Herzog Blaubarts Burg

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»›Herzog Blaubarts Burg‹ ist ein
Drama der abstrakten Ideen,
kein Kampf zwischen Menschen.
Es ist eine spektakuläre
Kantate oder eine Symphonie
mit Gesang«
Der Regisseur Ernst Lert, der „Herzog Blaubarts Burg“
erstmals außerhalb Ungarns inszenierte
L8: Fr, 16.05.2014, 19.30 Uhr | Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Alan Gilbert Dirigent | Michelle DeYoung Mezzosopran | John Relyea Bassbariton
Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67
Béla Bartók Herzog Blaubarts Burg
DAS ORCHESTER DER ELBPHILHARMONIE
NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Das Konzert am 18.05.2014 um 11 Uhr
in der Hamburger Laeiszhalle wird live
auf NDR Kultur gesendet.
Freitag, 16. Mai 2014, 19.30 Uhr
Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Dirigent:
Solisten:
Alan Gilbert
Michelle DeYoung Mezzosopran (Judith)
John Relyea Bassbariton (Herzog Blaubart)
Ludwig van Beethoven
(1770 – 1827)
Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67
(1803 – 1808)
I.
II.
III.
IV.
Allegro con brio
Andante con moto
Allegro
Allegro
Pause
Béla Bartók
(1881 – 1945)
Herzog Blaubarts Burg
Oper in einem Akt
nach einem Libretto von Béla Balázs
(1911)
Konzertante Aufführung
in ungarischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Alan Gilbert
Dirigent
Alan Gilbert, Erster Gastdirigent des NDR Sinfonieorchesters, ist seit 2009 Music Director des
New York Philharmonic Orchestra – als erster
gebürtiger New Yorker auf diesem Posten. Er
habe das Orchester wieder zum Stadtgespräch
gemacht und seine Ära sei jetzt schon Legende,
begeisterte sich die „New York Times“. Zu
Gilberts Initiativen gehören u. a. ein jährliches
Festival (in dieser Spielzeit mit dem Titel „The
Beethoven Piano Concertos“) sowie die 2013/14
nochmals vergrößerte Konzertreihe „CONTACT!“,
bei der sich das New York Philharmonic der
zeitgenössischen Musik widmet. Zusätzlich
besetzte er die Positionen eines Composerund Artist-in-Residence, die gegenwärtig von
Christopher Rouse bzw. dem Pianisten Yefim
Bronfman eingenommen werden. Im April 2014
geht darüber hinaus die „NY PHIL BIENNIAL“
an den Start, die der Erkundung der Musik
unserer Tage gewidmet ist. In der aktuellen
Spielzeit dirigiert Gilbert u. a. Mozarts drei letzte
Sinfonien, das Filmmusikkonzert „2001: A Space
Odyssey“, die US-Premiere von Mark-Anthony
Turnages „Frieze“, vier Welturaufführungen, ein
Britten-Programm anlässlich des 100. Geburtstages des Komponisten sowie eine szenische
Produktion von Stephen Sondheims „Sweeney
Todd“ mit Bryn Terfel. Im Winter 2014 unternimmt er mit seinem Orchester eine AsienTournee mit Stationen u. a. in Seoul und Tokio,
wo er auch Brittens „Young Person’s Guide“
auf Japanisch moderieren wird.
Alan Gilbert ist Ehrendirigent des Royal Stockholm Philharmonic Orchestra (dessen Chefdirigent er achteinhalb Jahre war) und gastiert
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regelmäßig bei so bedeutenden Orchestern wie
dem Boston Symphony Orchestra oder dem
Concertgebouworkest Amsterdam. 2013/14 ist
er u. a. bei den Berliner Philharmonikern und
den Münchner Philharmonikern eingeladen.
Er debütierte 2008 mit John Adams’ „Doctor
Atomic“ in der Metropolitan Opera New York –
eine Produktion, die 2012 mit einem Grammy
ausgezeichnet wurde. Im September 2011
wurde Gilbert „Director of Conducting and
Orchestral Studies“ an der Juilliard School,
deren William Schuman-Lehrstuhl er außerdem seit 2009 besetzt. Vom Curtis Institute
wurde er 2010 zum Ehrendoktor ernannt;
2011 erhielt er den „Ditson Conductor’s Award“
der Columbia University für seinen außergewöhnlichen Einsatz für die Aufführung von
Werken amerikanischer Komponisten sowie
zeitgenössischer Musik.
