Ergänzungen zur Vorlesung Einführung in die Analysis Christian Schmeiser1 Vorwort In dieser Vorlesung werden Grundbegriffe der Analysis wie Folgen und Reihen, Konvergenz und Vollständigkeit am Beispiel der reellen Zahlen vorgestellt. Weiters wird eine Einführung in die Differentialrechnung reellwertiger Funktionen von einer reellen Veränderlichen gegeben. Von den Studierenden erwartete Vorkenntnisse sind der Inhalt der Vorlesung Einführung in das mathematische Arbeiten. Als Unterlage für diese Vorlesung dient das Skriptum Einführung in die Analysis von Prof. Hörmann. Dieser Text enthält Ergänzungen und alternative Darstellungen zu einigen Kapiteln. 1 Definition der reellen Zahlen – Folgen Wir wiederholen die Einführung der reellen Zahlen, ausgehend von der Menge Q der rationalen Zahlen. Rationale Zahlen sind Ausdrücke der Form p x= , q mit p, q ∈ ZZ, q 6= 0. Die Darstellung ist eindeutig, wenn wir zusätzlich q > 0 fordern und, dass der Bruch soweit wie möglich gekürzt ist. Die Menge Q ist abgeschlossen bezüglich der Grundrechnungsarten (bis auf Division durch Null), und es gelten die bekannten Rechenregeln wie z.B. das Assoziativgesetz für Addition und Multiplikation, das mehrfachen Summen und Produkten der Form n X n Y xj := x1 + . . . + xn , j=1 xj := x1 · · · xn , j=1 Sinn gibt (unabhängig von der Reihenfolge, in der die Summation bzw. Produktbildung abgearbeitet wird). Im Folgenden von Bedeutung wird das sein, was man die archimedische Eigenschaft der rationalen Zahlen nennen könnte, dass es nämlich beliebig große und beliebig kleine Zahlen gibt. Genauer: Für jede rationale Zahl x > 0 gibt es eine größere Zahl y und eine kleinere positive Zahl z, d.h. 0 < z < x < y. Eine mögliche Wahl ist y = n ∈ IIN, z = 1/n mit n groß genug. Eine Konsequenz daraus ist: Wenn für eine Zahl x ≥ 0 gilt, dass sie kleiner als jede positive Zahl ist, d.h. x < ε für alle ε > 0, dann gilt x = 0. Ein Mangel der Menge Q wurde schon in der Antike entdeckt, indem Arithmetik und Geometrie in Zusammenhang gebracht wurden. Jede rationale Zahl kann nämlich mit einem Punkt auf der 1 Institut für Mathematik, Universität Wien, http://homepage.univie.ac.at/christian.schmeiser/ 1 Nordbergstraße 15, 1090 Wien, Austria. Zahlengeraden identifiziert werden, wenn auf dieser der Punkt Null und die Länge Eins festgelegt werden. Da man durch oftmalige Unterteilung offensichtlich jedem Punkt auf der Zahlengerade beliebig nahe kommt, lag der Schluss nahe, dass jeder Punkt durch eine rationale Zahl dargestellt werden kann. Der pythagoräische Lehrsatz zeigt, dass es einen Punkt auf der Zahlengeraden geben muss, der einer Zahl x mit der Eigenschaft x2 = 2 entspricht. Man kann allerdings beweisen (siehe Vorlesung Einführung in das mathematische Arbeiten), dass es keine rationale Zahl mit dieser Eigenschaft gibt. Das bedeutet, dass das Markieren aller Punkte auf der Zahlengeraden, die rationalen Zahlen entsprechen, Lücken lässt. Das Schließen dieser Lücken kann auf mehrere Arten durchgeführt werden. 1.1 Reelle Zahlen als Grenzwerte von Cauchyfolgen Definition 1 Sei A eine beliebige Menge. Eine Abbildung a : IN I → A nennt man eine Folge in A. Man verwendet die Schreibweise (an )n∈IN (oder auch nur (a n )) für die gesamte Folge mit den I Folgengliedern an := a(n). Beispiel: Durch an = n! ist eine Folge von natürlichen Zahlen definiert. Diese kann auch rekursiv definiert werden: a1 = 1 , an = nan−1 für n ≥ 2 . Beispiel: Gäbe es eine Zahl x mit x2 = 2, dann müssten für diese die Ungleichungen 1 < x < 2, 1<x< 3 , 2 5 3 <x< , 4 2 11 3 <x< , 8 2 ... gelten. Das lässt sich mit Hilfe der folgenden rekursiven Definition beliebig fortsetzen: a1 = 1 , b1 = 2. Für n ≥ 2: 2 an−1 + bn−1 an−1 + bn−1 , bn = bn−1 , < 2, dann an = Wenn 2 2 an−1 + bn−1 sonst an = an−1 , bn = . (1) 2 Damit werden 2 Folgen (an ) und (bn ) von rationalen Zahlen definiert. Gäbe