Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität von Gasen und

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Versuch 1.1
W.-C. Pilgrim und F. Noll, April 2010
Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität von Gasen und Festkörpern
und numerische Berechnung von Zustandssummen
1. Die spezifische Wärme von Gasen
1.1.
Einleitung
Gase speichern ihre Energie sowohl in translatorischen, rotatorischen als auch in vibronischen
Freiheitsgraden, je nach Art der betreffenden Moleküle. Nach dem Gleichverteilungssatz
kommt dabei jedem quadratischen Freiheitsgrad eine thermische Energie von ½ RT pro Mol
zu. Für die Translation finden wir entsprechend den drei Raumrichtungen insgesamt drei
quadratische Freiheitsgrade:
1 2 1 2 1 2 1 2
mv = mv x + mv y + mv z
2
2
2
2
3
= RT
2
E=
(1.1)
Bei der Rotation müssen wir bereits unterscheiden welche Moleküle wir betrachten: Lineare
Moleküle können zwar generell um drei Achsen rotieren, bei der Rotation um die
Molekülachse wird jedoch das Trägheitsmoment sehr klein, und dementsprechend werden die
Abstände zwischen den Rotations-Energieniveaus so groß, dass sie unter normalen
Umständen nicht durch thermische Anregung erreicht werden können. Dieser Freiheitsgrad
trägt bei linearen Molekülen daher nicht zur Rotationsenergie bei und damit auch nicht zur
Wärmekapazität. Im klassischen Grenzfall gilt daher für die Rotationsenergie:
Lineares Molekül:
E Rot =
1
1
I x ω2x + I y ω2y ≡ RT
2
2
(1.2)
Gewinkeltes Molekül:
E Rot =
1
1
1
3
I x ω2x + I y ω2y + I z ω2z ≡ RT
2
2
2
2
(1.3)
Die Anzahl der Schwingungsfreiheitsgrade richtet sich nach Größe und Struktur der
Moleküle. Insgesamt besitzt ein N-atomiges Molekül 3N-Freiheitsgrade. Ziehen wir drei
Freiheitsgrade der Translation ab sowie 2 Freiheitsgrade der Rotation bei linearen Molekülen
und drei Freiheitsgrade der Rotation bei gewinkelten Molekülen bleiben 3N-5 Freiheitsgrade
der Schwingung für lineare Moleküle und 3N-6 Schwingungsfreiheitsgrade für gewinkelte
Moleküle. Die Schwingungsenergie ist dabei sowohl in Form von potentieller- als auch in
Form von kinetischer Energie im Molekül gespeichert:
1
1
E vib. = μ x 2 + C x 2 .
2
2
(1.4)
μ und C in (1.4) bezeichnen dabei reduzierte Masse und Bindungskraftkonstante. Der erste
Term repräsentiert den kinetischen Beitrag zur Gesamtenergie des Oszillators und der zweite
Term steht für die potentielle Energie. Jeder Schwingungsfreiheitsgrad besitzt demnach 2
quadratische Freiheitsgrade, und wir müssen jedem Schwingungsfreiheitsgrad eine thermische
Energie RT zuordnen.
Ein zweiatomiges Molekül beispielsweise besitzt drei Translations-, zwei Rotations- und
einen Schwingungsfreiheitsgrad, die insgesamt 7 2 RT an thermischer Energie aufnehmen
können. Für die Wärmekapazität ergibt sich somit:
CV =
∂E 7
= R
∂T 2
(1.5)
Entsprechend finden wir bei einem dreiatomigen linearen Molekül (z.B. CO2) 3 Translations-,
2 Rotations- aber 4 Schwingungsfreiheitsgrade (3N-6). Dies gibt insgesamt eine thermische
Energie von 13 2 RT pro Mol, also eine Wärmekapazität von 6,5R. Ein dreiatomiges
gewinkeltes Molekül hingegen (z.B. H2O) besitzt einen zusätzlichen Rotationsfreiheitsgrad,
aber nur drei Schwingungsfreiheitsgrade. Man kann leicht abzählen, dass dies zu einer
Energie von 6 RT führt und einer Wärmekapazität von 6 R.
Abbildung 1: Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme CV für einige Gase
(entnommen aus G. Wedler, „Lehrbuch der Physikalischen Chemie“, 4. Auflage,
VCH-Verlag 1997)
In Abbildung 1 ist die Wärmekapazität einiger Gase als Funktion der Temperatur dargestellt.
Man erkennt, dass CV erst für sehr hohe Temperaturen, tatsächlich gegen die mit Hilfe des
Gleichverteilungssatzes vorhergesagten Werte strebt. Das heißt, dass wir durch Abzählen der
Freiheitsgrade und Zuordnung von jeweils ½ R lediglich die maximal erreichbare
Wärmekapazität erhalten, was in der Realität nur bei entsprechend hohen Temperaturen
erreicht werden kann. Abbildung 1 zeigt jedoch, dass die Wärmekapazität eine ausgeprägte
Temperaturabhängigkeit aufweist. Qualitativ können wir diese wieder gut mit Hilfe des
Gleichverteilungssatzes verstehen, da sich bei einigen Gasen Plateaus andeuten, die den
Werten für die Besetzung bestimmter Freiheitsgrade entsprechen. Offensichtlich wird die
Translation bereits bei sehr tiefen Temperaturen angeregt (3/2 R). Mit steigender Temperatur
kann dann erst die Rotation angeregt werden (Plateau bei 3/2·R + 1·R=5/2·R für zweiatomige
Moleküle wie H2). Erst bei noch höheren Temperaturen erreicht CV schließlich den
vorhergesagten Grenzwert von 7/2·R (z.B. Cl2 in Abbildung 1). Diese nach und nach
einsetzende Anregung bestimmter Bewegungsmoden ist ein deutlicher und wichtiger Hinweis
auf die Quantennatur der einzelnen Bewegungs-Freiheitgrade. (!)
Um die Temperaturabhängigkeit der Inneren Energie -und damit auch der Wärmekapazitätvorhersagen zu können bedienen wir uns der Konzepte der statistischen Thermodynamik.
Dort wird gezeigt, dass die Zahl ni von Molekülen in einem bestimmten Quantenzustand i mit
Hilfe des Boltzmannschen e-Satzes berechnet werden kann. Es gilt:
ni
g i ⋅ e −βεi
= ∞
,
N
−βεi
∑ gi ⋅ e
(1.6)
i =1
darin ist N die Gesamtzahl der Moleküle, gi bezeichnet den Entartungsgrad des i-ten
Zustandes und β ist 1/kBT. Den Nenner der rechten Seite von Gl.(1.6) bezeichnet man als
Molekül-Zustandssumme,
∞
q = ∑ g i ⋅ e−βεi ,
(1.7)
i =1
wobei sich die Summe über alle Quantenzustände des Moleküls erstreckt.
