Bachelor in de Taal- en letterkunde: twee talen "Duitse taalvaardigheid II" (Ba2) Kursleiter: Dr. Torsten Leuschner Studienjahr 2005-2006 Wörter des Jahres 2005 6. Jamaika-Koalition von Nina van wettere Nathalie Stockman überarbeitet von Torsten Leuschner Inhalt 1. 2. 3. Der Ausdruck Jamaika-Koalition 1.1. Ursprung in Dormagen 3 1.2. Bekanntheit durch Schönenborn 3 1.3. Farbensymbolik 4 Die Jamaika-Koalition in der Politik 2.1. Definition 6 2.2. Das Programm einer Jamaika-Koalition 6 2.3. Der Weg zur großen Koalition 8 Quellen 10 2 1. Der Ausdruck Jamaika-Koalition 1.1. Ursprung in Dormagen Die erste Jamaika-Koalition hatte ihren Ursprung in den Koalitionsverhandlungen nach einer Bürgermeisterwahl in Dormagen (Nordrhein-Westfalen). Die Bezeichnung “Jamaika-Koalition” wurde dort angeblich am 6. September 1994 von Hans-Bernd Schmitz, dem Redaktionsleiter des Anzeigenblattes Schaufenster, erfunden und in einer Kolumne dieser Zeitung verwendet, um eine mögliche Koalition im Stadtrat zu beschreiben. Doch gibt es auch ernst zu nehmende Stimmen, die den Dormagener Kommunalpolitiker Hans Wingerath als Urheber bezeichnen. Er soll den Begriff schon Mitte 1994 verwendet haben. Wer genau der Erfinder ist, scheint also unsicher zu sein. Sicher ist aber, dass er im Jahre 1994 in Dormagen erfunden worden ist. 1.2. Bekanntheit durch Schönenborn Allgemeine Bekanntheit erlangte der Ausdruck Jamaika-Koalition im Herbst 2005 nach der Bundestagswahl. Am 15. September sprach Tom Levine in einer Analyse möglicher Wahlergebnisse schon von einer „Jamaika-Connection“. Am 18. September, also am Abend der Bundestagswahl, wurde der Ausdruck Jamaika-Koalition erstmals im ZDF von Helmut Markwort benutzt. Schon 5 Minuten später wurde er auch in der ARD von WDRChefredakteur Jörg Schönenborn erwähnt, der ihn im Laufe des Abends noch häufig verwendete und so wesentlich zu seiner Popularisierung beitrug. Deswegen wird Jörg 3 Schönenborn sogar als der Schöpfer des Ausdrucks bezeichnet. Er scheint ihn „neu“ erfunden zu haben. Tatsächlich gibt es über die Erfindung des Ausdrucks Jamaika-Koalition zwei Versionen: die des Dormagener Blattes Schaufenster und die des WDR. Laut dem heutigen Chefredakteur des Schaufenster wollten er und sein damaliger Chef, Hans-Bernd Schmitz, zunächst etwas mit Früchten machen: gelbe Paprika, grüne Avocado oder so. Aber dann habe einen Karabik-Urlaub seinen Chef auf einen Gedanken gebracht. Er habe schnell die Farben der Nationalfahne Jamaikas nachgesehen, und die Idee war geboren. WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn sieht das anders: Eine Flaggendatenbank habe dem ARD geholfen, eine griffige Formulierung für die Farbkombination Schwarz-Gelb-Grün zu finden. Zusammen mit einigen anderen habe Schönenborn eine Alternative zu der bis dahin verwendeten Bezeichnung „schwarze Ampel“, kurz: „Schwampel“, gesucht. Jamaika sei das einzige Land gewesen, das sie mit dieser Farbkombination gefunden hätten. 1.3. Farbensymbolik Laut dem Flaggenlexikon steht die Farbe Schwarz für „Schwierigkeiten der Vergangenheit, aber auch der Gegenwart“. Für Grün und Gelb sieht es besser aus: Grün symbolisiert die Hoffnung und die Landwirtschaft; Gelb steht für die Naturschätze und das Sonnenlicht. Die Medien stürzten sich schon Anfang an auf die Jamaika-Koalition und überschlugen sich mit Erklärungen und Artikeln zum Thema. Schnelligkeit und Quantität sind nicht immer gleichbedeutend mit Qualität. So schreibt z.B. die renommierte FAZ: 4 „In der Flagge Jamaikas steht die Farbe Schwarz für die Härten der Vergangenheit und der Gegenwart [...] Das Grün symbolisiert in Jamaika die Hoffnung.