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Michelle DeYoung
John Relyea
Mezzosopran
Bassbariton
Als eine der spannendsten Künstlerpersönlichkeiten ihrer Generation gastiert Michelle
DeYoung regelmäßig mit den weltweit führenden Orchestern. So konzertierte sie u. a. mit
dem New York Philharmonic, Boston, Chicago
und San Francisco Symphony Orchestra, dem
Los Angeles Philharmonic, Cleveland, BBC
Symphony und Philharmonia Orchestra, den
Wiener Philharmonikern, dem Orchestre de
Paris, der Berliner Staatskapelle oder dem
Concertgebouworkest Amsterdam. Gern
gesehener Gast ist sie auch bei den großen
Festivals in Ravinia, Tanglewood, Aspen,
Cincinnati, Saito Kinen, Edinburgh, Salzburg
und Luzern. Sie arbeitete mit Dirigenten wie
Daniel Barenboim, Pierre Boulez, Gustavo
Dudamel, Christoph Eschenbach, Daniele Gatti,
James Levine, Lorin Maazel, Zubin Mehta,
Kent Nagano, Seiji Ozawa, Antonio Pappano,
André Previn, Esa-Pekka Salonen oder Mariss
Jansons zusammen.
John Relyea ist einer der gefragtesten Bassbaritone unserer Tage. Er ist in den weltweit
führenden Opernhäusern aufgetreten, darunter
die Metropolitan Opera New York, San Francisco
Opera (wo er das „Merola Opera Program“
absolvierte), das Royal Opera House Covent
Garden, die Opéra national de Paris, das Mariinsky-Theater oder die Münchner und Wiener
Staatsoper. Zu seinen Rollen gehören u. a. die
Titelpartie in „Le nozze di Figaro“, Raimondo in
„Lucia di Lammermoor“, Escamillo in „Carmen“,
Banquo in „Macbeth“, Méphistophélès in „Faust“,
Marke in „Tristan und Isolde“ oder Nick Shadow
in „The Rake’s Progress“. Auch im Konzertbereich ist Relyea ein regelmäßiger Gast bei
Orchestern wie dem New York Philharmonic,
Philadelphia, Boston Symphony und Cleveland
Orchestra oder dem Philharmonia Orchestra
und den Berliner Philharmonikern. Daneben
wird er zu den Festivals von Tanglewood,
Ravinia, Salzburg, Edinburgh und Luzern, zum
Mostly Mozart Festival sowie zu den BBC Proms
eingeladen. Recitals gab er u. a. in der Weill
Hall, im Metropolitan Museum of Art in New
York City, in der Wigmore Hall London oder im
Rahmen der University of Chicago Presents
series. John Relyea ist Preisträger des „Beverly
Sills Award“ 2009 sowie des „Richard Tucker
Award“ 2003.
Michelle DeYoung tritt auf den wichtigsten
Opernbühnen der Welt auf, darunter die Metropolitan Opera, Lyric Opera of Chicago, Mailänder
Scala, Berliner Staatsoper, Opéra National de
Paris, Hamburgische Staatsoper, Tokyo Opera
oder die Bayreuther Festspiele. Zu ihrem großen
Repertoire gehören die Titelrollen in „Samson
et Dalila“ und „The Rape of Lucretia“, Fricka,
Sieglinde und Waltraute in Wagners „Ring“,
Kundry in „Parsifal“, Venus in „Tannhäuser“,
Brangäne in „Tristan und Isolde“, Eboli in „Don
Carlos“, Amneris in „Aida“ oder Dido in „Les
Troyens“. Darüber hinaus war sie in Tan Duns
„The First Emperor“ an der New Yorker Met zu
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erleben. Als Recital-Sängerin gastierte DeYoung
u. a. beim Ravinia Festival, im Thèâtre du
Châtelet, in der Londoner Wigmore Hall oder
im Brüsseler La Monnaie. In der aktuellen
Saison kehrt sie als Ortrud im „Lohengrin“ nach
Basel zurück und konzertiert u. a. mit dem
Orchester der Oper Montpellier, dem Atlanta
Symphony Orchestra oder dem Orchestre
Philharmonique de Radio France.
