M3 Elastizitätsmodul 1. Aufgabenstellung 1.1 Bestimmen Sie den Elastizitätsmodul E verschiedener Metalle aus der Biegung von Stäben. 1.2 Stellen Sie den Biegepfeil s in Abhängigkeit von der Belastung F grafisch dar und überprüfen Sie die Gültigkeit des Hooke’schen Gesetzes. 1.3 Führen Sie eine Größtfehlerberechnung zu Ihren Messungen durch. 2. Theoretische Grundlagen Stichworte zur Vorbereitung : Spannungs-Dehnungs-Diagramm, Hooke’sches Gesetz, Elastizitätsmodul, Flächenträgheitsmoment, elastische Konstanten Literatur : D. Geschke Physikalisches Praktikum Mechanik, Kap. 3, Teubner Verlag 2001 A. Recknagel Physik Mechanik, Kap. 9, Verlag Technik 1955 E. Grimsehl Lehrbuch der Physik Bd. I, Mechanik, Akustik, Wärmelehre, Kap. 6, Elastizität und Festigkeit Teubner Verlag 1991 H. J. Paus Physik in Experimenten und Beispielen Kap. 15 Hanser Verlag 1995 1 Ideal starre Körper treten in der Natur nicht auf. Jeder Körper erfährt durch eine angreifende Kraft eine Deformation. Im Versuch soll am Beispiel der Durchbiegung von Stäben der Zusammenhang zwischen den Kräften, die an einem Festkörper angreifen, und den dabei auftretenden Deformationen des Festkörpers untersucht werden. Je nach der Art der Einwirkung äußerer Kräfte in Bezug auf eine bestimmte Körperfläche werden verschiedene Spannungszustände, wie z. B. Längsdehnung, Querkontraktion, Scherung oder Torsion beobachtet. Der Elastizitätsmodul E ist nur eine der elastischen Konstanten, deren Bedeutung im Folgenden kurz erklärt wird. Ein Metallstab werde durch eine Zugkraft belastet, er wird dabei länger. Der Quotient aus der in Längsrichtung des Stabes wirkenden Kraft Fn fläche A wird Normalspannung Belastung und der Querschnitts- σ genannt (Abb. 1). Der Zusammenhang zwischen σ und relativer Längenänderung des Stabes ε = ΔA ist in dem A Spannungs-Dehnungs-Diagramm in Abb. 1 dargestellt. Die im Stabquerschnitt wirksame Spannung ist auf den unbelasteten Querschnitt A 0 bezogen. F = An 0 E B A C D F Fn 0 Abb. 1 : Spannungs-Dehnungs-Diagramm und Zugversuch / Längsdehnung Bis zum Punkt A, der Proportionalitätsgrenze, ist die Dehnung der Spannung proportional. Unterhalb der Elastizitätsgrenze B gehen Volumen und Gestalt des Körpers nach Aufhören der Belastung in ihren ursprünglichen Zustand zurück, der Körper verhält sich elastisch. Oberhalb von B nimmt der Körper nach Verschwinden der Kraft die ursprüngliche Gestalt nicht mehr ein, das Material verhält sich plastisch. Oberhalb des Punktes C, der so genannten Fließgrenze, dehnt sich der Körper weiter, ohne dass die Belastung zunimmt. Oberhalb von D kommt es wieder zu einer 2 Verfestigung, bis der Draht sich bei E an der späteren Bruchstelle einschnürt und schließlich bei F reißt. Das Spannungs-Dehnungs-Diagramm sieht bei verschiedenen Stoffen qualitativ ähnlich aus, jedoch unterscheiden sich die einzelnen Bereiche in ihrer Ausdehnung oft wesentlich. Neben der Belastungsabhängigkeit beobachtet man auch eine Zeitabhängigkeit der Verformung. Man erreicht den Endwert einer Formänderung auch im elastischen Bereich erst nach einer gewissen Zeit (elastische Nachwirkung). Eine andere Erscheinung, die elastische Hysterese, besteht im Auftreten einer Restdeformation bei völliger Entlastung, sie ist durch entgegengesetzter Belastung zu beseitigen. Die Ursache dieser Erscheinung sind Fehler im Kristallbau. Physikalisch anschaulich lässt sich dieses