Die Alptransit-Basistunnel der Schweiz und ihre geologischen

Werbung
Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1993) 138/2: 105-119
Die Alptransit - Basistunnel der Schweiz und
ihre geologischen Grundlagen
Ralph W. Schoop, Zürich
Planung und Bau der Basistunnel der Alpentransversalen mit Längen von 35 und 50 km und einer
Gebirgslast von über 2000 m werden durch die geologischen Vorarbeiten und ihre Interpretation
stark beeinflusst. Vor allem die stark zerscherten Metasedimente des Gotthards müssen durch
besondere Baumassnahmen fIühzeitig gesichert werden, um keine Verzögerungen im Bau, der
vor allem mit Tunnel-Bohrmaschinen geplant ist, zu verursachen. Die unterschiedlichen Gesteinsverhältnisse von Gotthard und Lötschberg setzen für jede Basisvariante unterschiedliche
Arbeitsschwerpunkte.
Alptransit – The Railway Tunnels through the Base of the Swiss Alps – Geologic
Considerations
Planning and construction of the two rail tunnels through the Swiss Alps will be strongly
influenced by the geologic prognosis and its effectiveness in predicting zones of different
rockfabric. This is especially important in the Gotthard, where the former sedimentary cover has
been strongly altered during the alpine orogeny. An early treatment of these sheared shists and
sucrose dolomites will be necessaIy to avoid delays in the progression of the Fullbore Tunneling
Machines which will be used wherever possible.
Because of the length of the Gotthard tunnel, 50 km, and an overburden of up to 2500 m it is
planned to start construction from both ends and from one or two intermediate shafts in order to
optimize time and costs. About half of the Lötschberg tunnel (total length 35 km) will be in the
sediments of the Helvetic and Ultrahelvetic nappes. The flat lying folded marls and shales are
difficult to predict and require numerous shallow boreholes. The drainage system in the karstified
limestone of the Doldenhorn nappe is largely unknown and may cause problems during construction. Special attention has to be taken to avoid influencing the groundwater system of the deeply
incised valleys of the Kander and Gaster.
1 Einleitung
Mit dem Bau der Alpenbasistunnel Gotthard und Lötschberg wird die Schweiz
einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung des europäischen Transitverkehrs
leisten. Seit altersher bilden die Alpen eine Barriere für den Nord-Süd-Verkehr.
Im Lauf der Jahrhunderte wurden die Verbindungen zwar immer besser, eine
Reise über die Alpen war aber bis ins 19. Jahrhundert ein mühseliges Abenteuer.
Der Aufschwung der Eisenbahnen brachte eine Steigerung des Verkehrsvolumens mit sich, die eine völlig neue Lösung der Alpenüberwindung verlangte.
Im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts wurden mit Mut und euphorischem
Fortschrittsglauben die grossen Alpentunnel der Schweiz gebaut: Gotthard
1882, Simplon 1905, Lötschberg 1913. Doch was für das nächste Jahrtausend
genügen sollte, wurde durch den Lastwagenverkehr der 60er und 70er Jahre
buchstäblich überrollt. Die Forderungen nach noch mehr Mobilität und gleichzeitig nach einer Umweltentlastung können nur durch ein Umsteigen auf die
Schiene in ein Gleichgewicht gebracht werden. Diese Überlegungen führten in
106
Ralph W. Schoop
den 60er Jahren zu einer ersten Planung eines Basistunnels durch den Gotthard.
Im Rahmen einer europäischen Verkehrsplanung ist wenig später ein sehr
ambitiöses Projekt entworfen worden, ALPTRANSIT, über dessen geologischen Aspekte nun berichtet werden soll.
2 Generelles Verkehrskonzept
Die Zielsetzungen, die der Planung der Basistunnel zu Grunde liegen, sollen
noch einmal kurz in Erinnerung gerufen werden:
– der Verkehr wird, unabhängig von Wirtschaftsprognosen, weiter zunehmen;
– der Verkehr muss effizient und umweltschonend bewältigt werden;
– das einzige Transportmittel, welches diese Voraussetzungen erfüllen
kann, ist die Eisenbahn.
