Entscheidung über das höchste Amt im Staat - LS

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2. KW 2017
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LS Journalismus und PR, Taunusstein
Das Redaktionsbüro von Lutz Schulmann
Hier wird bald ein neuer Hausherr einziehen: Schloss Bellevue, der direkt am Spreeufer gelegene Berliner Amtssitz des Bundespräsidenten.
Foto: Bundesregierung / Sebastian Bolesch
Entscheidung über das höchste Amt im Staat
Die Bundesversammlung wählt den Bundespräsidenten – 1.260 Wahlfrauen und Wahlmänner aus Bund und Ländern
Keine zweite Amtszeit: Joachim
Gauck.
Foto: Bundesregierung /
Guido Bergmann
Die bisherigen
Amtsträger
Theodor Heuss
FDP, 1949–1959
Heinrich Lübke
CDU, 1959–1969
Gustav W. Heinemann
SPD, 1969–1974
Walter Scheel
FDP, 1974–1979
Karl Carstens
CDU, 1979–1984
Richard von Weizsäcker
CDU, 1984–1994
Roman Herzog
CDU, 1994–1999
Johannes Rau
SPD, 1999–2004
Horst Köhler
CDU, 2004–2010
Christian Wulff
CDU, 2010–2012
Joachim Gauck
parteilos, seit 2012
Am 12. Februar 2017 ist es wieder soweit: Die Bundesversammlung tritt zur 16. Wahl des Bundespräsidenten zusammen. Alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages
und eine gleiche Anzahl von Wahlfrauen und Wahlmännern
aus den Ländern entscheiden über das künftige Staatsoberhaupt. In den ersten beiden Wahlgängen ist die absolute Mehrheit von 631 Stimmen erforderlich. In einem dritten
Wahlgang genügt die einfache Mehrheit.
Wenn die Bundesversammlung im Berliner Reichstagsgebäude zur Wahl des Bundespräsidenten zusammentritt, verbreitet sich eine feierliche Atmosphäre. Denn bei der Entscheidung über das zukünftige
Staatsoberhaupt geht es darum, das protokollarisch höchste Amt im Staat zu vergeben –
an einen Menschen, der in der
Lage ist, Deutschland nach
innen und in der ganzen Welt
angemessen und würdig zu
vertreten.
Persönlichkeit und
Integrationsfigur
Der Bundespräsident sollte
eine gestandene Persönlichkeit
und eine Integrationsfigur sein,
die einen positiven Einfluss
auf die soziale und politische
Stimmung im Land nehmen
kann, ohne sich in die Tagespolitik einzumischen. Der frühere Bundespräsident Johannes
Rau (SPD) brachte das auf den
Nenner „Versöhnen statt spalten“. In seiner Amtszeit (1999
bis 2004) setzte er sich für die
Integration von Ausländern
und für Minderheiten ein und
plädierte für eine geregelte
Einwanderungspolitik.
Schon der erste Bundespräsident, Theodor Heuss (FDP)
verlieh seiner Amtszeit (1949
bis 1959) eine eigene Note:
1952 hielt er im ehemaligen
Konzentrationslager BergenBelsen eine Gedenkrede, in der
er alle Deutschen dazu aufrief,
sich mit dem Holocaust auseinanderzusetzen. Und Richard
von Weizsäcker (CDU) hat sich
in seiner Amtszeit (1984 bis
1994) mit seiner berühmten Rede zur 40. Wiederkehr des Tages der deutschen Kapitulation
am 8. Mai 1945, den er als Tag
der Befreiung von Krieg und
nationalsozialistischer Diktatur definierte, in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingeschrieben.
Neben dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der
Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht gehört
der Bundespräsident zu den
Verfassungsorganen, deren Befugnisse so aufeinander abgestimmt sind, dass ein Gleichgewicht der Gewalten im Staat
ebenso gewährleistet ist wie
der Schutz vor der missbräuchlichen Anwendung politischer
Macht.
Die Aufgaben des Bundespräsidenten sind in Artikel 54
bis 61 des Grundgesetzes festgelegt. Er ist nicht für die Politik verantwortlich, sondern
soll jenseits der Auseinandersetzungen im politischen Tagesgeschäft als neutrale Kraft
ausgleichend wirken.
Erfahrungen aus
der Weimarer Republik
Diese politische Neutralität
ist den Erfahrungen aus der
Weimarer Republik geschuldet. Damals wurde der Reichs-
präsident für eine Amtszeit
von sieben Jahren vom Volk direkt gewählt. Er konnte Grundrechte außer Kraft setzen und
mit Notverordnungen regieren.
Seine Machtfülle trug mit zur
Zersetzung der jungen Demokratie bei, eine Erfahrung, die
den Müttern und Vätern des
Grundgesetzes 1949 noch in
bitterer Erinnerung war.