DeYoungs Aufnahme der „Kindertotenlieder“
und der Dritten Sinfonie von Gustav Mahler
unter Michael Tilson Thomas wurde 2003 mit
einem Grammy Award ausgezeichnet. Außerdem
erhielt sie einen Grammy für „Les Troyens“
unter Sir Colin Davis. Ihre Diskographie umfasst
darüber hinaus zwei weitere Aufnahmen von
Mahlers Dritter mit Bernard Haitink und Manfred
Honeck, „Das Klagende Lied“, „Das Lied von
der Erde“ oder Bernsteins Sinfonie Nr. 1.
Zu den vielen bedeutenden Dirigenten, mit
denen Relyea gearbeitet hat, zählen Pierre
Boulez, Sir Colin Davis, Gustavo Dudamel,
Christoph Eschenbach, Valery Gergiev, Bernard
Haitink, Mariss Jansons, James Levine, Lorin
Maazel, Sir Neville Marriner, Zubin Mehta, Kent
Nagano, Sir Roger Norrington, Seiji Ozawa,
Antonio Pappano, Donald Runnicles, Esa-Pekka
Salonen und Wolfgang Sawallisch. Relyeas
Diskographie umfasst u. a. Verdis Requiem (mit
dem London Symphony Orchestra), Mozarts
„Idomeneo“ unter Sir Charles Mackerras,
Mahlers Achte Sinfonie unter Sir Simon Rattle
oder die DVD-Mitschnitte aus der New Yorker
Met von „Don Giovanni“, „I Puritani“, „Die
Meistersinger von Nürnberg“ und „Macbeth“.
Höhepunkte unter Relyeas jüngsten und zukünftigen Engagements sind seine Auftritte
in „Rusalka“ an der Met New York, „Elektra“
in Washington, „I Lombardi“ an der Hamburgischen Staatsoper, „Oedipus Rex“ in Paris,
„Peter Grimes“ in San Francisco, „Lucrezia
Borgia“ in München, „Il barbiere di Siviglia“
in Barcelona und „Anna Bolena“ sowie
„Tannhäuser“ in Chicago.
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Singvögel oder Sansculotten?
Ludwig van Beethovens Fünfte Sinfonie
Die Goldammer war’s. Glaubt man dem
Beethoven-Schüler Carl Czerny, so ist der kleine
Singvogel der eigentliche Urheber des berühmtesten Motives der abendländischen Musik.
Im Wiener Prater habe Emberiza citrinella dem
Meister ihr Ti-ti-ti-Tüüh zugezwitschert, so
jedenfalls lautet die Version, die Czerny zum
Legendenbestand um Beethovens Fünfte Sinfonie beisteuerte. Zweifler wandten dagegen
ein, Beethoven habe seine fortschreitende Ertaubung zuerst daran bemerkt, dass er keinen
Vogelgesang mehr hören konnte. Der Schwerhörige hätte die Goldammer schon aus dem
Gedächtnis zitieren müssen. Plausibler scheint
die Version von Beethovens Sekretär und Biograf Anton Schindler: „So pocht das Schicksal
an die Pforte“, habe Beethoven ihm zur Erläuterung der bedeutungsschwangeren vier ersten
Noten mitgeteilt. Seither trägt die Fünfte den
Beinamen „Schicksalssinfonie“. Auch diese
Deutung blieb nicht ohne Einwände, benutzte
der Komponist das „Schicksalsmotiv“ doch
auch in zeitlich benachbarten Werken wie dem
Vierten Klavierkonzert oder der „Appassionata“.
„War das etwa ein anderes Tor, an das das
Schicksal gepocht, oder hat es an dasselbe Tor
anders gepocht?“, höhnte der Musiktheoretiker Heinrich Schenker über diesen Versuch,
Beethovens Musik mit Legendenbildung
beizukommen.
Einen Versuch, das Rätselraten über die Herkunft von Beethovens musikalischem Material
durch Quellenforschung zu beenden, unternahm
1927 der Musikforscher Arnold Schmitz. Er untersuchte die Parallelen zwischen Beethovens
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heroischem Stil und der Musik, die Komponisten wie Cherubini, Grétry oder Mehul in den
Jahren der französischen Revolution geschrieben hatten. Als Vorlage für das „Schicksalsmotiv“ machte Schmitz ein analoges Motiv in
Luigi Cherubinis „Hymne du Panthéon“ aus,
komponiert im Jahre 1794 zur musikalischen
Ausgestaltung der revolutionären „Fêtes nationales“. Cherubinis Hymne war 1795/96
in einem Magazin gedruckt worden, das der
Staatsverlag der jungen Republik herausgab.