es die Zahl x, dann würden sowohl an als auch bn wohl immer näher an x heranrücken, wenn man n immer größer macht. Die folgende Definition erlaubt es, diesen vagen Satz zu konkretisieren. Definition 2 Der Abstand zwischen a ∈ Q und b ∈ Q is gegeben durch |a − b|. Die Folge (an ) in Q konvergiert gegen den Grenzwert (oder Limes) a ∈ Q, wenn ∀ε ∈ Q mit ε > 0 : ∃N ∈ IN I : ∀n ≥ N : |an − a| < ε , d.h. der Abstand zwischen den Folgengliedern und dem Grenzwert wird beliebig klein, wenn der Index n groß genug gemacht wird. Konvergiert (an ) gegen a, so schreibt man lim an = a n→∞ an → a für n → ∞ . oder (2) Konvergiert eine Folge nicht, so nennt man sie divergent. Die linke Seite der Schreibweise (2) wird eigentlich erst durch folgendes Resultat gerechtfertigt: 2 Satz 1 Der Grenzwert ist eindeutig, d.h. wenn eine Folge gegen a und b konvergiert, dann gilt a = b. Beweis: Seien a und b Grenzwerte von (an ) und sei N ∈ IIN so, dass |an − a|, |an − b| < ε für n ≥ N . Für solche n gilt dann |a − b| = |a − an + an − b| ≤ |an − a| + |an − b| < 2ε . Da ε beliebig klein gewählt werden kann, folgt |a − b| = 0 und daher a = b. Da die im letzten Beispiel gesuchte Zahl x nicht existiert (bis jetzt), ist nicht anzunehmen, dass die Folgen (an ) und (bn ) konvergieren. Allerdings haben sie wohl ein konvergenz-ähnliches Verhalten: Die Folgenglieder rücken immer mehr zusammen. Definition 3 Eine Folge (an ) von rationalen Zahlen heißt Cauchyfolge, wenn ∀ε ∈ Q mit ε > 0 : ∃N ∈ IN I : ∀m, n ≥ N : |am − an | < ε . Satz 2 Jede konvergente Folge ist eine Cauchyfolge. Beweis: Sei limn→∞ an = a, sei ε > 0, sei N ∈ IIN so wie in der Definition der Konvergenz und seien m, n ≥ N . Dann gilt |am − an | = |am − a + a − an | ≤ |am − a| + |an − a| < 2ε , wobei die erste Ungleichung aus der Dreiecksungleichung folgt. Bemerkung 1 MancheR mag sich daran stoßen, dass am Ende des Beweises 2ε statt ε steht, wie in der Definition der Cauchyfolge verlangt wird. Dieser Schönheitsfehler wird in Beweisen der Analysis häufig begangen. Er kann leicht bereinigt werden; hier, indem man ε durch ε/2 ersetzt. Das Problem mit den rationalen Zahlen lässt sich jetzt so formulieren, dass die Umkehrung des Satzes nicht gilt, d.h. nicht jede Cauchyfolge konvergiert. Diese Eigenschaft der Menge der rationalen Zahlen wird auch Unvollständigkeit genannt. Sie ist allerdings erst zu beweisen. Wir werden das anhand der in (1) konstruierten Folgen an und bn tun. Dazu ist Vorbereitung notwendig. Definition 4 1. Eine Folge (an ) von rationalen Zahlen heißt monoton wachsend, wenn an ≤ an+1 , monoton fallend, wenn an ≥ an+1 , streng monoton wachsend, wenn an < an+1 , streng monoton fallend, wenn an > an+1 , jeweils für alle n ∈ IN I. 2. Eine Folge (an ) von rationalen Zahlen heißt nach oben beschränkt, wenn es eine Zahl M (eine obere Schranke) gibt, sodass an ≤ M für alle n ∈ IN I . Sie heißt nach unten beschränkt, wenn es eine Zahl m (eine untere Schranke) gibt, sodass an ≥ m für alle n ∈ IN I . Sie heißt beschränkt, wenn sie sowohl nach oben als auch nach unten beschränkt ist. 3. Sei (an )n∈IN I eine Folge in A und (nk )k∈IN I eine streng monoton wachsende Folge in IIN. Dann heißt (ank )k∈IN I eine Teilfolge von (an ). 3 Satz 3 Konvergiert eine Folge, dann konvergiert auch jede ihrer Teilfolgen gegen denselben Grenzwert. Beweis: Sei für ε > 0, N ∈ IIN so gewählt, dass |ak − a| < ε für alle k ≥ N . Aus nk ≥ k folgt dann auch |ank − a| < ε für alle k ≥ N . Satz 4 Jede rationale Cauchyfolge ist beschränkt, und jede monotone beschränkte Folge von rationalen Zahlen ist eine Cauchyfolge. Beweis: Für den Beweis des ersten Teiles halten wir fest, dass mit ε = 1 die Zahlen min{aN − 1, a1 , . . . aN −1 } max{aN + 1, a1 , . . . aN −1 } und untere und obere Schranken für die Cauchyfolge (an ) sind. Den zweiten Teil werden wir nur für monoton wachsende Folgen beweisen. Der Beweis für monoton fallende Folgen ist analog. Es gelte also an ≤ an+1 , an ≤ M ∀n ∈ IIN . Wir definieren 2 Folgen (a0k ) und (Mk ) rekursiv durch a01 = a1 und M1 = M , sowie: Wenn a0k−1 + Mk−1 ≥ an 2 ∀n ∈ IIN, a0k−1 + Mk−1 , 2 a0 + Mk−1 ≥ k−1 , Mk = Mk−1 . 