Ein Cofaktor für die HIV-Infektion

Werbung
S P E K T R U M
AKUT
Membranprotein „Fusin“
Ein Cofaktor
für die HIV-Infektion
N
ormalerweise werden Ergebnisse aus In-vitroStudien zurückhaltend beurteilt. Anders in der
AIDS-Forschung. Hier haben auch präliminäre
Resultate der Grundlagenforschung Nachrichtenwert
und werden regelmäßig mit spekulativen Hoffnungen auf
neue Therapien „garniert“. Ein Beispiel sind die Ergebnisse von Edward A. Berger (Bethesda, Maryland), der
einen Cofaktor für das HI-Virus gefunden hat und damit
offenbar ein Rätsel lösen konnte, das die Forscher ein
Jahrzehnt beschäftigt hat. Bereits 1984 war auf den Lymphozyten der CD-4-Rezeptor erkannt worden, den das
Virus als „Andockstelle“ benutzt. Bald stellte sich jedoch
heraus, daß der CD-4-Rezeptor allein nicht ausreicht, um
HIV den Eintritt in die Zelle zu ermöglichen. Für die Infektion schien ein weiterer Faktor erforderlich zu sein.
Um diesen aufzuspüren, stattete Berger Fibroblasten mit
dem Hüllprotein „env“ des AIDS-Erregers aus.
iese gentechnisch veränderten Fibroblasten
dockten daraufhin – wie das echte Virus – an
Mäusezellen an, denen Berger das zu env korrespondierende CD-4-Molekül ins Genom geschrieben
hatte. Sie wurden damit zum Modell für menschliche
Lymphozyten, den Zielzellen von HIV. Um den fehlenden Faktor zu finden, probierte Berger dann systematisch
die gesamte Genbibliothek von Lymphozyten an den mit
CD-4-Rezeptoren beladenen Mäusezellen durch. Irgendwann klappte es. Ausgestattet mit dem Membranprotein
„Fusin“ fusionierten die HIV-ähnlichen Fibroblasten mit
den Lymphozyten-ähnlichen Mäusezellen (Science vol.
272, 872 ff.). Überlegungen, wie man diese Entdeckung
therapeutisch nutzen könnte, gehen in zwei Richtungen.
So ist ein „Fusin“-Rezeptorblocker denkbar, der dem Virus den Zugang zu den T-Lymphozyten verschließt.
D
in solches Molekül wird im Blut von HIV-Langzeitüberlebenden vermutet. Dort hatte Robert
Gallo sogenannte Chemokine gefunden (Science
vol. 270, 1811 ff.), die in vitro die Vermehrung von HIV
hemmen. Ob diese Substanzen auch therapeutisch nutzbar sind, können nur klinische Studien zeigen. Schon als
der CD-4-Rezeptor entdeckt wurde, dachte man, daß ein
Anti-CD-4-Antikörper ein wertvolles AIDS-Therapeutikum sein müßte. Bei der klinischen Prüfung war dies jedoch nicht der Fall. Eine andere Richtung strebt die Entwicklung eines Tiermodells an. Berger möchte dazu Kaninchen gentechnisch so verändern, daß deren T-Helferzellen sowohl CD 4 als auch „Fusin“ exprimieren. Diese
Tiere könnten dann mit HIV infiziert werden. Ob sie jedoch ein AIDS-ähnliches Krankheitsbild entwickeln und
wie wertvoll dies für die Entwicklung von Medikamenten
wird, bleibt abzuwarten.
Rüdiger Meyer
E
A-1496 (4) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 23, 7. Juni 1996
Herunterladen