Um konkurrenzfähig zu sein, müssen die Züge mit höherer Geschwindigkeit
als bisher die Wirtschaftszentren Europas miteinander verbinden. Das ist nur
möglich, wenn im Bereich der Alpen Basisverbindungen gebaut werden, die
folgenden Bedingungen genügen:
minimale Steigung, die mit geringerem Energieaufwand grössere Hakenlasten ermöglichen (längere Züge),
– grosser Kurvenradius, dadurch gleichmässig hohe Geschwindigkeit (angestrebt wird 160-180 km/h),
– betriebs- und wartungssicher, damit Umleitungen oder Ausfälle trotz
dichtem Verkehr minimal bleiben.
Im Bereich der Alpen werden diese Idealforderungen, die im Flachland der
Bebauung und Umweltbedürfnissen angepasst werden müssen, durch die geologischen Gegebenheiten nur zum Teil erfüllt werden können (Bild 1).
Wichtige grundsätzliche Entscheidungen, wie Doppelspur- oder Einspurtunnel, Einsatz von Tunnelbohrmaschinen usw. sind direkt vom Zustand des
Gebirges abhängig. An Beispielen der beiden Basistunnel – Gotthard und
Lötschberg – werden die geologischen Randbedingungen dargestellt.
3 Geologische Übersicht und Problemstellung
Beide Tunnel werden den zentralen kristallinen Kern der Schweizer Alpen
durchqueren, der Gotthardtunnel die axiale Kulmination von Aare- und Gotthardmassiv, der Lötschbergtunnel das abtauchende Westende von Aare- und
Gasterenmassiv (Bild 2).
Im einzelnen bestehen jedoch grosse Unterschiede im geologischen Aufbau,
was zu unterschiedlichen Baubedingungen führen wird.
3.1 Gotthardachse
Der Basistunnel mit einer geplanten Länge von über 50 km und einer Gebirgsüberdeckung von bis zu 2500 m wird zu den längsten Tunnel der Erde gehören,
Die Alptransit-Basistunnel der Schweiz und ihre geologischen Grundlagen
107
Valence
(Marseille
Bild 1 Anschlussnetz der AlpTransit- Basistunnel (nach BAV 1991)
Fig. 1 AlpTransit base tunnels and connecting railway lines
mit geologischen Bedingungen, die ungleich differenzierter sind als bei den
bisherigen Bauwerken ähnlicher Länge (Bild 3).
Ein kurzer Blick in die Vorgeschichte der Alpen soll dies veranschaulichen.
Der zentrale kristalline Kern des Aare- und Gotthardmassivs ist ein heterogenes Gemisch von Gneisen, Graniten und metamorphen Sedimentfetzen: das
vorläufige Endprodukt der Kollision von Afrika und Europa.
Die Randschollen des Thetismeeres, des Vorläufers des Mittelmeeres, wurden im Verlauf der Einengung durch den Nordschub Afrikas zerbrochen,
übereinandergeschoben und in geologisch junger Zeit angehoben. Die Sedimentbedeckung wurde dabei zum Teil abgeschert und über die kristallinen
Massive nach Norden geschoben (Helvetische Decken), zum Teil mit dem
kristallinen Untergrund verfaltet und zerschert. Der Prozess der Alpenbildung
erfolgte in mehreren Schüben mit unterschiedlichen Richtungen, was zu verschiedenen Generationen von Faltungen und Zerscherung führte, die schwer
108
Ralph W. Schoop
Plateau Malasse. Terliwy of Hhee graben auf Lombardy
Subalpine Molars.
Plateau .l ro
Folded ,Ara
E] Basement 51 External Massifs
Upper Auslraelp;ne mopes
Lower
® Aulachlhanous cowl of External Massifs, Helaala and Ullrahelvelic noppes
Cover
Basement
Penninic noppes
La
Southern Alps
Tertiary Granites and Volcanics
Prealpine noppes and Penninic Flysch noppes
g Basement of Black Forest and Vosges
Bild 2 Tektonische Karte der Schweiz mit Basistunnel
Fig. 2 Tectonic map of Switzerland with base tunnels
Schematisches geologisches Längsprofil
Schächte Sedmn I II
N
Schacht Polmengo
mil Zugangsstollen
Arnsteg
NordPortal
rn o .M.