2 dann a0k = a0k−1 , Mk = sonst a0k = aNk Es ist also (a0k ) eine Teilfolge von (an ) und (Mk ) eine monoton fallende Folge von oberen Schranken für (an ). Außerdem gilt 0 ≤ Mk − a0k ≤ 21−k (M − a1 ) . Für jedes ε > 0 sei k so gewählt, dass 21−k (M − a1 ) < ε. Dann gilt für m, n ≥ Nk , dass a0k ≤ am , an ≤ Mk , und daher |am − an | < ε. Beispiel: Sei x > 0 und an := xn für alle n ∈ IIN. Ist x = 1, dann ist (an ) eine konstante Folge, an = 1 für alle n ∈ IIN, die trivialerweise gegen 1 konvergiert. Ist x > 1, dann gilt mit y = x − 1 > 0 die Bernoulli-Ungleichung (Beweis in den Übungen) an = (1 + y)n > 1 + ny . Wegen der archimedischen Eigenschaft gibt es für jede positive Zahl K ein n ∈ IIN, sodass n > (K − 1)/y, d.h. an > K. Das beweist, dass die Folge (xn ) für x > 1 nicht beschränkt ist (sie wächst über alle Grenzen) und daher divergiert. Es bleibt der Fall 0 < x < 1, woraus 1/x > 1 folgt. Analog zu vorher zeigt man, dass für jedes ε > 0 mit der Definition K = 1/ε n 1 1 1 = >K= , an x ε für n groß genug. Daraus folgt |an − 0| = an < ε für n groß genug, und daher limn→∞ xn = 0 für 0 < x < 1. 4 Beispiel: Nicht jede beschränkte Folge ist eine Cauchyfolge. Sei an = (−1)n für alle n ∈ IIN, d.h. (an ) = (−1, 1, −1, 1, . . .). Offensichtlich ist (an ) beschränkt. Im Gegensatz zur Eigenschaft von Cauchyfolgen gilt |an − an+1 | = |(−1)n − (−1)n+1 | = |(−1)n | |1 − (−1)| = 2 ∀ n ∈ IIN . Die Folge enthält allerdings konvergente Teilfolgen. Die Folge (a2k−1 )k∈IIN ist konstant mit dem Wert −1, während a2k = 1 für alle k ∈ IIN gilt. Die Bildung von Grenzwerten ist vertauschbar (man sagt kommutiert) mit den Grundrechnungsarten. Satz 5 Seien die Folgen (an ) und (bn ) konvergent. Dann gilt lim (an ± bn ) = lim an ± lim bn , n→∞ n→∞ lim an bn = n→∞ n→∞ lim an n→∞ lim bn . n→∞ Gilt außerdem limn→∞ bn 6= 0, dann gilt auch lim n→∞ limn→∞ an an = , bn limn→∞ bn wobei allerdings an /bn eventuell nur ab einem gewissen Index N0 definiert ist. Beweis: Sei |an − a| < ε und |bn − b| < ε für n ≥ N . Dann gilt |(an ± bn ) − (a ± b)| = |(an − a) ± (bn − b)| ≤ |an − a| + |bn − b| < 2ε ∀n ≥ N , was die erste Aussage beweist. Da beide Folgen konvergieren, sind sie nach Satz 4 auch beschränkt, d.h. |an |, |bn | ≤ M für alle n ∈ IIN. Daher gilt für alle n ≥ N , |an bn − ab| = |an bn − an b + an b − ab| = |an | |bn − b| + |b| |an − a| < 2M ε . Ist b 6= 0, dann gilt |bn − b| < b/2 und daher |bn | > b/2 für n ≥ N0 . Für alle n ≥ max{N, N0 } gilt daher an a |an b − abn | |b(an − a) + a(b − bn )| 2M ε = < 2 . b − b = |bn | |b| |bn | |b| b /2 n Beispiel: Wir betrachten die Folge mit den Gliedern an = 3n3 − n2 + 2 3 − 1/n + 2/n3 3 − 1/n + 2(1/n)3 = = n3 + 2n + 1 1 + 2/n2 + 1/n3 1 + 2(1/n)2 + (1/n)3 n ∈ IIN . Wegen der archimedischen Eigenschaft gilt limn→∞ 1/n = 0. Aus Satz 5 folgt daher lim an = n→∞ 3 − 0 + 2(0)3 = 3. 1 + 2(0)2 + (0)3 Grenzwertbildung verträgt sich auch mit der Ordnung der rationalen Zahlen. 5 Satz 6 1. Seien die Folgen (an ) und (bn ) konvergent, und es gelte an ≤ bn für n ≥ N0 . Dann gilt lim an ≤ lim bn . n→∞ n→∞ Man sagt auch, dass man in der Ungleichung an ≤ bn zum Limes übergehen darf. 2. (Einschließungskriterium) Sei an ≤ bn ≤ cn für n ≥ N0 , und es gelte limn→∞ an = limn→∞ cn . Dann konvergiert auch (bn ) gegen denselben Grenzwert. Beweis: 1. Indirekter Beweis: Angenommen, es gelte lim an = a , n→∞ lim bn = b , n→∞ a − b = K > 0. Sei weiters N ≥ N0 so, dass |an − a|, |bn − b| < K/2 für n ≥ N . Für solche n gilt dann an − bn = an − a − (bn − b) + K ≥ K − |an − a| − |bn − b| > K − K K − = 0, 2 2 was der Annahme des Satzes widerspricht. 