Solche Neuigkeiten von jenseits des Rheins
dürften Beethoven dringlich interessiert haben,
als er sich wie andere republikanisch gesinnte
Künstler und Intellektuelle auch 1798 im
Wiener Palais des französischen Botschafters
Bernadotte einfand. Das Schicksal, das angeblich am Anfang der Fünften so nachdrücklich
an die Pforte klopft, wäre in dieser Deutung
eben jenes, von dem Goethe aus seiner Unterredung mit Napoleon berichtete: „Was will man
jetzt mit dem Schicksal?“, hatte der Kaiser der
Franzosen den Dichter des „Werther“ gerüffelt.
„Die Politik ist das Schicksal.“
Das Schicksal in Gestalt der Politik – beziehungsweise in Gestalt von deren Fortsetzung
mit anderem Mittel, dem Krieg – pochte in den
Jahren der Entstehung der Fünften gewaltig
und gewaltsam an die Pforte. Zwischen 1803
und 1808 feilte Beethoven in einem quälend
langsamen Schaffensprozess an seiner Sinfonie. Schon ein kurzer Blick ins Geschichtsbuch
erinnert einen an die Dichte, mit der in diesem
Zeitraum welthistorische Schlachten und
Umbrüche aufeinander folgten: 1805 schlug
Ludwig van Beethovens Skizzen zum Andante seiner Fünften Sinfonie
der Kaiser der Franzosen in der „Dreikaiserschlacht“ bei Austerlitz die Kollegen aus Österreich und Russland; im November des Jahres
okkupierte Napoleon ein erstes Mal Wien.
1806 stürzte der morsche Bau des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation, der über
1000 Jahre mehr recht als schlecht gehalten
hatte, über Nacht ein. An seiner Stelle installierten die Franzosen den Rheinbund. Preußens
Versuch, dagegenzuhalten, endete im Oktober
1806 mit den vernichtenden Niederlagen bei
Jena und Auerstedt. Als die Franzosen im Mai
1809 bei der zweiten Besetzung Wiens die Stadt
bombardierten, verkroch Beethoven sich im
Keller seines Hauses und polterte, er würde
dem Feind schon gehörig einheizen, wenn er
nur von Kanonen ebenso viel verstünde wie von
Kontrapunkt. – An Ereignisse wie diese dürfte
auch der parteitreue Wiener Schriftsteller
Friedrich Schreyvogel gedacht haben, als er im
Kriegsjahr 1941 in seinem Buch „Eine Schicksalssymphonie“ ein fiktives Mitglied der Wiener
Philharmoniker den Satz sagen ließ: „Wer eine
Symphonie Beethovens richtig verstanden hat,
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
In der Seele des Mannes
„Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók
ist nachher auch ein besserer Soldat, das
schwör ich dir!“
Richtig versteht man Beethovens martialische,
von militärischen Fanfaren geprägte Fünfte
Sinfonie vielleicht eher dann, wenn man sie
im Zusammenhang mit ihrem Schwesterwerk,
der „Pastorale“, sieht. Beethoven arbeitete
1806/07 zeitgleich an beiden Sinfonien; und
beide wurden – ohne allzu großen Erfolg – bei
einer überlangen, vierstündigen Akademie am
22. Dezember 1808 im ungeheizten Saal des
Theaters an der Wien uraufgeführt. Das Pathos
und der „élan terrible“ in der Fünften und die
Sehnsucht nach Frieden und ländlicher Idylle
in der Sechsten werden nicht nur den frierenden Beethovens-Fans an diesem Wintertag
als die zwei Seiten eines Zusammenhanges
erschienen sein.
Die musikalischste Erklärung für Beethovens
„Schicksalsmotiv“ und dessen Wirkungsmacht
stammt von Leonard Bernstein. In der ersten
jener Fernseh-Einführungen, die Generationen
(amerikanischer) Musikliebhaber prägte,
entschlüsselte Lenny 1954 das Geheimnis
der ersten vier Noten. Ihre wahre Bedeutung
liege, so erklärt Bernstein, in „allem was auf sie
folgt“. Tatsächlich sei das Ta-ta-ta-Taah-Motiv so
banal, dass jeder darauf hätte kommen können.