Der Bundespräsident vertritt die Bundesrepublik völkerrechtlich, unterzeichnet Ver-
träge mit anderen Staaten und
empfängt Botschafter und Diplomaten aus aller Welt. Auf
seinen Reisen repräsentiert er
Deutschland. Daneben unterzeichnet und verkündet er Gesetze. Er ernennt und entlässt
den vom Parlament gewählten
Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin und seine beziehungsweise ihre Bundesminister, aber beispielsweise auch
Bundesrichter und Offiziere.
Der Bundespräsident verfügt
über das Begnadigungsrecht.
Seit 1994 hat der Bundespräsident seinen Sitz im Schloss
Bellevue, direkt am Spreeufer
unweit des Parlamentsviertels.
Bellevue heißt übersetzt „Schöne Aussicht“. Das 1785/86 nach
den Plänen des Architekten
Michael Philipp Boumann als
dreiflügelige Anlage errichtete
Schloss diente dem Bundespräsidenten schon seit Ende
der 1950er Jahre als zweiter
Amtssitz, wenn er in West-Berlin weilte. Zur Durchführung
seiner Aufgaben steht dem
Bundespräsidenten das Präsidialamt zur Verfügung, das
sich in einem Neubau in 200
Metern Entfernung befindet.
Die Villa Hammerschmidt in
Bonn war seit 1950 Amtssitz
des Bundespräsidenten und ist
seit der Entscheidung von Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Jahr 1994, den ersten Amtssitz des Staatsoberhaupts nach Berlin zu verlegen, Bonner Amtssitz des Bundespräsidenten. Wenn sich der
Bundespräsident dort aufhält,
wird die Standarte auf dem
Dach des Gebäudes gehisst.
Amtszeit von
fünf Jahren
In der Regel wird der Bundespräsident alle fünf Jahre
gewählt. Eine Wiederwahl zu
einer zweiten Amtszeit ist
möglich. Mit den vorzeitigen
Rücktritten von Horst Köhler
im Mai 2010 und Christian
Wulff im Februar 2012 wurde
diese Fünfjahresfrist durchbrochen. Der amtierende Bun-
Gemeinsamer Kandidat der Großen Koalition: Frank-Walter Steinmeier (SPD). Foto: Thomas Köhler /
photothek.net
Geht für die Die Linke ins Rennen:
der parteilose Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge.
Foto: Wolfgang Schmidt
Kandidiert für die AfD: Albrecht
Glaser, einer ihrer stellvertretenden Sprecher. Foto: picture alliance /
augenklick / Minkoff
Wurde vom Landesverband Freie
Wähler Bayern aufgestellt: Alexander Hold.
Foto: Alexander Hold privat
Seite des
Deutschen
Bundestages
Fakten
zur Wahl
Die Wahl des Bundespräsidenten ist die einzige Aufgabe der Bundesversammlung. Nach dem Bundespräsidentenwahlgesetz wird die
Bundesversammlung vom amtierenden Bundestagspräsidenten geleitet, in diesem
Jahr also von Norbert Lammert (CDU). Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung für fünf Jahre gewählt. Eine einmalige
Wiederwahl ist zulässig. Die
Wahl erfolgt ohne Aussprache. Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum
Bundestag besitzt und das
40. Lebensjahr vollendet hat.
Zum Bundespräsidenten
ist gewählt, wer die Mehrheit der Stimmen der Bundesversammlung auf sich vereinigt. Es sind mehrere Wahlgänge möglich. Erreicht kein
Kandidat im ersten und zweiten Wahlgang die absolute
Mehrheit, reicht im dritten
Wahlgang die Mehrheit der
abgegebenen Stimmen (einfache Mehrheit).
Wer wird Hausherr im Schloss Bellevue?
Vier Kandidaten stellen sich zur Bundespräsidentenwahl
Noch residiert Joachim Gauck im Schloss Bellevue, dem ersten Amtssitz des Bundespräsidenten. Doch wer wird sein
Nachfolger? Es stehen voraussichtlich vier Kandidaten zur
Wahl. So viel scheint schon jetzt festzustehen: Es wird der
„Erste Mann im Staate“ gewählt. Bislang wurde eine Frau von
den Parteien jedenfalls nicht nominiert. Und auch die Mehrheitsverhältnisse lassen wenig Raum für Überraschungen,
denn die Delegierten von CDU/CSU und SPD haben sich auf
einen Kandidaten geeinigt und verfügen in der Bundesversammlung über die absolute Mehrheit.