I
Brislenstock
l
Tavelsch
Lucomagno
P. Lai Blau
Levenlina
MOO
AAR-MASSIV
I IZ^
IZ = Intscht-Zone
la
cz
ra
TZM
la Fm
GOTTHARD-MASSIV
UGZ
1
PM
LD
{a
PENNINISCHE GNEISZONE
Levenlina-Decke
PM = Piora -Mulde
UGZ = Urseren -Garvera-Zone
LD = Lucomagno -Decke
TZM = Tavelscher Zwischenmassiv
CZ = Clavaniev-Zone
Bild 3 Geologisches Längsprofil des Gotthard- Basistunnels
(nach T.R. Schneider, 1992)
Fig. 3 Geologic profile along the Gotthard base tunnel
(after T.R. Schneider, 1992)
Bodio
SOdPortal
na AM.
Die Alptransit-Basistunnel der Schweiz und ihre geologischen Grundlagen 109
Sondierungen Tujetsch
geologisches Profil
Massstab 1:12.500
mü.M.
X
"S\ )\
,
1500
\/
k\
x
w
0.\
6=
Q
/`'
o
--\ \ \ \\ \
'?//
—1 \
4122 .80m
^^
I
•\:\ x•x ° 1 X x^ ^ 1 loll/' 1\\\\\\\ 543.30m
I I
8 3.50m
I \^ I /
• 1x t
.\\\\I I I \\I j
850m1 ^x
1000
I
_
l
1
1• \--ST unnettrasse 1
500II^1IMU^II11\©i ►^h/AQ
Legende
———
I 850m
I I CI
ti1l
1:•\1\1\\ZI
xI
I ( \\
\
\x\ , t11\\\\\
X
Aar - Massiv
I
^^
d.x
V
\\U
II
ClavanievZone
1|
Tavetscher Zwischenmassiv
Sondierkonzept : zwei 45 • - Schrägbohrungen von je ca
850m Länge
Bohrungen 1991
Sondierung 1993
Bild 4 Sondierbohrungen Tujetsch SB 1 und SB2 (aus T.R. Schneider, 1992)
Fig. 4 Boreholes Tujetsch SBl and SB2 (after T.R. Schneider, 1992)
110
Ralph W. Schoop
voneinander zu trennen sind. Allen gemeinsam ist die Schwächung des Gesteins in den Zonen intensiver Verformung. Hier nun ein Überblick der geologischen Einheiten, die der Basistunnel von Nord nach Süd durchqueren wird:
Am Nordportal verläuft die Trasse zunächst im Aarmassiv, quert erste
steilgestellte Sedimente der Intschizone und bleibt in den Gneisen und Graniten
des Aarmassivs bis in den Bereich unter Sedrun. Der Südrand des Massivs
grenzt an Metasedimente der Disentiser Zone, die im Bereich der Tunneltrasse
offenbar nur als Störungszone ohne erkennbare Sedimentfragmente den Übergang zum ebenfalls stark zerscherten Tavetscher Zwischenmassiv (TZM) bildet. Das TZM, eingequetscht zwisChen Aare- und Gotthardkristallin, wird im
Süden durch die Urseren-Garvera-Zone vom Gotthardmassiv getrennt. Der
südlichste Sedimentkeil, die Piora-Mulde, trennt das Gotthardkristallin von der
Penninischen Gneiszone, in welcher der Tunnel bis zu seinem Austritt bei
Bodio verlaufen wird.
