Kosmische Strahlung - Spektrum der Wissenschaft

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Kosmische Strahlung
Die Suche nach den Quellen
VON CHRISTIAN STEGMANN
Aus den Tiefen des Weltraums trifft ein beständiger Strom hochenergetischer Teilchen auf die Erde. Sie weisen die höchsten bekannten Energien auf und enthalten Informationen über extreme
Orte des Universums. Die Quellen der bereits vor fast 100 Jahren
entdeckten Kosmischen Strahlung konnten bis heute nicht identifiziert werden. Mit Hilfe einer neuen Generation von Experimenten
wollen die Astronomen dieses Rätsel nun lösen.
Die Entdeckung
Als Viktor Hess (1883 –1964) am Morgen des 7. August 1912 die Gondel eines
Ballons bestieg (Abb. 2), wusste er nicht,
dass er nun ein neues bis dahin unbekanntes Fenster zum Kosmos aufstoßen
würde. Sein Aufstieg in große Höhen
war der letzte aus einer Reihe von sieben
Forschungsfahrten zur Untersuchung
des damals noch weitgehend unverstandenen Phänomens der Luftionisation:
der Aufspaltung der Luft in positiv und
negativ geladene Teilchen durch eine
energiereiche ionisierende Strahlung.
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Die Ionisierung führt dazu, dass selbst
gut abgeschirmte Messgeräte eine Restleitfähigkeit in Luft registrieren.
Damals vermuteten die Physiker, dass
die Ursache für die Luftionisation in der
erst seit wenigen Jahren bekannten natürlichen Radioaktivität zu suchen sei.
Sie erwarteten, dass mit zunehmender
Höhe die Luftionisation über dem Erdboden und damit auch die Konzentration
radioaktiver Stoffe abnehmen müsse.
Erste Messungen oberhalb des Erdbodens, unter anderem auf dem Pariser Eiffelturm, zeigten jedoch eine viel größe-
re Restleitfähigkeit der Atmosphäre, als
es aufgrund der bereits gut bekannten
Abschwächung radioaktiver Strahlung
zu erwarten war. Bereits um 1910 wurde daher erstmalig die Vermutung geäußert, dass die Luftionisation ihre wahre Ursache in einer aus dem Weltraum
kommenden Strahlung habe. Bewiesen
werden konnte dies jedoch nicht.
Mit Hilfe erster Ballonexperimente in
Höhen von etwa 2000 bis 3000 Metern
bestätigte Viktor Hess im Jahre 1912 die
frühen Befunde, dass die Luftionisation
nicht in dem erwarteten Maße abnahm.
Des weiteren fand er erste Anzeichen für
einen Anstieg der Luftionisation. Auf
seiner siebten und entscheidenden Ballonfahrt untersuchte Hess erstmals die
Luftionisation in einer Höhe von 5000
Metern. Hier maß er einen um ein Vielfaches höheren Wert, der nur durch eine
Quelle der ionisierenden Strahlung außerhalb der Erdatmosphäre zu erklären
war. Der Beweis war gelungen: Die Ursache der Luftionisation ist tatsächlich
Bild: TerraForma/SuW
VERITAS,
USA
MAGIC,
La Palma
Abb. 1: Eine neue Generation
von Teleskopen nutzt aus dem
Weltall einfallende Gammaquanten, um nach den Quellen der
Kosmischen Strahlung zu fahnden. Auf der nördlichen Hemisphäre beteiligen sich die Teleskope MAGIC (auf der Kanareninsel La Palma) und VERITAS (in den
USA) nach der Suche, auf der
südlichen Hemisphäre die Systeme HESS (in Namibia) und CANGAROO III in Australien. VERITAS besteht gegenwärtig aus nur einem
Teleskop, Ende 2006 sollen vier
weitere Teleskope ihren Betrieb
aufnehmen.
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eine Strahlung, die aus dem Weltraum
auf die Erde trifft. Für diese Entdeckung
der Kosmischen Strahlung erhielt Viktor
Hess im Jahre 1936 den Nobelpreis für
Physik.
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HESS,
Namibia
Abb. 2: Viktor Hess in der Gondel
seines Höhenballons.
Eigenschaften
der Kosmischen Strahlung
Die Natur der Kosmischen Strahlung
blieb aber noch lange Zeit unverstanden.
Viktor Hess vermutete zunächst wegen
der großen Durchdringungskraft, dass es
sich um hochenergetische elektromagnetische Strahlung handelt, und verwendete
die Bezeichung »Ultragammastrahlung«.
Letztlich schloss er sich aber, auch wegen
der nachfolgenden Forschungsergebnisse, denen an, die den heute üblichen Namen »Kosmische Strahlung« (engl. Cosmic rays) benutzten, den Robert Millikan
(1868–1953) vorgeschlagen hatte.
Erst im Jahre 1929 gelang es Walther
Bothe und Werner Kohlhörster durch
erste Koinzidenzexperimente zu zeigen,
dass die Kosmische Strahlung aus elek-
CANGAROO III,
Australien
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Abb. 3: Ein Luftschauer entsteht,
wenn ein aus dem Weltall einfallendes Teilchen der Kosmischen
Strahlung (»Primärstrahlung«)
mit Atomkernen der Erdatmosphäre kollidiert. Ein einfallendes Proton mit E = 1015 eV erzeugt etwa eine Million Sekundärteilchen. Die am Erdboden
nachgewiesenen Teilchen bestehen zu 1.7 % aus Leptonen (u. a.
Myonen und Neutrinos), zu 0.3 %
aus Hadronen (Protonen, Neutronen, p-Mesonen), sowie zu 80 %
aus Photonen (Cherenkov- und
Fluoreszenzstrahlung).
trisch geladenen Materieteilchen besteht
und keine elektromagnetische Strahlung
ist – die damals einzige bekannte Strahlung aus dem Weltraum.
Bothe und Kohlhörster fanden in
übereinander gelegten Geiger-MüllerZählrohren gleichzeitige Ereignisse, die
nur durch ein und dasselbe Teilchen verursacht worden sein konnten. Für Photonen war das gleichzeitige Ansprechen
beider Nachweisgeräte nur indirekt möglich und sehr unwahrscheinlich. Daher
waren die gemessenen Zählraten mit der
für Photonen erwarteten Koinzidenzzählrate nicht verträglich. Hochenergetische, elektrisch geladene Materieteilchen
hingegen konnten beide Nachweisgeräte
leicht durchdringen und dabei messbare
Signale hinterlassen. Der Nachweis von
koinzidenten Ereignissen belegte eindeu26
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tig, dass es sich bei der Kosmischen Strahlung um eine elektrisch geladene Materiestrahlung handelt, einen neuen Boten aus
dem Kosmos.
Eine neue Experimentiertechnik
Einen entscheidenden Schritt weiter in
der Erforschung der Natur der Kosmischen Strahlung ging Pierre Auger im
Jahre 1938. Er stellte in den Alpen, am
Jungfraujoch in 3500 Metern Höhe, mehrere Nachweisgeräte in Abständen von
bis zu 300 Metern auf. Mit diesem Aufbau
gelang es ihm erstmalig, gleichzeitige Ereignisse in benachbarten Detektoren zu
messen. Es schien, als hätten die Ereignisse einen gemeinsamen Ursprung. Auger
schloss, dass die Teilchen, die er als Koinzidenzereignisse registrierte, in der oberen Atmosphäre durch ein primäres Teilchen erzeugt wurden. Dieses löst durch
eine Wechselwirkung mit einem Luftmolekül eine Lawine sekundärer Teilchen
aus, in deren weiterer Entwicklung ein
ausgedehnter Luftschauer erzeugt wird,
der am Erdboden eine große Fläche überdeckt (Abb. 3).