Kennen wir die mittlere Zahl ni von Teilchen im Quantenzustand i, dann können wir die
mittlere Gesamtenergie E eines Gases aus N-Molekülen angeben:
∞
E = ∑ εi ⋅ n i ,
(1.8)
i =1
wobei die Summe wieder über alle Quantenzustände aller Freiheitsgrade läuft. Unter
Berücksichtigung von Gleichung (1.6) und (1.7) erhalten wir daraus:
∞
E = ∑ εi
i =1
N
g i ⋅ e −βεi
q
(1.9)
Andererseits gilt die Identität
−
d −βεi
e
= εi e−βεi ,
dβ
so dass wir für (1.9) auch schreiben können
E =−
N
q
∞
d
∑ dβ g ⋅ e
i =1
i
−βεi
=−
N d ∞
N dq
g i ⋅ e−βεi = −
∑
q dβ i =1
q dβ
bzw.
E = −N
d ln q
.
dβ
(1.10)
Die Energie E können wir als thermischen Beitrag zur inneren Energie des Gases auffassen.
Tatsächlich gilt für die Innere Energie U:
U = U0 + E ,
wobei wir mit U0 den Beitrag zur inneren Energie bei T = 0 bezeichnen.
Um exakt zu bleiben, sollten wir in Gleichung (1.10) noch einen Faktor 1/ N! in die MolekülZustandssumme einführen, der die Ununterscheidbarkeit der Gasteilchen berücksichtigt (siehe
dazu z.B. [1,2,3]). Wir werden jedoch sehen, dass dieser bei der Berechnung der Energie
wieder heraus fällt und daher eigentlich keine Rolle spielt. Außerdem ist es angebracht, in
(1.10)einen partiellen Differentialoperator zu verwenden, da die Zustandssumme, wie wir
noch sehen werden, auch vom Volumen abhängt. Der exakte Zusammenhang zwischen
Energie und Molekül-Zustandssumme eines Systems aus ununterscheidbaren Teilchen ist
daher gegeben durch
E = −N
∂ ln(q / N !)
.
∂β
(1.11)
Allerdings können wir für Gl.(1.11) auch schreiben
E = −N
∂
∂ ln q
,
[ ln q − ln N !] = − N
∂β
∂β
(1.12)
da N! nicht von β abhängt.
Wenn nun die gesamte zur Verfügung stehende Energie in den Freiheitsgraden Translation,
Rotation und Schwingung gespeichert ist, und sich die einzelnen Freiheitsgrade nicht
gegenseitig beeinflussen, gilt für die Gesamtenergie des betrachteten Gases
E = E trans. + E Rot. + E Vib. ,
wobei sich –wie bereits angedeutet- die Laufzahl i in (1.8) und (1.9) über die Quantenzahlen
n,j,v für Translation, Rotation und Schwingung erstreckt. Für die Zustandssumme gilt dann
(s.a. [1-3]):
q=
∑e
−β ( ε n +ε j +ε v )
n, j,v
= ∑ e −βεn ⋅ ∑ e
n
j
−βε j
⋅ ∑ e −βεv = q n ⋅ q j ⋅ q v .
(1.13)
v
Die Gesamtzustandssumme des Moleküls zerfällt damit in die Produkte der Zustandssummen
für die einzelnen Bewegungs-Freiheitsgrade. Für die Energie E des Systems erhalten wir
damit:
∂
∂
⎡ln q n + ln q j + ln q v ⎤⎦
ln ⎡⎣ q n ⋅ q j ⋅ q v ⎤⎦ = − N
∂β
∂β ⎣
∂
∂
∂
= −N
ln q n − N
ln q j − N
ln q v .
∂β
∂β
∂β
E = −N
(1.14)
Die Ableitung nach β=1/kBT erhält implizit bereits die Temperaturabhängigkeit. Deutlich
wird dies, wenn wir den folgenden Zusammenhang berücksichtigen
∂
∂β ∂
∂ ⎛
1 ⎞
∂
∂
=
=
⇒
= −kB T 2
,
⎜−
2 ⎟
∂T ∂T ∂β ∂β ⎝ k B T ⎠ ∂β
∂T
so dass wir für (1.14) auch schreiben können:
E = Nk B T 2
∂
∂
∂
ln q n + Nk B T 2
ln q j + Nk B T 2
ln q v .
∂T
∂T
∂T
(1.15)
Daraus können wir formell sofort einen Ausdruck für die Wärmekapazität erhalten, der die
Temperaturabhängigkeit explizit enthält:
2
∂
⎛ ∂E ⎞
2 ∂
CV = ⎜
Nk
Nk
2
T
ln
q
T
ln q n
=
+
n
B
B
⎟
∂T
∂T 2
⎝ ∂T ⎠ V
∂
∂2
ln q j + Nk B T 2 2 ln q j
∂T
∂T
2
∂
2 ∂
ln q v + Nk B T
ln q v .
+2 Nk B T
∂T
∂T 2
+2 Nk B T
(1.16)
Das Problem, die Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme eines Gases zu berechnen,
reduziert sich somit auf das Aufsuchen geeigneter Ausdrücke für die molekularen
Zustandssummen der Translation, Rotation und Schwingung. Aus deren ersten und zweiten
Ableitungen nach der Temperatur erhalten wir dann nach (1.16) den gesuchten
Zusammenhang.
1.2.
Die Zustandssumme der Translation
Für ein Gasteilchen, das sich in einem würfelförmigen Behälter befindet, liefert die Lösung
der Schrödinger-Gleichung als Energie-Eigenwert:
εn =
h2
(n 2x + n 2y + n 2z )
2
8mL
(1.17)
Darin bezeichnet L die Kantenlänge des Würfels, m die Masse des Teilchens, und nx,y,z sind
die Quantenzahlen in den einzelnen Raumrichtungen. Sie nehmen die Werte 1,2,3.....∞ an.
Die molekulare Translations-Zustandsumme der eindimensionalen Bewegung (z.B. in xRichtung) ergibt sich damit zu
∞
⎧
⎫
h2
q n,x = ∑ exp ⎨ −β
n 2x ⎬ .
2
n =1
⎩ 8mL x ⎭
(1.18)
In einem Volumen mit makroskopischen Dimensionen rücken die einzelnen Energieniveaus
sehr dicht zusammen, so dass wir die Summe in (1.18) in sehr guter Näherung durch ein
Integral ersetzen dürfen:
∞
⎧
⎫
h2
q n,x ≈ ∫ exp ⎨−β
n 2x ⎬ dn .
3
⎩ 8mL x ⎭
0
(1.19)
Das Integral in Gl.(1.19) kann durch Substitution gelöst werden, man erhält dann:
q n,x =
2π m L2x k B T
.
h2
(1.20)
Da sich die gesamte Translationsenergie additiv aus den Anteilen in den drei Raumrichtungen
zusammensetzt, erhält man für die Zustandssumme:
qn =
V
3/ 2
2π m k B T ) ,
3 (
h
(1.21)
mit V = L3 . Setzt man (1.21) in (1.16) ein, erhält man die Wärmekapazität eines Teilchens,
das nur Translations-Freiheitsgrade besitzt (3/2 RT). Gleichung (1.21) macht die bereits zuvor
erwähnte Volumenabhängigkeit der Zustandssumme deutlich. Dies ist natürlich verständlich,
da die Abstände zwischen den Translationsniveaus -und damit die thermische Erreichbarkeit
von Zuständen- von der Größe des betrachteten Volumens abhängen.
