Schizophrenie Daniela Roesch-Ely [email protected] Agenda Teil I • Symptome der Erkrankung mit Videobeispiele: Positiv- und Negativsymptome Teil II • Differentialdiagnose • Ätiologie: Interaktion aus genetischen und Umweltfaktoren • Therapie Ziele Am Ende dieser Vorlesung werden Sie: 1) die Symptome der Erkrankung und 2) die Differentialdiagnose der Erkrankung benennen können 3)Pharmaklogische und nichtpharmakologische Therapieansätze benennen können Aufgabe 1. Während des Videos auf die Symptome zu achten bzw. aufschreiben 2. Nach der Videopräsentation mit dem/r Nachbarn/in 2 Minuten austauschen Schizophrenie Adaptiert von Stahl, 1999 Positivsymptome I • Halluzinationenvorwiegend akustisch Imperativ Kommentierend Dialogisierend • Wahn Verfolgungswahn Beziehungswahn Vergiftungswahn Religiösenwahn Versündigungswahn Positivsymptome II • Ich-Störungen -Gedankeneingebung/ -entzug -Gedankenausbreitung -Fremdbeeinflussungserlebnisse -Depersonalisation Positivsymptome Formale Denkstörung • Weitschweifig, monologisieren • Umständlich • Danebenreden/Vorbeireden • Konkretismus (wenig Abstraktion) • Zerfahrenheit • Schizophasie (Wortsalat) Konkretismus Untersucher: Patient: Sie gehen auf dünnem Eis. Ja, gestern hat es geschneit zitiert nach Bychowski (1943) Frage: Antwort: Wo ist Ihr Mann? Auf unserem Hochzeitsbild nach Peters 1991 Aufgabe 1. Während des Videos auf die Symptome zu achten bzw. aufschreiben 2. Nach der Videopräsentation mit dem/r Nachbarn/in 2 Minuten austauschen Schizophrenie Adaptiert von Stahl, 1999 Negativsymptome • • • • • Allgemeiner Interessenverlust Rückzug aus sozialen Bezügen Apathie, Anhedonie Verflachter und inadäquater Affekt Antriebsarmut Negativsymptome • • • • Geringe Sprachproduktion Verzögerte Antwortlatenz Sperrungen Gedankenabreißen • Mutismus • Echolalie • Perseveration Schizophrenie Adaptiert von Stahl, 1999 Worüber klagen die Patienten? • „vor allem kann ich mir Buchinhalte schlecht einprägen und bin insgesamt auch im Alltag vergesslich“... • „ich kann mich nur schwer konzentrieren, wenn um mich herum viel los ist – ich brauche doppelt soviel Zeit wie andere“... • „ich habe Probleme damit, das Wesentliche in Texten zu erfassen und somit die Informationsmenge zu reduzieren“... Relevanz kognitiver Defizite in der Schizophrenie • Häufig: >80% der Patienten (Elvevag et al 2000) • Auftreten bereits zur Beginn der Erkrankung (Bilder et al 2000) • Relativ hohe Stabilität im Verlauf (Friedman et al. 2001) Kognitive Flexibilität Verbale Fähigkeiten Lernen und Gedächtnis Akquisition Gedächtnis Akquisition Aufmerksamkeit/ Konzentration Lernen und Kognitive Flexibilität Lernen und Gedächtnis Verzögerter Abruf Cohens d 3.5 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 Visuokonstruktion Lernen und Gedächtnis Verzögerter Abruf Cohens d Vergleich neuropsychologischer Leistungsprofile I 3.5 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 Alzheimer-Demenz Schizophrenie Schädel-Hirn-Trauma nach: Jahn und Rockstroh, 2006 Verbale Fähigkeiten Lernen und Gedächtnis Akquisition Aufmerksamkeit/ Konzentration Kognitive Flexibilität