Verhalten deuten, wenn man berücksichtigt, dass feste Körper aus Gitterbausteinen aufgebaut sind, die in Form eines Raumgitters angeordnet sind und die sich durch anziehende und abstoßende Kräfte zwischen den Bausteinen im stabilen Gleichgewicht befinden. Durch nicht zu große äußere Kräfte F werden die Abstände der Gitterbausteine verändert und dadurch innere Kräfte Fi hervorgerufen, die nach der äußeren Krafteinwirkung die alte Gleichgewichtslage wieder herstellen (elastisches Verhalten). Durch größere äußere Kräfte können die Gitterebenen gegeneinander verschoben werden. Die Gitterbausteine gelangen dabei in neue stabile Gleichgewichtslagen, die sie nach dem Aufhören der äußeren Krafteinwirkung beibehalten (plastisches Verhalten). Im Gültigkeitsbereich des Hooke’schen Gesetz gilt σ = Eε . 3. (1) Bestimmung des Elastizitätsmoduls aus der Biegung eines Stabes Bei Verwendung von Metallstäben mit konstantem Querschnitt lässt sich der oben beschriebene Zugversuch nur schwer realisieren (sehr große Zugkräfte, geringe Dehnung). In diesen Fällen erfolgt die Bestimmung des Elastizitätsmoduls aus der bei Belastung auftretenden Biegung der Stäbe. Ein Stab wird auf zwei Auflageschneiden gelagert, die den Abstand A voneinander haben und in deren Mitte durch eine Kraft FG auf Biegung belastet. Dabei verformt sich der Stab in der Weise, dass er oberhalb der neutralen Faser verkürzt und unterhalb verlängert wird (Abb. 2). Als neutrale Faser wird beim Biegevorgang die 3 parallel zur Stablängsachse liegende Fläche bezeichnet, die ihre ursprüngliche Länge beibehält, also weder gestaucht noch gedehnt wird. Die Auslenkung des Angriffspunktes der Kraft aus seiner ursprünglichen Lage heißt Biegepfeil s . s FG neutrale Faser Abb. 2 : Prinzip des Biegeversuches Durch Messung von s kann der Elastizitätsmodul E berechnet werden. Der Biegepfeil wird umso größer, je länger der Stab und je größer die wirkende Kraft ist. Er ist umso kleiner, je weniger dehnbar das Material ist, d. h., je größer sein Elastizitätsmodul ist. Der exakte Zusammenhang lautet FG A3 s= . 48 I F E Dabei ist (2) I F das Flächenträgheitsmoment bezüglich der neutralen Faser. I F wird durch die Querschnittsform (Profil) des Stabes in Biegerichtung bestimmt. Durch Umstellen von Gl.(2) nach E lässt sich dieser aus den Messgrößen berechnen. Zur quantitativen Herleitung von Gl.(2) dient folgende Überlegung: Bei der vorliegenden symmetrischen Belastung betragen beide Auflagekräfte G G FA = − FG / 2 (Abb. 2). Deshalb wird die gleiche Verformung des Stabes erreicht, wenn der Stab nicht an den Enden aufliegt und in der Mitte durch FG (Gewichtskraft) belastet wird, sondern in der Mitte eingespannt und an den Schneiden durch zwei G senkrecht nach oben wirkende Kräfte FA belastet wird. Zunächst soll für den in Abb. 3 dargestellten Stab mit rechteckigem Querschnitt das Flächenträgheitsmoment I F berechnet werden. Die neutrale Faser ist aus Symmetriegründen die Ebene in der Mitte der Querschnittsfläche. 