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Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
12.
Grundlagen der Analytischen Geometrie
12.1
Die Punktmenge ú n - Der Anschauungsraum
Der dreidimensionale Anschauungsraum ist unserer natürlichen Umgebung gleichzusetzen; ein zweidimensionaler Raum ist als unendlich ausgeweitete Fläche, ein eindimensionaler Raum als unendlich langer Strich
vorstellbar. Für Mathematiker ist es auch kein Problem, sich in Räumen höherer Dimension zu orientieren.
Diese Räume entziehen sich aber einer direkten Anschaulichkeit.
Def:
(Die Punktmenge ún)
Der n-dimensionale Punktraum ún ist definiert als ún = { (x1 ,..., xn ) | x1 ,..., xn 0 ú}
Die auftretenden Zahlen x1 , ..., xn heißen Koordinaten der Punkte des n-dimensionalen Punktraumes; der Ursprung des zugehörigen Koordinatensystems sowie seine Skalierung werden
„mutwillig“ festgelegt .
Entsprechend findet man Darstellungen für drei-, zwei- und eindimensionale Räume:
Def:
(Die Punktmengen zu den Anschauungsräumen)
Der dreidimensionale Anschauungsraum ist beschreibbar durch
ú3 = { (x1 ,x2 , x3 ) | x1 , x2 , x3 0 ú }
Die Anschauungsebene, der zweidimensionale Anschauungsraum also, wird angegeben durch:
ú2 = { (x1 , x2 ) | x1 , x2 0 ú }
Der eindimensionale Punktraum ist erklärt über:
ú1 = ú
Wie man ein dreidimensionales Koordinatensystem mit x1-, x2-, x3-Achse (x-, y-, z-Achse) zeichnet und
einen Punkt darin markiert, zeigt das folgende Beispiel.
Beisp: (Punkte im dreidimensionalen Koordinatensystem)
Wir zeichnen den Punkt P(3/2/2) in ein dreidimensionales Koordinatensystem; das Koordinatensystem wird aus perspektivischen Gründen so gezeichnet, dass die x1-Achse die halbe Schrittweite im
Vergleich zur x2- und die x3-Achse aufweist.
223
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Der entscheidende Nachteil dieser perspektivischen dreidimensionalen Koordinatendarstellung ist, dass die
Punkte nicht optisch eindeutig lokalisiert sind. Der Punkt P (3 / 2 / 2) hat kein andere Stelle auf der Zeichenebene als der Punkt Q (0 / 0,9 / 1)(gerundet). Für den Mathematiker ist diese Darstellung also nicht besonders brauchbar; deshalb werden wir sie nur selten wieder verwenden. Künstler arbeiten jedoch gerne mit
perspektivischen Ansichten; wenn man dabei den Effekt der Mehrdeutigkeit von Punkten geschickt ausnützt,
ergeben sich verwirrende Möglichkeiten, wie sie der Maler ESCHER vorgeführt hat.
Wir orientieren uns nun im Koordinatensystem des dreidimensionalen und zweidimensionalen Anschauungsraumes.
Beisp: (Charakteristische Punkte im zwei- und dreidimensionalen Koordinatensystem)
Der Ursprung hat im zweidimensionalen Koordinatensystem die Koordinaten (0/0), im dreidimensionalen die Koordinaten (0/0/0).
Im zweidimensionalen Raum haben
Punkte auf der x-Achse die Koordinaten (x/0),
Punkte auf der y-Achse die Koordinaten (0/y).
Dreidimensional findet man entsprechend:
Punkte auf der x1-Achse haben die Koordinaten (x/0/0).
Punkte auf der x2-Achse haben die Koordinaten (0/y/0).
Punkte auf der x3-Achse haben die Koordinaten (0/0/z).
Im dreidimensionalen Raum unterscheidet man drei Koordinatenebenen, das sind die Ebenen, die
von den Achsen aufgespannt werden; im einzelnen:
Punkte in der x1-x2-Ebene haben die Koordinaten (x/y/0).
Punkte in der x1-x3-Ebene haben die Koordinaten (x/0/z).
Punkte in der x2-x3-Ebene haben die Koordinaten (0/y/z).
224
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Bewegt man sich im dreidimensionalen Raum auf Parallelebenen zu den angesprochenen Koordinatenebenen, kann man dort ebenfalls Punkte an typischen Koordinaten erkennen:
Punkte einer zur x1-x2-Ebene im Abstand a parallelen Ebene haben die Koordinaten (x/y/a)
beziehungsweise (x/y/-a).
Punkte einer zur x1-x3-Ebene im Abstand b parallelen Ebene haben die Koordinaten (x/b/z)
beziehungsweise (x/-b/z).
Punkte einer zur x2-x3-Ebene im Abstand c parallelen Ebene haben die Koordinaten (c/y/z)
beziehungsweise (-c/y/z).
Im zweidimensionalen Raum erkennt man Punkte auf Geraden, die zur x-Achse im Abstand a
parallel liegen, an den Koordinaten (x/a) beziehungsweise (x/-a); Punkte auf Parallelen im Abstand
b zur y-Achse schreibt man als (b/y) beziehungsweise (-b/y). Analog kann man auch im dreidimensionalen Raum Parallelen zu den Koordinatenachsen finden; allerdings hat hier jede Koordinatenachse unendlich viele Parallelen in einem vorgegebenen Abstand, deren Punkte man im allgemeinen
nicht auf einen Blick voneinander unterscheiden kann. Wir greifen jedoch einige Parallelen, deren
Punkte man über ihre Koordinaten gut erkennen kann, heraus:
-
12.2
Eine Parallele zur x1-Achse im Abstand a, die
Koordinaten (x/a/0) beziehungsweise (x/-a/0).
Eine Parallele zur x1-Achse im Abstand b, die
Koordinaten (x/0/b) beziehungsweise (x/0/-b).
Eine Parallele zur x2-Achse im Abstand c, die
Koordinaten (c/y/0) beziehungsweise (-c/y/0).
Eine Parallele zur x2-Achse im Abstand d, die
Koordinaten (0/y/d) beziehungsweise (0/y/-d).
Eine Parallele zur x3-Achse im Abstand e, die
Koordinaten (e/0/z) beziehungsweise (-e/0/z).
Eine Parallele zur x3-Achse im Abstand f, die
Koordinaten (0/f/z) beziehungsweise (0,-f,z).
in der x1-x2-Ebene liegt, hat Punkte mit den
in der x1-x3-Ebene liegt, hat Punkte mit den
in der x1-x2-Ebene liegt, hat Punkte mit den
in der x2-x3-Ebene liegt, hat Punkte mit den
in der x1-x3-Ebene liegt, hat Punkte mit den
in der x2-x3-Ebene liegt, hat Punkte mit den
Translationen
12.2.1 Der Begriff der Translation
Geometrische Betrachtungen erfordern außer einer Punktmenge auch eine Menge von Bewegungen auf
dieser Punktmenge. Wir betrachten dazu die Menge T der Translationen :
Def:
(Translation)
Eine Translation gibt eine Vorschrift an, nach der beliebige Punkte des Punktraumes ún innerhalb des Koordinatensystems von einer Stelle zu einer anderen bewegt werden können.
Man schreibt:
und meint damit, dass einen beliebigen Punkt aus der Punktmenge ún um t1 in x1-Richtung, ...,
tn in xn-Richtung verschiebt.
225
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Beisp: (Translationsanweisungen)
Translationsanweisungen in einer Ebene sind „Verschiebe 2 nach rechts, 1 nach oben“ oder in der
Sprache des Koordinatensystems „Verschiebe 2 in x-Richtung, 1 in y Richtung“, noch genauer
„Verschiebe +2 in x-Richtung, +1 in y-Richtung“.
Man schreibt:
Wendet man diese Translation auf den Punkt A(3/4) an, findet man einen Zielpunkt Z, bei Anwendung auf B(b1/b2) einen Zielpunkt Y durch:
Im dreidimensionalen Anschauungsraum hat man etwa folgende Translationsanweisung: „Verschiebe
-1 in x1-Richtung, +2 in x2-Richtung und -4 in x3-Richtung!“. Man schreibt:
Die Anwendung dieser Translation auf einen Punkt A(a1/a2/a3) ergibt den Zielpunkt Z:
Satz: (Anwendung einer Translation auf einen Punkt)
Unterwirft man einen speziellen Punkt P des n-dimensionalen Punktraumes ún einer Translation
- das heißt, man will ihn verschieben und wissen, welche Koordinaten er nach der Verschiebung
aufweist - dann erhält man das Ergebnis über Koordinatenaddition.
Aus einem anderen Blickwinkel stellt sich das Problem, eine Translation zu finden, welche einen vorgegebenen Punkt in einen anderen vorgegebenen überführt.
Beisp: (Translation zwischen zwei Punkten)
Wir suchen im zweidimensionalen Fall diejenige Translation , welche den Punkt P nach Q überführt, im dreidimensionalen Fall die Translation , welche R in S überführt:
226
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Die Probe bestätigt das Ergebnis: (P) = (1+1 / 5+2) = Q, (R) = (2+0 / 5+2 / 3-2) = S
Im allgemeinen Fall findet man:
Satz: (Translation zwischen zwei Punkten)
Sind zwei Punkte P(p1/.../pn) und Q (q1/.../qn) aus ún gegeben, dann findet man die Translation
, welche P in Q überführt durch:
Wendet man die Formel zur Ermittlung einer Translation, die einen gegebenen Punkt P in einen anderen
gegebenen Punkt Q überführt, an auf das Problem, eine Translation zu finden, welche den Ursprung auf
einen Punkt abbildet, dann stellt man fest, dass die Koordinaten dieser Translation gleich den Koordinaten
des Zielpunktes sind; zum Beispiel:
Man definiert:
Def:
(Ortsvektor)
Die Translation, die den Ursprung auf den Punkt P überführt, heißt Ortsvektor zum Punkt P.
Daraus ergibt sich eine Vereinfachung der Betrachtungsweisen der Analytischen Geometrie:
Beginnt man jede Betrachtung zur Analytischen Geometrie am Ursprung des Koordinatensystems, dann
wird mit Hilfe der Ortsvektoren rechnerisch eine Trennung in Punkte und Translationen weitgehend
überflüssig. In der Regel werden wir diesen Hinweis so umsetzen, dass wir jede geometrische Betrachtung
am Ursprung beginnen lassen und dann fast nur noch über Translationen Sachverhalte darstellen.
12.2.2 Translationsaddition
Beisp: (Hintereinanderausführung von Translationen)
Wir betrachten zwei Translationen und einen Punkt P in der Ebene:
Wir wollen die beiden Translationen nacheinander auf P wirken lassen:
227
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Man stellt fest: Unabhängig von der Reihenfolge der Anwendung der beiden Translationen ermittelt
man dasselbe Ergebnis, wobei sich jeweils die Komponenten der beteiligten Translationen in x- und
in y-Richtung addieren. Dadurch erhält man eine Form der Addition von Translationen:
In gleicher Weise und mit gleicher geometrischer Deutung wird auch im n-dimensionalen Raum addiert:
Def:
(Translationsaddition)
Man definiert eine Addition auf der Menge der Translationen des n-dimensionalen Raumes durch
folgende Rechenvorschrift mit komponentenweiser Addition:
Mit Hilfe dieser Additionsvorschrift kann man mit Translationen so rechnen, wie man es von dem Rechnen
mit Zahlen gewöhnt ist. Speziell sind folgende Rechengesetze erfüllt:
Satz: (Rechengesetze der Addition von Translationen)
Assoziativgesetz
Sind drei Translationen
des n-dimensionalen Raumes gegeben, dann gilt:
Existenz eines neutralen Elementes
Es gibt eine Translation , deren Addition zu einer beliebigen anderen diese unverändert
lässt, so wie etwa die Addition der Zahl 0 zu einer anderen keine Wirkung erzielt; diese
spezielle Translation heißt das neutrale Element
der Translationen bezüglich der
Translationsaddition. Es gilt:
228
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Existenz eines inversen Elementes zu jeder Translation
Zu jeder Translation gibt es eine weitere , so dass beide zusammenaddiert das neutrale Element ergeben. und
heißen invers zueinander. Es ist:
Kommutativgesetz
Die Addition von zwei Translationen ist kommutativ, das heißt, es ist gleichgültig, in
welcher Reihenfolge zwei Translationen ausgeführt werden. Also gilt für alle Translationen im n-dimensionalen Raum
.