1.3.
Die Zustandssumme der Rotation
Für einen Rotationsfreiheitsgrad eines Moleküls liefert das Modell des quantenmechanischen
starren Rotators den Energieeigenwert
εj =
=2
j( j + 1)
2I
(1.22)
mit dem Trägheitsmoment I und der Quantenzahl j, die Werte zwischen 0 und ∞ einnehmen
kann. Das Trägheitsmoment ist definiert als I = μ ⋅ r 2 mit der reduzierten Masse μ und deren
Abstand r zum Schwerpunk. Anstelle der Rotationskonstante B = = 2 / 2I ist es üblich die
sogenannte Rotationstemperatur zu benutzen. Diese ist definiert als
θR =
B
=2
=
k B 2I k B
und hat die Einheit einer Temperatur. Für die Molekül-Zustandssumme der Rotation gilt dann
∞
⎧ θ
⎫
q R = ∑ ( 2 j + 1) exp ⎨− R j ( j + 1) ⎬
⎩ T
⎭
j= 0
(1.23)
Gl.(1.23) kann nicht ohne weiteres weiter vereinfacht werden, indem man die Summe in ein
Integral überführt. Dies ist nur möglich für Moleküle mit großen Trägheitsmomenten, da dann
die Energieniveaus dicht zusammenrutschen und sich j bereits bei im Labor erreichbaren
Temperaturen über ausreichend große Werte erstreckt. In diesem Fall kann man anstelle von
(1.23) schreiben:
∞
qR ≈
⎧ θ
⎫
∫ ( 2 j + 1) exp ⎩⎨− T j ( j + 1)⎭⎬ dj .
R
(1.24)
j= 0
Die Lösung des Integrals liefert dann
qR =
T
θR
(1.25)
Ob die Näherung (1.25) tatsächlich gerechtfertigt ist, muss jedoch im Einzelfall sorgfältig
überprüft werden.
1.4.
Die Zustandssumme der Schwingung
Zur Herleitung der Zustandssumme für die Schwingung benötigen wir einen geeigneten
Ausdruck für die entsprechenden Energieeigenwerte. In den meisten Fällen, bei nicht zu
hohen Temperaturen, solange Anharmonitäts-Effekte nicht berücksichtigt zu werden
brauchen, ist der harmonische Oszillator eine ausreichend gute Näherung. In diesem Fall gilt
für die Schwingungsenergien eines Freiheitsgrades, bzw. eines zweiatomigen Moleküls
1⎞
⎛
ε υ = =ω0 ⎜ υ + ⎟ mit υ = 0,1, 2,....∞
2⎠
⎝
(1.26)
und
ω0 =
C
,
μ
mit der Kraftkonstante C und der reduzierten Masse μ. Für die Zustandssumme der
Schwingung erhalten wir damit
∞
⎧
1 ⎞⎫
⎛
q υ = ∑ exp ⎨−β =ω0 ⎜ υ + ⎟ ⎬ .
2 ⎠⎭
⎝
υ= 0
⎩
(1.27)
Ähnlich wie bereits bei der Rotation führen wir auch hier eine sogenannte
Schwingungstemperatur ein:
=ω0
,
kB
θυ =
und erhalten
∞
⎧ θ ⎛
1 ⎞⎫
q υ = ∑ exp ⎨− υ ⎜ υ + ⎟ ⎬ .
2 ⎠⎭
υ= 0
⎩ T⎝
(1.28)
Die Summe in Gleichung (I.28) kann nicht, wie bei der Translation und Rotation, durch ein
Integral angenähert werden. Bei den meisten Molekülen liegen die Schwingungsniveaus so
weit auseinander, dass nur die untersten Zustände thermisch besetzt sind. Die Berechnung der
Zustandssumme bei gegebener Temperatur kann daher nur numerisch erfolgen. Allerdings
läßt sich der Ausdruck (I.28) noch weiter vereinfachen, und man erhält:
qυ =
e
−
θυ
2T
1− e
−
θυ
T
,
(1.29)
was die Berechnung der Zustandssumme enorm vereinfacht.
Mit Hilfe der Zustandssummen (1.21), (1.23) und (1.29) kann die Temperaturabhängigkeit
von CV über (1.16) formell berechnet werden. Analytisch gelingt dies jedoch nur, wenn im
Falle der Rotation die Näherung (1.25) benutzt wird. Eine exakte Rechnung muss hier
numerisch durchgeführt werden.
1.5.
Aufgaben
1.)
Leiten sie die Beziehungen (1.21), (1.25) und (1.29) detailliert her.
2.)
Berechnen Sie die Zustandssumme der Rotation aus (1.23) für HD im
Temperaturbereich zwischen 0K und 1000K. Wählen Sie dabei eine enge
Temperaturschrittweite
bei
sehr
niedrigen
Temperaturen.
Bei
höheren
Temperaturen können Sie die Schrittweite vergrößern (z.B. 50K oder sogar 100K).
Begründen Sie Ihre Wahl der Schrittweite. Achten Sie darauf, dass die Summation
über die einzelnen Faktoren e −βεi bei jeder Temperatur vollständig ist, d.h. weitere
Terme dürfen nicht mehr merklich zum Wert der Zustandssumme beitragen.
Stellen Sie die Funktionen qRot.(T) aus (1.23) und (1.25) graphisch dar. Erläutern
Sie den Unterschied zwischen dem Ergebnis des exakten Ausdrucks und der
Näherung. Wie und unter welchen Bedingungen wirkt sich die Näherung auf die
Berechnung der Inneren Energie und der Wärmekapazität aus?
3.)
Berechnen Sie den Temperaturverlauf der Wärmekapazität für HD. Benutzen Sie
dazu (1.21), (1.29) und Ihr Ergebnis aus Aufgabe 2.). Stellen sie CV(T) graphisch
dar. Diskutieren Sie das Ergebnis.
4.)
Daten für HD:
rHD= 0.74136 Å
mH=1.673·10-27 kg
mD=3.348·10-27 kg
2. Spezifische Wärme kristalliner Festkörper
2.1. Die Regel von Petit und Dulong
Bis ins 19. Jahrhundert hinein ging man davon aus, dass die spezifische Wärme C von
Festkörpern von der Temperatur unabhängig ist, da alle bis dahin durchgeführten Versuche
zur Messung der molaren spezifischen Wärme denselben Wert lieferten: c = 3R . Aufgrund
dieser Beobachtung erhoben die französischen Physiker Pierre Louis Dulong und Alexis
Thérèse Petit dieses Ergebnis im Jahre 1819 zum sogenannten Petit-Dulong-Gesetz [4]. Mit
Hilfe der klassischen statistischen Thermodynamik lässt sich dieses Gesetz relativ leicht
verstehen:
Dabei stellt man sich einen kristallinen Festkörper als aus N klassischen harmonischen
Oszillatoren aufgebaut vor. Die Energie eines jeden Oszillators ergibt sich dabei aus der
Summe seiner potentiellen und kinetischen Energie:
εi =
1 2 1
Kx + mx 2 .