Erst seine Verwandlungen und Fortführung
bis zum triumphalen Finale würden es zu dem
machen, was es ist. Dabei seien Dramatik, Dynamik und bezwingende Logik dieser „Schicksalssinfonie“ das Ergebnis eines langen Auswahlprozesses. Allein 14 Entwürfe hinterließ
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Beethoven für das erste Thema des Andantes.
Für das Ende des ersten Satzes existieren drei
alternative Versionen; zu guter Letzt wählte
er die kürzeste und schlagkräftigste. Um die
Fortführung der dramatischen Eröffnungstakte
rang der Komponist besonders intensiv. Er
probierte öde Sequenzen und brave Kanons
aus, bis er schließlich zu jener Lösung gelangte,
die wir heute für die einzig mögliche halten. –
In der Frühzeit des Mediums Fernsehen stellten die Produzenten dem damals 36-jährigen
Jungmaestro Bernstein tatsächlich noch ein
komplettes Sinfonieorchester zur Verfügung,
um alle diese Varianten durchzuprobieren
und vorzuführen.
Zugegeben, die Frau kommt nicht allzu gut
weg in Béla Bartóks einziger Oper „Herzog
Blaubarts Burg“. Der Textdichter verpasste ihr
nicht nur den Namen einer biblischen Halsabschneiderin, er belud die Figur auch mit
etlichen Klischees. Zwar bringt Judith Licht in
Blaubarts düstere Single-Wohnung, doch flötet
und nörgelt sie dazu so lange, bis er ihr widerstrebend eine verschlossene Tür nach der
anderen öffnet. Selbst sein letztes, intimstes
Kämmerchen muss er ihr auftun. Die Konsequenz ihres Drängens ist, dass Blaubart zu
guter Letzt auch Judith in die Ahnengalerie all
derer einreiht, die vor ihr kamen, und seine
finstere Burg dann wieder genauso herrichtet,
wie sie war, bevor Frau Nr. 4 darin alles umkrempelte. Die vermeintlich so schlichte Küchenpsychologie des Sujets verleitete einen
Interviewer einmal dazu, Bartók zu fragen, ob
er Blaubart sei. „Was, wenn ich Judith wäre?“,
fragte der Komponist zurück.
Offenbar sind die Vorgänge im Inneren dieser
Burg doch komplizierter. Ein Blick in die Vorgeschichte der Oper bringt hier Licht ins Dunkel:
In Budapest fand sich in den ersten Jahren des
20. Jahrhunderts ein Kreis junger Künstler und
Intellektueller zusammen, die um neue, eigene
Ausdrucksformen für die Kunst ihres nach Unabhängigkeit strebenden Landes rangen. Béla
Dank der Segnungen des Internets sind Aufnahmen der Sansculotten-Hymnen, deren
Noten Schmitz 1927 noch aus verstaubten Archiven hatte ziehen müssen, heute nur wenige
Mouseklicks entfernt. Und tatsächlich ist die
stilistische Nähe zu Beethovens heroischer
Phase nicht zu überhören. Ebenso offenkundig
ist aber auch, wie matt oder banal diese für den
Massengeschmack komponierten Gelegenheitsmusiken klingen. Sie wurden zu Recht vergessen.
Was Beethovens Fünfte vor allen ihren Vorbildern auszeichnet, ist die ästhetische Radikalität und kompositorische Konsequenz,
mit der ihr Komponist das Material formte,
das die Umstände ihm zuspielten. So verlieh
er den vier berühmten Noten jene Schicksalhaftigkeit, die wir heute in ihnen hören.
Ilja Stephan
Bühnenbildentwurf zu „Herzog Blaubarts Burg“ von Wilhelm Matenaar
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Bálazs, der Textdichter von „Herzog Blaubarts
Burg“, zählte ebenso zu diesem Kreis wie der
Philosoph Georg Lukácz oder die Komponisten
Zoltán Kodály und Béla Bartók. Auf der Suche
nach dem „wahren Ungarntum“ zog Bálazs
mit den beiden Musikern übers Land, um alte
Volksmusik und Märchen zu sammeln. Im Jahr
1910 belebte Bálazs – ähnlich wie Hugo von
Hofmannsthal fast zeitgleich mit seinem
„Jedermann“ – die mittelalterliche Tradition des
Mysterienspiels neu. Für „Herzog Blaubarts
Burg“ griff er dabei auf Motive aus der alten
ungarischen Mädchenräuberballade „Anna
Molnár“ und Charles Perraults Märchen „La
barbe bleue“ (Blaubart) zurück. Sein Stoff wurzelte damit tief in verschiedenen Traditionen
und lag zugleich voll im Trend, denn 1899 hatte
schon der Symbolist Maurice Maeterlinck das
Blaubart-Märchen aufgegriffen. Als 1907 Paul
Dukas’ auf Maeterlincks Vorlage beruhende
Oper „Ariane et barbe-bleue“ uraufgeführt
wurde, saß Bálazs im Saal.