Diese grundlegenden Rechenmöglichkeiten trifft man nicht nur bei der Translationsaddition, sondern auch
in anderen Mengen mit anderen Operationen. Man definiert:
Def:
(Gruppe, abelsche Gruppe)
Auf einer Menge G sei eine Operation B definiert, die zwei Elemente aus G so verrechnet, dass
wieder ein Element von G herauskommt; kurz B: G × G 6 G. Wenn diese Verknüpfung folgende
drei Bedingungen erfüllt
(1)
Assoziativgesetz
Für alle g1, g2, g3 0 G gilt g1B(g2Bg3) = (g1Bg2)Bg3
(2)
Existenz eines neutralen Elementes
Es gibt ein n0G, so dass für alle g0G gilt: gBn = nBg = g.
(3)
Existenz eines inversen Elementes zu jedem Element aus G
Zu jedem g0G gibt es ein g'0G, so dass g'Bg = g B g' = n
dann heißt (G,B) eine Gruppe. Gilt außerdem
(4)
Kommutativgesetz
Für alle g1 , g20G gilt: g1 B g2 = g2B g1
dann heißt (G,B) eine abelsche Gruppe oder kommutative Gruppe.
Weitere Beispiele von Gruppen sind:
Beisp: (Gruppen)
Die Menge der ganzen Zahlen bildet mit der üblichen Addition + eine abelsche Gruppe mit neutralem Element 0; invers zu einem Element z ist das Element -z.
229
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Die Menge ù0 der natürlichen Zahlen mit der Null bildet unter der Rechenverknüpfung + keine
Gruppe, weil in ù0 keine Inversen angegeben werden können.
Die Menge der rationalen Zahlen ohne die Zahl 0 bildet eine abelsche Gruppe bezüglich der üblichen
Multiplikation. Neutrales Element ist n = 1; das inverse Element wird für alle rationalen Zahlen
jeweils durch die Kehrzahl gebildet.
Die Menge D der „rechtwinkligen Drehungen“ auf einem Kreis bilden eine abelsche Gruppe; D
beinhaltet folgende Drehungen, die in Grad angegeben sind: D = {0, 90, 180, 270}. Verknüpfung B
ist die Hintereinanderausführung zweier Drehungen. Die Übersicht gibt Auskunft über alle Verknüpfungsmöglichkeiten:
B
0
90
180
270
0
0
90
180
270
90
90
180
270
0
180
180
270
0
90
270
270
0
90
180
Neutrales Element ist offenbar die 0. Die Inversen liest man in folgender Übersicht ab:
Element
0
90
180
270
Inverses
0
270
180
90
12.2.3 S-Multiplikation
Nach Einführung der Translationsaddition liegt es nahe, nach einer multiplikativen Verknüpfung für
Translationen zu fragen. Hierzu betrachten wir zunächst ein einführendes Beispiel.
Beisp: (Verlängerung und Verkürzung von Translationen)
Ist eine Translation und ein Punkt gegeben, dann wirkt diese Translation in bekannter Weise auf
diesen Punkt:
Eine Translation, die den Punkt P in dieselbe Richtung, aber doppelt so weit transportiert, findet man
durch:
Eine weitere Translation, die den Punkt P in dieselbe Richtung, aber nur halb so weit transportiert,
findet man durch:
230
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Man schreibt:
Durch das Vorgehen im Beispiel ist eine Art Multiplikation angedeutet, die sich allerdings von bisher
bekannten Multiplikationsarten, wie etwa der von Zahlen unterscheidet. Denn im Bereich der Zahlen
multipliziert man zwei gleichartige Dinge miteinander; hier aber werden zwei zueinander fremdartige Dinge
miteinander multipliziert, eine Zahl und eine Translation. Man gibt der im Beispiel angedeuteten multiplikativen Verknüpfung deshalb einen eigenen Namen:
Def:
(S-Multiplikation)
Die Multiplikation einer Zahl "0ú mit einer Translation
S-Multiplikation. Die Rechenvorschrift lautet:
im n-dimensionalen Raum heißt
Wie an die Translationsaddition stellt man auch an die S-Multiplikation gewisse Anforderungen in Hinblick
auf vernünftiges Rechnen; sie soll Gesetze erfüllen, die man so oder ähnlich aus der Welt der Zahlen kennt.
Satz: (Rechengesetze der S-Multiplikation)
Sind ", $ 0 ú und , zwei Translationen des n-dimensionalen Raumes, dann gilt:
Gemischtes Assoziativgesetz
("@$)@ ="@ ($@
)
Distributivgesetz I
("+$)@ ="@
+$@
Distributivgesetz II
" @( + )="@
+ " @
Unitaritätsgesetz
1 @ =
12.2.4 Der Vektorraum der Translationen - Vektoren
Die Menge der Translationen zusammen mit der Translationsaddition und der S-Multiplikation ist ein
typisches Beispiel für eine hoch entwickelte mathematische Struktur, die man Vektorraum nennt. Entsprechend bezeichnet man die Translationen oft als Vektoren.
231
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Neben der Menge der Translationen gibt es noch viele andere Objekte, denen man das Modell des Vektorraumes überstülpen kann, um mathematische Methoden auf sie anzuwenden; die Theorie der Vektorräume
ist entsprechend weit entwickelt. Im Allgemeinen stellt man fest:
Def:
(Vektorraum)
Ist auf einer Menge V eine Addition (+) definiert, so dass V zusammen mit dieser Addition eine
kommutative Gruppe bildet, und gibt es weiter auf V eine S-Multiplikation (A), dann bezeichnet
man (V ,+,A) als einen Vektorraum.
Elemente eines Vektorraumes heißen Vektoren.
Das neutrale Element der Addition in einem Vektorraum heißt Nullvektor.
Das zu einem Vektor inverse Element heißt Gegenvektor dieses Vektors.
12.3.
Ein ganz anderer Vektorraum - Magische Quadrate
Der folgende Absatz über magische Quadrate soll einen Eindruck vermitteln, dass auch Objekte, von denen
man es nicht annimmt, eine Vektorraumstruktur aufweisen können, man mit ihnen also „normal“ rechnen
kann. Ein magisches Quadrat ist eine quadratische Anordnung von Zahlen mit verblüffenden Eigenschaften;
eines der bekanntesten ist in einem Kupferstich Albrecht Dürers aus dem Jahre 1514 dargestellt:
16
3
2
13
5
10 11
8
9
6
7
12
4
15 14
1
In diesem Quadrat ergibt sich die „magische Summe“ 34 bei Summierung über alle Zeilen, alle Spalten, als
Summe der Diagonalen, als Summe der vier Ecken, als Summe der markierten vier Teilquadrate oben links,
oben rechts, unten links und unten rechts und des ebenfalls markierten Mittenquadrates. Die Summe 34
ergibt sich auch bei Addition parallel angeordneter Zahlen, also bei folgenden Additionen: 3+ 2+15+14,
5+ 9+8+12, 9+15+2+8 und 5+3+14+12. Besonders magisch ist an diesem Quadrat außerdem noch zu
bemerken, dass die 16 Felder genau mit den Zahlen 1 bis 16 belegt sind. Im Allgemeinen definieren wir:
Def:
(Magisches Quadrat der Größe 4x4)
Eine quadratische Anordnung von Zahlen mit vier Spalten und vier Zeilen heißt magisches
Quadrat der Größe 4x4, wenn die Summe über die Zeilen, Spalten, Diagonalen, die Eckzahlen und
enthaltener Teilquadrate der Größe 2x2 (in den Ecken und in der Mitte) jeweils gleich ist.
Auch andere Zahlenquadrate als das obige von Dürer erfüllen die Anforderungen an ein magisches Quadrat;
sie sind aber viel langweiliger. Zwei Vertreter dieser Art zeigt die folgende Abbildung:
232
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
0
0
0
0
1
1
1
1
0
0
0
0
1
1
1
1
0
0
0
0
1
1
1
1
0
0
0
0
1
1
1
1
Das folgende Beispiel zeigt magische Quadrate, die nicht so langweilig, aber auch einfach sind.
Beisp: (Acht einfache magische Quadrate)
Bilde magische Quadrate mit magischer Summe 1, die nur mit den Zahlen 0 oder 1 besetzt sein
dürfen. Es ergeben sich acht Möglichkeiten Q1, ...., Q8.
Q1
Q2
Q3
Q4
1
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
1
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
1
0
0
0
Q5
Q6
Q7
Q8
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
1
0
0
0
0
1
0
1
0
0
0
1
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
1
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
1
0
0
Auf der Menge der magischen Quadrate definiert man eine „magische Addition“ und eine „magische SMultiplikation“:
Def:
(Addition und S-Multiplikation mit magischen Quadraten)
Sind M und N magische Quadrate, dann erklärt man ihre Addition komponentenweise:
M+N=
m11
m12
m 13
m14
n 11
n12
n13
n14
m 21
m 22
m 23
m 24
n 21
n22
n 23
n 24
m 31
m 32
m 33
m 34
n 31
n32
n 33
m 41
m 42
m 43
m 44
n 41
n42
n 43
+
m 11 +n 11
m 12 +n 12
m 13 +n 13 m 14 +n 14
m 21 +n 21
m 22 +n 22
m 23 +n 23 m 24 +n 24
n 34
m 31 +n 31
m 32 +n 32
m 33 +n 33 m 34 +n 34
n 44
m 41 +n 41
m 42 +n 42
m 43 +n 43 m 44 +n 44
Die S-Multiplikation erfolgt ebenfalls komponentenweise:
:M=:
:m11
:m12
:m13
:m14
:m21
:m22
:m23
:m24
m34
:m31
:m32
:m33
:m34
m44
:m41
:m42
:m43
:m44
m11
m12
m 13
m14
m21
m22
m 23
m24
m31
m32
m 33
m41
m42
m 43
=
233
=
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Man überlegt sich:
Satz: (Vektorraumeigenschaft der magischen Quadrate)
Bei Addition und S-Multiplikation zweier magischer Quadrate nach obiger Definition entstehen
wieder magische Quadrate. Die Menge der magischen Quadrate bildet zusammen mit den oben
erklärten Verknüpfungen Addition und S-Multiplikation einen Vektorraum.
Mithilfe der Addition und S-Multiplikation der magischen Quadrate lassen sich viele weitere magische
Quadrate erzeugen.