2. Sei N ≥ N0 so, dass |an − a|, |cn − a| < ε für n ≥ N . Dann gilt für solche n a − ε < an ≤ bn ≤ cn < a + ε , d.h. |bn − a| < ε . Beispiel: Sei an = n/2n . Es gilt 2n > n2 für n ≥ 5 (siehe Übungen). Daraus folgt 0 < an < 1/n für n ≥ 5, und daher limn→∞ an = 0. Das Beispiel zeigt auch, dass in Satz 6 (1.) aus der strikten Ungleichung für die Folgenglieder nicht die strikte Ungleichung für die Grenzwerte folgt. Lemma 1 Die in (1) definierten Folgen (an ) und (bn ) von rationalen Zahlen sind Cauchyfolgen und konvergieren nicht. Beweis: Aufgrund der Konstruktion liegen alle Glieder beider Folgen zwischen 1 und 2, und die beiden Folgen sind daher beschränkt. Außerdem ist (an ) monoton wachsend und (bn ) monoton fallend. Nach Satz 4 sind daher beide Folgen Cauchyfolgen. Außerdem wurden die Folgen so konstruiert, dass a2n < 2 < b2n und bn − an = 21−n gelten. Daraus folgt |a2n − 2| = 2 − a2n ≤ b2n − a2n = (bn + an )(bn − an ) ≤ (2 + 2)21−n = 23−n . Daraus folgt limn→∞ a2n = 2. Würde nun (an ) konvergieren, d.h. es existiert ein a ∈ Q mit limn→∞ an = a, Dann müsste wegen Satz 5 a2 = 2 gelten, was unmöglich ist. Der Beweis für (bn ) ist analog. Damit ist die Unvollständigkeit der Menge der rationalen Zahlen bewiesen. Die reellen Zahlen werden nun durch Vervollständigung konstruiert. Das Prinzip ist einfach: Jeder nicht konvergenten Cauchyfolge von rationalen Zahlen ordnet man eine neue Zahl zu, die man ihren Grenzwert nennt. Dabei muss man nur aufpassen, dass man nicht zuviele neue Zahlen produziert oder, anders gesagt, dass man nicht dieselbe Zahl mehrfach neu definiert. Dazu dient die folgende Prozedur: 6 Definition 5 1. Man bezeichnet zwei Cauchyfolgen (an ) und (bn ) von rationalen Zahlen als äquivalent, wenn limn→∞ (an −bn ) = 0 gilt. Offensichtlich wird dadurch eine Äquivalenzrelation auf der Menge der rationalen Cauchyfolgen definiert. 2. Die reellen Zahlen sind die Äquivalenzklassen bezüglich dieser Äquivalenzrelation. Sie werden mit den Grenzwerten der entsprechenden Cauchyfolgen identifiziert, d.h. für eine reelle Zahl a schreiben wir a = limn→∞ an , wenn (an ) in der Äquivalenzklasse a ist. Die Menge der reellen Zahlen wird mit IR bezeichnet. Beispiel: Die durch (1) definierten Folgen beschreiben offensichtlich dieselbe reelle Zahl, die √ nicht rational, also irrational, ist, und die wir natürlich 2 nennen. Es ist eine unmittelbare Konsequenz aus der Definition, dass die Menge der rationalen Zahlen dicht liegt in der Menge der reellen Zahlen, d.h. dass beliebig nahe bei jeder reellen Zahl rationale Zahlen liegen, in Formeln: ∀ a ∈ IR, ε > 0 : ∃ b ∈ Q : |a − b| < ε . Wie rechnet man nun mit reellen Zahlen? Dabei orientieren wir uns an Satz 5, wobei wir zunächst ein Hilfsresultat benötigen. Lemma 2 Seien (an ) und (bn ) Cauchyfolgen rationaler Zahlen. Dann sind auch (an ± bn ), (an bn ) und (|an − bn |) Cauchyfolgen. Dasselbe gilt für (an /bn ), wenn (bn ) nicht gegen Null konvergiert. Beweis: Der Beweis für die Verknüpfung von Folgen durch Grundrechnungsarten ist ähnlich zum Beweis von Satz 5, und wird deR LeserIn überlassen. Für den Betrag gilt ||am − bm | − |an − bn || ≤ |am − bm − an + bm | ≤ |am − an | + |bm − bn | . Definition 6 Seien a, b ∈ IR und a = limn→∞ an bzw. b = limn→∞ bn . Dann sind a ± b ∈ IR, ab ∈ IR und |a − b| definiert als die Äquivalenzklassen der Folgen (an ± bn ), (an bn ) und (|an − bn |). Ist b 6= 0, dann ist a/b definiert als die Äquivalenzklasse der Folge (an /bn ). Damit haben wir die Grundrechnungsarten und den Abstandsbegriff von Q auf IR erweitert. Das ermöglicht uns, von Cauchyfolgen und konvergenten Folgen in IR zu sprechen. Satz 7 Die Menge der reellen Zahlen ist vollständig, d.h. jede reelle Cauchyfolge konvergiert. Beweis: Sei (an ) eine Cauchyfolge reeller Zahlen. Da jede reelle Zahl beliebig gut durch rationale Zahlen approximiert werden kann, existiert eine Folge (bn ) rationaler Zahlen, sodass |an −bn | ≤ 1/n. Daraus folgt |bm − bn | = |bm − am − bn + an + am − an | ≤ 7 1 1 + + |am − an | . m n Die rechte Seite wird offensichtlich beliebig klein für m, n groß genug. Daher ist (bn ) eine Cauchyfolge rationaler Zahlen, und es gibt a ∈ IR mit a = limn→∞ bn . Weiters gilt |an − a| = |an − bn + bn − a| ≤ 1 + |bn − a| , n was wegen der Konvergenz von (bn ) gegen a für genügend großes n beliebig klein wird. Das zeigt, dass auch (an ) gegen a konvergiert. Es ist nun sehr leicht zu zeigen, dass Satz 5 auch für Folgen reeller Zahlen gültig bleibt und dass eine stärkere Version von Satz 4 gilt: Satz 8 Jede konvergente reelle Folge ist beschränkt und jede beschränkte, monotone, reelle Folge konvergiert. Beispiel: Eine Folge ist rekursiv definiert durch Angabe von a0 > 0 und durch die Rekursion 1 3 an+1 = an + n = 0, 1, . . . (3) 2 an Vollständige Induktion zeigt, dass die Folge wohldefiniert ist und dass an > 0, n ∈ IIN, gilt. Weiters zeigt die Rechnung a2n+1 − 3 = 1 4 2 2 3 3 1 an + an − −3= ≥ 0, an 4 an dass a2n ≥ 3 für n ∈ IIN gilt. Als Konsequenz gilt 1 3 a2 − 3 an − an+1 = an − = n ≥0 2 an 2an n ∈ IIN , d.h. die Folge ist monoton fallend und beschränkt und konvergiert daher gegen einen Grenzwert a > 0. Dasselbe gilt für die durch bn = an+1 definierte Teilfolge. Mit Hilfe von Satz 5 können wir in (3) zum Limes übergehen und erhalten die Gleichung 3 1 a+ bzw. a2 = 3 , (4) a= 2 a √ √ die als einzige positive Lösung a = 3 besitzt. Wir haben also bewiesen, dass limn→∞ an = 3 gilt. Bemerkenswert ist, dass dieses Resultat für jede Wahl von a0 > 0 gilt. Als letzten Schritt wird auch die Ordnungsrelation von den rationalen auf die reellen Zahlen erweitert. Dazu benötigen wir ein Hilfsresultat. Lemma 3 Seien (an ) und (bn ) Cauchyfolgen rationaler Zahlen. Dann gilt entweder, dass (an − bn ) gegen Null konvergiert, oder es existiert ein N ∈ IN I , sodass entweder an < bn oder an > bn für alle n ≥ N. Beweis: Angenommen, (an − bn ) konvergiert nicht gegen Null, d.h. ∃ ε0 > 0 : ∀ N ∈ IIN : ∃ n ≥ N : 8 |an − bn | ≥ ε0 . (5) Für dieses ε0 wählen wir nun N0 ∈ IIN, sodass |am − an |, |bm − bn | < ε0 2 ∀ m, n ≥ N0 . Wegen (5) gibt es ein n0 ≥ N0 , sodass |an0 − bn0 | ≥ ε0 . Daher gilt entweder an0 < bn0 − ε0 oder an0 > bn0 + ε0 . Nehmen wir zunächst ersteres an. Dann gilt für alle n ≥ N0 : an < an0 + ε ε < bn0 − < bn . 2 2 Der Beweis für den zweiten Fall ist analog. Definition 7 Seien a, b ∈ IR, a 6= b, a = limn→∞ an und b = limn→∞ bn . Dann gilt a < b genau dann, wenn an < bn für n groß genug, und a > b, wenn an > bn für n groß genug. Die Ungleichung a ≤ b bedeutet a < b oder a = b, und a ≥ b bedeutet a > b oder a = b. 1.2 Intervallschachtelung und Ordnungsvollständigkeit Definition 8 Seien a, b ∈ IR und a < b. Dann nennt man (a, b) := {x ∈ IR : a < x < b} [a, b] := {x ∈ IR : a ≤ x ≤ b} bzw. ein offenes bzw. abgeschlossenes Intervall mit der Länge b − a. Es gibt auch halboffene Intervalle, (a, b] := {x ∈ IR : a < x ≤ b} , [a, b) := {x ∈ IR : a ≤ x < b} , und unbeschränkte Intervalle, (a, ∞) := {x ∈ IR : x > a} , [a, ∞) := {x ∈ IR : x ≥ a} , (−∞, a) := {x ∈ IR : x < a} , (−∞, a] := {x ∈ IR : x ≤ a} . Definition 9 Eine rationale Intervallschachtelung ist eine Folge ([an , bn ]) von abgeschlossenen Intervallen, wobei (an ) und (bn ) monotone Folgen von rationalen Zahlen sind, erstere monoton wachsend, letztere monoton fallend, d.h. [an+1 , bn+1 ] ⊂ [an , bn ] für alle n ∈ IN I . Weiters muss die Folge der Intervalllängen gegen Null konvergieren: lim (bn − an ) = 0 . n→∞ Einerseits eine Konsequenz unserer Konstruktion der reellen Zahlen, andererseits eine mögliche axiomatische Einführung derselben, ist das Intervallschachtelungsaxiom: Satz 9 Für jede rationale Intervallschachtelung ([an , bn ]) gibt es genau eine reelle Zahl x, sodass x ∈ [an , bn ] ∀ n ∈ IN I . Beispiel: Offensichtlich wurde in (1) eine rationale Intervallschachtelung definiert, die die irra√ tionale Zahl x = 2 enthält. 