Jahrbuch 2004/2005 | Ermler, Ulrich; Acharya, Pryamvada | Der Ein-Kohlenstoff-Überträger Tetrahydromethanopterin in Enzymen Der Ein-Kohlenstoff-Überträger Tetrahydromethanopterin in Enzymen The One-Carbon Carrier Tetrahydromethanopterin in Enzymes Ermler, Ulrich; Acharya, Pryamvada Max-Planck-Institut für Biophysik, Frankfurt am Main Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Der Ein-Kohlenstoff (C 1 )-Überträger Tetrahydromethanopterin (H 4 MPT), der als Cofaktor nicht-kovalent an bestimmte Proteine bindet, gew ann in den letzten Jahren stark an Bedeutung, da er in immer mehr phylogenetisch deutlich verschiedenen Mikroorganismen entdeckt w urde und dort eine herausgehobene Rolle im C 1 -Stoffw echsel spielt. Seine Struktur ähnelt interessanterw eise derjenigen des Tetrahydrofolats (H 4 F), dem am vielseitigsten verw endeten C 1 -Überträger in der Biochemie, w obei sich H4 MPT und H4 F höchstw ahrscheinlich unabhängig voneinander im Rahmen einer konvergenten Evolution entw ickelt haben. Die Art, w ie H4 MPT an Enzyme bindet – erst seit kurzem für zw ei Systeme auf molekularer Ebene bekannt – soll hier vorgestellt w erden. Summary The one-carbon (C 1 ) carrier tetrahydromethanopterin (H4 MPT), that non-covalently binds as cofactor to proteins, became more and more important in the last years, as it w as discovered in several phylogenetically distinct microorganisms w here it plays a pronounced role in the C 1 metabolism. Interestingly, its structure is highly similar to that of tetrahydrofolate (H4 F), the most universal C 1 carrier in biochemistry, but most likely H4 MPT and H4 F w ere separately developed w ithin a convergent evolutionary process. The mode how H4 MPT binds to enzymes w as recently established on a structural level for tw o systems that w ill be introduced. Tetrahydromethanopterin (H4MPT) Bei einer Reihe von anabolen und katabolen Stoffw echselprozessen ist die Übertragung von C 1 -Einheiten von essentieller Bedeutung. Diese C 1 -Einheiten w erden meist über Stickstoff- oder Schw efelatome kovalent an niedermolekulare organische Verbindungen in einer aktivierten Form und in den Oxidationsstufen von Kohlendioxid, Formiat, Formaldehyd und Methanol gebunden. Der vielseitigste C 1 -Überträger ist das Tetrahydrofolat (H 4 F) (Abb. 1), das C 1 -Einheiten in Form von Formyl-, Methenyl-, Formimino-, Methylen- und © 2005 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/6 Jahrbuch 2004/2005 | Ermler, Ulrich; Acharya, Pryamvada | Der Ein-Kohlenstoff-Überträger Tetrahydromethanopterin in Enzymen Methyl-Grupppen binden, aktivieren und transferieren kann. Für biosynthetische Methylierungen, die ein hohes Transferpotenzial verlangen, verw endet die Natur das reaktivere S-Adenosylmethionin, für die Übertragung von CO 2 Biotin. Manche Mikroorganismen verw enden für speziellere Stoffw echselw ege w eitere C 1 -Überträger. Von besonderem Interesse ist dabei das mit H 4 F strukturell nahe verw andte H4 MPT, das C 1 -Einheiten in denselben Oxidationsstufen binden kann (Abb. 1). Nach seiner Entdeckung vor fast 25 Jahren [1, 2] glaubte man lange Zeit, H4 MPT käme nur in methanogenen Archaebakterien, kurz Archaeen