Beisp: (Erzeugung magischer Quadrate durch Kombination von Addition und S-Multiplikation)
Aus den acht einfachen, oben eingeführten magischen Quadraten Q1, ..., Q8 lassen sich unter Verwendung der definierten Addition und S-Multiplikation viele weitere erzeugen; ein aus den acht einfachen Quadraten erzeugtes magisches Quadrat M wird im Allgemeinen errechnet durch:
"1
"5
1
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
1
1
1
0
0
0
0
+ "2
+ "6
1
0
0
0
0
0
0
1
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
1
0
0
0
0
1
1
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
1
0
0
0
0
1
0
1
0
0
"1 + "2
"3 + "4
"5 + "7
"6 + "8
"7 + "8
"5 + "6
"1 + "3
"2 + "4
"3 + "6
"2 + "7
"4 + "8
"1 + "5
"4 + "5
"1 + "8
"2 + "6
"3 + "7
+ "3
+ "7
0
1
0
0
0
0
1
0
1
0
0
0
0
0
0
1
+ "4
+ "8
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
1
0
1
0
0
0
+
=
Zum Beispiel ergibt sich, wenn "1 = 3, "7 = -2, "8 = 1 und alle anderen Faktoren "i Null sind, ein
magisches Quadrat M mit magischer Summe 2. Man rechnet:
M = 3 Q1 - 2 Q 7 + Q8 =
3
0
-2
1
-1
0
3
0
0
-2
1
3
0
4
0
-2
Hinter der rechnerischen Verknüpfung magischer Quadrate mittels der speziellen Addition und S-Multiplikation verbirgt sich ein allgemeiner Begriff der Vektorraumtheorie.
234
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
(Linearkombination, lineares Erzeugnis)
Def:
n Elemente a1 , ..., an eines Vektorraumes V (+,@ ) seien gegeben. Weiterhin gebe es Zahlen "1 ,...,
"n so, dass mit deren Hilfe ein weiterer Vektor v durch
errechnet wird. v heißt dann Linearkombination der Vektoren a1 , ..., an . Die Menge aller Vektoren v, die durch a1 , ..., an erzeugt werden können, heißt das lineare Erzeugnis von a1 , ..., an.
In Bezug auf die Erforschung der magischen Quadrate stellen sich zwei Fragen:
1.
Kann man alle möglichen magischen 4x4 Quadrate durch Linearkombination der acht einfachen
Quadrate Q1, ... , Q8 erzeugen?
2.
Angenommen, die Frage 1. würde mit „Ja“ beantwortet: Braucht man dann wirklich alle acht
Quadrate oder genügen schon einige von ihnen, um alle anderen magischen Quadrate zu erzeugen?
Man stellt zur Beantwortung der beiden Fragen zunächst ein Indiz fest: Das magische Quadrat E mit
magischer Summe 4, welches auf allen Positionen nur die Zahl 1 enthält, kann auf verschiedene Arten aus
Q1, ..., Q8 linear erzeugt werden:
Einerseits gilt E = Q1 + Q4 + Q6 + Q7, weil
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
=
1
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
1
0
0
+
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
1
0
1
0
0
0
+
0
0
0
1
0
1
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
+
0
0
1
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
1
Andererseits findet man E = Q2 + Q3 + Q5 + Q8, weil
1
1
1
1
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
1
0
1
1
1
1
0
0
1
0
0
0
0
1
0
1
0
0
1
0
0
0
1
1
1
1
0
0
0
1
0
0
1
0
1
0
0
0
0
1
0
0
1
1
1
1
0
1
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
Also gilt:
=
+
+
+
Q1 + Q4 + Q6 + Q7 = Q2 + Q3 + Q5 + Q8 ] Q8 = Q1 + Q4 + Q6 + Q7 - Q2 - Q3 - Q5
Damit erweist sich Q8 als entbehrlich, weil es durch die anderen sieben Quadrate per Linearkombination
erzeugt werden kann; ebenso hätte man natürlich jedes einzelne andere der acht Quadrate als entbehrlich
darstellen können. Auch hinter dieser Situation steht ein zentraler Begriff der Vektorraumtheorie:
235
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Def:
(lineare Abhängigkeit/lineare Unabhängigkeit)
n Elemente a1 , ..., an eines Vektorraumes V (+,@ ) heißen linear abhängig, wenn sich mindestens eines von ihnen als Linearkombination der übrigen erzeugen lässt. Sie heißen linear unabhängig, wenn keines sich durch Linearkombination der anderen erzeugen lässt.
Nun stellt sich die Frage, ob auch die Quadrate Q1 , ..., Q7 noch linear abhängig sind oder ob auch unter
diesen sieben noch welche entbehrlich sind. Dazu betrachten wir das lineare Erzeugnis der sieben Quadrate
Q1, ..., Q7, stellen also fest, welche Form ein magisches Quadrat M hat, welches durch Q1, ..., Q7 erzeugt
wird. Man findet:
"1 + "2
"3 + " 4
"5 + "7
"6
"7
"5 + "6
"1 + "3
"2 + "4
"3 + "6
"2 + "7
"4
"1 + "5
"4 + "5
"1
"2 + "6
"3 + "7
Man entdeckt sofort, dass die Quadrate Q1, Q4, Q6 und Q7 nicht entbehrlich sind, weil sie für einzelne Felder
allein „zuständig“ sind. Auch die anderen drei Quadrate Q2 ,Q3 und Q5 sind unentbehrlich, denn: Würde zum
Beispiel Q2 fehlen, dann ergäbe sich in der Ecke oben links der Wert "1, womit dieses Feld gleich besetzt
wäre wie das zweite Feld in der letzten Reihe; damit ließen sich Quadrate mit lauter verschiedenen Zahlen
(wie das Dürer-Quadrat) nicht mehr als Linearkombination von Q1 , Q3, ...Q7 darstellen. Analog argumentiert
man für die Unentbehrlichkeit von Q3 und Q5 . Also sind die Quadrate Q1, ... , Q7 linear unabhängig.
Die erste der beiden Leitfragen steht noch zur Beantwortung offen: Können alle magischen Quadrate durch
Linearkombination von Q1, ..., Q8 erzeugt werden? Wir können jetzt begrifflich modifiziert fragen: Können
alle magischen Quadrate durch Linearkombination von Q1, ..., Q7 erzeugt werden? Q8 brauchen wir, weil ja
entbehrlich geworden, nicht mehr zu erwähnen.
Zur Beantwortung dieser Frage prüft man experimentell nach, ob ein magisches Quadrat durch sieben Zahlen
vollständig bestimmt sein kann. Durch Probieren findet man zum Beispiel eine im folgenden Bild durch *
angedeutete Lage von sieben bekannten Zahlen als genügend heraus, um ein magisches Quadrat komplett
auszufüllen. Rechts ist eine mögliche Reihenfolge a, ..., i der Ausfüllung angedeutet, nachdem man die
magische Summe aus den vier Eckzahlen des linken Quadrates ermittelt hat.
*
*
*
*
*
a
*
*
d
c
f
*
i
g
*
b
*
h
e
*
*
*
*
Wenn es also gelingt, die sieben oben mit * gekennzeichneten charakteristischen Felder durch Linearkombination von Q1, ..., Q7 eindeutig zu belegen, dann erzeugen die Quadrate Q1, ..., Q7 jedes beliebige
magische Quadrat. Wir vergleichen folglich das allgemeine von Q1, ..., Q7 erzeugte magische Quadrat mit
einem, auf dem die sieben typischen Felder belegt sind. Auf der linken Seite der sich ergebenenden Gleichung nicht beschriebene Quadratfelder ergeben sich zwingend und sind deshalb nicht ausgefüllt:
236
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
t
u
v
"1 + "2
"3 + "4
"5 + "7
"6
w
"7
"5 + "6
"1 + "3
"2 + "4
"3 + "6
"2 + "7
"4
"1 + "5
"4 + "5
"1
"2 + "6
"3 + "7
x
y
z
Durch Vergleich der sieben wesentlichen Felder findet man:
1.
t = "1 + "2
2.
u = "3 + "4
3.
v = "6
4.
w = "2 + "4
5.
x = "4
6.
y = "4 + "5
7.
z = "3 + "7
Wenn man damit die Zahlen "i (i = 1, ..., 7) eindeutig aus t, ..., z berechnen kann; dann ist die Frage, ob jedes
magische Quadrat durch Linearkombination von Q1, ... , Q7 erzeugt werden kann, mit „ja“ zu beantworten.
Die Gleichungen 3. und 5. liefern bereits eindeutige Ergebnisse; setzt man diese in die anderen Gleichungen
ein, ergibt sich:
t = "1 + "2
u = "3 + x
w = "2 + x
y = x + "5
z = "3 + "7
Y
Y
Y
"3 = u - x
"2 = w - x
"5 = y - x
Es verbleibt:
1.
t = "1 + "2
7.
z = "3 + "7
]
]
t = "1 + w - x
z = u - x + "7
1.
2.
4.
6.
7.
Y
Y
"1 = w - x - t
"7 = z - u + x
Damit sind alle "i (i = 1, ..., 7) eindeutig festgestellt; also kann man tatsächlich jedes magische Quadrat als
Linearkombination von Q1, ... , Q7 finden. Damit haben wir wiederholt festgestellt, dass man offenbar sieben
unabhängige Größen braucht (sieben typische Positionen beziehungsweise sieben linear unabhängige
Quadrate), um beliebige Elemente des Vektorraumes der magischen Quadrate zu finden. Also ist der Raum
der magischen Quadrate 7-dimensional.
12.4
Linearkombination und lineare Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit von Vektoren
12.4.1 Einführende Beispiele
Wir betrachten nun die im Rahmen der Diskussion magischer Quadrate aufgetauchten und für allgemeine
Vektorräume definierten Begriffe „Linearkombination“ und „Lineare Abhängigkeit/Unabhängigkeit“ im
Zusammenhang mit Translationen im Anschauungsraum an.
237
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Beisp: (Linearkombination zweier Translationen )
ist Linearkombination von
und
, weil
Ob ein gegebener Vektor Linearkombination anderer ist, lässt sich nicht nur, wie im vorangestellten Beispiel,
erraten, sondern auch errechnen; das folgende Beispiel zeigt einen möglichen Weg:
Beisp: (Berechnung von Linearkombinationen mit Hilfe von Gleichungssystemen)
Mit den Vektoren
des vorangegangenen Beispiels und dem Ansatz
lung der Faktoren " und $ findet man:
zur Ermitt-
Wir haben die Ansatzgleichung also mit Hilfe der Rechenregeln für Vektoren so umgeformt, dass
eine Gleichung entstanden ist, die auf der rechten Seite wie auf der linken jeweils einen Vektor zeigt;
da aber zwei Vektoren genau dann gleich sind, wenn ihre Komponenten gleich sind, erhalten wir
folgendes lineare Gleichungssystem:
Dieses lineare Gleichungssystem löst man ohne besondere Rechentechniken, indem man in der ersten
Zeile "=2 abliest. Für $ erhält man nach Einsetzung sowohl in der zweiten als auch in der dritten
Zeile den Wert -3.
Im Beispiel konnte man die Faktoren ", ß recht einfach finden; es liegt auf der Hand, dass man mit einer
solch einfachen Lösung nicht immer rechnen kann. Deshalb soll nun ein Verfahren vorgestellt werden, mit
dem man solche Probleme grundsätzlich lösen kann:
12.4.2 Die Lösung linearer Gleichungssysteme mit dem der Gauß’schen Algorithmus
Grundlage des Gauß‘schen-Algorithmus
Der Gauß’sche Algorithmus zur Lösung linearer Gleichungssysteme beruht auf der geschickten Ausnützung der hier nicht bewiesenen Erkenntnis, dass sich die Lösungsmenge eines linearen Gleichungssystems
nicht ändert, wenn man Einzel-Gleichungen des Systems mit Faktoren … 0 multipliziert oder die Summe
von Vielfachen zweier Gleichungen an die Stelle einer der beiden Gleichungen setzt.