9 Der Beweis des Intervallschachtelungsaxiomes (das in unserem Aufbau ein Satz ist) wird ausgelassen. Er ist leicht. Aus den Eigenschaften der Intervallschachtelung und aus Satz 4 folgt, dass die Folgen (an ) und (bn ) Cauchyfolgen sind, die denselben Grenzwert x haben. Definition 10 Eine Menge A ⊂ IR heißt nach oben beschränkt, wenn es eine Zahl M ∈ IR gibt, sodass a ≤ M für alle a ∈ A und nach unten beschränkt, wenn es eine Zahl m ∈ IR gibt, sodass a ≥ m für alle a ∈ A. Eine nach oben und nach unten beschränkte Menge heißt beschränkt. Gibt es eine kleinste obere Schranke von A ⊂ IR, dann heißt sie sup A (Supremum von A), d.h. sup A ist eine obere Schranke von A, und es gilt sup A ≤ M für alle oberen Schranken M von A. Gibt es eine größte untere Schranke von A ⊂ IR, dann heißt sie inf A (Infimum von A), d.h. inf A ist eine untere Schranke von A, und es gilt inf A ≥ m für alle unteren Schranken m von A. Wieder eine Konsequenz unserer Konstruktion der reellen Zahlen, andererseits eine weitere mögliche axiomatische Einführung derselben, ist das Axiom der Ordnungsvollständigkeit: Satz 10 Jede nichtleere, nach oben beschränkte Menge reeller Zahlen besitzt ein Supremum, und jede nichtleere nach unten beschränkte Menge ein Infimum. Der Beweis wird wieder ausgelassen. Er ist dem Beweis von Satz 4 sehr ähnlich. Zum Abschluss dieses Abschnittes beschäftigen wir uns mit der Darstellung reeller Zahlen. Als Verallgemeinerung der Dezimaldarstellung beschreiben wir die b-adische Darstellung, die von intelligenten Wesen mit b ≥ 2 (statt 10) Fingern erfunden worden sein könnte. Eine b-adische Darstellung ist gegeben durch ein Vorzeichen σ ∈ {−1, 0, 1} und (falls σ 6= 0) eine Folge (zj )j≥j0 in der Menge {0, . . . , b − 1} von Ziffern, wobei j0 ∈ ZZ und zj0 6= 0 gilt. Dadurch wird eine rationale Folge mit den Gliedern an = σ n X zj j=j0 bj , n ≥ j0 , (6) definiert. Im Beweis des folgenden Resultates benötigen wir eine Definition: Definition 11 Für x ∈ IR ist die Gauß-Klammer-Funktion von x definiert durch bxc := max{z ∈ ZZ : z ≤ x} . Mit anderen Worten: Die Gauss-Klammer-Funktion von x gibt die eindeutig bestimmte ganze Zahl an, für die gilt: bxc ≤ x < bxc + 1. Satz 11 1. Für jede Wahl von b ∈ IN I mit b ≥ 2, σ ∈ {−1, 0, 1}, j0 ∈ ZZ, und zj ∈ {0, . . . , b − 1} für j ≥ j0 , wird durch (6) eine rationale Cauchyfolge (und damit eine reelle Zahl) definiert. 2. Für jede reelle Zahl x gibt es eine b-adische Darstellung, d.h. eine Wahl von σ, j0 und (zj )j≥j0 , sodass die Folge (6) gegen x konvergiert. Beweis: 10 1. Sei n > m ≥ j0 . Dann gilt n X n X b−1 X b − 1 n−m−1 1 1 zj ≤ = j m+1 j−m−1 m+1 b b b b b j=m+1 j=m+1 k=0 |am − an | = k b − 1 1 − (1/b)n−m b−1 1 1 < m+1 = m. m+1 b 1 − 1/b b 1 − 1/b b = Wegen b > 1 wird die rechte Seite für m (und damit auch n) groß genug beliebig klein. 2. Natürlich wählen wir zunächst σ = 1, wenn x > 0, σ = 0, wenn x = 0, und σ = −1, wenn x < 0. Dann wählen wir j0 ∈ ZZ so, dass b−j0 ≤ |x| < b1−j0 gilt, d.h. j0 = max{j ∈ ZZ : b1−j > |x|}. Weiters wählen wir j k zj0 := |x|bj0 ∈ {1, . . . , b − 1} . Aus der Eigenschaft der Gauß-Klammer 0 ≤ |x|bj0 − |x|bj0 < 1 folgt zj0 1 < j0 . bj0 b Die weiteren Ziffern werden rekursiv berechnet. Angenommen, wir hätten zj0 , . . . , zn bestimmt, sodass 0 ≤ |x| − 0 ≤ |x| − n X zj j=j0 bj < 1 bn gilt, dann wählen wir n X n+1 n+1−j ∈ {0, . . . , b − 1} . − zj b zn+1 := |x|b j=j0 Als Konsequenz gilt n+1 0 ≤ |x|b − n X n+1−j zj b − zn+1 < 1 bzw. 0 ≤ |x| − j=j0 n+1 X j=j0 zj 1 < n+1 , bj b 1/bn+1 die Voraussetzung für den nächsten Schritt. Wegen → 0 für n → ∞ folgt aus der letzten Ungleichung auch die Konvergenz der konstruierten b-adischen Darstellung gegen x. Bemerkung 2 Man kann die b-adische Darstellung auf 3 Arten interpretieren (hier für positive x): 1. Die Folge (an ) ist eine gegen x konvergente rationale Cauchyfolge. 