4 y b dy h 2 h 2 FG x neutrale Faser Abb. 3 : Lage der neutralen Faser bei rechteckigem Querschnitt Zur Berechnung des Flächenträgheitsmomentes legt man den Ursprung des Koordinatensystems günstigerweise so, dass die neutrale Faser in der Abszisse verläuft (Abb. 3). Das Flächenträgheitsmoment des Stabes bezüglich der neutralen Faser lautet per Definition (s. auch Gl.9) I F = ∫ y 2 dA (3) worin y den Abstand des Flächenelementes dA von der neutralen Faser angibt. Mit dem Flächenelement dA = b dy erhält man für ein Rechteck (Abb. 3) h 2 h3 b I F = ∫ b y dy = . h 12 − 2 (4) 2 Im Weiteren sollen die bei der Durchbiegung des Stabes auftretenden Deformationen und Rückstellkräfte betrachtet werden. Die Endflächen A eines kleinen Stabelementes der Länge dx im Abstand x von der Auflage werden durch die Belastung um den Winkel dβ gegeneinander verkippt (Abb. 4). Dem äußeren Drehmoment wirkt dann in jedem Abstand y von der neutralen Faser ein durch die elastischen Rückstellkräfte bewirktes Drehmoment dM entgegen dM = y dF = y σ dA . Die Spannung σ ist der Dehnung ε = Längenänderung dA ursprüngliche Länge dx (5) (6) proportional. σ =E dA dx 5 (7) dβ dβ dx dx A ds x dβ y d dA Abb. 4: Deformiertes Längenelement Für die Längenänderung dA einer Faser im Abstand von der neutralen Faser gilt dA = y dβ . Weiterhin gilt für den Beitrag ds , den das betrachtete Längenelement im G Abstand x vom Angriffspunkt der Kraft FA zur Durchbiegung des Stabes liefert, ds = x dβ . Damit folgt für dM dM = E ds 2 y dA . x dx (8) Das am ganzen Querschnitt A angreifende Drehmoment ist dann M= E ds 2 E ds d y A = IF . x dx ∫A x dx (9) Dieses durch die elastischen Gegenkräfte hervorgerufene Drehmoment M mussbetragsmäßig dem durch die äußere Kraft FA = FG / 2 hervorgerufenen Moment M G im Abstand x (Abb. 3) M G = FG x / 2 (10) gleich sein. Mit M ( x ) = M G ( x ) ergibt sich durch Umstellung für die Durchbiegung ds ds = FG 2 x dx , 2 E IF (11) und die gesamte Durchbiegung wird nach Integration A/2 FG A3 FG 2 s= x dx = , 2 E I F x∫=0 48 E I F was mit Gl.(2) identisch ist. 6 (12) 4. Versuchsdurchführung Zunächst sind zwei Probestäbe aus unterschiedlichem Material auszuwählen. Die Querschnittsabmessungen der Versuchsstäbe werden mit dem Messschieber, der Abstand zwischen den beiden Auflagen mit dem Stahlmaßstab und die Durchbiegung s mit der installierten Messuhr gemessen. Nach Auflegen des Probestabes wird der Lastenträger (zur Aufnahme der Massestücke) mit seiner Schneide auf den Probestab gesetzt. Die Schneide platziert man dabei genau über dem Fühler der Messuhr. Das Messen des Biegepfeils s bei zunehmender und abnehmender Last erfolgt durch schrittweises Auflegen und nachfolgendes Abnehmen der fünf Massestücke. Ein derartiger Messzyklus liefert demnach neun Wertepaare von Last und zugehörigem Biegepfeil. • Ein solcher Messzyklus wird für jeden Probestab dreimal durchgeführt. • Nach jedem Messzyklus wird der Nullpunkt der Messuhr erneut justiert. • Die Gewichtskraft, die durch ein Massestück realisiert wird, beträgt FG = 5 N, der relative Fehler ist ΔFG / FG = 0,1% • Der systematische Fehler der Messuhr beträgt im speziellen Einzelfall x = ± 0,015 mm. 5. Kontrollfragen 5.1 Welchen Zusammenhang beobachtet man zwischen Spannung und Dehnung, wenn man einen festen Körper über seine Elastizitätsgrenze hinaus belastet? 5.2 Was versteht man unter dem Begriff der mechanischen bzw. elastischen Hysterese? 5.3 Welcher Zusammenhang besteht zwischen relativer Volumenänderung, Querkontraktionszahl (POISSON-Zahl) und Elastizitätsmodul? 5.4 Ein quaderförmiger Holzbalken ist über eine Baugrube gelegt. Um welchen Faktor ändert sich die Durchbiegung, wenn man ihn a) durch einen doppelt so breiten und b) durch einen doppelt so hohen Balken des gleichen Materials ersetzt? 7