Für seine eigene Version der Geschichte gab
der ungarische Dichter dem Stoff aber eine
neue Wendung. „Alles ist Seelensymbol und
Seelenschicksal“, schrieb er an Lukácz, „meine
Märchen sind Seelenmythen.“ So erzählt Bálazs
eben nicht die überlieferte Geschichte eines
blutrünstigen Mädchenmörders, bei Bálazs wird
keine von Blaubarts Frauen ermordet, und er
erzählt auch nicht die Geschichte einer Beziehung – anders als bei Maeterlinck/Dukas
heißt Bálazs‘ Drama eben nicht „Judith und
Blaubart“, sondern „Herzog Blaubarts Burg“.
Denn die Burg mit ihren Kammern ist der
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bezeichnet. Komponisten wie Bartók oder
Kodály übertrugen dieses Verfahren in die
Musik. Mit Zoltán Kodály verband Bálazs eine
enge, aber einseitige Freundschaft. Als Studenten hatten sie sich ein Zimmer und später
manche Kurzzeitfreundin geteilt; seinen
„Stachel zum Übermenschen“ nannte der
Nietzsche-belesene Dichter den bewunderten
Komponisten. Doch der verhielt sich abweisend; und als Bálazs ihm sein Mysterienspiel
„Herzog Blaubarts Burg“ zur Vertonung antrug,
lehnte Kodály rundheraus ab. So kam Béla
Bartók zum Zug. Zu guter Letzt widmete Bálazs
den Text seines Mysterienspiels beiden
Komponisten: dem, der es vertonte, und dem,
der es eigentlich hätte vertonen sollen.
Figurine des Herzogs Blaubart von Félix Labisse für eine
Aufführung von Béla Bartóks Einakter an der Opéra in Paris
Schauplatz dieses Seelenmythos’; das gotische
Spukhaus ist Blaubarts auf der Bühne ausgestelltes Selbst. Ähnlich wie in Arnold Schönbergs
1913 vollendetem Melodram „Die Glückliche
Hand“ ist auch hier der Bühnenraum der Seeleninnenraum des Protagonisten; wir sehen was
er denkt, wir hören, was er fühlt. In einem von
einer klassischen Märchenformel eröffneten
Prolog, der bei geschlossenem Vorhang gesprochen wird, weist der Dichter sein Publikum
in die Situation ein: „Es war einmal vor langer
Zeit … / Wo ist es geschehen? / Außen, oder
innen? / Alte Fabel, was soll sie bedeuten? /
Der Vorhang unserer Lider wird gehoben, / Wo
Figurine der Judith von Félix Labisse
ist die Bühne, außen, oder innen?“ – Wer bei
einer konzertanten Aufführung die Augenlider
schließt und sich seinem Kopfkino überlässt,
hat also in jedem Fall einen Logenplatz.
Der stilprägende Kunstgriff von Bálazs‘ Libretto
war die Verbindung von traditionellen Formen
und Elementen der Volkskunst mit den neusten
Entwicklungen in Theater und Literatur. Bálazs
verarbeitete alte Märchen und Balladen zu einem Stück, das zugleich von den Erfahrungen
und Techniken des Symbolismus und Expressionismus geprägt ist. Als „avantgardistischer
Folklorismus“ wurde diese für die progressive
ungarische Kunst der Zeit so typische Mischung
Bartóks Musik ist wie Bálazs‘ Libretto ein Schulbeispiel für den avantgardistischen Folklorismus; dabei nutzt der Komponist die verschiedenen Stilebenen zur Personenzeichnung.