vor, w o es einen essentiellen Cofaktor für eine Reihe von Enzymen darstellt, die bei der Methanbildung aus H2 und CO 2 beteiligt sind [3]. Die größere Verbreitung von H4 MPT w urde erst im letzten Jahrzehnt evident. Zunächst w urde H4 MPT in Sulfat reduzierenden Archaeen entdeckt, die phylogenetisch verw andt zu methanogenen Archaeen sind [4]. Überraschender w ar dann, dass H4 MPT sogar außerhalb von Archaeen als lebensw ichtiger Cofaktor im zentralen Metabolismus von vielen methylotrophen α-, β- und χ-Proteobakterien vorkommt [5]. Erst vor kurzem w urde nachgew iesen, dass nicht nur die aerobe Methanoxidation, sondern auch die anaerobe Methanoxidation H4 MPT-abhängig ist [6]. Diese w ird von Archaeen durchgeführt, die verw andt sind zu den Methanosarcinalen (Untergruppe der methanogenen Archaeen). Alle diese Organismen sind auf den C 1 Stoffw echsel spezialisiert und von großer ökologischer Bedeutung im globalen Kohlenstoffmetabolismus. Die kürzliche Entdeckung von H4 MPT-abhängigen Enzymen in der rätselhaften Bakteriengruppe der Planctomyceten eröffnete die Debatte über die Evolution der H4 MPT und H4 MPT-abhängigen Enzyme von Neuem, w eil phylogenetische Untersuchungen die Planctomyceten gleich w eit von den Archaeen w ie von den Proteobakterien platzieren [7]. Der größte funktionell relevante Unterschied zw ischen den Strukturen von H4 MPT and H4 F liegt in der Elektronen schiebenden Methylengruppe des H4 MPT in Position 1c (Abb. 1), die mit dem N10 -Atom durch den aromatischen Ring verbunden ist, w ohingegen H4 F eine Elektronen ziehende Carbonylgruppe in dieser Position hat. Aus diesem Grund ist das Redoxpotential des Methenyl-H4 MPT+/Methylen-H4 MPT-Paares (-390 mV) und des Methylen-H4 MPT+/Methyl-H4 MPT-Paares (-310 mV) fast 100 mV negativer als die der entsprechenden H4 F-Paare. H4 F und H4 MPT sind höchstw ahrscheinlich Produkte einer konvergenten Evolution. So unterscheiden sich die Biosynthesew ege von H4 F und H4 MPT und die daran beteiligten Enzyme signifikant. Ferner deuten Sequenzund Strukturvergleiche auf eine separate Entw icklung von H4 MPT- und H 4 F-abhängigen Enzymen hin, die ähnliche Reaktionen katalysieren. Interessanterw eise sind die meisten Enzyme, die die Umw andlung von C 1 Derivaten katalysieren, hochspezifisch für entw eder H4 MPT oder H4 F. Bisher w urden sieben H4 MPT-abhängige Enzyme strukturell aufgeklärt. Dabei gestaltete sich die Bindung von H4 MPT oder eines seiner Derivate an die Enzyme im kristallinen Zustand als sehr schw ierig (übrigens w ie die Bindung von H4 F an H4 F-abhängige Enzyme), sodass eine strukturelle Charakterisierung von H4 MPT in einem Enzym erst kürzlich mit dem Formaldehyd- aktivierenden Enzym (Fae)-Methylen-H 4 MPT-Komplex und dem Formylmethanofuran: H4 MPT formyltransferase (Ftr)-H4 MPT-Komplex gelang. Bei diesen Arbeiten kooperierten die W issenschaftler am MPI für Biophysik eng mit den Arbeitsgruppen von Rudolf K. Thauer, Seigo Shima und Julia A. Vorholt (Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg). © 2005 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/6 Jahrbuch 2004/2005 | Ermler, Ulrich; Acharya, Pryamvada | Der Ein-Kohlenstoff-Überträger