Pierre Auger legte mit dem Nachweis der ausgedehnten Luftschauer den
Grundstein zu einer Experimentiertechnik, die heute in dem größten je von Menschen gebauten Observatorium gipfelt,
dem Observatorium AUGER, auf das unten näher eingegangen wird. Der französische Physiker folgerte aus seinen Messungen, dass er Luftschauer von Teilchen
mit Energien von bis zu 1015 Elektronen-
volt nachgewiesen hatte. (Zum Vergleich:
Die Energie sichtbaren Lichts liegt im
Bereich von 1 eV.) Damit war nicht nur
bekannt, dass die Erde von einem steten
Strom von elektrisch geladenen Materieteilchen getroffen wird, sondern darüber
hinaus, dass die Energien dieser Materiestrahlung diejenigen der bisher bekannten Strahlung aus dem Kosmos um viele
Größenordnungen übersteigen.
Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass die
Kosmische Strahlung für viele Jahre die
Hauptquelle für hochenergetische Teilchen zum Studium der elementaren Bausteine der Materie war. Erst mit der Entwicklung leistungsfähiger Beschleuniger
verlor die Kosmische Strahlung ihre Rolle
in der Elementarteilchenphysik.
Heute haben wir einen guten Überblick über die Eigenschaften der Kosmischen Strahlung in der unmittelbaren
Umgebung der Erde. Sie besteht im Wesentlichen aus Protonen, das heißt Wasserstoffkernen, und einem kleinen Anteil
von schweren Atomkernen und Elektronen. Die herausragende Eigenschaft der
Kosmischen Strahlung ist sicherlich der
gewaltige Energiebereich, den sie über-
Glossar
Akkretion: Materie, die von einem massereichen kompakten Objekt (Weißer
Zwerg, Neutronenstern, Schwarzes Loch)
angezogen wird, kann nicht direkt in
dieses hineinstürzen. Stattdessen sammelt sie sich aufgrund ihres Drehimpulses zunächst in einer Scheibe an, die das
zentrale Objekt umgibt. Dieses Aufsammeln wird als Akkretion bezeichnet. Innerhalb der Scheibe wandert die Materie
nun allmählich zum Zentrum, baut dabei ihren Drehimpuls durch Reibung an
benachbarten Materieteilchen ab und
stürzt schließlich in das Zentrum. Akkretionsscheiben aus Gas und Staub können sehr heiß sein (mehrere Mio. Kelvin)
und tragen wesentlich zur optischen, infraroten und Röntgenleuchtkraft aktiver
Galaxien bei.
Hadronen: Teilchen, die an der Starken Wechselwirkung teilnehmen. Diese
besitzt eine sehr kurze Reichweite und
vermittelt die Kraft zwischen den Protonen und Neutronen der Atomkerne. Sie
wird deshalb auch als Starke Kernkraft
bezeichnet. Alle Hadronen sind aus fundamentalen Teilchen, den Quarks, aufgebaut. Je nach Aufbau klassifiziert man
die Hadronen als Mesonen oder Baryonen. Erstere bestehen aus einem QuarkAntiquark-Paar (z. B. das p-Meson), letztere aus drei Quarks (z. B. die Protonen
und Neutronen der Atomkerne).
Elektronenvolt (eV): Befindet sich ein
geladenes Teilchen, z. B. ein Elektron, in
einem elektrischen Feld, so erfährt es eine
Kraft und wird beschleunigt. 1 eV ist die
Energie, die ein Elektron gewinnt, wenn es
ein elektrisches Feld mit einer Potenzialdifferenz (Spannung) von 1 Volt durchläuft. Teilchenenergien werden zumeist in
eV angegeben. Die Energie, die der Masse
eines ruhenden Elektrons entspricht, beträgt 511 keV. Wird das Elektron auf 99 %
der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, so
beträgt seine Gesamtenergie das Siebenfache der Ruhenergie: 3.6 MeV.
Röntgen-Doppelsystem: Ein Doppelsternsystem, welches Röntgenstrahlung aussendet. Die Strahlung stammt von Materie,
die von dem größeren der beiden Sterne
(z. B. einem Roten Riesen oder einem normalen Hauptreihenstern) zu seinem kompakten Begleiter strömt und auf dessen
Oberfläche stürzt. Bei dem kompakten Objekt kann es sich um einen Weißen Zwerg,
einen Neutronenstern oder ein Schwarzes
Loch handeln.
Myon: Ein 1937 in der Kosmischen Strahlung entdecktes geladenes Teilchen, welches rund 200-mal so schwer wie ein
Elektron ist, jedoch sonst gleiche physikalische Eigenschaften besitzt. Im Gegensatz zum Elektron ist das Myon kein stabiles Teilchen: Ein ruhendes Myon zerfällt
im Mittel nach 2.2 Mikrosekunden in ein
Das größte Rätsel: die Quellen
der Kosmischen Strahlung
Auch 90 Jahre nach der Entdeckung der
Kosmischen Strahlung ist es noch nicht
gelungen, die Orte, an denen die Kosmische Strahlung entsteht und auf die teilweise gewaltigen Energien beschleunigt
wird, zu finden. Die Kenntnis der Quellen
ist aber ein wesentlicher, wenn nicht sogar entscheidender Beitrag zu einem umfassenden Verständnis der Kosmischen
Strahlung und ihrer Rolle bei der Entwicklung unseres Universums.
Der überwiegende Teil der Kosmischen Strahlung kann bei dieser Suche
keine eindeutigen Hinweise liefern, da die
Teilchen im Magnetfeld, das sowohl unser
Milchstraßensystem als auch den interga-
Myon-Neutrino, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino.
Resonanz: Ein kurzlebiger angeregter Zustand eines Hadrons, der über die starke
Wechselwirkung in leichtere Hadronen zerfällt und nur eine sehr kurze Lebensdauer
besitzt (im Allgemeinen etwa 10–23 s). Seine Zerfallsprodukte werden von Detektoren
registriert, und man kann zurückrechnen,
welche Masse die Resonanz besessen hat.
Resonanzen werden deshalb als eigenständige Teilchen mit höherer Masse interpretiert. Je nach Teilchenart unterscheidet
man Nukleonen-, Mesonen- und Baryonenresonanzen. So ist z. B. die Delta-Resonanz
mit einer Energie von 1232 MeV ein angeregter Zustand des Protons.
Stoßwelle: Eine Grenzfläche, an der sich
der Zustand von Materie (Temperatur, Dichte) sprunghaft ändert. In einer Stoßwelle
wird die Strömungsenergie, z. B. eines Gases, in thermische Energie umgewandelt:
Auf der einen Seite der Stoßfront ist die
Temperatur höher als auf der anderen.
