24.10.2014 1,5 Jahre Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) – Ein erster Erfahrungsbericht Referat anlässlich des Mittagslunch's rpknord, Pflegezentrum Embrach, 23. Oktober 2014 Martina Nüssli, Präsidentin a.i. KESB Kreis Bülach Nord Linus Cantieni, Präsident KESB Kreis Bülach Süd Heutiges Programm Rückblick und Stand (der Dinge) Möglichkeiten und Grenzen des Erwachsenenschutzes Ablauf eines KESB-Verfahrens Herausforderungen und Wünsche Fragen/Anliegen 1 24.10.2014 Rückblick und Stand (der Dinge) 3 Rückblick Seit 1. Januar 2013 (CH-weit): materiell: umfassend revidiertes Erwachsenenschutzrecht organisatorisch: interdisziplinär zusammengesetzte Behörden mit Fachsekretariaten (Art. 440 ZGB) • • Kantone bestimmen die Organisation (Kanton ZH: EG KESR) Reduktion von 1414 VB‘s auf 148 KESB verfahrensrechtliche Grundsätze (Art. 443 ff. ZGB, Art. 314 Abs. 1 ZGB) 2 24.10.2014 Der Start… Übernahme von 800 bzw. knapp 1000 Fällen per 1. Januar 2013 "Überschwemmung" mit neuen Gefährdungsmeldungen neues Recht, fehlende Praxis neue Organisation (Teambildung/-kultur) Infrastruktur (insb. IT) mehrheitlich neue Mitarbeitende interdisziplinäre Zusammenarbeit unklare Schnittstellen (intern wie auch extern) etc. 4 …der Stand (der Dinge) nach wie vor hohe Arbeitsbelastung/Pendenzenlast zahlreiche Schnittstellen mit Zusammenarbeitspartnern sind noch zu klären anhaltende mediale Kritik problematisch ABER: vieles etabliert bzw. konsolidiert • standardisierte Abläufe • geklärte Haltungen, gemeinsame Sprache • Fachaustausch innerhalb des Kantons ZH (KPV) • Gefässe für disziplinenübergreifenden Austausch • etc. 5 3 24.10.2014 Zusammenarbeit sozialpsychiatrisches Netzwerk grosses Wohlwollen der Zusammenarbeitspartner pragmatische Lösungsfindungen möglich Abläufe „FU-Verlängerungen“ gut eingespielt, Zusammenarbeit mit FU-GutachterInnen erfreulich Gefährdungsmeldungen sind i.d.R. gut dokumentiert (weiterhin) grosser Bedarf an Austausch und Vernetzung Möglichkeiten und Grenzen des Erwachsenenschutzes 8 4 24.10.2014 Behördliche Massnahmen (Art. 388 ff. ZGB) Schwächezustand (Ursache) + Schutzbedürftigkeit (Auswirkung) = behördliche Massnahme Schwächezustände: geistige Behinderung psychische Störung ähnlicher in der Person liegender Schwächezustand vorübergehende Urteilsunfähigkeit/Abwesenheit Grundprinzipien: Subsidiarität, Verhältnismässigkeit Selbstbestimmung der betroffenen Person soweit möglich erhalten und fördern (Art. 388 Abs. 2 ZGB) 9 Subsidiarität und Verhältnismässigkeit (Art. 389 ZGB) 1 Die Erwachsenenschutzbehörde ordnet eine Massnahme an, wenn: 1. die Unterstützung der hilfsbedürftigen Person durch die Familie, andere nahestehende Personen oder private oder öffentliche Dienste nicht ausreicht oder von vornherein als ungenügend erscheint; 2. bei Urteilsunfähigkeit der hilfsbedürftigen Person keine oder keine ausreichende eigene Vorsorge getroffen worden ist und die Massnahmen von Gesetzes wegen nicht genügen. 2 Jede behördliche Massnahme muss erforderlich und geeignet sein. 10 5 24.10.2014 Massschneiderung… ist auf die Bedürfnisse des Betroffenen ausgerichtet (Art. 391 ZGB) umschreibt eindeutig und individuell die Aufgaben und Kompetenzen der Beistandsperson in der Personensorge, Vermögenssorge und im Rechtsverkehr beschränkt oder entzieht (nur) wenn erforderlich die Handlungsfähigkeit 11 Grenzen einer Beistandschaft Was eine Beistandschaft kann: • begleiten • vertreten in bestimmten rechtlichen Angelegenheiten • vertreten bei der Einkommens- und Vermögensverwaltung • mitwirken bei bestimmten Handlungen • Handlungsfähigkeit einschränken Was sie nicht kann: • dem Betroffenen die notwendige Betreuung/Unterstützung zukommen lassen, ohne minimale Kooperation • eine Person "unterbringen" 11 6 24.10.2014 Wo keine Beistandschaft nötig ist Vertretung Ehegatten/eingetragene/r PartnerIn von Gesetzes wegen (Art. 374 Abs. 1 ZGB) • Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde bei ausserordentlicher Vermögensverwaltung Art. 374 Abs. 3 ZGB Vertretung bei medizinischen Massnahmen (Art. 377 Abs. 1 ZGB) • vgl. vertretungsberechtigte Person gemäss Katalog in Art. 378 ZGB 11 (Gefährdungs-)Meldung an die KESB 14 7 24.10.2014 Gesetzliche Grundlage im ZGB Art. 443 ZGB 1 Jede Person kann der Erwachsenenschutzbehörde Meldung erstatten, wenn eine Person hilfsbedürftig erscheint. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über das Berufsgeheimnis. 2 Wer in amtlicher Tätigkeit von einer solchen Person erfährt, ist meldepflichtig. Die Kantone können weitere Meldepflichten vorsehen. 15 Pflicht zur Gefährdungsmeldung Anzeigepflicht der Person, welche von der Gefährdung „in amtlicher Tätigkeit“ erfährt. „in amtlicher Tätigkeit“ handeln alle Personen, die öffentlich-rechtliche Befugnisse ausüben, auch wenn sie zum Gemeinwesen nicht in einem Beamten- oder Angestelltenverhältnis stehen 16 8 24.10.2014 Weitere Informationen zur Gefährdungsmeldung Download auf www.kesb-zh.ch Service Gefährdungsmeldung Erwachsene 17 Ablauf eines (typisierten) Verfahrens 18 9 24.10.2014 Verfahrensablauf (I) 1. Gefährdungsmeldung Intakedienst (FachmitarbeiterIn) bei Dringlichkeit: für Ersteinschätzung umgehender Austausch mit BM einer anderen Disziplin (4-Augenprinzip) ansonsten: Fallverteilung 2. Fallverteilung DI/MI/DO Kurzsitzung der Behörde interdisziplinäre Analyse der Gefährdungsmeldung Zuteilung Fall (nach Fachkompetenz, i.d.R. ein „Tandem“) 19 Verfahrensablauf (II) 3. Abklärung I.d.R. intern, z.T. extern (Abklärungen im Kindesschutz) Einholung Informationen bei Gemeinden (Einwohnerdienste, Sozial-, Steueramt, Schule etc.) Einholung von Arztberichten, Gutachten Gespräche mit MelderIn, KlientIn, soziales Umfeld etc. 4. Vorberatung je nach Komplexität des Falles wird das weitere Vorgehen („die Stossrichtung“) in der Behörde vorberaten 20 10 24.10.2014 Verfahrensablauf (III) 5. Anhörung Anhörung betroffene Person/Eltern betreffend geplanter Massnahme (Wahrung rechtliches Gehör) 6. Behördensitzung wöchentliche Sitzung (dienstags) „Kenntnisnahme“ Einzelentscheide Beratung der Behördenentscheide unter Beizug des jeweils involvierten Fachmitarbeitenden (beratende Stimme) ggf. Überarbeitung/Rückstellung Entscheid 7. Eröffnung Entscheid 21 Informationen über Verfahren (Art. 451 und 453 ZGB) KESB grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet (sog. Kindes- und Erwachsenenschutzgeheimnis) Wer ein Interesse glaubhaft macht, kann Auskunft über das Vorliegen und die Wirkungen einer Massnahme verlangen. Besteht ernsthafte Gefahr, dass eine hilfsbedürftige Person sich selbst gefährdet, so arbeiten die KESB, die betroffenen Stellen und die Polizei zusammen. Personen, die dem Amts- oder Berufsgeheimnis unterstehen, sind dann berechtigt, der KESB Mitteilung zu machen. 11 24.10.2014 Herausforderungen und Wünsche 23 "Blitzlichter" Erwartungen an KESB (Stichwort: Zuständigkeit) Angaben in den Gefährdungsmeldungen (Stichwort: Subsidiarität) Verhalten nach erfolgter Gefährdungsmeldung (Stichwort: Unterstützung aufrecht erhalten) ärztliche Mitarbeit in Abklärung (Stichwort: Arztbericht [Dauer] und Hausbesuch) 12 24.10.2014 "Blitzlichter“ Zeitpunkt Entlassung aus FU kurz vor Ablauf 6-Wochenfrist (Stichwort: „Leerlauf“ und Kosten) FU wegen reiner Fremdgefährdung (Stichwort: FU kein strafrechtliches Sanktionsmittel) Nachbetreuung nach FU (Stichwort: ambulante Massnahmen) Fazit Erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem sozialpsychiatrischen Netzwerk im Zürcher Unterland Bedarf an intensivem Austausch/Vernetzung zur Schnittstellenklärung nach wie vor vorhanden 13 24.10.2014 Fragen/Anliegen 14