Der Anteil der Sedimente beträgt zwar nur 15% der gesamten Strecke, ihre
überwiegend geringe Festigkeit stellt jedoch ein ernstes bautechnisches Problem dar. Die geologischen Untersuchungen konzentrieren sich deshalb in der
Vorphase auf die Erfassung der baulich schwierigen Strecken, ihrer Ausdehnung, Gesteinszusammensetzung und felsmechanischen Kenndaten. Zu den
vorbereitenden Untersuchungen der Geologen gehören neben der Kartierung
der Gesteine und Störungszonen auch Laboruntersuchungen über Scherfestigkeit, Quellbarkeit, Chemismus der Gebirgswässer sowie Temperaturmessungen im Feld. Diese Ergebnisse müssen noch in eine für die Bautechnik relevante
Form interpretiert werden, aus der die Vortriebsmethoden sowie besondere
Abstütz- und Sicherungsmassnahmen geplant werden können. Da diese Daten
schon in die frühe Phase der Gesamtplanung einfliessen, sind möglichst frühe
und sichere geologische Prognosen gefragt – eine schwer zu erfüllende Forderung, da Kartierungen und Bohrungen viel Zeit erfordern. Der Gebirgsaufbau
ist aus früheren Tunnel- und Stollenbauten in groben Zügen bereits einigermassen bekannt. Die Übertragung dieser Kenntnisse auf das tiefere Tunnelniveau
ist weitaus schwieriger, da die Schichtmächtigkeiten und ihre Zusammensetzung horizontal wie vertikal rasch ändern können und vor allem der Einfluss
der hohen Überlagerung auf die Festigkeit der Gesteine beim Erbohren noch
schlecht abzuschätzen ist. An zwei Tunnelabschnitten werden Untersuchungen,
Schlüsse und Konsequenzen näher erläutert.
3.11 Aaremassiv – Tavetscher Zwischenmassiv
Das Tavetscher Zwischenmassiv (TZM) ist durch eine schmale Zone stark
gestörter, zerriebener Schiefer, Phyllite und Sedimentschuppen der Disentiser
Zone vom Südrand des Aarmassivs getrennt. Die Fortsetzung dieser bautechnisch sehr ungünstigen Zone nach Westen, in den Bereich der Tunneltrasse, ist
durch ausgedehnte Hangrutschungen an der Oberfläche verborgen. Über eine
Länge von beinahe 2 km sind keine siCheren Vorhersagen über Ausdehnung
und felsmechanische Eigenschaften möglich. Auch die neuen Oberflächenkar-
Die Alptransit-Basistunnel der Schweiz und ihre geologischen Grundlagen 111
tierungen erlaubten noch zuviel Spielraum in der Interpretation auf Tunnelniveau. Um diese Datenlücke zu sChliessen, wurden im Herbst 19912 Schrägbohrungen abgeteuft, die unter einem Winkel von 45° das Gestein auf einer Länge
von je 850 m beproben sollten. Die Untersuchung der Bohrkerne, zusammen
mit geophysikalischen Messungen, würde die Bestimmung aller notwendigen
Gesteinsparameter erlauben, wie z. B. Scherfestigkeit, Grad der Verformung
unter Druck (Elastizitätsmodul), Chemismus usw.
Die nach Norden abgeteufte Bohrung erbohrte 378 m Phyllite und Schiefer
des TZM, durchquerte bis 701 m die ebenfalls stark zerrüttete Clavaniev-Zone
und wurde nach 853 m im Altkristallin des Aarmassivs eingestellt. Die Gesteine
des TZM waren meist fein verschiefert und von Brüchen durchsetzt, die oft
kakiritsch mit Gesteinsmehl gefüllt waren. Das Bohrloch verformte sich bei
Stillstand des Bohrgerätes in kürzester Zeit, was zu Einschränkungen im
Beprobungsprogramm führte.
Mesozoische Sedimente wurden nicht gefunden; das Mass der Verformung
übertraf die auf Grund der Oberflächenaufschlüsse gemachten Vorhersagen.
Die Süd-Bohrung musste aus diesem Grund schon nach 543 m aufgegeben
werden.
Die Auswertung der Gesteinsuntersuchungen ergab eine allgemeine Zunahme der Zonen mit sehr geringer Festigkeit. Eine Extrapolation der Ergebnisse
auf die etwa 600 m tiefere Tunneltrasse ist trotz linsiger Gesteinsausbildung
statthaft, da Schichtung und Störungen mit 70-90° Neigung einfallen und keine
grossen Veränderungen zu erwarten sind. Der südliche, noch unbekannte Abschnitt wird im Frühjahr 1993 mit einer weiteren Bohrung erkundet (Bild 4).