238
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Beisp: (Lösung linearer Gleichungssysteme)
Untersuche, ob sich als Linearkombination von
darstellen lässt, wenn
Man rechnet:
Nun kombiniert man Vielfache der Zeilen so zueinander, dass in der "-Spalte überall außer in der
ersten Zeile 0 entsteht. Eine Möglichkeit ist hier etwa, dass man die zweite Gleichung durch die
Summe des Zweifachen der ersten und der zweiten und die dritte Gleichung durch die Summe des
Vierfachen der ersten mit der dritten ersetzt.
Nun erzeugt man noch aus der zweiten und dritten Gleichung, in denen jeweils " bereits den Faktor
0 trägt, eine 0 vor $ in der dritten Gleichung und erhält die sogenannte Dreiecksform des Gleichungssystems, die dadurch ausgezeichnet ist, dass unterhalb der Diagonalen nur Nullen als Koeffizienten
auftauchen; aus der Dreiecksform kann man mögliche Lösungen für ", $ und ( bequem ablesen,
sofern es welche gibt.
Man erkennt sofort aus der dritten Gleichung ( = -2 und setzt das gefundene ( in die zweite Gleichung ein; dort findet man $ = 1. Setzt man nun die gefundenen $ und ( in die erste Gleichung ein,
erhält man schließlich " = 2.
In der Praxis löst man Gleichungssysteme in der Regel so, dass man die Koeffizienten in einem rechteckigen
Zahlenschema, einer Matrix anordnet, nur noch mit den Koeffizienten rechnet und dadurch alle überflüssigen Schreibarbeiten vermeidet. Die Lösung des obigen Gleichungssystems sieht mit den selben
Umformungen in dieser verkürzten Schreibweise so aus:
" = 2 v $ = 1 v ( = -2
239
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Das soeben abgeschlossene Beispiel zeigte ein besonders “gut” zu lösendes Gleichungssystem; denn erstens
hat sich überhaupt eine Lösung ergeben, man sagt eine Lösung existiert, und zweitens war diese Lösung dazu
noch eindeutig. Die folgenden Beispiele zeigen, dass die Lösung von Gleichungssystemen auch auf andere
Wege führen kann.
Beisp: (Ein Gleichungssystem ohne Lösung)
Gegeben sind vier Vektoren:
kann nicht Linearkombination von
sein, denn der Versuch, ihn als Linearkombination der
übrigen darzustellen führt zu einem Widerspruch, wie die folgende Rechnung zeigt.
Die dritte Zeile zeigt den angekündigten Widerspruch; hier liest man: 5 = 0. Damit ist die gewünschte Linearkombination nicht möglich.
Beisp: (Ein Gleichungssystem mit nicht eindeutiger Lösung)
Stelle als Linearkombination von
dar, wobei:
Wir arbeiten mit dem gleichen Ansatz und der gleichen Rechentechnik wie zuvor:
Es stellt sich heraus, dass die letzte Zeile des Gleichungssystems, welche die Gleichung 0 = 0
bedeutet, nach der Umformung hinsichtlich der Aufgabenstellung nichtssagend wird. Nur noch
die ersten beiden Zeilen liefern eine Aussage über ", $ und (. In einem solchen Fall verfolgt
man die Taktik, die verbleibenden aussagekräftigen Gleichungen so umzustellen, dass Lösungen in Abhängigkeit von möglichst nur einer Variablen ablesbar werden; hier bietet sich an, "
und ( jeweils in Abhängigkeit von $ darzustellen:
Das Gleichungssystem hat folglich unendlich viele Lösungen, denn man kann für $ unendlich
viele Werte einsetzen; bei festgelegtem $ sind " und ( dann eindeutig. Lösungen des Gleichungssystems sind unter unendlich vielen anderen beispielsweise:
240
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
12.4.3 Lineare Abhängigkeit/Unabhängigkeit von Translationen
Die lineare Abhängigkeit beziehungsweise lineare Unabhängigkeit von Translationen im zwei- oder
dreidimensionalen Anschauungsraum lässt sich mit Hilfe der geometrischen Anschauung erläutern;
wir betrachten in Beispielen die Situationen, in denen zwei oder drei Vektoren im dreidimensionalen
Raum linear abhängig beziehungsweise linear unabhängig sind.
Beisp: (Lineare Abhängigkeit von zwei Vektoren im Anschauungsraum)
Übernimmt man die Definition der linearen Abhängigkeit für den Fall, dass nur zwei Vektoren
vorliegen, dann liest man:
Zwei Vektoren im Anschauungsraum sind linear abhängig, wenn der eine Linearkombination
des anderen ist. Das bedeutet, dass der eine ein Vielfaches des anderen ist. Sind zwei Vektoren
aber Vielfache voneinander, dann unterscheiden sie sich höchstens in ihrer Länge, nicht aber
in ihrer Richtung. Man kann sie sich also auf einer Geraden oder auf parallelen Geraden
liegend vorstellen. Ein Zahlenbeispiel zweier linear abhängiger Vektoren:
Den Gedanken des Beispiels trägt die folgende Definition begrifflich Rechnung.
Def:
(Kollinearität)
Zwei linear abhängige Vektoren heißen kollinear.
Beisp: (Lineare Unabhängigkeit zweier Vektoren im Anschauungsraum)
Zwei Vektoren im Anschauungsraum sind also linear unabhängig, wenn Sie nicht Vielfache
voneinander sind; geometrisch heißt das, dass die beiden Vektoren nicht in die selbe Richtung
zeigen, zugehörige Pfeile also nicht parallel sind. Das bedeutet auch, dass die beiden Vektoren
per Linearkombination jeden Punkt einer für Sie typischen Ebene erreichen können; man sagt,
sie spannen eine Ebene auf. Zwei linear abhängige Vektoren können dagegen keine Ebene
aufspannen, weil Ihnen gemeinsam nur eine Richtung zur Verfügung steht.
Beisp: (Lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit von drei Vektoren im Anschauungsraum)
Werden zwei linear unabhängige Vektoren durch einen dritten ergänzt, der Linearkombination
der beiden ist, dann ist dieser dritte in einer Ebene, die von den beiden ersten aufgespannt wird,
als Pfeil zu lokalisieren. Also gilt: Drei Vektoren sind linear abhängig, wenn zu ihnen gehörige
Pfeile in einer Ebene angeordnet werden können. Dies gilt auch für den Fall, dass alle drei
Vektoren eine gemeinsame Richtung haben. Also gilt auch: Drei linear unabhängige Vektoren
im Anschauungsraum spannen den gesamten dreidimensionalen Anschauungsraum auf.
Entsprechend definiert man für drei linear abhängige Vektoren im Anschauungsraum:
241
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Def:
(Komplanarität)
Drei linear abhängige Vektoren im Anschauungsraum heißen komplanar.
Man macht sich weitere Zusammenhänge zur linearen Abhängigkeit und Unabhängigkeit klar:
Satz: (Eigenschaften linear abhängiger und linear unabhängiger Vektoren)
Sind die Vektoren a1, a2, ..., an linear abhängig und ist b ein weiterer Vektor, dann sind
auch die Vektoren a1, a2, ..., an , b linear abhängig.
Sind die Vektoren a1, a2, ..., an , b linear unabhängig, dann sind es auch die Vektoren a1,
a2, ..., an.
Sind die Vektoren a1, a2, ..., an linear unabhängig, die Vektoren a1, a2, ..., an , b aber linear
abhängig, dann ist b Linearkombination von a1, a2, ..., an.
Zur Überprüfung der linearen Abhängigkeit / Unabhängigkeit von Vektoren ist der sich aus der
bisherigen Definition unmittelbar anbietende Weg sehr zeitaufwendig; man müsste nämlich für jeden
Vektor einer Menge von Vektoren prüfen, ob er sich als Linearkombination der anderen darstellen
lässt. Dazu müsste man immer so viele Gleichungssysteme lösen, wie die betreffende Vektormenge
Elemente aufweist. Es liegt also nahe, dass man sich ein einfacheres Verfahren überlegt.
Beisp: (Darstellung des Nullvektors durch linear abhängige Vektoren)
Wir betrachten erneut einige früher schon verwendete, linear abhängige Vektoren:
Diese sind linear abhängig, weil
. Stellen wir die Gleichung so um, dass die drei
linear abhängigen Vektoren auf der rechten Seite des Gleichheitszeichens auftauchen, dann
erhält man
. Der Nullvektor lässt sich also durch eine Linearkombination
der drei Vektoren erzeugen. Allerdings ließe der Nullvektor sich auch auf andere Weise als
Linearkombination der drei linear abhängigen Vektoren erzeugen, denn zum Beispiel hat die
Gleichung
selbstverständlich auch die Lösung "=0, $=0, (=0.
Betrachten wir nun im Kontrast, ob und wie der Nullvektor als Linearkombination linear unabhängiger
Vektoren dargestellt werden kann:
Beisp: (Darstellung des Nullvektors als Linearkombination linear unabhängigerVektoren)
Wir betrachten zwei auf den ersten Blick linear unabhängige Vektoren und stellen den Nullvektor als Linearkombination dieser beiden Vektoren dar:
242
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Aus der dritten Gleichung liest man $=0 ab und findet dann sowohl in der ersten als auch in
der zweiten Gleichung jeweils eindeutig "=0. Es ergibt sich im Falle linear unabhängiger
Vektoren also nur eine Lösung zur Darstellung des Nullvektors, und diese Lösung ist gerade
diejenige, die man ohne Rechnung gesehen hätte: " = $ = 0.
Der im Beispiel gesehene Zusammenhang ist kein Zufall; es gilt grundsätzlich:
Satz: (Rechnerische Überprüfung der linearen Abhängigkeit/Unabhängigkeit)
n Vektoren
sind linear unabhängig genau dann, wenn die Gleichung
nur die Lösung "1 = ... = "n = 0 aufweist. Gibt es auch andere Lösungen, dann sind die n
Vektoren linear abhängig.
Man sagt:
n Vektoren sind linear abhängig, wenn der Nullvektor sich über eine nichttriviale Linearkombination der n Vektoren darstellen lässt; sie sind linear unabhängig, wenn es nur die triviale Linearkombination der n Vektoren zur Darstellung des Nullvektors gibt.
Bew:
Der Beweis wird in zwei Teile geteilt:
1.
Zeige:
Wenn
linear unabhängig sind, dann hat die Gleichung
nur die Lösung "1 =...= "n = 0.
Wir wählen zum Beweis von Teil 1. die Technik „Beweis durch Annahme des Gegenteils“, nehmen also an, dass mindestens eine der Zahlen "i (i = 1, ..., n) …0 sein könnte,
obwohl die Vektoren
linear unabhängig sind. Wir nehmen an, dass diese
Zahl a1 sei, also a1…0. Dann lässt sich die Gleichung
nach
auflösen, und man findet:
Also ist Linearkombination der übrigen und die Translationen
sind linear
abhängig, obwohl sie als linear unabhängig vorausgesetzt waren. Also ist die Annahme
243
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
nicht haltbar, dass einer der Zahlen "i (i = 1, ..., n) …0 sein könnte. Also sind sie alle
gleich 0.
2.
Zeige: Wenn die Gleichung
ausschliesslich die Lösung
"1 = ... = "n = 0 hat, dann sind
linear unabhängig.
Auch hier wählen wir die Beweistechnik „Annahme des Gegenteils“ und nehmen an,
dass die Vektoren
linear abhängig sein könnten, obwohl die Gleichung
nur die Lösung "1 = ... = "n = 0 hat.