2
2
(2.1)
Dabei bedeutet m die Oszillatorenmasse und K ist die Kraftkonstante für die Bindung im
Kristall. Nach dem Gleichverteilungssatz gilt aber auch, dass man jedem quadratischen
Freiheitsgrad eine thermische Energie von
1
k B T zuordnen darf, so dass für den Beitrag eines
2
jeden Oszillators zur thermischen Energie des Kristalls gilt:
εi = k B T .
(2.2)
Berücksichtigt man weiter, dass im Kristall jeder Oszillator in drei Raumdimensionen
schwingen kann, dann gilt für die thermische Gesamtenergie E eines aus einem Mol Atomen
aufgebauten Kristalls:
E = 3 ⋅ N A ⋅ k B T = 3RT ,
(2.3)
und man erhält für die molare spezifische Wärme:
⎛ ∂E ⎞
c=⎜
⎟ = 3R .
⎝ ∂T ⎠
(2.4)
Dieses sehr einfache Ergebnis ist tatsächlich in sehr guter Übereinstimmung mit dem
experimentellen Befund an vielen Festkörpern, die aus einzelnen Atomen aufgebaut sind, wie
zum Beispiel den Alkalimetallen oder den Edelgaskristallen. Allerdings geht man bei der
Verwendung
des
Gleichverteilungssatzes
stillschweigend
davon
aus,
dass
alle
Schwingungsfreiheitsgrade thermisch voll angeregt sind, eine Situation die tatsächlich nur bei
sehr hoher Temperatur erfüllt sein kann. Man erhält also bei dieser Herleitung immer nur den
sogenannten Hochtemperatur-Grenzwert der Wärmekapazität.
Erst im Jahre 1875 berichtete Heinrich Friedrich Weber über Abweichungen vom DulongPetit Gesetz bei Bor, Diamant und Silizium. In Abbildung 2 ist die Dulong-Petit Regel im
Vergleich mit dem experimentellen Befund am Beispiel des Silbers dargestellt. Bei hohen
Temperaturen gilt die Regel offensichtlich gut, man findet jedoch, dass die spezifische
Wärme eines Festkörpers eine ausgeprägte Temperaturabhängigkeit aufweist, mit sinkender
Temperatur abnimmt und für T → 0 sogar verschwindet.
30
Dulong - Petit
25
c / J mol-1K-1
20
15
10
5
0
0
100
200
300
400
500
T/K
Abbildung 2: Experimentell bestimmte spezifische Wärme eines Silberkristalls im
Vergleich mit der Regel von Dulong-Petit
Wir müssen also die einfachen Annahmen, die sich hinter der Regel von Dulong-Petit
verbergen modifizieren, um die im Experiment beobachtete Temperaturabhängigkeit richtig
zu beschreiben.
2.2. Das Einstein-Modell
Die wahrscheinlich gröbste Vereinfachung, die wir gemacht hatten bestand darin,
anzunehmen, dass es sich bei den Atomen im Kristall um klassische Oszillatoren handelt. In
Analogie zu Plancks „Schwarz-Strahler-Oszillatoren“ nahm Einstein an, dass jeder KristallOszillator ebenfalls nur diskrete Energieniveaus besetzen darf, und die Energiedifferenz
zwischen den Oszillatorniveaus gerade Δε = = ⋅ ω0 beträgt, wobei ω0 die charakteristische
Eigenfrequenz der Oszillatoren darstellt [5]. Mit diesem „Trick“ konnte er die Boltzmannsche
Statistik anwenden, um die thermische Besetzung der einzelnen Niveaus zu berechnen.
Einstein identifiziert die Oszillatoren im Kristall somit als harmonische Oszillatoren, die alle
mit derselben Frequenz schwingen.
Deren Schwingungsenergie ist bekanntermaßen gegeben durch:
1⎞
⎛
ε v = =ω0 ⎜ v + ⎟ v = 0,1, 2,3... ,
2⎠
⎝
(2.5)
mit v als Quantenzahl.
Für die thermische Besetzung der einzelnen Energieniveaus gilt dann:
n(v) = N ⋅
e −βεv
,
q
(2.6)
wobei q die Zustandssumme repräsentiert und β = 1 k B T ist. Der Zusammenhang zwischen
Zustandssumme und dem Schwingungsbeitrag zur Inneren Energie ist dann bekanntermaßen
gegeben durch:
E = −N
d ln q
.
dβ
(2.7)
Beim Kristalloszillator ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieser (im Gegensatz zum
Molekül) in allen drei Raumrichtungen schwingen kann, was zu einer dreifachen Entartung
eines jeden Schwingungszustandes führt. Man erhält so aus (2.7):
E=
3N =ω0
3 N =ω
+ =ω0 / kB T 0 .
−1
2
e
(2.8)
Beziehung (2.8) beschreibt somit die Temperaturabhängigkeit der Schwingungsenergie eines
Festkörpers aus N Atomen. Wie auch im molekularen Oszillator definiert man
praktischerweise eine Schwingungstemperatur, die sogenannte „Einsteintemperatur“, die
anschaulich
ein
Maß
für
den
Abstand
zwischen
den
Schwingungsniveaus
des
Kristalloszillators darstellt: θE = =ω0 / k B . Gleichung (2.8) lautet dann für ein Mol Festkörper:
E vib =
3
3Rθ
RθE + θυ / T E .
−1
2
e
(2.9)
Daraus ergibt sich schließlich für die spezifische Wärme:
2
cvib
Im
Gegensatz
zur
⎛θ ⎞
3 R ⎜ E ⎟ e θE / T
∂E
⎝T⎠
.
= vib =
2
∂T
( eθE / T − 1)
Dulong-Petit-Regel
zeigt
Gleichung
(2.10)
(2.10)
eine
ausgeprägte
Temperaturabhängigkeit. Eine genauere Diskussion dieser Beziehung für den Grenzfall T→0
zeigt auch tatsächlich, dass die spezifische Wärme verschwindet, während sie für T → ∞
gegen 3R konvergiert. Passt man Gl.(2.10) mit Hilfe des freien Parameters θΕ an gemessene
cvib-Daten an, erhält man trotz des einfachen Modells eine sehr gute Übereinstimmung
zwischen Experiment und Theorie. Eine Anpassung von Gl. (2.10) an die Daten in Abbildung
2 ist in Abbildung 3 dargestellt.
Erst eine genauere Untersuchung zeigt, dass auch das Einstein-Modell das tatsächliche
Temperaturverhalten der spezifischen Wärme nicht richtig wiedergibt. Besonders deutlich
zeigt sich dies bei sehr niedrigen Temperaturen. Hier findet man, dass die spezifische Wärme
mit der dritten Potenz der Temperatur anwächst. Am Beispiel des Diamanten ist dies in
Abbildung 4 für den Temperaturbereich zwischen 0 und 100 K wiedergegeben. Dabei ist die
spezifische Wärme gegen T3 aufgetragen. Die gestrichelte Kurve zeigt das Einstein-Modell,
das deutlich von diesem Verhalten abweicht.
