Anzeige »Emilia Galotti« Ursula Hobmaier & Hans-Werner Leupelt Hinter den Masken der Höflichkeit »Emilia Galotti« von Gotthold Ephraim Lessing ab 26. November 2013 im Kleinen Haus Eine epochale Uraufführung erlebt Braunschweig im Jahre 1772. Braunschweig, eine Kultur- und Theatermetropole jener Zeit, feiert anlässlich des Geburtstags von Herzogin Charlotte Philippine das neueste Stück Gotthold Ephraim Lessings: »Emilia Galotti«. Bis heute gehört das bürgerliche Trauerspiel zum Kernrepertoire der Theater weltweit – Zeit für eine Wiederbegegnung. Lessing, der im benachbarten Wolfenbüttel als Bibliothekar an der Herzog-August-Bibliothek arbeitete, übt mit seinem Stück »Emilia Galotti« radikale Kritik am Hof und den politischen Verhältnissen seiner Zeit. Sein oberster Dienstherr ist Herzog Karl I., der von 1735 bis 1780 am Braunschweigischen Hof regiert. »Karl war, in manchem Sinne des Wortes, ein Liebhaber: der Kunst, der Wissenschaft, der Liebe. Seines flachen Landes nicht, und auch nicht seiner dörflichen Landeskinder. 1776 verkaufte er 5700 seiner jungen Untertanen an die Engländer, die im Krieg mit ihren amerikanischen Kolonien lagen, mit den sich begründenden Vereinigten Staaten von Amerika. Dreitausend dieser verschacherten jungen Menschen fielen dort, Opfer eines Krieges, den sie noch weniger begriffen als sonst Soldaten Kriege begreifen.« (Dieter Hildebrandt: »Lessing. Eine Biographie«) »Der Prinz ist ein Mörder!« Die diesen Schrei ausstößt, ist die Gräfin Orsina, die verlassene, gekränkte Geliebte des Prinzen. Sie durchschaut die Intrige, deren Opfer Emilia Galotti am Ende wird: Auf dem Weg zur Hochzeit wurde der Wagen der Galottis überfallen und Graf Appiani, Emilias Verlobter, erschossen. Völlig verstört findet die junge Emilia sich wieder im Lustschloss des Prinzen. Unbekannte haben sie angeblich dorthin in Sicherheit gebracht. Noch ahnt Emilia nicht, dass sie das Opfer einer Intrige geworden ist: Noch am selben Morgen hatte der Prinz Emilia seine Liebe gestanden und seinen Vertrauten Marinelli beauftragt, die Eheschließung zu verhindern. Dass Emilia am Ende den Tod findet durch die Hand ihres eigenen Vaters, ist die Tragödie des Bürgertums, das sich – um sich gegen den herrschenden Adel zu behaupten – einem Moralbegriff unterwirft, dessen selbstzerstörerische Energie Lessing früh erkennt. »Der Hof als die Spitze des sozialen Entwicklungsprozesses war ein lautloses Schlachtfeld der eleganten Maskierten. Noch heute nennen wir ‚höflich‘, was einst die Umgangsformen am Hof charakterisiert« - so Peter von Matt in seinem Buch »Intrige. Theorie und Praxis der Hinterlist«: »Der Hof als geschlossenes System, wo alle um die Gunst des Herrschers buhlen und wo der Herrscher, um seine eigene Position zu sichern, die Höflinge immerzu gegeneinander ausspielt, entwickelt eine neue Kultur der sozialen Maske.« Eine epochale Veränderung, die bis in unsere Gegenwart reicht: Die soziale Existenz der Menschen hängt nun davon ab, wie gut sie ihre wahren Interessen und Leidenschaften hinter der Maske der Höflichkeit zu verbergen in der Lage sind. »Das darf aber nicht zur Meinung führen, der Kampf unter den Menschen sei zurückgegangen, das Potential des Streits auf Tod und Leben habe sich vermindert und der Friede auf Erden habe also zugenommen. […] Wo immer es weltweit hierarchische Machtstrukturen gibt, in Politik und Wirtschaft, an Universitäten und Spitälern, in Armeen und Beamtenapparaten, reproduzieren sich die Verfahren des Kampfes hinter den Masken des Höfischen, der Höflichkeit.« Was macht ein Theaterstück zum Klassiker? Welche Qualitäten muss es haben, um Bestand zu haben, obwohl die politischen Systeme und die gesellschaftlichen Voraussetzungen sich völlig geändert haben: »Im besten Fall ist der Klassiker logisch das, was auch Pop im besten Fall ist: nämlich ein Hit«, beantwortete der Literat und Theaterautor Rainald Goetz diese Frage. »Denn ein Merkmal, geradezu das Kardinalsymptom des Hits wie des Klassikers ist schließlich: dass er Mut macht, einem neue Kraft gibt, neue Stärke, neues Neu und neue Wut für die nächste neuerste Attacke.« Lessing brauchte viel Mut, Kraft, Stärke und sicher auch Wut, um seine humanistischen, demokratischen Grundsätze zu formulieren und öffentlich zu vertreten. Heute gilt er als einer der großen Aufklärer seiner Epoche, aber unter den Zeitgenossen gab es nur wenige, die ihn schätzten und seine intellektuelle Weitsicht erkannten. Für das, was Immanuel Kant wenige Jahre später als Programm der Aufklärung formulierte: »Sapere aude – habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen«, war Lessing ein Wegbereiter. Nicht nur sein theoretisches Werk – allen voran seine »Hamburgische Dramaturgie«, aber auch »Die Erziehung des Menschengeschlechts« sind Zeugnisse seines Muts – auch seine Stücke sind noch nach annähernd 250 Jahren fester Bestandteil der Spielpläne, weil in ihnen genau diejenigen Fragen destilliert sind, die in jeder Epoche aufs Neue gestellt und aufs Neue überprüft werden müssen: Fragen nach der Bereitschaft der Menschen, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für sich selbst, sondern für das gesellschaftliche Ganze. Am 16. November hatte »Emilia Galotti« im neu eröffneten LessingTheater in Wolfenbüttel Premiere. Am 26. November folgt die Premiere im Kleinen Haus am Staatstheater Braunschweig. Emilia Galotti von Gotthold Ephraim Lessing Regie Daniela Löffner Bühne Miriam Grimm, Daniela Löffner Kostüme Ernst Herlitzius Dramaturgie Christine Besier Mit Bea Brocks, Philipp Grimm, Ursula Hobmair, David Kosel, Hans-Werner Leupelt, Oliver Simon, Martina Struppek, Raphael Traub ab 26. November 2013 im Kleines Haus Weihnachten im Theater Adventskalender | Mitglieder des Hauses lesen Geschichten zur Weihnachtszeit 1. bis 24. Dezember | Foyer 2. Rang, Großes Haus Aida | Oper von Giuseppe Verdi 25. Dezember um 19.30 Uhr | Großes Haus Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren | 6+ 26. Dezember um 15.00 & 18.00 Uhr | Großes Haus Frau Müller muss weg von Lutz Hübner 26. Dezember um 19.30 Uhr | Kleines Haus Impressum: Staatstheater Braunschweig, Am Theater, 38100 Braunschweig | Generalintendant: Joachim Klement | Redaktion: Dramaturgie & Kommunikation | Foto: Volker Beinhorn | Gestaltung: Christina Wildgrube Verlag: Braunschweiger Zeitungsverlag GmbH & Co. KG, Hamburger Str. 277, 38114 Braunschweig Druck: Druckzentrum Braunschweig GmbH & Co. KG, Mittelweg 6, 38106 Braunschweig