Wenn die n Vektoren linear abhängig sind, dann lässt sich mindestens einer von ihnen,
zum Beispiel , als Linearkombination der übrigen darstellen, also
Eingesetzt in die Gleichung
ergibt sich:
Daraus ergibt sich aber, dass nicht alle Koeffizienten "i (i = 2, ..., n) notwendig gleich
0 sein müssen, wenn auch nur irgendein $j …0 (j = 2, ..., n) ist.
Anhand des Verlaufs der Rechnungen zum Gauß’schen Algorithmus kann man die lineare Abhängigkeit beziehungsweise lineare Unabhängigkeit von Vektoren gut erkennen:
Beisp: (Nachweis der linearen Unabhängigkeit mit dem Gauß’schen Algorithmus)
Gegeben sind die Vektoren
Wir stellen den Nullvektor als Linearkombination dieser drei Vektoren dar und zeigen, dass sie
linear unabhängig sind:
Das Gleichungssystem hat sich in Dreiecksform entwickeln lassen; deshalb ergibt sich eindeutig die Lösung " = $ = ( = 0.
244
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Für drei linear abhängige Vektoren erwartet man nach den Ergebnissen dieses Beispiels, dass sich bei
Umformung der Ansatzgleichung zur Darstellung des Nullvektors per Linearkombination keine
Dreiecksform ergibt, da sich aus der Dreiecksform nur eindeutig die Lösung "=0, $=0, (=0 ergeben
kann. Das folgende Beispiel bestätigt diese Vermutung:
Beisp: (Nachweis der linearen Abhängigkeit mit dem Gauß’schen Algorithmus)
Gegeben sind die linear abhängigen Vektoren
Wir stellen den Nullvektor als Linearkombination dieser drei Vektoren dar und zeigen, dass
Sie linear abhängig sind:
Der Verlauf dieser Umformung ist typisch für den Versuch, den Nullvektor als Linearkombination linear abhängiger Vektoren darzustellen. Die angestrebte Dreiecksform wird nicht
erreicht, weil eine Gleichung zur leeren Aussage 0 = 0 umgeformt wird. Dadurch erst können
Lösungen für ", $ und ( auftreten, die von der Triviallösung " = $ = ( = 0 abweichen. Hier
etwa findet man in der zweiten Gleichung $ = - 2(, und aus der ersten Gleichung erhält man
damit " = $ + ( = - 2( + ( = -(. Also hat man unendlich viele Möglichkeiten, ( einzusetzen
und daraufhin " und $ festzulegen; es ergibt sich also nicht nur die Triviallösung der angesetzten Gleichung.
12.4
Erste geometrische Betrachtungen mit Vektoren
Der Mittelpunkt zu zwei gegebenen Punkten
Wir beginnen nun, Geometrie mit Vektoren zu betreiben, um einen ersten Einblick in die praktische
Verwendbarkeit der bisherigen Ergebnisse zu erhalten. Die dazu erforderlichen Zeichnungen verzichten jeweils auf die Eintragung des Koordinatensystems und auf genaue Maßstäbe, ohne dass die
Übersichtlichkeit leiden müsste; lediglich der Koordinatenursprung wird markiert, und von dort aus
wird über Ortsvektoren auf Punkte zugegriffen.
Beisp: (Mittelpunkt einer Strecke)
Gegeben sind zwei Punkte A und B. Gesucht sind die Koordinaten
des Punktes M, der die Strecke zwischen A und B halbiert.
Zur Lösung der Aufgabe arbeitet man mit den Ortsvektoren der
245
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
genannten Punkte.
Die Lösung ergibt sich, wenn man den Ortsvektor zu M “auf Umwegen” so beschreibt, dass
die nach Aufgabenstellung vorgegebenen Ortsvektoren zu A und B verwendet werden. Hier
ergibt sich:
Gehe vom Ursprung über den zugehörigen Ortsvektor zum Punkt A und dann die Hälfte der
Translation, die A in B überführt. In Formeln:
Damit ist die Aufgabe noch nicht ganz gelöst, denn wir müssen noch angeben, wie die Translation, welche A nach B überführt, über die zugehörigen Ortsvektoren beschrieben wird. Dazu
wählen wir den Weg: „Gehe von A zu O und von dort nach B.“
Zusammengefasst liest man die Lösung der Aufgabe ab:
Ein Zahlenbeispiel: A(1/2/5) B(-1/4/-1)
Also hat M, der Mittelpunkt der Strecke
die Koordinatenschreibweise M(0/3/2).
Der Schwerpunkt im Dreieck
Drei Punkte A, B, C beschreiben ein Dreieck, wenn sie nicht auf einer Gerade liegen. Mit der Vektorsprache drückt man sich so aus: Drei Punkte A, B, C bilden ein Dreieck, wenn einerseits die Vektorpaare {
} sowie {
} jeweils linear unabhängig sind und andererseits die Vektorsumme
gleich dem Nullvektor ist.
Beisp: (Schwerpunkt im Dreieck)
Gegeben sind drei Punkte A, B, C, welche ein Dreieck beschreiben; gesucht sind die Koordinaten des Schwerpunktes dieses Dreieckes.
Vor der Lösung der Aufgabe wird der hier benötigte Satz der Elementargeometrie in die
Erinnerung zurückgerufen: Im Dreieck schneiden sich die drei Seitenhalbierenden in einem
Punkt, dem Schwerpunkt; der Schwerpunkt teilt jede Seitenhalbierende von der Ecke aus
gesehen im Verhältnis 2:1. Diesen Satz könnten wir mit den bereitgestellten Mitteln der
Analytischen Geometrie bereits beweisen, liefern den Beweis aber bald (S. 248f) nach.
Wir zeichnen das Dreieck mit den Ortsvektoren der drei Eckpunkte A, B, C. Außerdem markieren wir den Mittelpunkt M der Seite AB und den gesuchten Schwerpunkt S.
246
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Unter Berücksichtigung der Mittel, die durch die Aufgabe vom Streckenmittelpunkt gewonnen
wurden, beschreibt man den Ortsvektor zum Punkt S zum Beispiel durch folgenden Weg:
Die Verbindung der Seitenmitten eines Vierecks
Vier Punkte A, B, C, D beschreiben ein Viereck, wenn je drei von ihnen nicht auf einer Gerade liegen.
Mit der Vektorsprache drückt man sich so aus: Vier Punkte A, B, C, D bilden ein Viereck wenn
einerseits die Vektorpaare {
}, {
} sowie {
}jeweils linear unabhängig sind
und andererseits die Vektorsumme
gleich dem Nullvektor ist. In beliebigen
Vierecken gilt der folgende Satz:
Satz: (von VARIGNON)
Die Verbindungsstrecken der Seitenmitten eines Vierecks ABCD beschreiben ein Parallelogramm.
Bew: Wir bezeichnen die Seitenmitten analog der Zeichnung mit E, F, G, und H. Das von ihnen
gebildete Parallelogramm ist gestrichelt gezeichnet.
Liegen die Seitenmittelpunkte E, F, G, H so wie in der in der Zeichnung angedeutet, dann gilt
für ihre Ortsvektoren in Abhängigkeit von den Ortsvektoren der Viereckspunkte A, B, C, D:
Zur Überprüfung der Behauptung des Satzes bildet man die Verbindungsvektoren der Seitenmitten:
247
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Man erkennt:
=-
v
=-
Also sind die gegenüberliegenden Seiten im Viereck EFGH gleich lang und parallel. EFGH
bildet ein Parallelogramm.
Teilverhältnisse
Mit Hilfe des Begriffs der linearen Unabhängigkeit lassen sich Sätze über Teilverhältnisse von
Strecken innerhalb geometrischer Figuren beweisen. Die grundlegende Technik ist immer gleich:
Man bildet in der Figur einen geschlossenen Vektorzug, dessen Anfangspunkt mit dem Endpunkt
übereinstimmt, der also insgesamt gleich dem Nullvektor ist. Dieser Vektorzug soll eine Teilstrecke
enthalten, deren Verhältnis zu anderen Strecken geklärt werden soll. Dann stellt man den Vektorzug
als Linearkombination linear unabhängiger Vektoren dar und nutzt die ich daraus ergebende
Bedingung aus, um die gewünschten Verhältnisse zu bestimmen.
Der Beweis des folgenden Satzes zeigt beispielhaft, wie man das allgemein geschilderte Verfahren
anwendet:
Satz: (Dreiecksschwerpunkt)
Im Dreieck treffen sich die Seitenhalbierenden in einem Punkt, dem Schwerpunkt des
Dreiecks. Der Schwerpunkt teilt die Seitenhalbierenden im Verhältnis 2:1.
Bew: Wir legen eine Planfigur so, dass der Eckpunkt A des Dreiecks gleich dem Ursprung ist.
248
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Der Beweis beruht darauf, dass die Ortsvektoren zu den Ecken B und C linear unabhängig sein
müssen, damit ABC überhaupt ein Dreieck bilden. Wir bezeichnen:
Damit lassen sich auch Ortsvektoren zu den anderen in der Zeichnung angedeuteten Randpunkten
des Dreiecks angeben:
Man betrachtet nun den Vektorzug über die Punkte A, B und S zurück zu A. Es ist:
Über die Zahlen " und $ wird das Teilverhältnis ermittelt, denn:
Da der Nullvektor damit als Linearkombination der linear unabhängigen Ortsvektoren
dargestellt ist, kann nur gelten, dass die Faktoren vor und gleich Null sind:
und
Damit sind die Teilverhältnisse an den Seitenhalbierenden AE und BF in gewünschter Weise gezeigt.
Um den Satz nachzuweisen, muss noch geklärt werden, dass der gemeinsame Punkt S der Seitenhalbierenden AE und BF auch auf der dritten Seitenhalbierenden CD liegt und diese in gewünschter
Weise teilt. Für den Ortsvektor des Punktes S gilt nach den bisherigen Erkenntnissen:
Die Forderung, dass S auf der Seitenhalbierenden CD liegen soll, wird durch folgenden Ansatz
dokumentiert:
Daraus ergibt sich äquivalent:
Wegen der linearen Unabhängigkeit von
und muss gelten:
249
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Beide Bedingungen werden durch < =
12.5
erfüllt. Damit ist der Satz vollständig bewiesen.
Längenmessung, Winkelmessung und das Skalarprodukt
Das Messen ist die wesentliche noch fehlende grundlegende geometrische Komponente, die unserer
Vorbereitung auf Vektor-Geometrie im Raum und in der Ebene noch fehlt.
12.5.1 Längenmessung im Anschauungsraum mit Hilfe des Satzes von Pythagoras
Mit herkömmlichen Methoden bestimmt man den Abstand zweier Punkte in der Ebene so:
Satz: (Abstand zweier Punkte in der Ebene)
Sind P und Q zwei Ebenenpunkte, dann bestimmt man ihren Abstand d durch:
Bew: Die Skizze deutet das rechtwinklige Dreieck an, in welchem mit Hilfe des Satzes von Pythagoras
sofort die Behauptung gefolgert wird:
Im dreidimensionalen Raum kann man mit ähnlichen Mitteln den Abstand zweier Punkte ermitteln.
Satz: (Abstand zweier Punkte im dreidimensionalen Raum)
Sind P und Q zwei Punkte im Anschauungsraum, dann bestimmt man ihren Abstand d durch:
Bew: Der Beweis orientiert an den Verhältnissen der Skizze, die der Übersicht halber ohne Koordinatensystem ausgefertigt ist:
250
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Mit Hilfe der Abstandsformeln kann man die Länge eines Vektors bestimmen; man identifiziert den Betrag
eines Vektors mit seiner Länge.