Schwache Kernkraft: Die für Zerfallsprozesse von Atomkernen verantwortliche
Kraft. Sie wirkt zwischen Quarks und Leptonen und wird durch massive Teilchen,
die »Vektorbosonen« W+, W– und Zo vermittelt. Ihre elektrischen Ladungen sind
positiv, negativ bzw. neutral. Beispiel: Der
Zerfall des Neutrons n. Dieses Nukleon besteht aus einem Up-Quark u (Ladung: +2/3)
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Energiedichte, die durchaus mit anderen
Energiedichten in unserer Galaxis, zum
Beispiel derjenigen des Sternlichts oder
des interstellaren Magnetfelds, vergleichbar ist. Es erscheint naheliegend, dass die
Kosmische Strahlung einen wesentlichen
Beitrag zur Entwicklung unseres Milchstraßensystems geliefert hat und immer
noch liefert.
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deckt: Beginnend bei einigen 109 Elektronenvolt (einem tausendstel der Energie,
die dem Flügelschlag einer Mücke entspricht) bis hin zu 1020 Elektronenvolt
(eine Energie, die ausreicht, einen 1.5 kg
schweren Stein im Schwerefeld der Erde
um 1 m zu heben).
Abb. 4 zeigt das Energiespektrum, das
heißt den Fluss von Teilchen der Kosmischen Strahlung als Funktion ihrer Energie. Der Fluss ist ein Maß für die Anzahl
der Teilchen der Kosmischen Strahlung,
die aus einem Raumwinkelbereich von einem Steradiant in jeder Sekunde auf eine
Fläche von einem Quadratmeter fallen.
Beträgt der Fluss der Kosmischen Strahlung bei Energien von einem Gigaelektronenvolt noch ein Teilchen pro Quadratzentimeter pro Sekunde, so ist er bereits
im Bereich von 1015 Elektronenvolt auf
ein Teilchen pro Quadratmeter pro Jahr
und im Bereich von 1020 Elektronenvolt
schließlich auf ein Teilchen pro Quadratkilometer pro Jahrhundert, insgesamt um
32 Größenordnungen, gefallen.
Obwohl die Teilchenflussdichten klein
sind, ergibt sich doch insgesamt wegen
der sehr großen Teilchenenergien eine
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Abb. 4: Die am Erdboden gemessene Intensität der Kosmischen
Strahlung in Abhängigkeit von
der Energie der Teilchen. Bei Energien von mehr als 1016 eV verläuft das Spektrum steiler als bei
kleineren Energien (durchgezogene Kurve).
und zwei Down-Quarks d (Ladung jeweils
–1/3), kurz: n = (u, d, d). Nach durchschnittlich 616 s, der Halbwertszeit des
Neutrons, emittiert eines der Down-Quarks
ein W–-Boson und verwandelt sich dabei in
ein Up-Quark. Danach sind zwei Up-Quarks
und nur noch ein einziges Down-Quark
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vorhanden, kurz: (u, u, d) – ein Proton ist
entstanden. Das bei der Wechselwirkung
emittierte W– verwandelt sich in ein Leptonenpaar, bestehend aus einem Elektron
e– sowie einem elektronischen Antineutrino n–e.
Synchrotronstrahlung: Geladene Teilchen
(z. B. Elektronen), die sich in magnetischen
Feldern bewegen, werden abgelenkt. Dabei
senden sie elektromagnetische Wellen aus.
Bei relativistischen Teilchen wird diese
Strahlung vorzugsweise in Bewegungsrichtung abgegeben. Diese sogenannte Synchrotronstrahlung tritt – je nach magnetischer Feldstärke und Geschwindigkeit des
Teilchens – vom Radio- bis zum Röntgenbereich auf.
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Natürliche Teilchenbeschleuniger
Bereits 1949 entdeckte der italienische
Physiker Enrico Fermi (1901–1954) einen
Mechanismus, der Teilchen im Weltall
auf hohe Energien zu beschleunigen vermag. Fermi betrachtete die Reflexion von
Teilchen an magnetisierten Plasmawolken im Weltall. Wird ein Teilchen an einer derartigen Wolke gespiegelt, so kann
es – abhängig von der Relativbewegung
zwischen beiden Stoßpartnern – entweder Energie gewinnen oder verlieren. Es
zeigt sich aber, dass im statistischen Mittel ein Teilchen immer Energie gewinnt.
Der Grund dafür liegt in der etwas größeren Wahrscheinlichkeit für eine frontale Kollision im Vergleich zu einer, bei der
das Teilchen die Wolke einholen muss.
Der Mechanismus ist aber nicht effizient
genug, um damit die Energiedichte der
Kosmischen Strahlung zu erklären.
Man muss deshalb nach Objekten suchen, in denen die Teilchen bei jeder Spiegelung Energie gewinnen. Als Kandidaten
bieten sich die Reste von Supernova-Explosionen an. Explodiert ein Stern als Supernova, so breitet sich eine Stoßwelle in
das umgebende Medium aus, die interstellare Materie durchdringen, aufsammeln
und vor sich hertreiben kann. Teilchen
der interstellaren Materie können mehr28
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Der GZK-Effekt
A
us der mittleren Dichte der kosmischen Hintergrundstrahlung von
412 Photonen/cm3 errechnet man, dass
nahezu unabhängig von der Anfangsenergie des Protons seine Energie innerhalb einer Strecke von höchstens
100 Mpc auf 1020 eV sinkt (GZK-Effekt).
Ebenso ergeht es schweren Kernen. Die
Wechselwirkung der Protonen mit den
Photonen der Hintergrundstrahlung ist
ein Zufallsprozess. Daher kann man nur
eine Wahrscheinlichkeit ausrechnen, mit
der ein Teilchen mit bestimmter Anfangsenergie mit einer bei uns gemessenen Energie ankommt. Das Diagramm
zeigt, wie die mittlere Energie von Protonen unterschiedlicher Anfangsenergie
mit der zurückgelegten Strecke im intergalaktischen Raum abnimmt. Beispiel:
Ein Teilchen, das bei uns mit 3.5  1020
eV ankommt und mit 1021 eV gestartet
ist, kann nicht viel mehr als 20 Mpc (ca.
65 Mio. Lj) zurückgelegt haben (rote
Kurve).
1022
mittlere Energie [eV]
laktischen Raum durchdringt, abgelenkt
werden. Die Teilchen bewegen sich daher
nicht auf geraden Bahnen und verlieren
auf ihrem Weg durch den Kosmos jegliche Information über ihren Ursprung.
Nur die Teilchen mit den höchsten Energien werden aufgrund ihrer großen
Durchdringungskraft nicht wesentlich
abgelenkt, und ihre Flugrichtung weist
auf ihre Ursprungsregion zurück.
Gänzlich unbeeinflusst von galaktischen und intergalaktischen Magnetfeldern bleiben hingegen elektrisch neutrale Teilchen, wie Photonen und Neutrinos,
die gemeinsam mit den geladenen Teilchen in den Quellen auf hohe Energien
beschleunigt werden. Ihr Nachweis liefert
deshalb genaue Informationen über den
Herkunftsort.