Verbale Fähigkeiten Lernen und Gedächtnis Akquisition Aufmerksamkeit/ Konzentration Kognitive Flexibilität Visuokonstruktion Visuokonstruktion Manumotorik Lernen und Gedächtnis Verzögerter Abruf 0.8 0.6 0.4 0.2 0 Lernen und Gedächtnis Verzögerter Abruf Cohens d Vergleich neuropsychologischer Leistungsprofile II 1.6 1.4 1.2 1 0.8 1.6 0.6 1.4 0.4 1.2 0.2 01 Depressive Störung Schizophrenie Zwangsstörung nach: Jahn und Rockstroh, 2006 Neuropsychologische Diagnostik • Ausführlich - 1-2 Stunden! • Nicht in der Akutphase • Nicht in der Umstellungsphase von Medikamente Stroop Task rot blau XXX Aufmerksamkeitsund Inhibitionsleistung Farbe nennen! Ausmaß kognitiver Störungen bei ersterkrankten Patienten 0 -0,2 -0,4 Z Score -0,6 -0,8 -1 -1,2 -1,4 -1,6 -1,8 -2 Sprache Motorik Aufmerk-samkeit Exekutive Gedächtnis/ Kontrolle Lernen räumliche Fähigkeiten Bilder et al, 2000 Relevanz kognitiver Defizite in der Schizophrenie • Häufig (>80% der Patienten) – core feature (Elvevag 2000) • Auftreten bereits zur Beginn der Erkrankung (Bilder 2000) bei relativ hoher Stabilität im Verlauf (Friedman et al. 2001) • Bester Prädiktor für alltagsbezogene Leistungsfähigkeit (Green, 1996/2000) Schizophrene Psychose und soziale Behinderung Beschäftigungsstatus von chronisch kranken psychiatrischen Patienten - vollbeschäftigt - teilzeitbeschäftigt - geschützter Arbeitsplatz - in beruflicher Rehabilitation - psychosoziale Angebote der Tagesgestaltung - keinerlei Arbeits- oder Beschäftigungsangebot (Angermeyer und Matschinger 1996) 5,6% 6,5% 20% 5% 15% 50% Erfasst die Fähigkeit: • ein Konzept herzustellen und • sich umzustellen = Exekutive Kontrolle Wisconsin Card Sorting Task Einfluss der Kognition auf Berufstätigkeit Wisconsin Card Sorting Task McGurk und Meltzer, 2000 Schizophrenie Adaptiert von Stahl, 1999 Schizophrenie und Psychose • Psychose beinhaltet verschiedenen Symptomen • Darunter: Wahn, Halluzinationen, Realitätsverlust, Desorganisiertes Denken und Verhalten, Innere Unruhe • Psychose ist Teil der Schizophrenie aber auch anderen Erkrankungen Substanz/ Drogeninduzierte Psychose Schizophrenie Depression Bipolare Störung Demenz Lupus Tumoren Epilepsien z.B. Schilddrüse Historische Meilensteine Emil Kraepelin, 1893 Eugen Bleuler, 1911 Kurt Schneider, 1946 Kognitive Störungen Dementia precox Gruppe der Schizophrenien Grundsymptome: 4As: Assoziation, Affektivität, Ambivalenz, Autismus Erst- und Zweitrangsymptome ICD 10 Kriterien Verbindet Kraepelins Hinweise auf den Verlauf mit den Symptomen nach Schneider und Bleuler. F 20, Schizophrenie Diagnostische Eingangskriterien G1. Für die Dauer von mindestens einem Monat 1. Mindestens eines der folgenden Merkmale: a. Gedankenlautwerden, -eingeben, - entzug oder –ausbreitung b. Kontroll-, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, Wahnwahrnehmung c. Kommentierende oder dialogisierende Stimmen d. Anhaltender kulturell unangemessener, bizarrer Wahn ICD 10 Kriterien • oder mindestens zwei der folgenden Merkmale: • a. Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität begleitet von flüchtigen Wahngedanken oder von lang anhaltenden überwertigen Ideen • b. Neologismen, Gedankenabreißen, Zerfahrenheit oder Danebenreden • c. katatone Symptome • d. „negative“ Symptome Teil II Epidemiologie der Schizophrenie • Lebenszeit Prävalenz 1,0 - 1,5 % • Vorkommen bei Frauen = Männer – Geschlechtsabhängiges Manifestationsalter • Weltweit weitgehend identische Häufigkeit Gesellschaftliche Bedeutung • 15.000 Neuerkrankungen pro Jahr in BRD • Behandlungskosten in BRD: ~7 Mrd. €/Jahr • Arbeitslosigkeit über 80% • Frühberentung >50% Verlauf schizophrener Psychosen prodromal psychotisch remittiert psychotisch Symptomatik prämorbid Beginn Behandlung Beginn der Erkrankung Beginn erste Episode Beginn zweite Episode nach Dunitz 2002 Prämorbide Auffälligkeiten • • • • • Entwicklung von Sprache und Motorik Kognitive Funktionen Soziale Kontaktfähigkeit Affekt Belastbarkeit Subjektiv erlebte Frühsymptome • Störungen der Konzentration, Gedächtnis • Gedanken verschwinden aus dem Kopf, reißen plötzlich ab • Schwierigkeiten, die Gedanken im Kopf zu ordnen • Gedanken scheinen laut ausgesprochen zu werden • Schwierigkeiten, sich verständlich auszudrücken • Veränderte Gefühle • Schwäche, Erschöpfung oder Energielosigkeit Komorbidität • 80% rauchen • 30-50% mit zusätzlicher Alkoholkrankheit • 15-25% konsumieren Cannabis • 5-10% konsumieren Kokain • Schizophrene Symptome häufiger mit Temporallappenepilepsien assoziiert Vitale Gefährdung durch Schizophrenie • 20-50% unternehmen einen Suizidversuch • 10-15% versterben durch Suizid • insgesamt erhöhte Mortalitätsrate – 50% körperlicher Erkrankungen nicht diagnostiziert – kardiovaskuläre Erkrankungen – erhöhte Unfallgefahr – Pat. leben >10 Jahre weniger Vulnerabilitäts-Stress-Modell Wahrscheinlichstes genetisches Modell • polygen vermittelte Krankheitsbereitschaft mit einem Schwellenwert für genotypische Gefährdung Schizophrene Psychosen in Familien Verwandte 1. Grades Verwandte 2. Grades Allgemeinbevölkerung 1% Ehegatten 2% Vettern 2% Onkel/Tanten 2% Neffen/Nichten Enkel Halbgeschwister 4% 5% 6% Kinder Geschwister 13% 9% Geschw + ein Elter 17% ZE-Zwillinge 17% Eltern 6% EE-Zwillinge 48% Nachkommen zweier betroffener Eltern 0 46% 10 20 30 40 50% Negative Umwelteinflüsse • häufigeres Auftreten - bei Geburt im Januar – April (nördliche Hemisphäre) bzw. Juli – September (südliche Hemisphäre) - nach Hungerperioden im zweiten Trimenon - nach fetaler viraler Infektion • • • • Urbanes Wohnen Drogenkonsum inkl. Cannabis! Stress – Prüfungen, Arbeit High Expressed Emotions in der Familie Positivsymptome Negativsymptome Positivsymptome Psychose Wahn Halluzinationen Ich-Störungen Kognitive Symptome Negativsymptome Affektverflachung Schizophrenie Antriebsdefizite Spracharmut Kognitive Symptome Aufmerksamkeit Gedächtnis Exekutive Funktionen TEIL III – THERAPIE DER SCHIZOPHRENIE Behandlungsphasen und Interventionen Kognitive Remediation KVT – Rückfallverhütung, Reduktion pos./neg. Symp. Familienintervention / Angehörigengruppen Psychoedukation Pharmakotherapie Akutphase Stabilisierungsphase Stabile Phase Dopaminerge Systeme 1 nigrostriatal 2 mesolimbisch 3 mesocortical 