Satz: (Betrag bzw. Länge von Vektoren)
Für Vektoren im zwei- beziehungsweise im dreidimensionalen Anschauungsraum gilt:
Bew: Man denkt sich den betreffenden Vektor als Ortsvektor eines Punktes P und ermittelt den Abstand
von O zu P als Betrag des Vektors.
12.5.2 Winkelmessung in zweidimensionalen Anschauungsraum
Zur Betrachtung von Winkeln zwischen Translationen verschaffen wir uns zunächst einen Begriff der
Winkelmessung zwischen Translationen im zweidimensionalen Anschauungsraum und beginnen mit dem
Spezialfall, dass zwei Translationen rechtwinklig zueinander stehen.
Gegeben sind also zwei zueinander senkrechte Vektoren:
Um feststellen zu können, wie der rechte Winkel zwischen den beiden Translationen sich rechnerisch in
einer Beziehung ihrer Koordinaten ausdrückt, lassen wir beide am Ursprung angreifen:
Nun betrachten wir beide Vektoren als Teil jeweils einer Ursprungsgeraden gt beziehungsweise gu und
251
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
erhalten für deren Gleichungen:
gt: y = mt x
gu: y = mu x
Dabei gilt für die Steigungen mt und mu der beiden Geraden:
Da die beiden Geraden zueinander senkrecht verlaufen, muss das Produkt ihrer Steigungen -1 ergeben.
Damit ergibt sich:
Das erste Zwischenergebnis zur Bestimmung von Winkeln zwischen Translationen lautet also:
Satz: (Rechtwinklige Vektoren im zweidimensionalen Raum)
Sind durch
zwei Vektoren im zweidimensionalen Raum gegeben, dann gilt
Im Falle, dass der Winkel zwischen den beiden Translationen im zweidimensionalen Anschauungsraum
nicht rechtwinklig ist, taucht der Term t1 u1 + t2 u2 ebenfalls auf, wie die folgenden Überlegungen zeigen:
Satz: (Winkel zwischen zwei Vektoren im zweidimensionalen Raum)
Sind durch
zwei Vektoren im zweidimensionalen Raum gegeben, dann ist der Winkel ( zwischen ihnen
bestimmt durch:
Bew: Wir beweisen den gewünschten Zusammenhang für den in der folgenden Zeichnung angedeuteten
speziellen Fall, dass beide Vektoren vom Nullpunkt aus in den ersten Quadranten zeigen. Andere
Fälle werden mit vergleichbaren Methoden untersucht.
Gesucht ist der Winkel ( = $ - ".
252
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Mithilfe der Trigonometrie am rechtwinkligen Dreieck erkennt man zunächst:
Untersucht man darauf aufbauend die Bedeutung des Terms t1 u1 + t2 u2 findet man:
In der Formelsammlung findet man unter „Additionstheorem für cos“
cos ($-") = cos ($) cos (") + sin ($) sin (")
Also haben wir:
Damit ergibt sich wie gewünscht:
Im Zahlenbeispiel ergibt sich:
Beisp: (Winkel zwischen zwei Vektoren in der Ebene)
12.5.3 Das Skalarprodukt
Der im letzten Abschnitt aufgetretene Term a1 a2 + b1 b2 ist für das Messen - nicht nur von Winkeln - in der
Anschauungsebene von grundlegender Bedeutung; wir definieren deshalb:
Def:
(Skalarprodukt zweier Vektoren im zweidimensionalen Raum)
Gegeben sind zwei Vektoren im zweidimensionalen Raum
Die Zahl
heißt das Skalarprodukt der beiden Vektoren.
Ganz ähnlich ist auch ein Skalarprodukt im dreidimensionalen Anschauungsraum definiert:
253
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Def:
(Skalarprodukt zweier Vektoren im dreidimensionalen Anschauungsraum)
Gegeben sind zwei Vektoren im dreidimensionalen Anschauungsraum
Die Zahl
heißt das Skalarprodukt der beiden Vektoren.
Analog definiert man auch für den n-dimensionalen Vektorraum.
Def:
(Skalarprodukt zweier Vektoren)
Gegeben sind zwei Vektoren eines n-dim. Vektorraums
Die Zahl
heißt das Skalarprodukt der beiden Vektoren.
Für das Skalarprodukt gelten einige Regeln, die ein ziemlich “normales” Rechnen mit dieser besonderen Art
der Multiplikation, die zwei Vektoren zu einer Zahl multipliziert, ermöglichen. Der Beweis gelingt jeweils
durch Einsetzen und wird hier nicht ausgeführt.
Satz: (Rechenregeln des Skalarprodukts)
Bem: Es gibt auch andere rechnerische Verknüpfungen zweier Vektoren, welche die Rechenregeln des
Skalarprodukts erfüllen. Auch diese nennt man Skalarprodukte. Das hier besprochene Skalarprodukt
heißt Standard-Skalarprodukt.
Skalarprodukten ist eine Besonderheit gemeinsam:
Satz: (Nicht-Assoziativität des Skalarproduktes)
Das Assoziativgesetz gilt für das Skalarprodukt von Vektoren im Allgemeinen nicht; es gibt also
Vektoren
, für die
254
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Bew. Es genügt, drei Vektoren anzugeben, die nicht assoziativ bezüglich des Skalarproduktes sind; eines
von unendlich vielen Beispielen ist:
Vektorräume, auf denen ein Skalarprodukt erklärt ist, haben einen besonderen Namen:
Def:
(Euklidischer Vektorraum)
Ein n-dimensionaler Vektorraum, auf dem ein Skalarprodukt definiert ist, heißt Euklidischer
Vektorraum.
Mit Hilfe eines Skalarproduktes kann man Messungen in Vektorräumen erklären. Ein Euklidischer Vektorraum ist also ein Vektorraum, in dem man messen kann. Es gilt:
Def:
(Längen- und Winkelmessung im Vektorraum)
Im n-dimensionalen Vektorraum gilt:
1.
Man errechnet die Länge eines Vektors
durch
.
2.
Zwei Vektoren
3.
Der Winkel ( zwischen zwei Vektoren
4.
Der Abstand zweier Punkte P und Q wird berechnet durch die Länge ihres Verbindungsvektors
stehen genau dann senkrecht (orthogonal), wenn gilt
ist ermittelbar durch
Bem:
Für die Gleichung
ergeben sich zwei Lösungen für 0#(#360, eine
zwischen 0 und 180, sie bedeutet also den kleineren der beiden Winkel zwischen den Vektoren
und , die andere zwischen 180 und 360, welche den größeren der beiden möglichen Winkel
zwischen den Vektoren bezeichnet. Der “offiziell definierte” Winkel zwischen den beiden Vektoren
ist der kleinere dieser beiden möglichen; der größere ist bei der Lösung geometrischer Probleme oft
auch zu berücksichtigen.
Häufig benötigt man den Einheitsvektor zu einem gegebenen Vektor, den winkelhalbierenden Vektor zu
zwei vorgegebenen Vektoren sowie den Projektionsvektor eines Vektors auf einen zweiten.
Def:
(Einheitsvektor)
Ist
ein Vektor im n-dimensionalen Vektorraum, dann heißt der Vektor
Einheitsvektor zu .
255
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Der Einheitsvektor
zu einem Vektor
verdient seinen Namen durch folgende Eigenschaft:
Satz: (Einheitsvektor)
Der Einheitsvektor
Länge 1.
zu einem Vektor
weist die gleiche Richtung wie auf und hat die
Bew: Dass
und in die gleiche Richtung weisen, ergibt sich unmittelbar, denn die beiden Vektoren
sind Vielfache voneinander. Zur Längenermittlung von rechnet man:
Satz: (Der winkelhalbierende Vektor zu zwei gegebenen Vektoren)
Sind und
und .
zwei Vektoren, dann halbiert der Vektor
mit
den Winkel zwischen
Bew: Die Zeichnung deutet den Beweis an:
Das fett gezeichnete Viereck ACBD ist gebildet aus den Einheitsvektoren
und , ist also eine Raute.
Also ist das Dreieck ABC ebenso wie das Dreieck ABD gleichschenklig mit Schenkellänge 1; außerdem
haben beide Dreiecke die gemeinsame Seite AB, sind somit nach dem ersten Kongruenzsatz deckungsgleich.
Damit sind die Winkel CAB und DAB gleich groß. Also halbieren diese den Winkel DAC zwischen den
beiden Vektoren und .
Bei senkrechter Projektion eines Vektors auf einen Vektor , ergibt sich ein weiterer Vektor
Vielfaches von ist; also:
. Rechnerisch ist zu klären, wie groß 8 ist.
, der ein
Satz: (Projektion eines Vektors auf einen anderen)
Die Projektion eines Vektors
auf einen Vektor
256
ergibt einen Vektor
.
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Bew: Der Vektor
steht senkrecht zu
beziehungsweise
, also gilt für den Fall, dass 8…0 und
:
Also ist:
12.5.4 Geometrie der Drei- und Vierecke unter Einbeziehung des Skalarprodukts
12.5.4.1
Grundlagenwissen zu Dreiecken
Zunächst einige grundlegende Aussagen zu Dreiecken, die aus früheren Klassen bekannt sind:
Satz: (Dreiecksungleichung, Hauptaufgaben der Dreieckskonstruktion)
S
Dreiecksungleichung: In einem Dreieck ist die Summe der Längen von je zwei Seiten stets
größer als die Länge der dritten Seite.
S
Ein Dreieck ist in seiner Form bestimmt durch die Angabe von drei geeigneten Stücken.
Ein Dreieck ist also eindeutig bestimmt,
-
wenn drei Seitenlängen so gegeben sind, dass die Dreiecksungleichung erfüllt ist
(Hauptaufgabe sss);
-
wenn zwei Seitenlängen und der von den beiden Seiten eingeschlossene Winkel D
gegeben sind und 0<D<180 (Hauptaufgabe sws);
-
wenn eine Seitenlänge und die beiden an der Seite anliegenden Winkel D und F
gegeben sind und 0<D+F<180 (Hauptaufgabe wsw);
-
wenn zwei Seitenlängen und der Gegenwinkel D der längeren der beiden Seiten
gegeben sind und 0<D< 180 (Hauptaufgabe ssw).
Wenn in der Hauptaufgabe ssw zwei Seitenlängen und der Gegenwinkel D mit 0<D<180
der kürzeren der beiden Seiten gegeben sind, kann es zwei verschiedene zugehörige
Dreiecksformen geben oder - im Falle der Rechtwinkligkeit - genau eine oder auch
überhaupt keine.
Entsprechend der Hauptaufgaben der Dreieckskonstruktion kann man feststellen, wann zwei Dreiecke
kongruent sind:
257
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Satz: (Kongruenzsätze am Dreieck)
Zwei Dreiecke sind kongruent (deckungsgleich),
-
wenn sie in drei Seitenlängen übereinstimmen (1. Kongruenzsatz);
-
wenn sie in zwei Seitenlängen und dem von den beiden Seiten eingeschlossene Winkel D
übereinstimmen (2. Kongruenzsatz);
-
wenn sie in einer Seitenlänge und den beiden an die Seite anschließenden Winkel D und
F übereinstimmen (3. Kongruenzsatz);
-
wenn sie in zwei Seitenlängen und dem Gegenwinkel D der längeren der beiden Seiten
übereinstimmen (4. Kongruenzsatz).