Fragt man nach den möglichen Quellen der Kosmischen Strahlung, so muss
man sich darüber klar werden, dass die
Beschleunigungsmechanismen
nichtthermischer Natur sein können. Unter
extremen Bedingungen erreicht thermische Strahlung Energien von maximal 103
Elektronenvolt, viele Größenordnungen
weniger als die Energien, die in der Kosmischen Strahlung zu finden sind. Stattdessen müssen kollektive Prozesse eine
Rolle spielen, die es erlauben, den Ausfluss an Energie einer Quelle effizient auf
eine relativ geringe Anzahl von Teilchen
zu übertragen.
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1020
1019
1
10
100
Reichweite [Mpc]
fach durch die Stoßwelle diffundieren.
Ein Teilchen, das, egal von welcher Seite,
durch die Stoßwelle dringt, sieht jeweils
Materie auf sich zu fliegen und gewinnt
durch die Wechselwirkung mit ihr Energie. Als mechanisches Analogon kann ein
Tischtennisball betrachtet werden, der
zwischen zwei Tischtennisschlägern hin
und her fliegt, während sich die Schläger
aufeinander zu bewegen. Bei jedem Stoß
mit einem der Schläger wird der Ball beschleunigt und gewinnt so Energie.
 Galaktische Quellen: SupernovaÜberreste sind heute die besten Kandidaten für die Beschleuniger der Kosmischen
Strahlung unseres Milchstraßensystems
bis hin zu Energien von 1016 Elektronenvolt. Die maximale erreichbare Energie ist
im Wesentlichen durch die Lebensdauer
von Supernova-Stoßwellen, oder anders
gesagt, durch die maximale Beschleunigungszeit von im Mittel etwa 10000 Jahren gegeben.
Neben dem attraktiven Beschleunigungsmechanismus sprechen zwei weitere Argumente für die Supernova-Überreste als Beschleuniger. Bei einer erwarteten
Rate von einer Supernova-Explosion innerhalb von 30 Jahren in unserer Galaxis
muss nur ein Anteil von etwa zehn Pro-
1000
104
zent der Energie der Stoßwelle auf die beschleunigte Materie übertragen werden,
um die Energiedichte der Kosmischen
Strahlung unseres Milchstraßensystems
zu erzeugen. Theoretische Rechnungen
zeigen, dass dies leicht möglich sein sollte. Des Weiteren wird durch die Stoßwellenbeschleunigung auf einfache Weise ein
universelles Energiespektrum erzeugt,
das nicht von den Besonderheiten der Supernova abhängt. Zwar verläuft das Energiespektrum am Ort der Beschleunigung
flacher als das auf der Erde gemessene, der
Unterschied lässt sich aber durch Energieverluste und eine damit verbundene Aufsteilung des Spektrums verstehen.
Neben den Supernova-Überresten
gibt es noch weitere mögliche Orte für
die Quellen kosmischer Kandidaten: Die
gewaltigen elektrischen Felder in den direkten Umgebungen von Pulsaren oder
Stoßwellen im Bereich von Pulsarwindnebeln könnten als Beschleuniger fungieren. In Röntgen-Doppelsystemen wird
Materie durch ein massereiches kompaktes Objekt, zum Beispiel ein Neutronenstern oder Schwarzes Loch, von einem
Begleitstern angezogen (akkretiert). In
dem Akkretionsprozess bildet sich eine
Scheibe aus Materie um das massereiche
Objekt, und senkrecht dazu schießen re-
lativistische Materieströme ( Jets) weit in
den interstellaren Raum hinaus. Innerhalb der Jets bilden sich Stoßwellen, in
denen Teilchen bis zu Energien von 1016
Elektronenvolt beschleunigt werden können.
 Extragalaktische Quellen: Die akkretierende Komponente eines RöntgenDoppelsystems ist die energieärmere Version von Kernen aktiver Galaxien (Active
Galactic Nuclei, AGN). In den AGN befindet sich ein massereiches Schwarzes Loch
mit einer typischen Masse von einer Milliarde Sonnenmassen. Das Loch akkretiert Materie aus der Galaxie. In den dabei entstehenden relativistischen Jets mit
Längen von bis zu vielen hunderttausend
Lichtjahren bilden sich Stoßwellen, die es
ermöglichen, Teilchen auf allerhöchste
Energien zu beschleunigen. AGN gelten
heute als wahrscheinliche Kandidaten für
die Beschleuniger der Kosmischen Strahlung bis hin zu den höchsten Energien.
Aussterbende Protonen
Wir empfangen Licht von AGN, die mehrere Milliarden Lichtjahre entfernt sind.
Diese Galaxien können jedoch nicht die
Quellen für die Kosmische Strahlung der
höchsten Energien sein, die auf der Erde
nachgewiesen wird. Auf dem Weg zur
Erde durchdringt jede Strahlung der AGN
die kosmische Hintergrundstrahlung, die
das gesamte Universum gleichmäßig erfüllt. Es handelt sich um eine elektromagnetische Strahlung, die sich etwa 300000
Jahre nach dem Urknall, als das Universum für Licht durchlässig wurde, von
der Materie entkoppelte und in der weiteren Expansion des Universums auf die
heutige Temperatur von 2.7 Kelvin abgekühlt hat. Die kosmische Hintergrundstrahlung wird daher auch das Echo des
Urknalls genannt.
Licht kann sie ungehindert durchdringen. Dagegen stellt sie für die Teilchen der
höchsten Energien ein nahezu undurch-
dringliches Hindernis dar. Bei ProtonenEnergien von etwa 1019 Elektronenvolt
steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das
Proton mit einem Photon der kosmischen Hintergrundstrahlung wechselwirkt, plötzlich drastisch an. Die Energie
des Proton-Photon-Systems erreicht die
Energieschwelle für die Produktion eines
Teilchens, der so genannten Delta-Resonanz, das wiederum in ein Proton oder
Neutron und weitere Teilchen zerfällt. Als
Folge dieses Prozesses sterben die höchstenergetischen Protonen mit zunehmender Entfernung zu ihren Quellen aus.
Unter der Annahme einer gleichmäßigen Verteilung der Quellen im Univer-
sum führt die Wechselwirkung mit der
kosmischen Hintergrundstrahlung zu
einer starken Abnahme des Spektrums
der Kosmischen Strahlung bei Energien von etwa 1019 Elektronenvolt. Dieses
Phänomen heißt GZK-Effekt, benannt
nach Kenneth Greisen, Georgi Zatsepin
und Vadem Kuzmin, die in der Mitte der
60er Jahre kurz nach der Entdeckung der
kosmischen Hintergrundstrahlung, auf
diesen Prozess hingewiesen haben (siehe
Kasten links).
Der GZK-Effekt wirkt sich nur dann
nicht sichtbar aus, wenn die Quellen der
höchstenergetischen Kosmischen Strahlung innerhalb einer Entfernung von ma-
Nachweis kosmischer Gammastrahlung
mit Cherenkov-Teleskopen
D
ie Lichtgeschwindigkeit innerhalb
eines Mediums ist kleiner als die
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. Bewegt sich ein geladenes Teilchen innerhalb eines Mediums schneller als das
Licht, so entsteht Cherenkov-Strahlung.
Dabei verliert das Teilchen Energie.