Im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl haben sich die Parteien der Regierungskoalition
von CDU/CSU und SPD auf
Frank-Walter Steinmeier (SPD)
als Kandidaten verständigt. Der
promovierte Jurist (61) gilt in
Umfragen seit Jahren als einer
der beliebtesten Bundespolitiker. Als Bundespräsident könnten ihm seine langjährigen politischen Erfahrungen auf dem
internationalen Parkett zugute
kommen, denn Steinmeier ist
res besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und keinem Unternehmen angehören.
Die Partei Die Linke hat
Christoph Butterwegge nominiert. Der 64-jährige Professor
der Politikwissenschaften an
der Universität Köln ist als Armutsforscher bekannt. Die Partei Alternative für Deutschland
(AfD), die im Februar 2013 in
Berlin gegründet wurde und
inzwischen in insgesamt zehn
seit 2013 Bundesminister des
Auswärtigen und hatte bereits
in der Großen Regierungskoalition von 2005 bis 2009 das
Amt inne. Wenn er gewählt
wird, müsste er vor dem Amtsantritt sein Ministeramt niederlegen, denn laut Artikel 55
des Grundgesetzes darf der
erste Mann im Staat weder der
Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören. Er darf auch kein ande-
Länderparlamenten vertreten
ist, hat Albrecht Glaser, ihren
75-jährigen stellvertretenden
Bundesvorsitzenden, als Kandidaten benannt. Der 54-jährige Jurist Alexander Hold wurde vom Landesverband Freie
Wähler Bayern als Kandidat
für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Er wurde
einer breiteren Öffentlichkeit
bekannt durch die FernsehGerichtsshow „Richter Alexander Hold“.
MW
despräsident Joachim Gauck
hat sich gegen eine zweite
Amtszeit entschieden.
Wenn am 12. Februar 2017
der Nachfolger von Joachim
Gauck gewählt wird, treffen
alle 630 Abgeordneten des
Deutschen Bundestags mit
einer gleichen Anzahl von Delegierten aus den 16 Bundesländern im Reichstagsgebäude
zusammen. Die Bundesversammlung besteht also aus
1.260 Mitgliedern.
Föderale Struktur
spiegelt sich wider
Die Länderdelegierten werden von den Landtagen nach
den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Je größer also
eine Landtagsfraktion ist, umso
mehr Delegierte kann sie in die
Bundesversammlung entsenden. Die paritätische Beteiligung der Länderparlamente
garantiert, dass das Staatsoberhaupt die föderale Struktur der Bundesrepublik repräsentiert. Da bis zum 17. Februar 2017 keine Landtagswahlen mehr stattfinden, werden sich die Mehrheitsverhältnisse in den Länderparlamenten voraussichtlich nicht mehr
ändern.
Nach dem derzeitigen Stand
kommen 540 Mitglieder der
Bundesversammlung von CDU
und CSU, 384 von der SPD,
147 von Bündnis 90/Die Grünen. Die Linke ist mit 95 Wahlmännern und Wahlfrauen dabei,
die FDP mit 36 und die AFD
mit 35. Von kleinen Parteien
wie den Freien Wählern, der
Piratenpartei und dem Südschleswigschen Wählerverband
(SSW) werden insgesamt 23
Mitglieder entsandt.
Hape Kerkeling und
Olivia Jones mit dabei
Die meisten Delegierten, die
von den Länderparlamenten
entsprechend den Fraktionsstärken entsandt werden, sind
Landtagsabgeordnete, zum Teil
auch Kommunalpolitiker. Die
Landesparlamente schicken aber
zum Beispiel auch verdiente
Bürger und angesehene Künstler in die Bundesversammlung.
Für den NRW-Landesverband der CDU beispielsweise
wird der im Ruhrgebiet geborene Entertainer und Autor
Hans-Peter Wilhelm „Hape“
Kerkeling an der Bundesversammlung teilnehmen. Und die
rheinland-pfälzische SPD hat
sich – neben dem rheinlandpfälzischen DGB-Landesvorsitzenden Dietmar Muscheid –
für den Mainzer Musikkabarettisten Lars Reichow entschieden.
Der niedersächsische Landesverband von Bündnis 90/Die
Grünen schickt die so genannte
Drag Queen Olivia Jones, einen
in Springe geborenen Travestiekünstler, der mit bürgerlichem Namen Oliver Knöbel
heißt, zur Bundespräsidentenwahl nach Berlin. Für die Partei Die Linke wird unter anderen der Marburger Politikwissenschaftler Frank Deppe
an der Bundesversammlung
teilnehmen. Der bekannte Bonner Start-up-Unternehmensexperte Frank Thelen und die
Fechterin Britta Heidemann,
Olympiasiegerin in Peking 2008,
aus Köln wurden von der FDP
für die Bundesversammlung
ausgesucht.
Marianne Wollenweber
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