Spezielle Dreiecksformen sind mit der folgenden Definition näher bezeichnet:
Def:
(Gleichschenklige, gleichseitige und rechtwinklige Dreiecke)
Ein Dreieck heißt
gleichschenklig, wenn es zwei gleichlange Seiten aufweist;
gleichseitig, wenn alle drei Seiten gleich lang sind;
rechtwinklig, wenn es einen rechten Innenwinkel aufweist.
Schließlich noch der bekannte Satz über die Winkelsumme im Dreieck:
Satz: (Winkelsumme im Dreieck)
Im Dreieck beträgt die Summe der Innenwinkel 180/.
12.5.4.2
Grundlagenwissen zu Vierecken
Satz: (Bestimmungsstücke eines Vierecks)
Ein Viereck ist in seiner Form bestimmt durch die Angabe von fünf geeigneten Stücken.
Bew: Man zerlegt das Viereck ABCD in zwei Dreiecke, die
jeweils durch drei Stücke bestimmt sind. Da die beiden Dreiecke aber eine Seite (in der Zeichnung: BD)
gemeinsam haben, ergeben sich zur Bestimmung des
Vierecks nicht etwa sechs, sondern nur fünf nötige
Stücke.
Da ein Viereck in zwei Dreiecke geteilt werden kann, gilt für die Winkelsumme im Viereck:
258
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Satz: (Winkelsumme im Viereck)
Im Viereck beträgt die Summe der Innenwinkel 360/.
Der folgende Text dieses Abschnitts beschäftigt sich mit speziellen Vierecksformen:
a)
Def:
Das Trapez
(Trapez)
Ein Trapez ist ein Viereck, bei dem zwei Seiten, die Grundseiten, zueinander parallel sind.
Gängige Trapezformen sind in den Zeichnungen dargestellt; die Mittelparallele ist jeweils
eingezeichnet.
allgemeines Trapez
gleichschenkliges (symmetrisches)Trapez
Satz: (Eigenschaften des Trapezes)
b)
Def:
Die Länge der Mittelparallele m ist halb so groß wie die Summe der Längen der beiden
parallelen Seiten.
Ein Trapez ist genau dann gleichschenklig, wenn die beiden Winkel an einer Grundseite
gleich sind.
Ein Trapez ist genau dann gleichschenklig, wenn seine Diagonalen gleich lang sind.
Der Drachen
(Drachen)
Ein Drachen ist ein zu einer seiner Diagonalen symmetrisches Viereck.
Die Abbildung zeigt einen Drachen mit Kennzeichnung der Symmetrieachse.
Satz: (Eigenschaften eines Drachen)
-
Im Drachen gibt es zwei Paare benachbarter gleichlanger Seiten.
Im Drachen gibt es ein Paar gleich großer Gegenwinkel; die beiden anderen Winkel werden durch eine Diagonale halbiert.
Im Drachen stehen die Diagonalen senkrecht aufeinander.
259
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
c)
Def:
Das Parallelogramm
(Parallelogramm)
Ein Viereck mit parallelen Gegenseiten heißt ein Parallelogramm.
Satz: (Eigenschaften eines Parallelogramms)
d)
Def:
Ein Viereck ist genau dann ein Parallelogramm, wenn die Gegenseiten gleichlang sind.
Ein Viereck ist genau dann ein Parallelogramm, wenn die Gegenwinkel gleich groß
sind.
Ein Viereck ist genau dann ein Parallelogramm, wenn sich beide Diagonalen halbieren.
Im Parallelogramm ergänzen sich Nachbarwinkel zu 180/.
Die Fläche eines Parallelogramms errechnet man durch A = g @ h.
Die Raute
(Raute)
Ein Viereck mit vier gleich langen Seiten ist eine Raute.
Satz: (Eigenschaften der Raute)
e)
Def:
Eine Raute ist ein Parallelogramm.
Wenn in einem Parallelogramm zwei benachbarte Seiten gleich lang sind, ist es eine
Raute.
Beide Diagonalen sind Symmetrieachsen der Raute; die Symmetrieachsen stehen senkrecht zueinander.
Ein Parallelogramm , welches eine Diagonale als Symmetrieachse hat, ist eine Raute.
Ein Parallelogramm mit orthogonalen Diagonalen ist eine Raute.
Das Rechteck
(Rechteck)
Ein Viereck mit vier gleichen Winkeln ist ein Rechteck.
260
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Satz: (Eigenschaften des Rechtecks)
f)
Das Rechteck hat zwei zu den Seiten parallele Symmetrieachsen.
Ein Rechteck ist ein Parallelogramm.
Ein Parallelogramm mit einem rechten Winkel ist ein Rechteck.
Die Diagonalen im Rechteck sind gleichlang.
Ein Parallelogramm mit gleichlangen Diagonalen ist ein Rechteck.
Ein Viereck mit sich halbierenden und gleichlangen Diagonalen ist ein Rechteck
Das Quadrat
Def:
(Quadrat)
Ein Viereck mit gleichen Seiten und gleichen Winkeln ist ein Quadrat.
Satz: (Eigenschaften des Quadrates)
12.5.4.3
Ein Quadrat ist ein Parallelogramm, eine Raute, ein Rechteck, ein Trapez.
Symmetrieachsen des Quadrates sind die Diagonalen und die Parallelen zu den Seiten
durch den Diagonalenschnittpunkt.
Die Diagonalen stehen zueinander senkrecht, sind gleich lang und halbieren sich.
Geometrie am rechtwinkligen Dreieck
Mit Hilfe des Skalarproduktes gelingt es, altbekannte Sätze der Elementargeometrie mit den Mitteln der
analytischen Geometrie schnell und relativ einfach zu beweisen. Hierbei sind besonders die Sätze am
rechtwinkligen Dreieck erwähnenswert, zum Beispiel der Satz des Thales und die Sätze der pythogoreischen
Satzgruppe, also der Satz des Pythagoras, der Höhensatz und der Kathetensatz.
Satz: (Thales)
Drei Punkte auf einem Kreis bilden genau dann ein rechtwinkliges Dreieck, wenn eine Seite
Durchmesser des Kreises ist.
Bekannter ist folgende Formulierung des Satzes von Thales: Umfangswinkel über dem Durchmesser eines
Kreises sind rechte Winkel. Diese Fassung verschweigt jedoch, dass auch ihre Umkehrung gilt: Der
Kathetenschnittpunkt sämtlicher rechtwinkliger Dreiecke über derselben Hypotenuse liegen auf einem Kreis.
261
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Bew: Der Koordinatenursprung wird auf M, dem Mittelpunkt der Strecke AB, festgelegt; deshalb können
wir auch den Ortsvektor zum Punkt A als Gegenvektor des Ortsvektors zum Punkt B festhalten.
In Vektorschreibweise notiert ist zu zeigen:
Der Beweis ergibt sich aus Rechnungen mit dem Skalarprodukt:
Das Ziehen der Wurzel in der letzten Umformung ist so möglich, weil die Länge eines Vektors keine
negative Zahl sein kann, sondern grundsätzlich größer oder gleich 0 ist.
Satz: (Pythagoras)
Genau dann, wenn ein Dreieck ABC mit den üblichen Seiten- und Winkelbezeichnungen einen
rechten Winkel ( aufweist, gilt für seine Seitenlängen c2 = a2 + b2.
Bew: Der Beweis orientiert sich an den beiden folgenden äquivalenten Planskizzen; die linke gibt die
klassische Situation wieder, die rechte überträgt den Zusammenhang auf die Vektorgeometrie:
Die folgenden Formeln zeigen den Zusammenhang zwischen beiden Betrachtungsweisen im Detail
auf; dabei geht man davon aus, dass für die Zwecke der Vektorrechnung der Koordinatenursprung in
der rechten Skizze im Punkt C liegt.
Zu zeigen ist in der Sprache der Vektorrechnung formuliert folgende Äquivalenz:
Der Beweis reduziert sich dadurch auf einige Umformungen, welche die Rechenregeln für das
Skalarprodukt ausnützen:
262
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Satz: (Höhensatz)
Wird in einem rechtwinkligen Dreieck die Hypotenuse durch die auf ihr stehende Höhe h in zwei
Teile q und p unterteilt, dann gilt:
h2 = p @ q
Bew: Die Planskizze zeigt folgende Lage:
Zum Beweis des Höhensatzes mit den Mitteln der Vektorrechnung bezeichnen wir:
Damit ergibt sich weiter:
Zu zeigen ist in Vektorschreibweise:
Wir setzen mit der Rechtwinkligkeit des gegebenen Dreiecks an:
Da
Da
, also
und
, ergibt sich daraus äquivalent:
in die gleiche Richtung zeigen, gilt
, und wir fassen zusammen:
Satz: (Kathetensatz)
Im rechtwinkligen Dreieck ist das Quadrat einer Kathetenlänge gleich dem Produkt der Hypotenusenlänge mit der Länge des anliegenden Hypotenusenabschnitts:
a2 = c @ p
b2 = c @ q
Bew: Nach dem Satz des Pythagoras und dem Höhensatz gilt:
a2 = h2 + p2 = p@q + p2 = p @ (q + p) = p @ c
b2 = h2 + q2 = p@q + q2 = q @ (p + q ) = q @ c
263
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
15.4.4 Geometrie am allgemeinen Dreieck
Über das Skalarprodukt ergibt sich eine (allerdings eher selten genutzte) Möglichkeit, die Fläche eines
Dreiecks zu berechnen:
Satz: (Fläche eines Dreiecks)
Die Fläche Aª eines Dreiecks, welches durch zwei linear unabhängige Vektoren
spannt wird, errechnet sich durch:
Bew: Der Beweis orientiert sich an der nachstehenden Zeichnung: Wir bezeichnen
stellen fest, dass der Vektor
Projektionsvektor von auf ist.
und
aufge-
und
Damit ergibt sich:
Satz: (Sinussatz)
Im Dreieck ist das Verhältnis der Seiten a, b, c zu den Sinus-Werten der jeweils gegenüberliegenden Winkel ", $, ( konstant:
Bew: Der Beweis zu diesem Satz kann bei spitzwinkligen Dreiecken direkt aus der Definition des Sinus im
rechtwinkligen Dreieck (sin (x) = Ankathete / Hypotenuse) genommen werden, wenn man sich an
folgender Zeichnung orientiert:
264
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Nach der Definition des Sinus entnimmt man
-
dem Dreieck ADC:
hc = b sin (")
-
dem Dreieck BCD:
hc = a sin ($)
Also ist: b sin (") = a sin ($), woraus durch Division durch die Sinus-Werte ein Teil der Behauptung
folgt. Setzt man die Betrachtung über eine andere Höhe des Dreiecks an und verfährt analog, ergibt
sich der Rest.
Liegt ein stumpfwinkliges Dreieck vor, findet man folgende Sachlage:
Nach der Definition des Sinus entnimmt man
-
dem Dreieck ADC:
hc = b sin ("‘) = b sin (180 - ") = b sin (")
-
dem Dreieck BCD:
hc = a sin ($)
Also ist auch hier b sin (") = a sin ($), woraus in gleicher Weise die Behauptung folgt.
Satz: (Cosinussatz)
Im Dreieck mit Seiten a, b, c gilt:
c2 = a2 + b2 - 2 a b cos (()
b2 = a2 + c2 - 2 a c cos ($)
a2 = c2 + b2 - 2 c b cos (")
Bew: Wir beweisen die erste der drei Aussagen und bezeichnen, wie es die folgende Zeichnung ausweist:
Der Beweis resultiert unmittelbar aus der Definition des Winkels zwischen zwei Vektoren, die wir
wie folgt anpassen werden:
265
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Insgesamt argumentiert man damit:
Abschließend werden besondere Punkte im Dreieck genannt, ohne auf den Beweis der Zusammenhänge
näher einzugehen.