Ein hochenergetisches Gammaquant,
der in der oberen Atmosphäre auf Atome der Luft trifft, erzeugt einen Teilchenschauer (»Sekundärteilchen«). In
etwa zehn Kilometern Höhe ist die Teilchendichte am größten, zum Erdboden
hin nimmt sie ab. Die Teilchen bewegen
sich mit Geschwindigkeiten, die größer
als die Lichtgeschwindigkeit innerhalb
von Luft sind, und erzeugen dabei Cherenkov-Licht.
Dieses wird vorzugsweise innerhalb
eines schmalen Kegels ausgestrahlt,
welcher um die Einfallsrichtung der Teilchen zentriert ist. Der Kegel beleuchtet am Erdboden ein kreisförmiges Gebiet von etwa 250 Metern Durchmesser.
Ein einfallendes Gammaquant mit einer
Energie von 1012 Elektronenvolt erzeugt
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am Boden etwa 100 Photonen pro Quadratmeter des Cherenkov-Lichts, welche
innerhalb weniger Nanosekunden ankommen.
Ein Teleskop, welches sich innerhalb
des Lichtkegels befindet, und einen
ausreichend großen Spiegeldurchmesser
besitzt, ist in der Lage, das CherenkovLicht nachzuweisen (Graphik links). Die
mit einem einzelnen Teleskop gewonnene Aufnahme des Lichts hat das Aussehen einer Leuchtspur, welche auf die
Himmelsposition deutet, von der die
Gammastrahlung kam. Die Intensität
der Leuchtspur ist umso größer, je höher die Energie des Gammastrahls ist.
Um die genaue räumliche Verteilung
des Luftschauers zu rekonstruieren,
werden mehrere Teleskope benötigt.
Deshalb werden zum Beispiel bei den
Teleskopen HESS, CANGAROO III und VERITAS mehrere gleichartige Systeme eingesetzt, die wie ein großes Stereoskop
arbeiten, indem sie denselben Schauer
aus unterschiedlichen Blickwinkeln beobachten (Graphik rechts).
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ximal 150 Millionen Lichtjahren liegen.
In dieser, auf astronomischen Skalen eher
geringen Entfernung, ist die Anzahl möglicher AGN als Quellen der Kosmischen
Strahlung begrenzt. Daher wird auch die
Möglichkeit diskutiert, dass die höchstenergetische Kosmische Strahlung nicht
von Beschleunigern erzeugt wird, sondern ein Zerfallsprodukt schwerer, bisher
unbekannter Teilchen ist. In jedem Fall
gibt es heute weder eine ausreichende experimentelle Evidenz für den GZK-Effekt
noch für den Ursprung der höchstenergetischen Kosmischen Strahlung.
Gammastrahlenastronomie
Zur Zeit werden weltweit große Anstrengungen unternommen, um die Quellen
der Kosmischen Strahlung zu identifizieren. Verschiedene Experimente fahnden dabei nach hochenergetischer Gammastrahlung, suchen nach hochenergetischen kosmischen Neutrinos oder
vermessen das Spektrum der Kosmischen
Strahlung bei den höchsten Energien.
Die Analyse hochenergetischer Gammastrahlung eignet sich in hervorragender Weise für die Suche. Zum einen werden die Photonen der Gammastrahlung
in Magnetfeldern nicht abgelenkt, ihre
Flugrichtung zeigt somit direkt zum Ort
ihrer Entstehung zurück. Zum anderen
werden die Photonen durch Wechselwirkungen hochenergetischer Kosmischer
Strahlung in den Quellen erzeugt. Gammastrahlungsquellen sind somit sehr
wahrscheinlich auch Ursprungsorte von
Kosmischer Strahlung.
Unsere Atmosphäre ist undurchsichtig für Gammastrahlung, und die Beobachtung ist direkt nur mit Satelliten oder
auf der Erde indirekt durch den Nachweis
von Sekundärprodukten möglich. Bei
Energien von 106 bis 1010 Elektronenvolt
sind die Photonenflüsse noch so groß,
dass mit den auf Satelliten realisierbaren
Nachweisflächen ausreichend Photonen
aufgezeichnet werden können. Oberhalb
von 1010 Elektronenvolt hingegen kann
30
STERNE UND WELTRAUM
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Gammastrahlenastronomie nur mit bodengestützten Experimenten betrieben
werden.
Die erfolgreichste Nachweistechnik
auf dem Boden ist die der abbildenden
Cherenkov-Teleskope: Trifft ein Gammaquant auf unsere Atmosphäre, so bildet sich – ähnlich wie im Falle geladener
Teilchen – ein Luftschauer. Die geladenen Teilchen des Luftschauers senden
ein bläuliches Licht aus, das so genannte
Cherenkov-Licht (siehe Kasten »Nachweis
kosmischer Gammastrahlung mit Cherenkov-Teleskopen« auf Seite 29). Teleskope am Erdboden sammeln dieses Licht
und bilden es auf eine Kamera ab, die somit ein Bild des Luftschauers in der oberen Atmosphäre aufzeichnet. Der Lichtkegel des Cherenkov-Lichts hat auf dem
Boden einen Radius von 120 Metern.
Ein Cherenkov-Teleskop kann daher alle
Luftschauer nachweisen, deren gedachter
Auftreffpunkt auf dem Boden sich innerhalb eines Abstands von bis zu 120 Metern zum Teleskop befindet. Insgesamt
ergibt sich somit für ein Cherenkov-Teleskop eine große Nachweisfläche: etwa
50000 Quadratmeter.
Auf jeden Luftschauer aus Gammaquanten entfallen jedoch im Mittel 1000
Luftschauer, die von der geladenen Kosmischen Strahlung ausgelöst werden. Die
Teilchenkomponente der Kosmischen
Strahlung stellt somit einen hohen Untergrund für die bodengebundene Messung von Gammastrahlung dar. Es gibt
jedoch charakteristische Unterschiede,
die es erlauben, diesen Untergrund zu unterdrücken. Im Unterschied zu den Luftschauern, die von Protonen oder schweren Kernen ausgelöst werden, sind die
von Photonen induzierten eng gebündelt. Zudem trifft die Kosmische Strahlung aus allen Raumrichtungen mit gleicher Intensität auf die Erde, wohingegen
Gammastrahlung aus der Richtung ihrer Quellen kommt. Die unterschiedliche
Form des Luftschauers und die zusätzliche Richtungsinformation ermöglichen
es, den Untergrund von geladener Kosmischer Strahlung sehr effizient zu unterdrücken.
Den Druchbruch in der bodengebundenen Gammastrahlenastronomie erbrachte im Jahre 1989 die Entdeckung
des Krebsnebels im Licht der Gammastrahlung bei Photonenergien oberhalb
von 1011 eV. Der Krebsnebel ist auch heute noch die stärkste stetige Gammastrahlungsquelle und dient als die Standardkerze der Gammastrahlungsastronomie,
an der neue Experimente überprüft und
geeicht werden können.
Neuartige Observatorien
für den Gammabereich
In den letzten Jahren ist eine neue Generation von Gammastrahlungsteleskopen
entstanden, mit der es möglich ist, Quellen nachzuweisen, die nur ein Hundertstel so stark strahlen wie der Krebsnebel.