Tetrahydromethanopterin in Enzymen a . Struk ture n von H 4MP T a nd H 4F. Die funk tione ll re le va nte Gruppe ist da s P te rin, da s sich a us e ine r Im ida zolidin- und e ine r Te tra hydropyra zingruppe zusa m m e nse tzt. Die C 1Einhe ite n Form yl ( -HC =O ), Me the nyl (-C H=), Me thyle n (-C H 2) und Me thyl (-C H 3) sind übe r N5-, N10- ode r übe r N5- und N10Stick stoff-Atom e a n H 4MP T a nd H 4F ge bunde n. b. Konform a tion von Me thyle n-H 4MP T in Fa e (Form a lde hyda k tivie re nde s Enzym ). Die e x pe rim e nte ll e rha lte ne Ele k trone ndichte wurde in grün ge ze ichne t. Me thyle n-H 4MP T ze igt e ine n cha ra k te ristische n Knick zwische n de n Te tra hydropyra zin- und de n Im ida zolidinringe n von 70 0, de r größe r ist a ls de rje nige im fre ie n Me thyle n-H 4MP T und som it vom P rote in a ufge zwunge n wird. © MP I für Biophysik /Acha rya , Erm le r Der Fae-Methylen-H4MPT-Komplex Fae ist ein Enzym des Energiemetabolismus und der Formaldehyd-Detoxifikation des methylotrophen Proteobakteriums Methylobacterium extorquens AM1 und katalysiert die Bildung von Methylen-H4 MPT aus H4 MPT und Formaldehyd (Abb. 2). Fae stellt einen homopentameren Proteinkomplex (M r 18 kDa per Monomer) dar, der in drei Schichten unterteilbar ist [8]. Der innere α-helikale Ring besteht aus fünf miteinander verknüpften α-Helices, der äußere Ring aus drei α-Helices. Der zentrale Ring besteht aus fünf β-Faltblättern mit jew eils fünf Strängen. Die Bindungsstelle für Methylen-H4 MPT liegt in einer Spalte zw ischen den Untereinheiten, in die der Cofaktor in einer „S“- Form eingebettet ist (Abb. 1b). Das Protein hält MethylenH4 MPT im Wesentlichen beziehungsw eise nur hydrophobe an seinem Pterin- Wechselw irkungen und Benzylteil fest. Die durch Bindung Wasserstoffbrückenbindungen von Methylen-H 4 MPT induziert Seitenkettenverschiebungen von bis zu 5 Å, eine starre Konformation in dem zuvor flexiblen C-terminalen Arm, die Ausbildung eines neues hydrophoben Bereichs und die Inversion der Amidgruppe einer GlutaminSeitenkette. Nur die neue Konformation der Seitenkette erlaubt die Knüpfung von zw ei Wasserstoffbrücken zum Pyrimidinring des Methylen-H4 MPT. Die Formaldehydkondensation an H 4 MPT erfolgt durch einen nukleophilen Angriff des N5 -Atoms von H4 MPT auf den Kohlenstoff des Formaldehyds. Diese Reaktion w ird optimal durch ein Histidin unterstützt, w elches ein Proton auf das entstehende Carbonylanion übertragen kann. © 2005 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/6 Jahrbuch 2004/2005 | Ermler, Ulrich; Acharya, Pryamvada | Der Ein-Kohlenstoff-Überträger Tetrahydromethanopterin in Enzymen Fa e k a ta lysie rt die Konde nsa tion von Form a lde hyd m it H 4MP T zu Me thyle n-H 4MP T. Die Krista llstruk tur von Fa e ze igt, da ss Me thyle n-H 4MP T in e ine r Spa lte zwische n de n fünf Unte re inhe ite n binde t. Da be i ist die P te ringruppe na ch inne n ge richte t. © MP I für te rre strische Mik robiologie /Ha ge m e ie r Der Ftr-Formylmethanofuran-H4MPT-Komplex Ftr ist ein Enzym im Energiemetabolismus und bei der autotrophen CO 2 -Fixierung von methanogenen und Sulfat-reduzierenden Archaeen. Bei