25
-1
c / J mol K
-1
20
15
Wärmekap. für Ag
Dulong-Petit
Einstein-Modell
Θvib(Einstein)=160.2 K
10
5
0
0
100
200
300
400
500
600
T/K
Abbildung 3: gemessene Wärmekapazität für Silber () und das Ergebnis der
Einstein-Theorie (ˆ). Gl.(9) wurde dabei an die experimentellen Daten angepaßt,
wobei θv als Fitparameter benutzt wurde.
0.30
Wärmekap. für Diamant
0.20
-1
c / J mol K
-1
0.25
0.15
0.10
0.05
0.00
0
200000
400000
600000
3
T /K
800000 1000000
3
Abbildung 4: Wärmekapazität von Diamant im Temperaturbereich zwischen 0 und
100 K, über einer T3-Skala aufgetragen. Die gestrichelte Kurve gibt das
Einsteinmodell wieder.
2.3. Das Debye-Modell
Die gute Übereinstimmung des Einstein-Modells mit dem experimentellen Befund ist
eigentlich verblüffend wenn man bedenkt, dass eine Annahme gemacht wurde, die sicherlich
nicht richtig sein kann: Im Einstein-Kristall gibt es nur eine einzige Schwingungsfrequenz. Da
es sich aber bei den Oszillatoren um dicht gepackte Kristallatome handelt, ist es schwerlich
vorstellbar, dass sich diese nicht gegenseitig beeinflussen werden. Eine solche Beeinflussung
sollte aber andererseits zu Veränderungen der individuellen Schwingungsfrequenzen führen,
so wie dies z.B. vom gekoppelten Pendel gut bekannt ist. Stellt man sich zum Beispiel vor,
dass zu einem Zeitpunkt t = 0 tatsächlich alle Atom mit exakt derselben Frequenz schwingen
würden, dann hätten sich aufgrund der gegenseitigen Beeinflussung bereits kurze Zeit später
sehr viele verschiedene Frequenzen ausgebildet. Statt einer einzigen Frequenz, wird man es
also eher mit einer Frequenzverteilung g(ω) zu tun haben. Bei Kenntnis dieser Verteilung
erhielte man die mittlere Schwingungsenergie einfach durch eine entsprechende
Mittelwertbildung:
∞
E = ∫ ε(ω) ⋅ g(ω) dω ,
(2.11)
0
wobei ε(ω) die Energie eines Oszillators der Frequenz ω bedeutet. Das Problem besteht
jedoch darin, dass man die Frequenzverteilung im Kristall a priori nicht kennt und man muss
einen geeigneten Ausdruck mit Hilfe eines Modells herleiten muss.
Dieser Problematik hat sich der niederländische Physiker Peter Debye gewidmet [6]. In
diesem Modell wird der Kristall als Kontinuum betrachtet. Das bedeutet, dass die
Schwingungen des Kristalls nicht durch die mikroskopische Struktur des Festkörpers, also
durch die genaue Anordnung der Atome beeinflusst werden sollen. Der betrachtete Kristall sei
durch einen einfachen Quader makroskopischer Dimensionen mit Seitenlänge L angenähert.
In diesem Quader sollen zunächst beliebige Kontinuumsschwingungen existieren. Der
Einfachheit halbe kann man sich diese Schwingungen zunächst als laufende ungedämpfte
Wellen vorstellen. Es lässt sich jedoch relativ leicht zeigen, dass die laufenden Wellen
innerhalb des Quaders durch Reflektion an den Seitenflächen mit anschließender
Selbstinterferenz zur Ausbildung stehender Wellen führen, so wie dies schematisch in
Abbildung 5 dargestellt ist. Es wird also nach kurzer Zeit ein stationärer Zustand erreicht sein,
in dem der Quader von stehenden Wellen verschiedenster Wellenlänge und Frequenz
durchzogen sein wird. Die Kontinuitätsannahme ist sicherlich gerechtfertigt, so lange die
Wellenlänge der Oszillation viel größer ist als die interatomaren Abstände. Wir müssen uns
jedoch darüber im Klaren sein, dass sie nicht mehr gelten kann, wenn die Wellenlängen in den
Bereich atomarer Abstände kommen. Hier wird die mikroskopische Struktur des Festkörpers
die Eigenschaften der Wellen stark beeinflussen.
In der hier gemachten Näherung lautet die allgemeine Randbedingung für die Existenz
stehender Wellen entlang einer der Hauptachsen des Quaders jedoch
L x,y,z = n ⋅
λ x,y,z
,
2
(2.12)
Abbildung 5: Schematische Darstellung stehender Wellen mit Wellenvektoren
k = n ⋅ π L in einem kontinuierlichen Quader der Länge L.
wobei n eine beliebige natürliche Zahl sein darf. D.h., es ist nur eine ganzzahlige Zahl halber
Wellenlängen erlaubt, so wie dies Abbildung 5 dargestellt ist. Für die karthesischen
Komponenten des Wellenvektors bedeutet dies, dass sie nur die Werte
k x,y,z =
π
L x,y,z
n,
(2.13)
annehmen dürfen. Aus Gleichung (2.13) lässt sich im k-Raum eine Punktegitter aufbauen, das
die Gesamtheit der erlaubten Wellenvektoren darstellt (s.a. Abbildung 6). Eine beliebige
stehende Welle wird in diesem Raum durch einen Vektor dargestellt, der vom Ursprung auf
den Gitterpunkt zeigt, welcher dem Wellenvektor dieser Welle entspricht. Die Anzahl
stehender Wellen im Quader ist dann durch die Anzahl von Punkten im k-Raum gegeben.
Diese Zahl lässt sich nun folgendermaßen ermitteln:
Die Größe der kleinst möglichen Zelle im k-Raum, der Elementarzelle, ergibt sich zu
3
3
π
⎛π⎞
,
Vk = ⎜ ⎟ =
⎝L⎠ V
(2.14)
womit man die Anzahl von k-Zuständen pro Einheitsvolumen des k-Raums die sogenannte kRaum-Dichte definieren kann:
ρk =
V
.
π3
(2.15)
Für große Proben ist das Elementarvolumen im k-Raum natürlich sehr klein und k kann ohne
weiteres als eine kontinuierliche Variable angesehen werden. Die Anzahl von stehenden
Wellen mit Wellenvektoren zwischen k und k+dk ist dann mit dem Volumen einer
Kugelschale mit Radius k und Dicke dk identisch:
k + dk
∫
k
1
ρk 4π k 2 dk .
8
(2.16)
Abbildung 6: Darstellung der erlaubten k-Werte im reziproken Raum (nach [2]).
Den Integrand in (2.16) bezeichnet man auch als die Zustandsdichte im k-Raum g(k) :
1
V k2
g(k)dk = ρk 4π k 2 =
dk .
8
2π 2
Der Faktor
1
8
(2.17)
resultiert daher, dass nur positive kx,y,z-Werte sinnvoll sind und daher nur ein
Achtel des Gesamtkugelschalenvolumens zu betrachten ist. Im nächsten Schritt müssen wir
nun die Dichte der k-Zustände in die Dichte von Frequenzen transponieren. Dazu ziehen wir
die Definition der Schallgeschwindigkeit c heran:
c = ν ⋅λ =
ω
,
k
(2.18)
bzw.
dω = c ⋅ dk .