Diese Observatorien verteilen sich in
idealer Weise auf der Erde, so dass eine
vollständige Überwachung des gesamInfrarot
Optisch
hochenergetische Gammastrahlung
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Abb. 5: Himmelskarten der mit
HESS beobachteten Gammastrahlungsintensitäten aus der Richtung der galaktischen Supernova-Überreste RX J1713.7–3946
(links) bzw. RX J0852–4622
(rechts). Die Konturen geben die
jeweils mit dem Satelliten ASCA
gemessene
Röntgenintensität
wieder. (Bild: Aharonian et al./
HESS Collaboration)

Abb. 6: Die galaktische Ebene in
verschiedenen Wellenlängen. Der
dargestellte Ausschnitt reicht
von +35° bis –35° galaktischer
Länge und von +4° bis –4° in
galaktischer Breite. Das obere
Band zeigt die Milchstraße im
Infrarotlicht, gemessen mit dem
Satelliten IRAS. Die Infrarotstrahlung lässt sich im Wesentlichen
auf die Emission von Staub zurückführen, der durch das Sternenlicht erwärmt wird. Das mittlere Band zeigt ein optisches
Bild. Der größte Teil der Milchstraße ist durch die erwähnten
Staubwolken verdeckt. Die Sterne im Vordergrund liegen nahe an
unserem Sonnensystem. Das untere Band zeigt denselben Himmelsausschnitt im Licht hochenergetischer Gammastrahlung. Die
einzelnen Quellen sind klar zu
erkennen. Die große helle Quelle ist der Supernova-Überrest
RX J1713.7–3946 (vgl. Abb. 5).
(Bild: IRAS Sky Survey Atlas Explanatory Supplement, A. Mellinger, HESS)
ten Himmels möglich wird (siehe Abb. 1).
Auf der Nordhalbkugel steht auf der Kanaren-Insel La Palma das Teleskop MAGIC (Major Atmospheric Gamma Imaging
Cherenkov Telescope). Auf der anderen
Erdseite in den Vereinigten Staaten ist das
Teleskopsystem VERITAS (Very Energetic
Radiation Imaging Telescope Array System) teilweise fertiggestellt. Die Südhalbkugel wird durch das Experiment HESS
(High Energy Stereoscopic System) im
Khomas-Hochland in Namibia und das
System CANGAROO III (Collaboration of
Australia and Nippon for a Gamma Ray
Observatory in the Outback) in Australien abgedeckt. HESS, VERITAS und CANGAROO III sind stereoskopische Systeme,
bestehend aus mehreren Teleskopen, die
von einem einzelnen Luftschauer gleichzeitig mehrere Aufnahmen erstellen. Die
stereoskopische Beobachtung führt zu
einer deutlich verbesserten Untergrundunterdrückung und Rekonstruktion des
Gammaquants gegenüber einem Einzelteleskop.
Der große Fortschritt in der Empfindlichkeit der Instrumente zeigt sich in der
Beobachtungszeit, die nötig ist, um den
Krebsnebel zweifelsfrei nachzuweisen.
Waren es bei der Entdeckung vor 15 Jahren noch 50 Stunden Beobachtungszeit,
so weist ein Experiment wie HESS den
Krebsnebel heute innerhalb von nur 30
Sekunden nach.
Der Himmel über HESS
Gerade mit HESS wurden im letzten Jahr
spektakuläre Durchbrüche erzielt. Erstmals gelang es, Bilder von ausgedehnten
Quellen im Licht der Gammastrahlung
zu erhalten. Abb. 5 zeigt die Himmelskarten der Gammastrahlungsintensitä-
ten, die HESS aus der Richtung der Supernova-Überreste RX J1713.7–3946 und RX
J0852–4622 registrierte. Die Farbskala
ist ein Maß für die Gammastrahlungsintensität. Deutlich ist in beiden Fällen die
Schalenstruktur des Supernova-Überrests zu erkennen. Mit dem Nachweis der
Schalen als Quellen der Gammastrahlung ist der Beweis gelungen, dass dort
Teilchen, entweder Elektronen oder Protonen, durch Stoßwellen bis auf Energien
von 1014 Elektronenvolt beschleunigt
werden. Es bleibt aber zu zeigen, ob diese
Supernova-Überreste die lange gesuchten
Beschleuniger der Protonen, des überwiegenden Teils der Kosmischen Strahlung,
sind und ob sie Teilchenenergien von 1015
Elektronenvolt hervorrufen können.
Gammastrahlung kann sowohl von
Protonen als auch von Elektronen hoher Energie erzeugt werden. Treten Protonen mit Materie in Wechselwirkung,
so entstehen neutrale Pionen, die sofort
in Photonen zerfallen. Liegt die Energie
der Protonen im Bereich bis zu 1014 Elektronenvolt, so weisen die resultierenden
Photonen gerade diejenigen Energien auf,
die von HESS nachgewiesen wurden.
Hochenergetische Elektronen können ebenfalls Gammaquanten erzeugen,
und zwar durch Streuprozesse mit den
am Ort der Beschleunigung vorhandenen
niederenergetischen Photonen. Dabei
übertragen die Elektronen Energie auf die
Photonen. Der Beitrag der Photonen aus
Elektronstreuprozessen zur gesamten
Gammastrahlungsleistung einer Quelle hängt entscheidend von der Stärke der
Magnetfelder am Ort der Beschleunigung
ab. Starke Felder führen zu einem starken
Energieverlust der Elektronen durch Synchrotronstrahlung. Daher wird der Ener-
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31
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Abb. 7: Schematischer Aufbau
des Experiments ICECUBE. Es besteht aus mehreren Strängen von
Photosensoren, die in einer Tiefe
von etwa 2000 Metern unter dem
Eis installiert werden.
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Abb. 8: Die Installation einer Linie von Photosensoren von ICECUBE. Zu sehen ist das Kabel, das
zusammen mit den Photosensoren in einem Loch versenkt wird.
Das Loch wurde zuvor von einem
Heißwasserbohrer gebohrt. (Bild:
John Jacobson)
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gieverlust durch Streuprozesse stark unterdrückt.
Das Magnetfeld im Bereich von Supernovae ist in der Regel nicht ausreichend
genau bekannt. Unter sehr plausiblen Annahmen deutet aber die mit HESS gemessene Gammastrahlung auf Beschleunigungsprozesse von Protonen in den beiden großen Supernova-Überresten hin. Es
scheint sich zu bestätigen, dass Supernova-Überreste Quellen Kosmischer Strahlung sind. Ob der zweifelsfreie Nachweis
möglich ist, werden die Messungen und
Untersuchungen in den nächsten Jahren
zeigen.
Ein weiterer großer Durchbruch gelang ebenfalls mit HESS im letzten Jahr.
In der ersten empfindlichen Durchmusterung des inneren Teils der Milchstraße
entdeckte HESS 15 neue Quellen hochenergetischer Gammastrahlung (Abb.
6), wodurch sich die Anzahl bekannter
Quellen dieser Art verdoppelte. Erstmalig konnte gezeigt werden, dass es mit
bodengebundenen Gammastrahlungs32
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März 2006
experimenten möglich ist, unabhängig
von den Ergebnissen aus anderen Wellenlängenbereichen nach Quellen zu suchen und diese auch zu finden. Eine weitere Überraschung der Durchmusterung
war der Nachweis von mindestens drei
Quellen, die keine bekannte Radio- oder
Röntgenquelle als Gegenstück besitzen.