2. Die Intervallfolge ([an , an + b−n ]) ist eine rationale Intervallschachtelung, die x enthält. 3. Die Menge A = {an : n ∈ IN I } ist nach oben beschränkt (z.B. durch zj0 + b−j0 ), und es gilt x = sup A. 11 1.3 Häufungspunkte Definition 12 Man nennt a einen Häufungspunkt der Folge (an ), wenn es eine Teilfolge von (an ) gibt, die gegen a konvergiert. Beispiel: Die Zahlen 1 und −1 sind Häufungspunkte der Folge ((−1)n ). Satz 12 (Bolzano-Weierstraß) Jede beschränkte reelle Folge besitzt (mindestens) einen Häufungspunkt. Beweis: Sei m ≤ an ≤ M , n ∈ IIN. Wir definieren A := {x ∈ IR : an > x für höchstens endlich viele n ∈ IIN} . Dann gilt x ∈ / A für x < m und x ∈ A für x > M . Daher ist A nichtleer und nach unten beschränkt. Wegen der Ordnungsvollständigkeit von IR existiert daher a = inf A. Wir werden beweisen, dass a ein Häufungspunkt von (an ) ist. Zunächst zeigen wir: ∀ε > 0 : an ∈ (a − ε, a + ε) für unendlich viele n ∈ IIN . (7) Angenommen das stimmt nicht, d.h. es existiert ein ε0 > 0, sodass nur endlich viele Folgenglieder in (a − ε0 , a + ε0 ) liegen. Da a + ε0 /2 ∈ A gilt, liegen auch nur endlich viele Folgenglieder rechts von (a − ε0 , a + ε0 ). Folglich ist auch a − ε0 /2 ∈ A, ein Widerspruch gegen a = inf A. Damit ist (7) bewiesen. Aus (7) folgt, dass wir eine Teilfolge (ank ) konstruieren können, für die ank ∈ (a − 1/k, a + 1/k), k ∈ IIN, gilt, und die daher gegen a konvergiert. Der im Beweis konstruierte Häufungspunkt ist der größte, weil für jedes b > a auch (a + b)/2 > a ∈ A gilt, rechts davon (und damit auch in der Nähe von b) also nur endlich viele Folgenglieder liegen. Analog kann man zeigen, dass es einen kleinsten Häufungspunkt gibt. Definition 13 Besitzt eine nach oben beschränkte Folge (an ) einen größten Häufungspunkt, dann nennt man diesen den Limes superior von (an ), in Formeln lim sup an . n→∞ Ein eventuell existierender kleinster Häufungspunkt einer nach unten beschränkten Folge (an ) heißt Limes inferior von (an ) bzw. lim inf an . n→∞ Wie das Beispiel an = (−1)n zeigt, kann eine Folge mehrere Häufungspunkte haben. Für eine divergente beschränkte Folge ist das sogar notwendig, wie das folgende Resultat zeigt. Satz 13 Hat eine beschränkte Folge nur einen Häufungspunkt, dann konvergiert sie (natürlich gegen diesen). 12 Beweis: Sei a der einzige Häufungspunkt der beschränkten Folge (an ). Angenommen, (an ) konvergiert nicht gegen a, d.h. ∃ ε0 > 0 : ∀ N ∈ IIN : ∃n ≥ N : |an − a| ≥ ε0 . Dann können wir rekursiv eine Teilfolge von (an ) bestimmen durch n1 ≥ 1 so, dass |an1 − a| ≥ ε0 , und weiter nach Festlegung von n1 < . . . < nk , nk+1 ≥ nk + 1 so, dass |ank+1 − a| ≥ ε0 . Die Folge (ank ) ist beschränkt und besitzt daher nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß einen Häufungspunkt b, der klarerweise auch ein Häufungspunkt der Folge (an ) ist. Da die Teilfolge aber außerhalb des Intervalles (a − ε0 , a + ε0 ) bleibt, muss b 6= a gelten, was der Annahme widerspricht, dass a der einzige Häufungspunkt ist. Beispiel: Für das schon früher behandelte Beispiel der durch (3) rekursiv definierten Folge gilt √ offensichtlich, dass jeder Häufungspunkt die Gleichung (4) erfüllen muss, woraus folgt, dass 3 der einzig mögliche positive Häufungspunkt ist. Es hätte also genügt, zu zeigen, dass die Folge positiv und beschränkt ist, um ihre Konvergenz zu beweisen. 