Gleich die ersten Takte der tiefen Streicher,
die in die altertümliche und düstere Welt von
Blaubarts Burg einführen, sind einfachen Volksliedmelodien abgelauscht. Klarinetten und
Oboen tragen dazu bald darauf eine quasiungarische, in engen Schritten gewundene Linie
bei. Judith bringt Licht und neue Töne in diese
geschlossene Welt. Ihren ersten Auftritt untermalt Bartók mit einem zart instrumentierten,
seinerzeit noch kühnen Nonenakkord in Harfen
und Holzbläsern. Und auch ihr Gesang charakterisiert die beiden Hauptpersonen: Blaubart
singt zunächst im gleichförmig rhythmisierten,
periodisch gegliederten Balladentonfall; Judith
bringt das Lyrische und Expressive ein.
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schulkonzer t.ard.de
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Wie alle symbolistischen Kunstwerke lässt auch
„Herzog Blaubarts Burg“ sich auf sehr verschiedenen Ebenen deuten: Neben dem äußerlichen
Beziehungsdrama oder dem Wechselspiel von
Animus und Anima, Männlichem und Weibli12
chem, in der Seele des Protagonisten ist die
Oper ebenso ein Gleichnis über den Zustand
der ungarischen Kunst und Gesellschaft. In
diesem Aspekt erwies sie sich sogar als ausgesprochen prophetisch: Viel Erfolg war Bartók
und Bálazs mit dem 1911 vollendeten Werk
zunächst nämlich nicht beschieden. Sieben
Jahre lang blieb die Oper unaufgeführt. Zweimal arbeitete Bartók während dieser Zeit sein
Werk noch um, bis „Herzog Blaubarts Burg“
schließlich am 24. Mai 1918 in der Königlichen
Oper in Budapest uraufgeführt wurde. Im Oktober desselben Jahres erklärte Ungarn den
Austritt aus der Union mit Österreich, kurz drauf
wurde die demokratische Republik Ungarn
ausgerufen. Während der Räterepublik im Jahr
1919 übernahm Bartók dann sogar eine Stelle
im Musikdirektorium des Landes. Beflügelt
vom politischen Aufbruch, wagte der Komponist sich damals an sein drittes und letztes
Musiktheaterwerk, das Ballett „Der wunderbare
Mandarin“. Doch die Räterepublik war nur von
kurzer Dauer; 1920 kehrte das Land unter dem
autoritären und erzkonservativen Landverweser
Miklós Horthy zur Monarchie zurück. Bartóks
kurze Karriere als Bühnenkomponist fand ein
jähes Ende. Weil er für seine Vision einer ungarischen Kunst unter dem neuen Regime
keine Chancen mehr sah, ließ Bartók seinen
„Wunderbaren Mandarin“ auf Jahre hinaus in
der Schublade verschwinden. Uraufgeführt
wurde die Tanzpantomime erst 1926 in Köln –
damals gegen den heftigen Widerstand des
Oberbürgermeisters Konrad Adenauer.
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Illustration: Waldemar Naczyk
Den Verlauf der Geschichte zeichnet Bartók
im Wechsel der Tonfälle und Stilebenen nach.
Nachdem der Herzog Judith in seine Welt eingeführt hat, lässt sie ihn eine verschlossene
Tür nach der anderen öffnen: erst die Folterkammer, dann Waffenkammer, Schatzkammer,
Zaubergarten, Das weite Land, Den See der
Tränen und schließlich die Kammer mit seinen
früheren Frauen. Aus jeder der Türen fällt ein
farbiger Lichtstrahl, der das Dunkel der Burg
weiter erhellt. Je mehr Blaubart sich öffnet,
umso mehr gleicht sich sein Gesang dem
Judiths an. Nachdem sie hinter der fünften Tür
sein weites Reich freigelegt hat – wozu Bartók
überwältigende, von der Orgel unterstützte
Dur-Akkorde setzt –, ist der ehedem so starre
Bass gar zu lyrischem Liebeswerben aufgelegt.
Doch der Zweifel – musikalisch repräsentiert
durch eine schneidend-scharfe kleine Sekunde,
die immer dann erklingt, wenn von dem „Blut“
die Rede ist, das an Blaubarts sämtlichem
Besitz zu haften scheint – treibt Judith weiter.
Nachdem die siebte Tür geöffnet ist und er
Judith seinen Erinnerungen einverleibt hat,
erstarrt auch ihr Gesang. Das Stück endet mit
der Wiederkehr der ersten Takte und bildet so
auf musikalischer Ebene einen in sich geschlossenen Kreis. „Nacht bleibt es nun ewig“ singt
Blaubart zu der archaischen Streichermelodie.
Die Öffnung zum Neuen ist gescheitert.