(2.19)
Streng genommen gelten die Beziehungen (2.18) und (2.19) nur für laufende Wellen. Da aber
alle stehenden Wellen in unserem Modell aus identischen laufenden Wellen entstanden sind,
können wir davon ausgehen, dass sich die Eigenschaften dieser Wellen beim Übergang von
der laufenden zur stehenden Welle nicht verändert haben. Mit diesen Beziehungen kann man
k in (2.17) durch ω substituieren und man erhält schließlich als Zustandsdichte
g(ω) dω =
V
ω2 dω .
2 3
2π c
(2.20)
Bisher haben wir uns über die Details der Schwingungen keine weiteren Gedanken gemacht,
wir haben lediglich erwähnt, dass es sich dabei um ungedämpfte Oszillationen in einem
homogenen Medium handeln soll. Tatsächlich muss man jedoch zwischen drei Typen
unterschiedlicher Schwingungsrichtung unterscheiden: Zum einen findet man die sogenannte
longitudinale Mode, bei der Ausbreitungs- und Schwingungsrichtung zusammenfallen. Diese
Art der Oszillation ist in Abbildung 7 a) schematisch dargestellt. Diese „Schwingungsmode“
entspricht einer echten Dichteoszillation, da sie in Ausbreitungsrichtung zu TeilchenVerdichtungen und Teilchen-Dillatationen führt. Die Teilchen können jedoch auch orthogonal
zur Ausbreitungsrichtung schwingen, so wie dies in Abbildung 7 b) dargestellt ist. Diese Art
der Schwingung ist offensichtlich zweifach entartet, da man sich dieselbe Bewegung auch
rechtwinklig zur Bildebene vorstellen kann, und sich aus der Überlagerung der beiden
Oszillationen jede beliebige Richtung transversaler Schwingung generieren lässt.
Abbildung 7: Bei der longitudinalen Schwingungsmode (a) fallen
Ausbreitungsrichtung und Schwingungsrichtung zusammen. Bei der transversalen
Mode (b) schwingen die Teilchen rechtwinklig zur Ausbreitungsrichtung. Zur
Darstellung einer beliebigen transversaler Schwingungsrichtung sind jedoch zwei
othogonale Grundschwingungen nötig (z.B. in Bildebene und rechtwinklig dazu),
weswegen diese Art der Schwingung zweifach entartet ist.
Anstelle von (2.20) gilt daher:
g(ω) dω =
V ⎛ 1 2⎞ 2
⎜ + ⎟ ω dω ,
2π2 ⎝ c3L c3T ⎠
(2.21)
wobei berücksichtigt wurde, dass sich longitudinale und transversale Schallmoden mit
unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausbreiten können. Zur Vereinfachung führt man eine
mittlere Schallgeschwindigkeit ein:
1 1⎛ 1
2 ⎞
=
+
⎜
⎟,
cS3 3 ⎝ c3L c3T ⎠
(2.22)
und erhält schließlich
g(ω) dω =
3V
ω2 dω .
2π2 cS3
(2.23)
Gleichung (2.23) entspricht der von Debye hergeleiteten Zustandsdichte für die
Schwingungen in einem Kristall.
Nach Gleichung (2.11) ergibt sich die Gesamtenergie eines Kristalls als Summe über die
Energien aller „Gitterschwingungen“, gewichtet mit der Häufigkeit der jeweiligen
Schwingung, der Zustandsdichte g(ω). Die Benutzung von (2.23) in (2.11) führt jedoch zu
einem unbefriedigenden Ergebnis, da das resultierende Integral keine Konvergenz zeigt. In
anderen Worten, eine sinnvolle Zustandsdichte muss eine normierbare Funktion sein, deren
Integral eine endliche Zahl von Zuständen liefert. Diese Normierbarkeit lässt sich erreichen,
indem man den Kristall als sehr großes Molekül auffasst. Die Gesamtzahl der
Bewegungsfreiheitsgrade ist dann 3N und ausschließlich durch die Schwingungsfreiheitsgrade
gegeben, da es in einem Kristall keine Rotationen oder Translationen gibt. Damit ist die Zahl
der Frequenzen endlich und es muss zwangsläufig eine Maximalfrequenz geben. Die aus
diesen Überlegungen [6] resultierende Debye-Zustandsdichte ist in Abbildung 8 dargestellt.
Diese
Maximalfrequenz
wird
auch
als
„Debye-Frequenz“
bezeichnet.
Als
Normierungsbedingung für die Zustandsdichte gilt dann
3N =
ωD
∫ g(ω) dω ,
(2.24)
0
woraus sich leicht der Wert der Debye-Frequenz berechnen lässt:
1/ 3
⎛ 6π2 cS3 ⎞
ωD = ⎜
N⎟ ,
⎝ V
⎠
(2.25)
In Gleichung (2.11) kann man nun die obere Grenze des Integrals auf ωD setzen und es gilt
damit für die mittlere Schwingungsenergie
E=
ωD
∫ ε(ω) ⋅ g(ω) d ω .
(2.26)
0
Abbildung 8: Debye-Zustandsdichte für die Schwingungen in einem Festkörper. ωD
wird als Debye-Frequenz bezeichnet. Sie gibt die Maximalfrequenz an, oberhalb
derer im Festkörper keine Oszillationen mehr möglich sind.
Zur Lösung des Integrals ist nun noch die Kenntnis der Funktion ε(ω), also die Kenntnis der
Frequenzabhängigkeit der Oszillatorenenergie nötig. Hier geht man als Näherung wieder vom
Vorliegen eines harmonischen Oszillators aus. Aus der Zustandssumme für den harmonischen
Oszillator findet nach (2.7):
ε(ω) =
=ω
=ω
.
+ =ω0 / kB T
2 e
−1
(2.27)
Einsetzen von (2.23) und (2.27) in (2.26) und Berücksichtigung der Beziehung (2.25) liefert
schließlich
Evib
Darin bedeutet θD =
⎛ T ⎞
9
= Nk B θD + 9 Nk B T ⎜ ⎟
8
⎝ θD ⎠
3
θD
T
∫
0
x3
dx .
ex − 1
(2.28)
=ωD
=ω
.
und x =
T
kB T
Die Ableitung von (2.28) nach der Temperatur liefert schließlich die Wärmekapazität:
Cvib
⎛ T ⎞
1 ⎛ ∂E ⎞
= ⎜
⎟ = 9k B ⎜ ⎟
N ⎝ ∂T ⎠V
⎝ θD ⎠
3
θD
T
∫
0
x 4ex
(e
x
− 1)
2
dx .
(2.29)
3.
Experimentelle Grundlagen
3.1. Apparative Grundlagen der Differential Scanning Calorimetry (DSC):
Wärme fließt immer entlang eines Temperaturgradienten. Diese Beobachtung führt zur
allgemeinen Definition der Wärmestromdichte:
G
q = −λ gradT .