4 tuberoinfundibulär Glutamat Hypofunktionshypothese Positivsymptome Quelle: Stahl, S. Antipsychotika der ersten Generation Quelle: Stahl, S. Glutamatdysfunktion Dopamin Kognitive Symptome Negativsymptome Dopamin Positivsymptome 1 nigrostriatal 2 mesolimbisch 3 mesocortical 4 tuberoinfundibulär Psychosoziale Interventionen • • • • • • • Soziotherapie kognitive Verhaltenstherapie + Psychoedukation Angehörigenarbeit Training sozialer Fertigkeiten Ergotherapie Kognitives Training andere Fachtherapien Arbeitstherapie Montag 08:00 08:00 Öffnung Dienstag 08:00 Öffnung 08:30 Morgenrunde mit 08:30 Morgenrunde, Planung der Blutdruck und Außenaktivität Gewicht messen 09:00 09:15 09:15 Arbeitstherapie und Oberarzt- bzw. Arbeitstherapie Einzelvisite 10:00 10:15 Pause 10:15 Pause 10:30 10:30 Arbeitstherapie und 11:00 Oberarzt- bzw. Arbeitstherapie Einzelvisite 11:40 11:40 Mittwoch 08:00 Öffnung 08:30 Donnerstag 08:00 08:30 Morgenrunde 09:15 09:10 Arbeitstherapie 10:15 10:30 Pause 10:15 10:30 Arbeitstherapie 11:40 Öffnung Morgenrunde und Wochenendplanung Musiktherapie nach Vorgespräch / Arbeitstherapie Pause Freitag 08:00 08:30 Morgenrunde 09:15 Arbeitstherapie 10:15 10:30 Arbeitstherapie 11:40 Öffnung Pause Arbeitstherapie 11:40 12:00 Mittagspause 13:00 13:00 Mittagspause 13:00 Bewegungstherapie 13:45 Pause 14:00 14:00 Psychoedukation nach Vorgespräch / Märchengruppe 14:50 Pause 15:00 15:00 BELA Bitte vorher wiegen Smile - Zettel nicht vergessen 16:00 16:00 Ausklang MKT 15:00 - 16:00 Mittagspause 13:00 Bewegungstherapie 13:45 14:00 14:50 15:00 13:00 Singgruppe 13:15 Pause SKT / Zeitungsgruppe Pause 14:00 14:15 14:35 14:45 Pause Entspannung Pause Patienten-Meeting / Organisatorisches 14:00 Außenaktivität Gruppenaktivität Gruppenaktivität 15:45 16:00 Ausklang Mittagspause Mittagspause Mittagsmagazin 13:45 14:00 Pause Entspannung 14:30 Einklang ins WE, Kaffeerunde 15:00 Aufräumen 15:15 Ausklang Ausklang 16:00 Ausklang MKT 12:30 - 13:30 Millieu- und Soziotherapie • Planung von Arbeits- und Wohnsituation • Prinzip der kleinen Schritte • Balance zwischen Über- und Unterforderung nachstationäre AngeboteWohnen • Betreutes Wohnen – Wohngemeinschaften – Betreutes Einzelwohnen – Heime nachstationäre AngeboteBerufliche Rehabilitation • Dienste für Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz (z.B. Hamburger Modell) • Umschulung • Rehabilitationseinrichtung z.B. RPK • Spezielle Firmen, z.B. IFA • Berufstrainingszentrum • Geschützte Werkstatt Behandlungsphasen und Interventionen Kognitive Remediation Soziotherapie KVT – Rückfallverhütung, Reduktion pos./neg. Symp. Familienintervention / Angehörigengruppen Psychoedukation Pharmakotherapie Akutphase Stabilisierungsphase Stabile Phase Behandlungsziele Bis 2010 Positivsymptome: Wahn✔ Halluzinationen✔ Ich-Störungen✔ Kognitive Symptome✗ Negativsymptome✗ Ab 2010 + Kognitive Symptome Negativsymptome Bessere Integration in der Gesellschaft Um 2030 + Prävention Individuelles Risiko erkennen und personalisierte Intervention(Preemption) Heilung Quelle: Insel, T –Nature 2011 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!