“ Die offizielle Verlautbarung der jamaikanischen Regierung zur Farbsymbolik ihrer Nationalflagge lautet hingegen mit Bezug auf Schwarz: „Black depicts the strength and creativity of the people“. Schwarz beschreibt also die Kraft und Kreativität der Menschen. Die jamaikanische Botschafterin in Berlin, Marcia Gilbert-Roberts (Foto links), reagierte jedenfalls positiv auf die unerwartete Publicity für ihr Land: in der „Financial Times Deutschland“ versprach sie, falls es zu einer Jamaika-Koalition komme, das Kabinett in die Karibik einzuladen. Sie freute sich über die Wortschöpfung: „Es ist schön, dass wir dadurch in aller Munde sind. Wir finden das lustig und sehen es gelassen.“ Out of Many, One People" – aus vielen (Völkern) ein Volk" Wahlspruch Jamaikas 5 2. Die Jamaika-Koalition in der Politik 2.1. Definition Die Jamaika-Koalition ist eine Koalition zwischen CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Den Grünen. Eine solche Koalition wäre etwas Besonderes in der deutschen Politik, weil es sie auf Bundes- oder Landesebene noch nie gegeben hat. Für eine Jamaika-Koalition gibt es noch weitere Namen: Jamaika-Ampel, Schwarze Ampel, Schwampel oder einfach: Schwarz-Gelb-Grün. Der letztere Name zeigt auch, warum die Koalition „Jamaika-Koalition“ genannt wird: weil diese drei Farben die Farben der Nationalflagge Jamaikas bilden. 2.2. Das Programm einer Jamaika-Koalition Die Möglichkeit einer Jamaika-Koalition sorgte sowohl im Volk als auch in der Politik für Aufsehen. In der Politik hätte eine Jamaika-Koalition dazu geführt, dass andere, theoretisch mögliche, inhaltlich naheliegendere Parteienkombinationen (z.B. Rot-Gelb, Rot-Rot-Grün und die große Koalition, also Schwarz-Rot, auch „Maikäfer-Koalition“ genannt) keine Gelegenheit bekommen hätten, eine Koalition zu bilden. Im Volk hätte eine JamaikaKoalition positive Zukunftsaussichten für diejenigen bedeuten können, die meinten, dass frühere Koalitionen nur zum Stillstand geführt hätten und keine Kraft besäßen, das hochverschuldete Staatssystem zu reformieren. In gewisser Hinsicht hatte das Volk selber die Möglichkeit einer Jamaika-Koalition ins Spiel gebracht, denn es hatte mit seinen Stimmen ja dafür gesorgt, dass es wegen der schwachen Ergebnisse der Volksparteien keine eindeutigen Mehrheiten gab. 6 Deutschland hatte 2005 viele große Probleme, die dringend gelöst werden mussten: finanzielle Probleme durch staatliche Verschuldung, wirtschaftliche Probleme durch die steigenden Rohstoffpreise, ökologische Probleme, soziale Probleme durch Massenarbeitslosigkeit. Das Volk hoffte, dass eine neue Koalition diese Probleme würde lösen können. Im Oktober 2005 entwickelte der FDP-Politiker Joachim Falkenhagen eine Initiative zugunsten einer Jamaika-Koalition, um an der schlechten Lage Deutschlands etwas zu ändern. Falkenhagen verglich die Ziele der Parteien und fasste sie zu einem möglichen Koalitionsvertrag zusammen. Zu den Grundlinien sollte es gehören, den Staat zu begrenzen, die Steuern zu vereinfachen, die soziale Sicherung zu verbessern, Diskriminierungen abzubauen, die Krankenversicherung von den Arbeitskosten abzukoppeln usw. Ein konkreter Programmpunkt war die Abschaffung der Wehrpflicht, weil sie ein schwerer Eingriff in die Freiheit junger Männer sei. Diese Initiative kam aus dem Programm der FDP. Der nächste Punkt: Senkung der Staatsausgaben. Bei den Steuern sollte es einen „Jamaika-Tarif“ geben: “Für alle Mitbürger, deren Einkommen den persönlichen Freibetrag überschreitet, gilt ein einheitlicher Grenz-Abgabensatz von zunächst 42%.” Dann war die Rede von wirtschaftlichen Maßnahmen wie einer negativen Einkommenssteuer, Entlastungen für Unternehmen, Gewerbesteuer, Grundsteuer, Ökosteuer, Mehrwertsteuer. Auch medizinische und soziale Maßnahmen kamen