Radio- oder Röntgenstrahlung ist in der
Regel Synchrotronstrahlung hochenergetischer Elektronen.
Es ist möglich, dass die Radio- oder
Röntgenstrahlung dieser unbekannten
Quellen absorbiert wird und darum bisher nicht nachgewiesen werden konnte.
Es kann aber auch sein, dass es sich hier
um Quellen handelt, die ausschließlich
Protonen beschleunigen, wobei jedoch
aufgrund der großen Masse der Protonen
die Abstrahlung von Synchrotronstrahlung stark unterdrückt ist. Vielleicht handelt es sich bei den unbekannten Quellen
um wesentliche bisher nicht bekannte
Beschleuniger der Protonen der Kosmischen Strahlung. Zur Zeit wird durch tie-
fe Beobachtungen bei anderen Wellenlängen versucht, die Gegenstücke zu den
unbekannten Quellen zu finden.
Die Gammastrahlenastronomie ist
mit den Ergebnissen von HESS in eine
neue Phase getreten. Es ist jetzt möglich,
detailliert die Morphologie von ausgedehnten Quellen zu untersuchen und
empfindliche Durchmusterungen durchzuführen. Außerdem wurden bereits im
ersten Jahr des Messbetriebs von HESS viele neue Quellen und Quelltypen entdeckt,
auf die hier nicht im Detail eingegangen
werden kann. Es ist zu erwarten, dass
die Gammastrahlungsexperimente weitere entscheidende Beiträge zur Lösung
des Rätsels der Quellen der Kosmischen
Strahlung liefern werden.
Neutrinoastronomie
Um die Quellen der Protonen und Kerne
der Kosmischen Strahlung zweifelsfrei
zu finden, müssen Teilchen nachgewiesen werden, die ausschließlich bei Wechselwirkungen von Protonen und Kernen
wohl bei den Neutrinos aus der Sonne
wie auch jenen aus der Supernova handelt es sich um niederenergetische Neutrinos, die nicht von Kosmischer Strahlung erzeugt wurden.
Bisher ist es, trotz großer experimenteller Anstrengungen, nicht gelungen,
hochenergetische Neutrinos aus einer der
wahrscheinlichen Quellen Kosmischer
Strahlung zu entdecken. Schon der Nachweis einiger weniger Neutrinos aus Richtung einer möglichen Quelle könnte der
direkte zweifelsfreie Beweis für die Beschleunigung Kosmischer Strahlung sein.
Neutrinoteleskope
Bereits seit einigen Jahren in Betrieb sind
die Neutrinoteleskope BAIKAL im sibirischen Baikalsee und AMANDA (Antarctic
Muon and Neutrino Detector Array) am
Südpol.
Für derartige Teleskope werden große Volumina transparenter Materie, wie
Wasser oder Eis, mit Photosensoren instrumentiert. Große Volumina sind nötig, um bei den erwarteten Neutrinoflüssen vernünftige Zählraten zu erreichen.
In den seltenen Fällen, in denen ein Neutrino mit einem Wassermolekül wechselwirkt, erzeugt das dabei entstandene
Myon einen Cherenkov-Lichtblitz, den
die Photosensoren aufzeichnen. Ein Gitter von Photosensoren erlaubt die Richtungsrekonstruktion des Myons. Für sehr
hochenergetische Neutrinos stimmt die
Flugrichtung mit derjenigen des erzeugten Myons überein.

mit Materie erzeugt werden und deren
Nachweis eine Identifikation der Quellen erlaubt. Glücklicherweise stellt die
Natur mit den Neutrinos solche Teilchen
zur Verfügung. Diese sind elektrisch neutral und weisen ein sehr großes Durchdringungsvermögen auf. Sie spüren ausschließlich die schwache Kernkraft und
können daher große Materieansammlungen ohne Wechselwirkung durchdringen.
Neutrinos sind ideale Botschafter aus dem
Kosmos und erlauben es, nach den Quellen der Kosmischen Strahlung zu suchen.
Auf der anderen Seite ist es das große
Durchdringungsvermögen oder, anders
gesagt, die geringe Wechselwirkungswahrscheinlichkeit, die den Nachweis von
Neutrinos zu einer großen experimentellen Herausforderung werden lässt. Um
die in der Sonne erzeugten Neutrinos mit
Energien von einigen Megaelektronenvolt
auf die Hälfte der ursprünglichen Anzahl
zu verringern, wäre eine Bleiabschirmung
mit einer Dicke von etwa einem Lichtjahr
(1016 m) erforderlich. Dass der Nachweis
kosmischer Neutrinos dennoch möglich
ist, haben Raymond Davis und Masatoshi
Koshiba in ihren Pionierarbeiten gezeigt,
für die beide im Jahre 2002 mit dem Nobelpreis für Physik geehrt wurden.
Davis hat über viele Jahre hinweg Neutrinos vermessen, die uns aus dem Zentrum der Sonne erreichen. Masatoshi
Koshiba konnte darüber hinaus mit dem
Kamiokande-Detektor erstmalig Neutrinos aus einer Supernova-Explosion, der
Supernova SN 1987A, nachweisen. So-
Abb. 9: Ein Wassertank des Observatoriums AUGER. Im Hintergrund sind die Gipfel der Anden
zu sehen. (Bild: Auger-Kollaboration)
Die Experimente müssen jedoch einen hohen Untergrund von Myonen unterdrücken, die in den Luftschauern enthalten sind. Erreicht wird dies zum einen
dadurch, dass die Photosensoren der Teleskope tief im Eis beziehungsweise Wasser installiert werden und zum anderen,
indem die Experimente nach Myonen
suchen, die von unten, aus der Richtung
der Erde kommen. Das Teleskop AMANDA zum Beispiel befindet sich in einer Tiefe von etwa 2000 Metern im Eis des Südpols und beobachtet von dort aus den
Nordhimmel.
Die Myonen aus Luftschauern sind in
großer Tiefe stark unterdrückt. Als Untergrund verbleiben aber Myonen aus
Wechselwirkungen von Neutrinos, die
in der Atmosphäre auf der dem Detektor gegenüber liegenden Erdseite erzeugt
werden. Diese sogenannten atmosphärischen Neutrinos sind gut geeignet, um
die prinzipielle Funktionsweise der Nachweistechnik zu demonstrieren. Das Experiment AMANDA konnte bis heute eine
große Anzahl von etwa 3000 Neutrinos
nachweisen und hat damit die Wirksamkeit dieser Nachweistechnik eindrucksvoll belegt. Es wurde aber bei den gemessenen Neutrinos keine signifikante Häufung aus der Richtung einer möglichen
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Literaturhinweise und Internetadressen
Claus Grupen: Astroteilchenphysik – Das
Universum im Licht der Kosmischen
Strahlung. Springer 2001. ISBN 3540-41542-4. Englischsprachige aktualisierte Neuauflage: Astroparticle
Physics – The Universe in the Light
of Cosmic Rays. Springer 2005. ISBN
3-540-25312-2. (siehe Rezension auf
S. 88.)
Hans V. Klapdor-Kleingrothaus, Kai
Zuber: Teilchenastrophysik. Teubner
1997, ISBN 3-519-03094-2.