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freitag, 19.9.2014 11.15 uhr
sinfonie nr. 9 e-moll op. 95 „aus der neuen welt“
n dr s i n f o n i e o r c h e s t e r t h o m a s h e n g e l b r o c k d i r i g e n t
rolf-liebermann-studio des ndr
l iv e a u f a l l e n a r d k u l t u r w e l l e n u n d a l s v i d e o - l iv e s t r e a m v o n a r t e
a n t o n í n dv o ř á k
Ilja Stephan
Livestream unter
concert.arte.tv
NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Das NDR Sinfonieorchester in Lübeck
Impressum
Die Konzerte der Saison 2014/2015
Saison 2013 / 2014
L1 | Fr, 17.10.2014 | 19.30 Uhr
Manfred Honeck Dirigent
Martin Helmchen Klavier
James MacMillan
Woman of the Apocalypse
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert C-Dur KV 503
Richard Strauss
· Tod und Verklärung op. 24
· Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28
L2 | Fr, 14.11.2014 | 19.30 Uhr
Thomas Hengelbrock Dirigent
Klaus Maria Brandauer Sprecher
Neue Vocalsolisten Stuttgart:
Sarah Maria Sun Sopran
Susanne Leitz-Lorey Sopran
Truike van der Poel Mezzosopran
Jan Müller-Wieland
König der Nacht
Drama für Sprecher, drei Sängerinnen,
großes Orchester und Zuspielelektronik
(Uraufführung, Auftragswerk des NDR)
L3 | Fr, 05.12.2014 | 19.30 Uhr
Alan Gilbert Dirigent
Lisa Batiashvili Violine
François Leleux Oboe
Thomas Adès
Three Studies from Couperin
Thierry Escaich
Konzert für Violine, Oboe und Orchester
(Uraufführung, Auftragswerk des NDR und des
New York Philharmonic Orchestra)
Hector Berlioz
Symphonie fantastique op. 14
14
L4 | Fr, 16.01.2015 | 19.30 Uhr
Pablo Heras-Casado Dirigent
Alexander Melnikov Klavier
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73
Igor Strawinsky
Der Feuervogel
(Vollständige Ballettmusik)
L5 | Fr, 13.02.2015 | 19.30 Uhr
Christoph Eschenbach Dirigent
Tzimon Barto Klavier
Marc-André Dalbavie
La source d’un regard
Béla Bartók
Klavierkonzert Nr. 2 G-Dur
Peter Tschaikowsky
Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36
L6 | So, 22.03.2015 | 19.30 Uhr
Herbert Blomstedt Dirigent
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 8 c-Moll
L7 | Sa, 25.04.2015 | 19.30 Uhr
James Conlon Dirigent
Yuja Wang Klavier
Hector Berlioz
„Roméo seul“ aus „Roméo et Juliette“
Sergej Prokofjew
Klavierkonzert Nr. 2 g-Moll op. 16
Alexander Zemlinsky
Orchestersuite aus „Eine florentinische
Tragödie“ op. 16
L8 | Fr, 19.06.2015 | 19.30 Uhr
Michael Gielen Dirigent
Thomas E. Bauer Bariton
Anton Webern / Franz Schubert
Sechs Stücke für Orchester op. 6 /
Musik zu „Rosamunde“ D 797
Eine Collage von Michael Gielen
Gustav Mahler
Fünf Lieder nach Gedichten von
Friedrich Rückert
Franz Schubert
Sinfonie Nr. 7 h-Moll D 759
„Unvollendete“
Herausgegeben vom
NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK
PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK
BEREICH ORCHESTER, CHOR UND KONZERTE
Leitung: Andrea Zietzschmann
Alle Konzerte finden in der Lübecker
Musik- und Kongresshalle statt
Fotos:
Chris Lee (S. 3)
Christian Steiner (S. 4)
Shirley Suarez (S. 5)
akg-images (S. 7, S. 9, S. 10, S. 11)
Redaktion Sinfonieorchester:
Achim Dobschall
Redaktion des Programmheftes:
Julius Heile
Die Einführungstexte von Dr. Ilja Stephan
sind Originalbeiträge für den NDR.
NDR | Markendesign
Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg
Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co.
Druck: Nehr & Co. GmbH
Nachdruck, auch auszugsweise,
nur mit Genehmigung des NDR gestattet.
Das NDR Sinfonieorchester im Internet
ndr.de/sinfonieorchester
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