methylotrophen Bakterien ist es an der Methanoloxidation zu CO 2 beteiligt. Ftr katalysiert reversibel die Übertragung einer Formylgruppe von Formylmethanofuran auf H4 MPT (Abb. 3). Das Enzym liegt als Homotetramer (Mr 35 kDa per Monomer) vor, das sich treffender als Dimer aus zw ei Dimeren beschreiben lässt. Die Substratbindungsstellen für Methanofuran und H4 MPT liegen zw ischen zw ei eng verzahnten Monomeren der einzelnen Dimeren [9]. W ährend Methanofuran in einer tiefen, an die Struktur des Cofaktors angepassten Spalte zw ischen den Monomeren bindet, ist die H4 MPT-Bindungsspalte relativ w eit und flach. Der Besetzungsgrad von H4 MPT ist gering, w obei der Pterinteil, jedoch nicht der Rest des Moleküls, klar sichtbar ist. Der Pterinring ist vollständig vom Lösungsmittel abgeschirmt und seine polaren Atome sind mit konservierten Resten der Polypeptidkette verknüpft. Die Phenylgruppe ist dagegen von hydrophoben und aromatischen Resten umgeben. Trotz der beträchtlichen Größe der Substrate induziert ihre Bindung keine markanten Konformationsänderungen am Protein. Beide Substratbindungsspalten sind an ihrem Ende im Inneren des Proteins verbunden und genau dort befindet sich das aktive Zentrum. Eine besondere Funktion kommt einem streng konservierten Glutamat zu, das aufgrund seiner hydrophoben Umgebung und seiner Solvensabgeschirmtheit vermutlich protoniert ist. Es ist sow ohl mit dem Pterinring als auch mit der Formylgruppe des Formylmethanofurans durch eine Wasserstoffbrückenbindung verknüpft und könnte das erw ähnte Proton im Übergangszustand auf die Formylgruppe übertragen, nachdem der Formylkohlenstoff vom N5 -Atom des H4 MPT nukleophil angegriffen w urde. © 2005 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/6 Jahrbuch 2004/2005 | Ermler, Ulrich; Acharya, Pryamvada | Der Ein-Kohlenstoff-Überträger Tetrahydromethanopterin in Enzymen Ftr k a ta lysie rt die Übe rtra gung de r Form ylgruppe von Form ylm e tha nofura n a uf H 4MP T. Die Krista llstruk tur von Ftr offe nba rte die Substra tbindungsspa lte n für Me tha nofura n und H 4MP T in de r Nä he de r Konta k tflä che von zwe i Unte re inhe ite n. Be ide Spa lte n tre ffe n sich im Inne rn de s Enzym s. Me tha nofura n ist in rot, H 4MP T a ls Kuge l-und-Sta b-Mode ll ge ze ichne t. © MP I für Biophysik /Acha rya , Erm le r Originalveröffentlichungen Nach Erw eiterungen suchenBilderw eiterungChanneltickerDateilisteHTML- Erw eiterungJobtickerKalendererw eiterungLinkerw eiterungMPG.PuRe-ReferenzMitarbeiter (Employee Editor)Personenerw eiterungPublikationserw eiterungTeaser mit BildTextblockerw eiterungVeranstaltungstickererw eiterungVideoerw eiterungVideolistenerw eiterungYouTubeErw eiterung [1] van Beelen, P., J. W. van Neck, R. M. de Cock, G. D. Vogels, W. Guijt and C. A. G. Haasnoot: 5,10-Methenyl-5,6,7,8-tetrahydromethanopterin, a one-carbon carrier in the process of methanogenesis Biochemistry 23, 4448-4454 (1984). [2] Escalante-Semerena, J. C., K. L. Jr. Rinehart and R. S. Wolfe: Tetrahydromethanopterin, a carbon carrier in methanogenesis Journal of Biological Chemistry 259, 9447-9455 (1984). [3] R. K. 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