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Berliner Morgenpost vom 5. August 2015
MusikYoung Euro Classic, das Olympia der Jugendorchester
Foto: Kai Bienert/ Young Euro Classic / MUTESOUVENIR | KAI BIENERT
Von Martina Helmig
Mit dem Young Euro Classic startet eins der erfolgreichsten Festivals für klassische
Musik. Dabei werden auch Baustellen zu Melodien.
Im Sommer verwandelt sich das Konzerthaus in ein Jugendzentrum. 1500
Nachwuchskünstler bringen mit dem Young-Euro-Classic-Festival Schwung in den
alten Schinkelbau. Vom Donnerstag an bis zum 23. August spielen 18 Orchester mit
Mitgliedern aus 44 Nationen beim größten Jugendorchestertreffen der Welt.
Seit 15 Jahren erreicht das Young Euro Classic scheinbar mühelos all das, was in der
Klassikszene als schwierig gilt. Das Festival zieht in Scharen junges Publikum an, die
Orchester spielen Neue Musik, vermitteln politische Botschaften, sprengen
Genregrenzen. Vor der ersten Ausgabe des Festivals im Jahr 2000 konnte man
durchaus skeptisch sein. Ein Festival mit jungen, größtenteils unbekannten
Laienorchestern? Wer sollte sich das anhören?
Fast alle Konzerte ausverkauft
Doch dann strömten die Jugendlichen neugierig ins Konzerthaus. Während sich
Orchester und Opernhäuser heute mit aufwendigen Education-Programmen sehr
darum bemühen, Jugendlichen einen Zugang zur klassischen Musik zu ermöglichen
und ihr Publikum zu verjüngen, waren die Grauhaarigen beim Young-Euro-ClassicFestival von Anfang an in der Minderheit. Und fast alle Konzerte im großen Saal des
Konzerthauses mit seinen 1412 Sitzplätzen waren ausverkauft.
Initiatorin Gabriele Minz war bei der Festivalgründung noch
Unternehmensberaterin. Sie holte den Künstlerischen Leiter Dieter Rexroth. und
schuf die Struktur: Die Jugendorchester bekommen prominente Schirmherren und
Paten an die Seite gestellt. 2015 nehmen neue Werke von neun Komponisten am
Wettbewerb teil. Am Anfang des Abends erklingt immer eine eigens komponierte
Festivalhymne, diesmal von Iván Fischer.
Erfolgreiches Crowdfunding
Zwei Arten von Jugendorchestern gibt es beim Festival: die nationalen und die
völkerverbindenden. Zur ersten Kategorie gehört das deutsche
Bundesjugendorchester, die norwegischen Ungdomssymfonikerne und das
Symphonieorchester der Tschaikowski Musikakademie Kiew, die direkt am Majdan
liegt. Die ukrainischen Musiker hätten wegen einer Kürzung der Mittel beinahe nicht
kommen können. Eine Crowdfunding-Aktion, bei der in zehn Tagen mehr als 10.000
Euro zusammengekommen sind, hat die Konzertreise gerettet.
Eine nationale Identität haben auch die vier Ensembles, die zum ersten Mal nach
Berlin reisen: das Jovem Orquestra Portuguesa, das Romanian Sinfonietta Orchestra,
das Guangzhou Youth Orchestra aus China und das National Youth Orchestera of
Great Britain. Besonders auf das Debüt des britischen Orchesters darf man sich in
diesem Jahr freuen, denn es ist das älteste und größte Jugendorchester der Welt, das
Stars wie Sir Simon Rattle hervorgebracht hat.
Musizieren über Grenzen hinweg
Jugendorchester, die sich aus mehreren Nationen zusammensetzen, haben immer
den Anspruch, junge Menschen über Kultur- und Ländergrenzen hinweg miteinander
ins Gespräch zu bringen. Um den Dialog zwischen Deutschen und Israelis geht es im
morgigen Eröffnungskonzert mit dem Young Philharmonic Orchestra Jerusalem
Weimar. Es setzt sich aus Musikstudenten der Konservatorien beider Städte
zusammen.
Das I, Culture Orchestra vereint Musiker aus Osteuropa. Sie stammen aus der
Ukraine, Polen, Moldau, Georgien, Belarus, Aserbaidschan und Armenien. Eine
besondere Initiative ist die Gründung des Young Euro Classic Friedensorchesters.
Junge Russen, Ukrainer, Armenier und Deutsche studieren während des Festivals
acht Tage lang Beethovens 9. Sinfonie ein und bringen sie beim Abschlusskonzert am
23. August zur Aufführung.
Intelligent, kreativ, eigenwillig
Das "Euro" im Namen führt in die Irre. Schon nach wenigen europäischen Jahren
öffnete sich das Festival für Jugendorchester aus der ganzen Welt. Diesmal ist es
überdurchschnittlich stark von Musikern aus dem Osten und auch von Frauen
geprägt. Die beiden chinesischen Dirigentinnen Huan Jing und Xian Zhang sind am
Pult zu erleben. Die türkische Komponistin Sinem Altan ist in Berlin bestens bekannt.
Sie hat ein Stück zum Thema Baustellen geschrieben, das der Beginn eines neuen
Zyklus werden soll. Aber auch auf die britische Komponistin Tansy Davies und ihre
mongolische Kollegin Zulan kann man gespannt sein.
"Intelligent, kreativ, eigenwillig" nannte Gabriele Minz ihr Festival auf der
Pressekonferenz am Dienstag im Konzerthaus. Das Überraschende und das Sprengen
von Grenzen gehören immer dazu. Das Bundesjugendballett war schon öfter zu Gast,
diesmal bringt es Tänzer des Londoner Just Us Dance Theatre mit.
Versuch mit Neuer Musik
Übermorgen setzen sie sich mit der technologischen Allgegenwart und der digitalen
Zukunft auseinander. Das O/Modernt Kammerorkester aus Schweden mixt Vivaldi
mit Pink Floyd, Muse und Dream Theater. Der schwedische Jazzposaunist Nils
Landgren erprobt mit jungen Musikern die Grenzen zwischen Klassik und Jazz.
"Hier spielt die Zukunft", lautet der Slogan des Festivals, das vom
Hauptstadtkulturfonds, Stiftungen und Sponsoren finanziert wird. Michael
Sanderling, der Dirigent des Eröffnungskonzerts, nannte das Festival bei der
Pressekonferenz "eine Olympiade der Jugendorchester". Die jungen Musiker
begegnen einander, lernen voneinander – und ein inoffizieller Wettbewerb ist es
natürlich auch.
Young Euro Classic, 6.-23. August, Konzerthaus am Gendarmenmarkt,
www.young-euro-classic.de
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