren
Die Daten der archaeellen Genom-Sequenzierungsprojekte zeigen, daß in Archaea
zwei Gruppen von Transkriptionsfaktoren
vorkommen, die in der Elongation der Transkription involviert sind. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Proteine, die homolog
zu den bakteriellen NusA- bzw. NusG-Proteinen sind. Die Funktion dieser Proteine in
Archaea ist bisher allerdings noch nicht bekannt. Die zweite Gruppe weist sowohl zu
einer Untereinheit der eukaryotischen RNAPolymerasen als auch zu dem eukaryotischen
Elongationsfaktor TFIIS Sequenzhomologie
auf. Vor kurzem konnte gezeigt werden, daß
es sich bei dem archaeellen Protein um einen
Transkriptionsfaktor handelt (TFS), der ein
ähnliches Funktionsspektrum besitzt wie
TFIIS. Beide Proteine sind in der Lage, eine
Nukleaseaktivität in der RNA-Polymerase zu
induzieren, die im Elongationskomplex vom
3'-Ende der RNA-Nukleotide abspaltet [11].
Es wird diskutiert, daß diese Eigenschaft die
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Abb. 4: Schematische Darstellung des Präinitiationkomplexes und eines frühen Elongationskomplexes in
Archaea. Die DNA Bindungsstellen der einzelnen Transkriptionskomponenten relativ zur Transkriptionsstartstelle sind jeweils angegeben. TBP ist orange, TFB blau und die RNA Polymerase in grüner Farbe
gezeichnet. Der offene Komplex bzw. die Transkriptionsblase wurden durch zwei Halbkreise markiert.
Genauigkeit der Transkription verbessert
(proofreading).
Transkriptionsinitiation bei den Archaea
Obwohl die Kristallstruktur eines archaeellen Präinitiationskomplexes – bestehend aus Promotor-DNA und den beiden
Faktoren – bekannt ist, bleiben noch viele
Fragen zu klären. Wie interagiert die RNAPolymerase mit diesem Komplex, wie erfolgt
die Bildung des offenen Promotorkomplexes, in welcher Weise bewegt sich die RNAPolymerase nach erfolgter Initiation, bleiben
die Faktoren nach der Initiation DNA-gebunden, oder dissoziieren sie vom Promotor ab? Im Folgenden werden einige neue
Ergebnisse diskutiert, die erste Antworten
auf diese Fragen geben:
Die RNA-Polymerase II, die so große
Ähnlichkeit zur archaeellen RNA-Polymerase besitzt, weist eine besondere Eigenschaft auf: Dieses Enzym benötigt an linearer DNA als Matrize die Energie, die durch
die Hydrolyse der β-γ-Bindung von ATP bereitgestellt wird in einem Schritt vor der Initiation der Transkription. Die Notwendigkeit der Aktivierung der Transkription kann
man in Versuchen nachweisen, bei denen
Analoga von ATP eingesetzt werden, bei de-
nen nur die α-β-, nicht jedoch die β-γ-Bindung des ATP-Moleküls hydrolysiert werden
kann. Bereits initiierte RNA-Ketten können
verlängert werden, wenn ATP durch diese
Analoga ersetzt wird, da bei der Elongation
nur die α-β-Bindung hydrolysiert wird. Dagegen kann unter diesen Bedingungen keine Initiation erfolgen, da in diesem System
für die Aktivierung der Transkription eben
die Spaltung der β-γ-Bindung notwendig ist.
Versuche mit der archaeellen RNA-Polymerase brachten das Ergebnis, daß ATP nicht
benötigt wird und GTP durch die Analoga
PNP-GMP (guanyl-5'-yl imidophosphat)
und GTPγS (Guanosin 5'-0-(thio)triphosphat) ersetzt werden kann, ohne daß die Initiation der RNA-Synthese beeinträchtigt
wurde [23]. Dies zeigt einen wichtigen Unterschied der archaeellen RNA-Polymerase
gegenüber der eukaryotischen RNA-Polymerase II auf. Die archaeelle Initiation erfolgt ohne Aktivierung.
