C. Eicher Analysis Study Center ETH Zürich HS 2015 Konvergenz von Folgen und Reihen gegen einen gegebenen Grenzwert Sei (an )n∈N eine Folge von reellen oder komplexen Zahlen. Die Zahl a heisst Grenzwert (Limes) der Folge, wenn folgende Bedingung erfüllt ist: Sei eine reelle Zahl ε > 0 genannt Fehlerschranke beliebig vorgegeben. Dann existiert eine natürliche Zahl n0 , so dass für alle natürlichen Zahlen n, die grösser als n0 sind, |an − a| < ε gilt. Hier bezeichnet |·| den Absolutbetrag. Diese Bedingung kann durch die Formel ∀ε > 0 ∃n0 ∈ N ∀n ≥ n0 : |an − a| < ε ausgedrückt werden. Zu beachten ist hier die Reihenfolge der Quantoren. Man sagt dann, die Folge konvergiert gegen den Grenzwert a und schreibt a = limn→∞ an oder an → a (n → ∞). Ist der Grenzwert a = 0, spricht man von einer Nullfolge. Erklärungen: 1. Die Zahl n0 hängt meistens von ε ab, was mit der Schreibweise n0 = n0 (ε) deutlich gemacht wird. 2. Man stellt sich ε als kleine Zahl vor. Es genügt, die Bedingung statt für alle ε > 0 nur für alle ε ∈ (0, ε0 ) oder eine strikt positive Nullfolge (εk )k∈N (z.B. εk = k1 ) zu prüfen. 3. Ersetzt man in der Bedingung n ≥ n0 durch n > n0 oder |an − a| < ε durch |an − a| ≤ ε, erhält man eine äquivalente Bedingung. Bitte wenden! Gelöste Aufgabenbeispiele: 1. Zeige, dass die Folge an = 1 n − √1 n gegen 0 konvergiert. Lösung: Wir zeigen zuerst, dass die Folge bn = √1n gegen 0 konvergiert. Sei ε > 0. Die Bedingung 1 |bn − 0| = √ − 0 < ε n ist √1n < ε, weil √1n positiv ist. Aus dieser Ungleichung folgt durch Quadrieren und Bilden des Kehrwerts ε12 < n. Nun existiert eine natürliche Zahl n0 = n0 (ε), die strikt grösser wie ε12 ist. Es folgt für alle n ≥ n0 1 1 ≤ < ε2 , n n0 da die Kehrwerte die umgekehrte Ungleichung erfüllen. Ziehen der Wurzel bewahrt die Ungleichungen, also gilt 1 1 |bn − 0| = bn = √ ≤ √ < ε . n0 n Wir haben gezeigt, dass die Folge (bn )n∈N gegen 0 konvergiert. Nun ist limn→∞ 0 bekannt und mit einer Rechenregel für Grenzwerte folgt 1 n = 1 1 − lim √ = 0 − 0 = 0 . n→∞ n n→∞ n lim an = lim n→∞ 2. Zeige limn→∞ n! nn = 0 . Hier ist n! = 1 · 2 · · · · · n . Lösung: Sei ε > 0. Wir bemerken für n ≥ 2 n! 1 2 n 1 1 = · · ··· · < · 1 · ··· · 1 = , n n n n n n n da 1 n0 k n < 1 für 2 ≤ k ≤ n − 1 gilt. Nun existiert ein n0 = n0 (ε) ≥ 2, so dass < ε gilt. Daraus ergibt sich für alle n ≥ n0 n! − 0 = n! < 1 ≤ 1 < ε , nn nn n n0 da die Kehrwerte die umgekehrte Ungleichung erfüllen, und damit die Behauptung. Siehe nächstes Blatt! 3. Zeige, dass die Folge ( an = 1 n − 1 n = 2k 0 sonst für ein k ∈ N nicht gegen 0 konvergiert. Lösung: Sei ε = 12 (oder jede andere Zahl im Intervall 0, 12 ). Wir zeigen, dass kein n0 existiert, so dass für alle n ≥ n0 |an − 0| < ε gilt. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen es existiert ein solches n0 , dann gibt es ein k ∈ N mit 2k ≥ n0 . Nun ist für n := 2k |an − 0| = 1 − 1 1 1 1 =1− k ≥1− = =ε, n 2 2 2 weil 2k ≥ 2. Also ist die für n0 geforderte Bedingung nicht erfüllt. Wir haben bewiesen, dass kein n0 existiert. 4. Zeige √ 1+ 5 1 =1+ , 1 2 1 + 1+... 1 d.h. die durch a1 = 1, an = 1 + an−1 , n ≥ 2, rekursiv definierte Folge konvergiert gegen a = √ 1+ 5 . 2 1 Lösung: Sei ε > 0. Es gilt a = 1 + a (direkte Rechnung) und folglich |an − a| = 1 an−1 − a1 nach Definition von an . Wir vereinfachen die rechte Seite zu 1 a − an−1 |a − an−1 | 1 |a − an−1 | . an−1 − a = an−1 a = |an−1 ||a| < a Für die Ungleichung haben wir verwendet, dass an−1 > 0 (Beweis durch vollständige 1 Induktion) und wegen an−1 = 1 + an−2 , n ≥ 3, sogar an−1 > 1 ist. Daraus folgt nämlich |an−1 ||a| = an−1 a > a und weil dieser Ausdruck der Nenner des Bruchs ist, gilt die umgekehrte Ungleichung < für den Bruch selbst. Wir schliessen 1| |an − a| < |a−a für n ≥ 2. Da a > 1 ist, existiert ein n0 = n0 (ε) ≥ 2, so dass an−1 1 ε gilt. Es folgt für alle n ≥ n0 < |a−a1 | an0 −1 |an − a| < |a − a1 | 1 an−1 ≤ |a − a1 | 1 an0 −1 < |a − a1 | ε =ε. |a − a1 | Wir haben die Behauptung gezeigt. Bitte wenden! Bemerkung: Die obige Wahl von n0 ist bei einer linearen Entwicklung des Beweises nicht leicht vorherzusehen. Eine naheliegendere Wahl von n0 wäre so, dass 1 < ε gilt. Das obige Argument ergibt dann |an − a| < |a − a1 |ε. Erst jetzt an0 −1 wird ersichtlich, dass man die gewünschte Ungleichung erhält, wenn man ε durch ε ersetzt. |a−a1 | 5. Sei q eine reelle Zahl, |q| < 1. Zeige P∞ nq n = n=1 q . (1−q)2 Lösung: Wir schreiben die N -te Partialsumme als N X n=1 n nq = q N −1 X m (m + 1)q = q m=0 N −1 X N −1 X m q =q m=0 k,l=0: k+l=m N −1 X q k+l . k,l=0 Die letzte Gleichung ist eine Anwendung der Cauchy-Produkt-Formel. Wir können wegen q k+l = q k q l die Doppelsumme als Quadrat der geometrischen Summe schreiben ! ! N −1 ! 2 N −1 N −1 N −1 N −1 X X X X X 1 − qN k+l k l k l q = q q = . q = q 1 − q k,l=0 k=0 l=0 k=0 l=0 Es ist bekannt, dass limN →∞ q N = 0 gilt, da |q| < 1 ist. Mit den Rechenregeln für Grenzwerte folgt 2 2 1 − limN →∞ q N 1 1 − qN lim = = . 2 N →∞ 1−q (1 − q) (1 − q)2 Die Reihe ist als Grenzwert der Partialsummen definiert und wir erhalten ∞ X n=1 n nq = lim N →∞ N X n=1 nq n = q . (1 − q)2