(3.1)
G
q ist darin die Wärme-Flussdichte und die Proportionalitätskonstante λ ist die sogenannte
Wärmeleitfähigkeit, eine temperaturabhängige Stoffkonstante.
Ein Spezialfall von Gleichung (3.1), der für feste Körper mit gut definierter Form gilt, ist das
sogenannte Fourier-Gesetz, das den Wärmestrom durch einen quaderförmigen Feststoff mit
Querschnittsfläche A und Länge l beschreibt, an dessen Enden die Temperaturen T1 und T2
herrschen:
q = λ
A
A
(T2 − T1 ) = λ ΔT .
l
l
(3.2)
Gleichung (3.2) ähnelt der Definition des elektrischen Widerstandes, weshalb man in
Analogie zum Ohmschen Widerstand den sogenannten Wärmewidertand definiert:
R=
l
.
λA
(3.3)
q =
1
ΔT ,
R
(3.4)
Damit gilt:
woraus sich leicht die Wärmemenge bestimmen lässt, die entlang eines definierten
Temperaturgefälles in einen Körper hineinfließt, was man z.B. zur Messung der
Wärmekapazität ausnutzen kann. Dieses Prinzip liegt den heute üblichen Wärmestrom
kontrollierten Differential-Scanning-C(K)alorimetern zugrunde.
Das Messprinzip ist in Abbildung 9 vereinfacht dargestellt. Von einem Ofen mit Temperatur
T0 fließt Wärme in den sogenannten Messsensor. Dieser besteht aus zwei identischen
Einheiten, einmal der Probenseite (mit S gekennzeichnet) und der Referenzseite (mit R
gekennzeichnet). Auf der Probenseite befindet sich ein Messpfännchen (üblicherweise aus
Aluminium), das mit genau abgewogener Probenmenge befüllt ist. Auf der Referenzseite
befindet sich nur ein leeres Messpfännchen. Beim Aufheizen fließt Wärme in beide Seiten der
Messanordnung. Der sich dabei ausbildende Temperaturgradient wird mit Hilfe von
Thermoelementen sehr genau gemessen, deren Abstand sehr genau bekannt ist. Bei
bekanntem Wärmewiderstand des Sensormaterials lässt sich auf diese Weise sehr genau der
Wärmestrom ermitteln, der auf die S- und die R-Seite des Sensors fließt.
Abbildung 9: Vereinfachte Darstellung eines DSC-Messsensors. S definiert die Probenseite
(Sample) und R bezeichnet die Referenzseite (Reference). 1 und 2 bezeichnen die Positionen von
Temperatursensoren, die sich in definiertem Abstand zueinander befinden, q entspricht der beim
Aufheizen des Sensors fließenden Wärmemenge.
Da die S-Seite eine höhere Wärmekapazität besitzt als die R-Seite, und das Gesamtsystem
immer bestrebt sein wird, identische Temperaturen auf beiden Seiten des Sensors zu erzielen,
wird sich zunächst ein größerer Gradient auf der S-Seite ausbilden, dementsprechend wird
eine größere Wärmemenge in das mit Probe befüllte Pfännchen fließen. Der nur mit der Probe
, ergibt sich dann als Differenz der Wärmeströme auf Probenausgetauschte Wärmestrom Q
und Referenzseite:
= q − q = TS − T0 − TR − T0 = TS − TR = ΔT .
Q
S
R
R
R
R
R
(3.5)
nennt man auch die Differenzwärmeleistung, sie ist im Idealfall identisch mit der
Q
zeitlichen Enthalpieänderung der eingewogenen Probe. Die insgesamt in einem Zeit- oder
Temperaturintervall in die Probe geflossene Wärmemenge ergibt sich dann zu
t2
dt .
ΔQ = ∫ Q
(3.6)
t1
3.1.1. Kontinuierlicher Temperaturscan
Nach Anfahren des Kalorimeters wird sich nach kurzer Zeit ein sogenannter stationärer
Zustand einstellen, der sich dadurch auszeichnet, dass die Heizraten an allen Orten der
Messanordnung gleich groß sind. In diesem Fall gilt:
dT0 dTR dTS
.
=
=
dt
dt
dt
(3.7)
Das
bedeutet,
dass
die
eingestellte
Aufheizrate
des
Ofens
mit
der
zeitlichen
Temperaturänderung von Proben- und Referenzpfännchen identisch ist. Die in Proben- und
Referenzpfännchen fließenden Wärmemengen werden bestimmt durch die jeweiligen
Wärmekapazitäten. Bei identischen Temperierraten gilt dann auch:
dTS
dT
= CS ⋅ 0
dt
dt
dT
dT
q R = CR ⋅ R = CS ⋅ 0 ,
dt
dt
q S = CS ⋅
(3.8)
bzw. für die Differenzwärmeleistung
= (C − C ) ⋅ dT0 .
Q
S
R
dt
(3.9)
Wenn man voraussetzt, dass die benutzten Aluminiumpfännchen völlig identisch sind, ist
(CS - CR ) aber nichts anderes als die Wärmekapazität der eingewogenen Probe ( mS ⋅ cP ) mit
mS als Probenmasse und cP als spezifischer Wärmekapazität der Probe (in J/g K !). Damit
erhält man aus der Messung der Differenzwärmeleistung
−1
⋅ ⎛ dT0 ⎞ .
mP cP = Q
⎜
⎟
⎝ dt ⎠
(3.10)
Gleichung (3.10) sagt aus, dass man die Wärmekapazität der Probe direkt aus einem
einfachen Temperaturscan mit Proben- und Leerpfännchen erhalten kann. Dies gilt jedoch nur
unter idealen Voraussetzungen, die üblicherweise nicht erfüllt sind. So wird z.B.
angenommen, dass nur Proben- und Referenzpfännchen zur Wärmekapazität beitragen.
Tatsächlich muss jedoch berücksichtigt werden, dass der gesamte Aufbau eine
Eigenwärmekapazität besitzt, die von dem mit Gleichung (3.10) erhaltenen Ergebnis
abgezogen werden muss. Diese Eigenwärmekapazität kann man erhalten, indem man eine
Messung mit zwei leeren Pfännchen vornimmt. Die Messung muss dabei jedoch unter
identischen Bedingungen wie die eigentliche Probenmessung durchgeführt werden. Bildet
man die Differenz zu (3.10) eliminiert man den Beitrag der Aluminiumpfännchen und des
restliche Aufbaus zur Wärmekapazität. Anstelle von Gleichung (3.10) gilt dann für die
Wärmekapazität der Probe:
−1
−1
−1
⎛ dT0 ⎞
⎛ dT0 ⎞
⋅ ⎛ dT0 ⎞ − Q
mP cP = Q
Leer ⋅ ⎜
⎜
⎟
⎟ =⎜
⎟ ⋅ Q − Q Leer .
dt
dt
dt
⎝
⎠
⎝
⎠
⎝
⎠
(
)
(3.11)
Es hat sich gezeigt, dass man genauere Ergebnisse erhält, wenn man die Wärmekapazitäten
nicht direkt aus Gl. (3.11) ermittelt, sondern die gemessene Differenzwärmeleistung mit
einem geeigneten Standard skaliert. Hierzu wird üblicherweise eine Messung mit Saphir
benutzt, dessen Wärmekapazität über einen großen Temperaturbereich mit hoher Genauigkeit
bekannt ist. Die Saphirmessung muss ebenfalls unter denselben Bedingungen wie die
Probenmessung durchgeführt und bezüglich Leermessung korrigiert werden. Anstelle von Gl
(3.11) erhält man dann:
−1
−1
−1
⎛ dT0 ⎞
⎛ dT0 ⎞
⎛ dT0 ⎞
m P cSaphir = Q
Saphir ⋅ ⎜
⎟ − Q Leer ⋅ ⎜
⎟ =⎜
⎟ ⋅ QSaphir − QLeer .