zur Sprache: Sozialversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Sicherung der Renten. Der Verkehr war ein weiterer wichtiger Punkt: Der Entwurf sprach von einem Anti-Stau-Programm, von neuen Bundesstraßen und von einem Tempolimit auf Autobahnen (vor allem für Dieselfahrzeuge ohne Rußfilter). Der Bund müsse auch ein besseres Fernverkehrsnetz für Radfahrer entwickeln. Die Umweltpolitik solle dafür sorgen, dass mehr marktwirtschaftliche Methoden eingesetzt werden; die Energiepolitik solle dafür sorgen, dass die CO2-Emissionen mit Hilfe einer Primärenergiebesteuerung abnähmen. 7 2.3. Der Weg zur großen Koalition Falkenhagen gab zu, dass erste Sondierungen zwischen den Grünen und CDU/CSU nicht erfolgreich waren. Aber er hoffte weiter auf eine gemeinsame Zukunft der Jamaika-Parteien. Die kleinen Parteien müssten ihre Gemeinsamkeiten und Kompromisslinien für eine gemeinsame Koalition abstimmen und so weiter und so fort. Er skizzierte sogar schon einen Vorschlag zur Zahl Ämter und ihrer personellen Verteilung. Die Jamaika-Koalition war aber nur eine Idee, keine Realität. Die politischen Parteien machten zahlreiche, mehr oder weniger realistische Vorschläge zur Regierungsbildung, und die Jamaika-Koalition war nur einer davon. Einig waren sich alle Parteien in einem Punkt: Eine Koalition mit der Linkspartei (5. Platz bei der Bundestagswahl) lehnten sie ab. Vor diesem Hintergrund kam es am 22. September zu diesem Sondierungsgespräch zwischen CDU/CSU und den Grünen. Inzwischen hatte Gerhard Schröder am 18. September erklärt, dass er weiter Kanzler bleiben wolle. Am 23. September gab es Gespräche zwischen Bütikofer und Roth von den Grünen und Merkel und Stoiber von CDU/CSU. Der Spiegel warf Stoiber vor, ein Angsthase zu sein, weil er ständig seine Meinung ändere: Erst sei er für die Jamaika-Koalition, einige Tage später dagegen gewesen. Am selben Tag führten die SPD, die Grünen, die Union und FDP Gespräche miteinander. Warum, weiß man nicht, denn es ergaben sich keine Absprachen daraus. Am 10. Oktober 2005 schwanden die Chancen für eine Jamaika-Koalition: Zwischen SPD und CDU/CSU wurden die Eckpunkte einer möglichen großen Koalition besprochen. FDP und Grüne konnten sich nicht einigen, ob Merkel in einer Jamaika-Koalition Kanzlerin werden sollte oder nicht. Die Frage wurde irrelevant, als die Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD zugunsten Merkels ausgingen. Am 11. November stand die große Koalition, am 22. November wurde Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt. 8 Unter den Jamaika-Parteien waren es 2005 vor allem die Grünen gewesen, die sich einer Jamaika-Koalition widersetzten. Heute gibt es aber noch immer Gespräche zwischen „Jamaika-freundlichen“ Grünen und FDP-Abgeordneten, die durch die gemeinsame Oppositionsarbeit und die „Katerstimmung“ über das schwarz-rote Regierungshandeln vereint sind. Wahrscheinlich werden sie noch lange auf ihre Koalition warten müssen, denn es sieht nicht so aus, als ob es 2007 Neuwahlen gibt. 9 3. Quellen - http://de.wikipedia.org/wiki/Jamaika-Koalition - http://www.validome.org/blog/news/Item-14 - http://www.faz.net/s/RubAC861D48C098406D9675C0E8CE355498/Doc~EE4BBBB EE180E47218D614A2C95C00573~ATpl~Ecommon~Scontent.html - http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4771646,00.html - http://wahl.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4771646_TYP6_THE462428 0_NAV_REF37764_BAB,00.html - http://wahl.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4769210_REF_NAV_BAB,0 0.html - http://www.wdr.de/themen/politik/deutschland/bundestagswahl_2005/jamaika_dorma gen/index.jhtml?rubrikenstyle%3Dpolitik - http://www.jamaican-embassy-berlin.de/en/index.html 10