Michael Burton: Astronomie am Ende
der Welt. SuW 12/2004, S. 20.
Heinz Völk: Offizieller Beginn des Projekts HESS der Gamma-Astronomie in
Namibia. SuW 7/2000, S. 526.
Heinz Völk: HESS nimmt Messbetrieb
auf. SuW 4/2003, S. 16.
Heinz Völk: Gamma-Astronomie mit abbildenden Cherenkov-Teleskopen, Teil
1: Astronomische und physikalische
Grundlagen. SuW 11/1999, S. 948.
Teil 2: Erste Ergebnisse und Pläne für
die Zukunft. SuW 12/1999, S. 1064.
Christian Spiering: Neutrinojagd am
Südpol. AMANDA und ICECUBE. SuW
12/2004, S. 30.
Astroteilchenphysik in Deutschland: www.astroteilchenphysik.de
Das Projekt HESS in Namibia: www.mpi-hd.mpg.de/hfm/HESS/HESS.html
Teleskop MAGIC auf La Palma: http://magic.mppmu.mpg.de/
Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System (VERITAS): http://veritas.
sao.arizona.edu/
Teleskop CANGAROO III: http://icrhp9.icrr.u-tokyo.ac.jp/c-iii.html
Ausführliche Link-Sammlung zum Thema Kosmische Strahlung: www.mpi-hd.mpg.
de/hfm/CosmicRay/CosmicRaySites.html
Grundlagen der Teilchenphysik. Lernprogramm des Fachbereichs Didaktik der Physik der Universität Erlangen-Nürnberg: www.didaktik.physik.uni-erlangen.de/
grundl_d_tph/titelseite.html
The Cosmic ray connection. The Berkeley Lab Cosmic Ray Telescope Project.Anleitung zum Selbstbau eines Myonen-Detektors. www.lbl.gov/abc/cosmic/
Quelle gefunden. Es handelt sich bei den
Neutrinos mit hoher Wahrscheinlichkeit
ausschließlich um atmosphärisch erzeugte Teilchen.
Am Südpol wird zur Zeit ein noch größeres Neutrinoteleskop aufgebaut. Das
Teleskop ICECUBE wird aus einem Kubikkilometer instrumentierten Eises bestehen und die Empfindlichkeit von AMANDA um mehr als eine Größenordnung
übertreffen. Es ist geplant, dass das Experiment im Jahr 2010 seinen Betrieb vollständig aufnimmt (Abb. 7 und 8). Die ersten Photosensoren wurden bereits im Eis
installiert. Es ist zu erwarten, dass spätestens mit ICECUBE der Nachweis von hochenergetischen kosmischen Neutrinos gelingen wird.
Auch auf der nördlichen Hemisphäre
der Erde befinden sich große Neutrinoteleskope. Diese suchen den Südhimmel
nach Neutrinoquellen ab. Das bereits erwähnte Experiment BAIKAL wird ab 2007
durch das Teleskop ANTARES ergänzt. Es
befindet sich etwa 40 Kilometer vor der
südfranzösischen Küste nahe Toulon, in
einer Tiefe von 2500 Metern. Die Empfindlichkeit dieses Teleskops entspricht
in etwa jener des heutigen Experiments
AMANDA. ANTARES wird das erste funktionstüchtige Neutrinoteleskop in Salzwasser sein und dient unter anderem als
eine notwendige Vorstufe für das einen
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Kubikkilometer große Neutrinoteleskop, das Projekt KM3NET, im Mittelmeer.
KM3NET soll im Jahre 2012 den Messbetrieb aufnehmen. Damit wird in nicht
allzu ferner Zukunft eine vollständige
Abdeckung des gesamten Himmels mit
Neutrinoteleskopen erreicht.
Das Observatorium AUGER
Sowohl die Neutrinoastronomie als auch
die Gammastrahlenastronomie messen
im Energiebereich unterhalb von 1018
Elektronenvolt. Aber auch oberhalb von
1018 Elektronenvolt sind zweifelsfrei Teilchen nachgewiesen worden. Diese können nach unserem heutigen Verständnis
nur an extremen astrophysikalischen Orten erzeugt werden, wenn nicht gar durch
Prozesse entstehen, von denen wir heute
noch keine Vorstellung haben. Außerdem
scheint der Verlauf des Flusses der Kosmischen Strahlung bei Energien oberhalb
von 1019 Elektronenvolt abzuflachen, und
bisher zeigt sich kein eindeutiges Anzeichen für den erwarteten GZK-Abfall aufgrund der Wechselwirkung höchstenergetischer Protonen mit der kosmischen
Hintergrundstrahlung. Nur ist die Anzahl
der gemessenen Ereignisse wegen des geringen Teilchenflusses bei diesen höchsten Energien sehr klein.
Oberhalb von 1020 Elektronenvolt
sind bisher weltweit nur etwa ein Dut-
zend Ereignisse nachgewiesen worden.
Mit dem Observatorium AUGER wird es
möglich sein, im Energiebereich oberhalb von 1019 Elektronenvolt etwa 100
Ereignisse pro Jahr nachzuweisen und
damit die Datenlage in diesem Energiebereich deutlich zu verbessern. Das
Spektrum der Kosmischen Strahlung
kann dann mit bisher unerreichter Präzision vermessen werden. Unter Umständen können sogar die Quellen dieser
höchstenergetischen Strahlung identifiziert werden.
Das Experiment befindet sich in der
argentinischen Pampa in der Nähe von
Malagüe und beobachtet von dort im Wesentlichen den Südhimmel. Um die große
Anzahl von Ereignissen in jedem Jahr zu
sammeln, wird AUGER (Abb. 9) nach seiner Fertigstellung mit seinen 1600 Nachweisstationen und 24 Fluoreszenz-Teleskopen eine riesige Fläche von rund 3000
Quadratkilometern überdecken (siehe
Beitrag ab Seite 36 ff). Das Experiment
hat bereits erste kosmische Teilchen mit
Energien oberhalb von 1020 Elektronenvolt gemessen.
Das Rätsel wird gelöst
Wir erleben eine Zeit, in der von verschiedenen Seiten versucht wird, den Ursprung der Kosmischen Strahlung zu enträtseln. Gammastrahlungsexperimente
vermessen die möglichen Quellen mit
bisher nicht erreichter Präzision. Neutrinoteleskope werden in naher Zukunft die
Empfindlichkeit erreichen, die es ermöglichen sollte, erste Quellen hochenergetischer Neutrinos zu entdecken. Und das
Observatorium AUGER wird in den nächsten Jahren einen wesentlichen Beitrag
zur Frage der Kosmischen Strahlung bei
den höchsten Energien liefern. Uns stehen sehr spannende Zeiten bevor, und es
ist durchaus möglich, dass das Rätsel der
Beschleuniger der Kosmischen Strahlung
seinen einhundertsten Geburtstag nicht
mehr erleben wird.
□
Christian Stegmann
forschte am CERN und
am DESY-Zeuthen. Bis
2005 war er leitender wissenschaftlicher
Mitarbeiter der HESSArbeitsgruppe an der
Humboldt-Universität Berlin. Gegenwärtig ist
er Professor für Astroteilchenphysik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Untersuchungen von Supernova-Überresten und Pulsaren im Bereich hochenergetischer Gammastrahlung.
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