Bei PolII wird die ATP-Hydrolyse vor
der eigentlichen Knüpfung von Phosphodiesterbindungen zur Trennung der DNAStränge im Promotorbereich benötigt, die
durch die Helicaseaktivität des Faktors
TFIIH getrieben wird. Archaea weisen kein
offensichtliches Homolog zu TFIIH auf.
Versuche in unserer Arbeitsgruppe haben ge-
zeigt, daß die Bildung des offenen Promoterkomplexes von der RNA-Polymerase
ohne die Hilfe zusätzlicher Faktoren katalysiert wird. Der offene Komplex erstreckt
sich über den Bereich von –11 bis +4 (Abb.
4). Auch bei den Bakterien und Eukaryoten
wird im Promotorbereich ein offener Komplex ähnlicher Größe und Lokalisation gebildet.
In Abbildung 4 sind auch die Interaktionsstellen der RNA-Polymerase mit dem
archaeellen Promotor dargestellt, wie sie in
DNase I-footprinting-Experimenten ermittelt wurden. TBP bindet im Bereich der
TATA-Box, TFB kontaktiert die DNA
stromaufwärts und stromabwärts der TATABox [4, 23]. Interessanterweise tritt die
RNA-Polymerase in ganz unterschiedlicher
Weise mit den beiden DNA-Strängen in
Wechselwirkung. Am nicht-kodierenden
DNA-Strang bedeckt sie den Bereich von
–15 bis etwa +37, am kodogenen Strang dagegen von –15 bis +17 [23]. Dies weist auf
eine deutlich asymmetrische Struktur
des archaeellen Präinitiationskomplexes
hin.
In einem anderen Experiment wurde
die RNA-Polymerase nach der Synthese von
25 Nukleotiden blockiert und die Ausdehnung der Transkriptionsblase sowie die
Wechselwirkungen der Faktoren und der
RNA-Polymerase mit der DNA in diesem
pausierten Komplex untersucht. Die einzelsträngige DNA-Region in diesem Elongationskomplex umfaßt ca. 20 Nukleotide (Abb.
4). Eine ausgeprägt asymmetrische Wechselwirkung der RNA-Polymerase mit den beiden komplementären DNA-Strängen wurde auch in diesem Komplex festgestellt. Am
nicht-kodierenden Strang kam es nur zu einer Bewegung des 5'-Endes der RNA-Polymerase-Bindungsstelle, die bis zur Position
–4 verschoben wurde, während das Bindungsende stromabwärts vom Transkriptionsstart
unverändert blieb (Abb. 4). Am kodogenen
Strang dagegen war nur eine Bewegung des
stromabwärts liegenden Endes der Bindungsstelle bis zur Position +34 zu beobachten, während das 5'-Ende nicht verändert
wurde. Dies deutet darauf hin, daß sich die
RNA-Polymerase auch in asymmetrischer
Weise relativ zu den beiden DNA-Strängen
bewegt. Die Analyse der Proteinkontakte im
Promotorbereich brachte das Ergebnis, daß
TBP, wie bei Eukaryoten, nach der Initiation an die TATA-Box gebunden bleibt. Dagegen waren alle TFB-induzierten DNAKontakte am nicht dargestellten kodogenen
DNA-Strang aufgehoben. Am kodogenen
Strang bleibt die Bindung von TFB noch
nachweisbar (Abb. 4). Diese Befunde können als erste Hinweise dafür gedeutet werden, daß TFB, ebenso wie bei höheren Zellen, nach der Initiation vom Promotor abdissoziiert.
Überblick
185
B I O S P E K T R U M • 3. 0 0 • 6. J A H R G A N G
Regulation der Transkription
Obwohl die basale Transkriptionsmaschinerie der Archaea eukaryotischer Natur ist,
wurden in archaeellen Genomen eine Reihe
von Transkriptionsregulatoren vom bakteriellen Typ nachgewiesen. Der Wirkungsmechanismus zweier dieser Regulatoren konnte
kürzlich aufgeklärt werden. Bei Archaea existiert ein Homolog des globalen bakteriellen
Regulators LRP (leucine responsive regulatory protein). Bakterielles LRP kann sowohl
als Aktivator wie auch Repressor der Transkription wirken und reguliert die Expression von ca. 70 Genen, wobei die Aktivität des
Proteins häufig durch die Bindung der Aminosäure Leucin an das Protein moduliert wird.