1.4 Uneigentliche Konvergenz Definition 14 Wenn die Folge (an ) über alle Grenzen wächst, d.h. ∀ K > 0 : ∃ N ∈ IN I : ∀n ≥ N : an > K , dann sagt man auch, sie konvergiert uneigentlich oder divergiert bestimmt gegen Unendlich, in Formeln: limn→∞ an = ∞. Analog: Wenn (−an ) bestimmt gegen Unendlich divergiert, schreibt man limn→∞ an = −∞. Beispiel: Das Resultat eines früheren Beispiels kann jetzt in der Form lim xn = ∞ für x > 1 , n→∞ geschrieben werden. Offensichtlich gilt auch limn→∞ 3xn = ∞. Beispiel: Es gilt einerseits (siehe früheres Beispiel) lim n = ∞ , n→∞ lim 2n = ∞ , n→∞ lim n→∞ n = 0, 2n und andererseits n2 = ∞. n→∞ n→∞ n→∞ n Offensichtlich muss man bei der Kombination uneigentlicher Limiten vorsichtig sein. lim n2 = ∞ , lim n = ∞ , lim Satz 14 Seien (an ) und (bn ) eigentlich oder uneigentlich konvergent. Gilt lim an = ∞ , n→∞ lim bn = ∞ , n→∞ dann gilt auch lim (an + bn ) = ∞ . n→∞ Dieses Resultat schreiben wir kurz als ∞ + ∞ = ∞. Analog gilt auch für alle a ∈ IR, b > 0, a a ± ∞ = ±∞ , b · (±∞) = ±∞ , ∞ · (±∞) = ±∞ , = 0, ±∞ 13 Bemerkung 3 Nicht für jede Kombination von uneigentlichen Limiten mit Grundrechnungsarten kann das Resultat allgemein vorhergesagt werden, wie schon das letzte Beispiel zeigt. Beispiele für solche unbestimmten Ausdrücke sind ∞ − ∞, ∞ , ∞ 0 , 0 0 · ∞. Als Beispiel für ∞ − ∞ betrachten wir die Folge (an − bn ) mit an = αn + a mit α > 0, a ∈ IR, und bn = n. Der Grenzwert von (an − bn ) ist ∞ für α > 1, −∞ für 0 < α < 1 und a für α = 1. 1.5 Elemente der Topologie in IR Definition 15 Sei A ⊂ IR und x ∈ IR. 1. Sei ε > 0. Das offene Intervall Uε (x) = (x − ε, x + ε) = {y ∈ IR : |y − x| < ε} heißt ε-Umgebung von x. 2. x heißt innerer Punkt von A genau dann, wenn es eine ε-Umgebung von x gibt, die ganz in A liegt, d.h. ∃ ε > 0 sodass Uε (x) ⊂ A. Die Menge der inneren Punkte von A (das Innere von A) wird mit Ao bezeichnet. 3. x heißt äußerer Punkt von A genau dann, wenn x innerer Punkt des Komplements Ac = IR \ A von A ist, d.h. ∃ ε > 0 sodass Uε (x) ∩ A = {}. 4. Ist x weder innerer noch äußerer Punkt von A, dann heißt es Randpunkt von A, d.h. ∀ ε > 0 gilt Uε (x) ∩ A 6= {} und Uε (x) \ A 6= {}. Die Menge der Randpunkte von A wird mit ∂A bezeichnet. 5. x heißt isolierter Punkt von A, wenn ∃ ε > 0, sodass Uε (x) ∩ A = {x}. Beispiel: 1. Das Intervall (a, b) besteht nur aus inneren Punkten. Es ist außerdem das Innere des Intervalles [a, b]. Die Menge der äußeren Punkte beider Intervalle ist gegeben durch (−∞, a)∪ (b, ∞). Die Punkte a und b sind die Randpunkte der Intervalle (a, b) und [a, b]. 2. Jede endliche Menge besteht nur aus isolierten Punkten. 3. Sei limn→∞ an = a und A = {an : n ∈ IIN}. Dann ist A \ {a} die Menge der isolierten Punkte von A. Die Menge der Randpunkte von A ist A ∪ {a}. Das folgende Resultat ist eine offensichtliche Konsequenz der Definition. Lemma 4 Sei A ⊂ IR. Dann gilt ∂A = ∂(Ac ) und IR = Ao ∪ ∂A ∪ (Ac )o . Definition 16 Sei A ⊂ IR. 1. Die Menge A heißt offen, wenn sie nur aus inneren Punkten besteht. 2. Die Menge A heißt abgeschlossen, wenn sie alle ihre Randpunkte enthält. 3. Die abgeschlossene Hülle von A ist definiert durch A := A ∪ ∂A. 14 Bemerkung 4 Offene Intervalle (und daher auch ε-Umgebungen) sind offene Mengen, und abgeschlossene Intervalle sind abgeschlossene Mengen. Lemma 5 Das Komplement einer offenen Menge ist abgeschlossen und umgekehrt. Beweis: Ist A offen, d.h. A = Ao , dann folgt aus Lemma 4, dass Ac = ∂A ∪ (Ac )o ⊃ ∂(Ac ) gilt. Das umgekehrte Resultat folgt aus Vertauschung von A und Ac . Lemma 6 Die abgeschlossene Hülle von A ist die kleinste abgeschlossene Menge, die A enthält, d.h. aus A ⊂ B und B abgeschlossen folgt A ⊂ B. Beweis: Sei A ⊂ B und B abgeschlossen. Um A ⊂ B zu zeigen, müssen wir beweisen, dass jeder Randpunkt von A in B liegt. Sei also x ∈ ∂A, d.h. Uε (x) ∩ A 6= {} ∀ ε > 0. Aus A ⊂ B folgt damit auch Uε (x) ∩ B 6= {} ∀ ε > 0. Angenommen x ∈ / B, dann folgt auch Uε (x) \ B 6= {}, also x ∈ ∂B ein Widerspruch gegen die Abgeschlossenheit von B. Lemma 7 Sei limn→∞ an = a und {an : n ∈ IN I } ⊂ A. Dann gilt a ∈ A. Beweis: Gilt a ∈ A, ist nichts mehr zu beweisen. Sei also a ∈ / A, woraus folgt, dass Uε (a) \ A 6= {} ∀ ε > 0. Aus der Konvergenz folgt Uε (a) ∩ {an : n ∈ IIN} 6= {} und daher auch Uε (a) ∩ A 6= {} ∀ ε > 0. Damit ist a ∈ ∂A ⊂ A. 15