Satz: (Besondere Punkte im Dreieck)
12.6
-
Im Dreieck schneiden sich die Winkelhalbierenden in einem Punkt. Dieser Punkt ist
Mittelpunkt des Inkreises.
-
Im Dreieck schneiden sich die Seitenhalbierenden in einem Punkt, dem Schwerpunkt.
-
Im Dreieck schneiden sich die Mittelsenkrechten in einem Punkt, dem Umkreismittelpunkt.
-
Im Dreieck schneiden sich die Höhen in einem Punkt.
-
In jedem Dreieck liegt der Schnittpunkt H der Höhen, der Schnittpunkt S der Seitenhalbierenden und der Schnittpunkt U der Mittelsenkrechten auf einer Geraden. Diese
Gerade heißt Eulersche Gerade nach dem Mathematiker Leonhard Euler (1707 - 1783).
Der Schnittpunkt Mi der Winkelhalbierenden liegt nicht auf der Eulerschen Geraden.
-
In jedem Dreieck ABC liegen die drei Seitenmitten (A', B', C'), die drei Höhenfußpunkte
(Ha, Hb, Hc) und die drei Mitten (AH, BH, CH) zwischen dem Höhenschnittpunkt H und den
Ecken (A, B, C) auf einem Kreis. Der Kreis heißt Feuerbachkreis oder auch Neunpunktekreis. Der Mittelpunkt F des Feuerbachkreises liegt auf der Eulerschen Geraden.
Das Vektorprodukt
12.6.1 Die Definition des Vektorproduktes
Das folgende Beispiel leitet zum Begriff des Vektorproduktes hin:
266
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Beisp: (Ein Vektor, der zu zwei vorgegebenen senkrecht steht)
Gegeben sind folgende Vektoren:
Der noch unbekannte Vektor
folgende Rechnung:
soll zu den beiden anderen senkrecht stehen; daraus ergibt sich
Zur Bestimmung der noch unbekannten Komponenten n1, n2 und n3 erhält man so ein Gleichungssystem mit zwei Gleichungen; das Gleichungssystem ist damit unterbestimmt, man muss also mit
mehr als einer Lösung rechnen. Aus dem geometrischen Blickwinkel betrachtet verwundert diese
Entwicklung nicht, denn, wenn man Vektoren sucht, die zu zwei vorgegebenen senkrecht stehen,
dann können diese auf unendlich viele Arten verschieden lang sein und in gleicher Weise die
Bedingung erfüllen.
Damit kann man n2 und n1 in Abhängigkeit von n3 darstellen:
Wir setzen * = n3 und erhalten für den gesuchten Vektor:
Alle Vektoren, welche die Vorgabe erfüllen, sind also erwartungsgemäß Vielfache eines bestimmten
Vektors.
Im allgemeinen Fall löst man das gestellte Problem so:
Beisp: (Ein Vektor, der zu zwei vorgegebenen senkrecht steht; allgemeine Lösung)
Bei im Vergleich zum letzten Beispiel analoger Aufgabenstellung bezeichnen wir:
Die Rechnung ergibt:
267
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Wie oben stößt man auf ein Gleichungssystem, welches unendlich viele Lösungen aufweist:
.
Die gezeigte Umformung ist nur möglich, wenn sowohl a1 als auch b1 von 0 verschieden sind. Falls
eine der beiden Zahlen gleich 0 ist, ist sie überflüssig, und man versucht, die zugehörige Gleichung
unmittelbar nach einer der gesuchten Zahlen n1, n2 oder n3 umzustellen. Abgesehen von diesem
Sonderfall verfolgen wir die Lösung des Gleichungssystems weiter; man erhält n2 und n1 in Abhängigkeit von n3 durch:
Die Umformung ist so, wie sie notiert ist, nur richtig, wenn a1b2 - a2b1 … 0. Sieht man auch von dieser
Ausnahme ab, ergibt sich für den gesuchten Vektor:
Auch andere Vielfache des gefundenen Vektors lösen die Aufgabe; speziell kann man etwa den
Vorfaktor auf 1 setzen, ihn also weglassen.
Eine Probe bestätigt, dass der gefundene Vektor auch im Fall der Ausnahmen die Aufgabe löst.
Hinter der praktischen Aufgabe, zu zwei vorgegebenen Vektoren, einen dritten zu finden, der zu den beiden
senkrecht steht, verbirgt sich ein allgemeiner Begriff:
268
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Def:
(Vektorprodukt)
Sind drei Vektoren durch
gegeben, dann nennt man
das Vektorprodukt der Vektoren und .
Für das Vektorprodukt gelten Rechenregeln, die man aus dem Bereich der Multiplikation kennt.
Satz: (Rechenregeln zum Vektorprodukt)
Für alle Vektoren
0 ú3 und alle Zahlen " 0 ú gilt:
-
(Alternativgesetz)
(Distributivgesetz)
Der Beweis der genannten Formeln gelingt jeweils durch Einsetzen.
Wenn man sich über Rechengesetze unterhält, die für das Vektorprodukt gelten, sollte der Blick auch darauf
gelenkt werden, welche im Zusammenhang mit dem Vektorprodukt nicht angewandt werden dürfen.
Satz: (Rechengesetze, die in Zusammenhang mit dem Vektorprodukt nicht gelten)
1.
Das Vektorprodukt erfüllt nicht das Assoziativgesetz.
2.
Für das Vektorprodukt gibt es kein neutrales Element und damit auch kein Inverses zu
einem Vektor.
Bew: 1.
Wenn man annimmt, dass das Vektorprodukt assoziativ sei, gilt für alle Vektoren
:
.
Diese Annahme kann aber zum Beispiel durch folgende Setzung widerlegt werden:
2.
Wir nehmen an, es gäbe einen Vektor
269
so, dass für alle Vektoren
gelten würde:
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
. Nach der Herleitung des Vektorproduktes ist
ein zu senkrecht
stehender Vektor; also ist
. Also ist
und damit ist zwingend gleich
dem Nullvektor, im Gegensatz zur Annahme, dass jeder beliebige Vektor sein könnte.
Es bleibt noch festzuhalten: Wir erhalten über das Vektorprodukt eine weitere multiplikative Abbildung auf
ú3, die sich von den bisherigen grundsätzlich unterscheidet; zum Vergleich:
Die S-Multiplikation verknüpft eine reelle Zahl und einen Vektor zu einem Vektor.
Das Skalarprodukt verknüpft zwei Vektoren zu einer reellen Zahl.
Das Vektorprodukt verknüpft zwei Vektoren zu einem Vektor.
12.6.2 Geometrie mit dem Vektorprodukt
Eine wesentliche geometrische Eigenschaft des Vektorprodukts ist:
Satz: (Orientierung des Vektorprodukts)
Die Vektoren
bilden in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem. Man erkennt ein
Rechtssystem an der Dreifingerregel der rechten Hand:
Halte die rechte Hand vor Dich und spreize den Mittelfinger so ab, dass er zu Daumen und
Zeigefinger senkrecht steht; dann bedeutet der Daumen den Vektor , der Zeigefinger den
Vektor und der Mittelfinger den Vektor
.
Außerdem gilt:
Satz: (Betrag des Vektorproduktes)
Sind , zwei Vektoren die den Winkel ( einschließen, dann gilt:
Bew: Durch Einsetzen und Ausrechnen weist man zunächst nach, dass
Nun setzt man die Formel für den Winkel ( zwischen zwei Vektoren ein:
Es ergibt sich:
270
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Wenn sin (() $ 0, also wenn zum Beispiel 0#(#90, ergibt sich daraus wie gewünscht:
Satz: (Fläche eines Parallelogramms und eines Dreiecks)
Die Fläche A eines Parallelogramms, welches durch die linear unabhängigen Vektoren
aufgespannt wird, errechnet sich durch:
Das von
und
und
aufgespannte Dreieck bedeckt die halbe Parallelogrammfläche.
Bew: Die Zeichnung gibt die Situation wieder:
Der Formel für die Flächenberechnung eines Parallelogramms entsprechend und unter Verwendung
der sin-Definition im rechtwinkligen Dreieck findet man so:
Der folgende Satz leitet über zu Volumenberechnungen. Dabei werden folgende Körper betrachtet:
-
ein Spat, der durch sechs Parallelogramme begrenzt ist, wobei gegenüberliegende kongruent sind;
-
eine Pyramide, welche eine viereckige Grundfläche und vier dreieckige Seitenflächen aufweist, die
in einem Punkt zusammentreffen;
-
ein Tetraeder, welcher aus vier kongruenten Dreiecken zusammengesetzt ist.
Satz: (Volumen eines Spates, einer Pyramide, eines Tetraeders)
Das Volumen eines durch die linear unabhängigen Vektoren
errechnet sich durch
Für eine von diesen drei Vektoren
Tetraeder findet man:
aufgespannten Spates
aufgespannte Pyramide oder einen entsprechenden
271
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Bew: Für die Volumenberechnung eines Spates gilt: VSpat = Grundfläche @ Höhe
Die Grundfläche ist das Parallelogramm mit der Fläche
. Also ist V Spat =
Def:
; die Höhe h ergibt sich aus
(Spatprodukt)
Die Zahl
heißt Spatprodukt der drei Vektoren
0 ú 3.
Eine - in Hinblick auf die Vektorrechnung im Allgemeinen - eher nebensächliche, weil nur im Vektorraum
ú3 zu gebrauchende Anwendung des Spatproduktes ist:
Satz: (Nachweis der linearen Abhängigkeit/Unabhängigkeit über das Spatprodukt)
linear abhängig.
linear unabhängig.
Bew: Die Beweisidee bezieht sich auf die geometrische Bedeutung des Spatproduktes. Man fragt sich,
unter welchen Umständen ein (irregulärer) Spat das Volumen 0 aufweisen kann.
Satz: (Vektorprodukt und lineare Abhängigkeit/Unabhängigkeit )
0 ú3 sind genau dann linear abhängig, wenn ihr Vektorprodukt ergibt.
Zwei Vektoren
Bew: Wir schreiben
Wir zerlegen den Beweis in zwei Hälften, indem wir die beiden folgenden Teilsätze beweisen.
1.
2.
Wenn
Wenn
und
linear abhängig sind, ergibt ihr Vektorprodukt .
, dann sind und linear abhängig.
Zu 1. Mit der linearen Abhängigkeit von
wieder ergibt sich:
und
272
gilt
, denn beide sind kollinear. Damit
Kapitel 12 Analytische Geometrie - Grundlagen
Zu 2. Wenn
, dann gilt :
Aus der ersten Gleichung liest man, wenn a2 … 0, ab:
Mit der zweiten findet man dann, wenn a3 … 0 :
Dieses mittelbare Ergebnis aus der zweiten Gleichung liefert die dritte ebenso direkt.
Insgesamt findet man:
Also ist
ein Vielfaches von , die beiden Vektoren sind linear abhängig.
Noch nachzutragen sind die vermiedenen Fälle
a2 = 0:
Das Gleichungssystem lautet dann:
Falls außerdem a3 … 0, muss wegen der ersten Gleichung b2 = 0 gelten.
Aus der zweiten ergibt sich dann noch
und
, weil ja a2 = 0
Falls außerdem auch a3 = 0, lautet das Gleichungssystem:
Falls jetzt noch a1=0, dann gilt
enthält, linear abhängig.
Wenn a1 …0, gilt b2 = b3 = 0 und
273
; damit ist jede Menge, die
ist ein Vielfaches von .
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