Die Transkription des bakteriellen lrp-Gens
selbst wird durch LRP inhibiert. Eine derartige Autoregulation der Expression des lrpGens wurde auch bei Pyrococcus beobachtet
[24]. Pyrococcus LRP hemmt die Transkription des lrp-Gens spezifisch in vitro.-Bindungsstudien haben gezeigt, daß diese Protein nicht
mit der Bildung des TBP-TFB-PromotorKomplexes interferiert, sondern die Assoziation der RNA-Polymerase an diesen Komplex
hemmt.
Ein ähnlicher Kontrollmechanismus wurde in einem hybriden Sulfolobus/ArchaeoglobusTranskriptionssystem nachgewiesen [25].
MDR1 (metal-dependent repressor 1), ein
Archaeoglobus fulgidus-Homolog des bakteriellen Metall-abhängigen Repressors DtxR,
hemmt in vivo und in vitro die Transkription
des Operons, das das mdr1-Gen enthält, in
Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Metallionen. In vitro verhindert auch dieses Protein die Transkription seines eigenen Gens
durch Blockierung der Assoziation der RNAPolymerase an den TBP-TFB-PromotorKomplex. Demnach scheint sich ein erster
grundsätzlicher Mechanismus der Genregulation in Archaea herauszukristallisieren. Ein
Regulator vom bakteriellen Typ interferiert
mit der Bindung der RNA-Polymerase vom
eukaryotischen Typ an einen Präinitiationskomplex, der – obwohl weniger komplex – in
der Struktur seiner Grundelemente fast identisch ist mit dem basalen PolII Transkriptionsapparat.
Es wurde aber bei halophilen Archaea
auch ein Regulator für Gasvesikelproteine,
GvpE, entdeckt, der ein Leucin-zipper-Motiv aufweist [26]. Dies ist ein typisches Motiv
eukaryotischer Transkriptionsregulatoren.
Eingehende Analysen der DNA-Sequenz dieses Transkriptionsaktivators haben jedoch
gezeigt, daß das Protein ansonsten keinerlei
Ähnlichkeit zu einem eukaryotischen Transkriptionsregulator besitzt [9]. Dieser Befund
deutet darauf hin, daß in Archaea auch Transkriptionsregulatoren existieren, die für diese Domäne einzigartig sind. Bisher konnte in
archaeellen Genomen kein einziger Regula-
tor vom eukaryotischen Typ eindeutig identifiziert werden.
Ausblick
Das Verständnis sowohl des Mechanismus
als auch der Regulation der Transkription in
Archaea ist im Vergleich mit bakteriellen und
eukaryotischen Systemen noch nicht sehr
weit entwickelt. Gerade die ausgeprägte Stabilität der Proteine aus hyperthermophilen
Archaea kann sich als besonderer Vorteil bei
weiteren Untersuchungen erweisen. Vor allem die Analyse der Protein-Protein-Wechselwirkung der RNA-Polymerase mit den Transkriptionsfaktoren, der Interaktionsstellen des
Enzym mit der DNA nach Pausieren von
Elongationskomplexen mit unterschiedlich
langen RNA-Ketten lassen wichtige Fortschritte zum Verständnis des Transkriptionsmechanismus erwarten. Inzwischen sind in
Archaea viele regulierte Gene, wie Hitzeschockgene und Gene des Zuckerstoffwechsels entdeckt worden, deren Transkription nur
bei Wachstum unter Streß oder auf bestimmten Kohlenstoffquellen induziert wird. Die
Mechanismen, die die Aktivität dieser Gene
modulieren, liegen noch völlig im Dunkeln. Aufgrund der geringeren Komplexität ist das archaeelle System ein exzellentes Modellsystem,
dessen Analyse auch zum besseren Verständnis
der Evolution und des Mechanismus der eukaryotischen Transkription beitragen wird.
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Michael Thomm
Institut für Allgmeine Mikrobiologie, Christian AlbrechtsUniversität zu Kiel
Am Botanischen Garten 1-9
24118 Kiel
Tel.: 0431-880-4330
Fax.: 0431-880-2194
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