Dr. Bernhard Waldmann, Ass. Prof. Examen im Bundesstaatsrecht (IuR I - «neues» Reglement) Hinweise 1. 2. 3. Lesen Sie zuerst die Fragen aufmerksam durch, bevor Sie zu schreiben beginnen. Bitte achten Sie auf die Zeit (2 Stunden). Beantworten Sie bitte sämtliche Fragen der Teile I und II. Beide Teile ergeben jeweils eine Zwischennote. Die Gesamtnote berechnet sich aus dem Durchschnitt beider Zwischennoten. Für die Frage der Auf- oder Abrundung ist der Gesamteindruck entscheidend. VIEL GLÜCK!!!! Teil I THEORETISCHE GRUNDLAGEN (c.a. 1 Stunde): Total 30 Punkte 1. «Soziale» Grundrechte (14 Punkte) a) Was verstehen Sie darunter? Geben Sie Beispiele? (5 Punkte) b) Können soziale Grundrechte eingeschränkt werden? (5 Punkte) c) Kennen Sie soziale Grundrechte, die sich aus dem Völkerrecht ergeben? (4 Punkte) 2. Müssen sich die Kantone ebenfalls durch eine Verfassung konstituieren? Wenn ja: Sind die Kantone in der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Verfassung frei? (8 Punkte) 3. Unter der Federführung der Bundeskanzlei werden im Moment Pilotversuche im Hinblick auf eine künftige Einführung des sog. E-Voting (Abstimmen und Wählen per Internet) durchgeführt. Zu diesem Zweck werden Sie von der Bundeskanzlei angefragt, wie Sie die Machbarkeit dieses Vorhabens aus verfassungsrechtlicher Sicht (d.h. unter dem Aspekt der politischen Grundrechte) beurteilen. Geben Sie kurz und präzis darüber Auskunft, ob und inwiefern E-Voting im Lichte der politischen Grundrechte (insbesondere Art. 34 Abs. 2 BV) problematisch sein könnte. (8 Punkte) IuR I Examen – Frühjahr 2003 Teil II STAATSRECHTLICHE BESCHWERDE (c.a. 1,5 Stunden): Total 20 Punkte Nach Art. 46 der Bündner Kantonsverfassung sind das Deutsche, Italienische und Rätoromanische Amtssprachen des Kantons Graubünden. Gemäss Art. 20 des kantonalen Gesetzes vom 9. April 1967 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Graubünden (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) werden die von der Kantonserfassung anerkannten Landessprachen auch ausdrücklich als die Gerichtssprachen bezeichnet. Die Ausfertigung von Urteilen des Verwaltungsgerichts wird schliesslich in Art. 14 der Verordnung vom 30. November 1966 über Organisation, Geschäftsführung und Gebühren des Verwaltungsgerichts (VOG) geregelt. Art. 14 VOG Die Ausfertigung von Urteilen und Beschlüssen erfolgt in deutscher Sprache. Den Parteien im italienischsprachigen Landesteil ist eine italienische Übersetzung beizulegen. Für die Rechtskraft massgebend ist der deutsche Text der Urteile und Beschlüsse. Die Gemeinde Stampa ist unbestrittenermassen italienischsprachig. Der Gemeindevorstand von Stampa (GR) leitete 1994 ein Quartierplanverfahren für das Gebiet «La Motta» in Maloja ein und genehmigte den Plan nach einem umfangreichen Verfahren. Der Eigentümer einer unüberbauten Parzelle (= Herr Bianchi) erhob dagegen erfolglos Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 11. Februar 2003 war in deutscher Sprache abgefasst. Auf sein Ersuchen hin stellte ihm das Verwaltungsgericht am 13. Februar 2003 eine italienische Übersetzung zu. Herr Bianchi ist wütend und kommt zu Ihnen. Seiner Auffassung nach hätte das Verwaltungsgericht das Urteil in italienischer Sprache verfassen müssen, da Stampa unbestrittenermassen im italienischen Sprachraum liegt. Er möchte das Urteil an das Bundesgericht weiterziehen. Fragen: 1. Mit welchem Rechtsmittel gelangen Sie ans Bundesgericht? Diskutieren Sie die Eintretensvoraussetzungen. (8 Punkte) 2. Formulieren Sie aus der Sicht des Beschwerdeführers die materielle Begründung Ihrer Beschwerde (12 Punkte). -2- IuR I Examen – Frühjahr 2003 -3- IuR I Examen – Frühjahr 2003 -4- IuR I Examen – Frühjahr 2003 -5- IuR I Examen – Frühjahr 2003 -6- IuR I Examen – Frühjahr 2003 -7- IuR I Examen – Frühjahr 2003 -8-