⎝ dt ⎠
⎝ dt ⎠
⎝ dt ⎠
(
)
(3.12)
Aus (3.11) und (3.12) ergibt sich schließlich:
cP = cSaphir ⋅
−Q
)
mSaphir (Q
Leer
.
)
mPr obe (QSaphir − Q
Leer
(3.13)
3.1.2. Berücksichtigung des Basisliniendrifts:
Bei sehr genauen Messungen beobachtet man, dass nacheinander durchgeführte Messungen
nicht
exakt
reproduzierbar
sind.
Offensichtlich
schwankt
die
gemessene
Differenzwärmeleistung geringfügig, was insgesamt auf nicht perfekte Isolierung der
Messanordnung und andere Verluste zurückgeführt wird. Diese Tatsache wird durch die
sogenannte Korrektur des Basisliniendrifts berücksichtigt. Dabei wird der gesamte
Temperaturscan in mehrere Abschnitte unterteilt, die von isothermen Bereichen voneinander
getrennt sind. Dies ist für eine Diamantmessung in Abbildung 10 gezeigt. Dabei gibt (a) die
gemessene Differenzwärmeleistung als Funktion der Messzeit an.
Abbildung 10: Messkurve zur Bestimmung der Wärmekapazität von Diamant. (a)
gemessene Differenzleistung als Funktion der Zeit. Isotherme Zeitbereiche bei 0-5
Minuten, 20-25 Minuten, 40-45 Minuten und nach 60-65 Minuten. (b) gibt die aus
den Daten berechnete Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität an.
Über bestimmte Zeiträume des Experiments (hier 20-25 min, 40-45 min, 60 min) wird dabei
die Temperatur konstant gehalten. Im Idealfall sollte die Wärmeleistung dann auf Null
absinken. Tatsächlich wird sie auf einen Minimalwert abnehmen, der gerade nötig ist, um die
isothermen Bedingungen aufrecht zu erhalten. Man findet nun, dass sich dieser Minimalwert
mit der Temperatur verändert. Um dies zu korrigieren, interpoliert man linear zwischen den
isothermen Bereichen, so wie dies anhand der blauen gestrichelten Geraden in Abbildung 10
(a) angedeutet ist. Da jedem Wert auf der Zeitskala in Abbildung 10 (a) auch eine Temperatur
zugeordnet werden kann, erhält man so auch den entsprechenden Drift K(T) als Funktion der
Temperatur. Anstelle von Gleichung (3.13) gilt dann:
cP = cSaphir ⋅
−Q
)−K
mSaphir (Q
Leer
Saphir (T)
.
m
(Q
−Q )−K
(T)
Pr obe
Saphir
Leer
(3.14)
Pr obe
3.1.3. Schrittweiser Temperatur-Scan
Anstelle des kontinuierlichen Temperaturscans, der im vorausgehenden Abschnitt beschrieben
wurde, und bei dem Proben und Referenztemperatur immer etwas hinter der eigentlichen
Ofentemperatur zurückhinken, kann man auch in kleinen Temperaturschritten scannen, bei
denen jeweils Temperaturkonstanz zwischen Ofen, Referenz und Probe anvisiert wird. Der
gesamte Temperaturbereich der Messung wird dabei in kleine Schritte ΔT unterteilt. Die
innerhalb eines Temperaturintervalls geflossene Wärme wird dann durch Integration über die
Wärmeleistung nach Gl. (3.6) erhalten. Es gilt dann für jedes einzelne Temperaturintervall:
ΔQ ΔQ Leer
−
ΔT
ΔT
ΔQSaphir ΔQ Leer
=
−
,
ΔT
ΔT
mP cP =
mSaphir cSaphir
(3.15)
und man erhält dann daraus
cP = cSaphir
mSaphir
mP
⋅
ΔQ − ΔQ Leer
.
ΔQSaphir − ΔQ Leer
(3.16)
4.
Aufgaben
1.)
Messen Sie die Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität von Aluminium mit
Hilfe der DSC.
2.)
Leiten Sie den Ausdruck für die Schwingungsenergie eines Systems unabhängiger
Oszillatoren her (letzter Term in (1.15) unter Verwendung von (1.29). Leiten Sie
explizit die Innere Energie des Einstein-Kristalls her (2.9). Wodurch unterscheiden
sich die beiden Ausdrücke? Bilden Sie für das Einstein-Modell durch Ableitung
nach T den zugehörigen Ausdruck für CV (Gl.(2.10)).
3.)
Leiten Sie den Ausdruck für die Debyesche Wärmekapazität explizit her.
4.)
Bilden Sie die Grenzwerte für T → 0 und T → ∞ für (2.10) und (2.29) und
erläutern Sie Ihr Ergebnis (z.B., was unterscheidet das Einstein- und das DebyeModell bei tiefen Temperaturen).
5.)
Passen Sie das Einstein-Modell durch Variation der charakteristischen Temperatur
θΕ und Minimierung der Fehlerquadratsumme an Ihre Messdaten an. Stellen Sie
das erhaltene Ergebnis zusammen mit Ihren Messdaten dar. Stellen Sie θυ als
Funktion der Fehlerquadratsumme dar.
6.)
Passen Sie das Debye-Modell mit Hilfe eines Computerprogramms an Ihre
Messdaten an. Stellen Sie das Ergebnis zusammen mit Ihren Meßdaten graphisch
dar. Stellen Sie θD als Funktion der Fehlerquadratsumme dar.
Überlegen Sie sich, welchen Beitrag die Elektronen im Aluminium zur
7.)
Wärmekapazität liefern.
Literatur
[1]
G. H. Findenegg,, „Statistische Thermodynamik“, Gründzüge der Physikalischen Chemie in
Einzeldarstellungen, Dr. Diedrich Steinkopf Verlag Darmstadt 1985
[2]
G. Wedler, „Lehrbuch der Physikalischen Chemie“, 4. Auflage, Wiley, Verlag-Chemie, 1997
[3]
P. W. Atkins, „Physikalische Chemie“, 3. korrigierte Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2001
[4]
A.-T. Petit, P.-L. Dulong, Annales de Chimie et de Physique 10, 395 (1819)
[5]
A. Einstein, Ann. Phys. 327, 180 (1906)
[6]
P. Debye, Ann. Phys. 344, 789 (1912)
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