Scherfestigkeit, Verformung, Häufigkeit der Störzonen sind für die Wahl der
optimalen Vortriebsmethode entscheidend. Ein häufiger Wechsel der Methoden
während des Baus ist natürlich schon aus betrieblichen Gründen nicht möglich.
Es wird deshalb erforderlich sein, die Vielzahl der Gesteine in lithologische
Einheiten zusammenzufassen, felsmechanisch zu untersuchen und in GebirgsTabelle 1 Felstyp
Table 1
Rocktype
Felstyp
Lithologische Einheit
Rocktype Lithologic unit
A
Granite, Pegmatite, Leventina-Gneise, Amphibolite, massige Metaignimbrite
B
Quarz -Feldspatreiche Gneise, Amphibolite, Migmatite
C
Streifengneise
D
Leventina-Gneise verschert, normale Glimmergneise, Dolomite, Rauhwacken
(?), (Gneise des Permokarbon)
E
Glimmerreiche Gneise
F
Schiefer (Schiefer des Permokarbon)
G
Phyllite, Quartenserie, verschieferte Metaignimbrite (Phyllite des Permokarbon)
Ralph W. Schoop
112
felstypen weiter zu vereinfachen. Die Verteilung der Felstypen in den einzelnen
Bauabschnitten wird massgebend für die Vortriebsart sein.
Der Felstyp A (Tabelle 1) umfasst die bautechnisch günstigsten, der Felstyp
G die ungünstigsten lithologischen Einheiten.
Welche Unterschiede im Bohrfortschritt im Extremfall bestehen können,
wird am Beispiel der zweiten Problemzone, der Pioramulde, gezeigt (Bild 5).
3.12 Gotthardmassiv – Penninische Gneiszone
Das Gotthardmassiv, ein Kristallinkomplex von verschiedenen Gneisen und
Graniten, ist an seinem Südrand durch die eingefalteten Sedimente der Pioramulde von den Penninischen Leventina-Lucomagnio-Gneisdecken abgetrennt.
Die Piora-Sedimente gehören zur überschobenen Bedeckung des Gotthards,
einer schmalen Zone von metamorphen Sedimenten, die sich von Brig bis Ilanz
VORTRIEBSLEISTUNGEN IM SEITENSTOLLEN
EINFLUSS GEOLOGISCH UNGÜNSTIGER ZONEN
Jahre
TRIAS Leistung 0.22- 0.4 m /AT
GNEIS Leistung 6-20 m /AT
100
200
300
Lange (m)
AT = Arbeitstag a 3 Schichten zu Sh
Bild 5 Vortriebsvergleich in Gneis und kohitsionslosen Trias-Gesteinen (zuckerkörniger Dolomit) (nach PL-R 1991)
Fig. 5 Comparison of daily progress in meters/workshift in gneis and triassic sucrose dolomite
layers (after PL-R 1991)
Die Alptransit-Basistunnel der Schweiz und ihre geologischen Grundlagen 113
Alpentransit
Gotthard- Basistunnel
Sondiersystem Piora-Mulde
Bild 6 Sondiersystem zur Vorbehandlung der Dolomite der Piora -Mulde (nach T.R. Schneider,
1992)
Fig. 6 Proposed shafts for the stabilisation of sucrose dolomites of the Piora syncline (after
T.R. Schneider, 1992)
Bild 7 Vollschnitt Tunnelbohrmaschine (rechts im Bild Drehteller mit Bohrkronen)
Fig. 7 Full Diameter Tunnel Drilling Machine (rotating front end with drillbits at righthand
side)
114
Ralph W. Schoop
verfolgen lässt. Die Sedimente wurden während verschiedenen Phasen mit den
Massiven verfaltet, verschuppt und eingewickelt. Im Bereich der Tunnellinienführung, westlich des Lukmaniers, sind vor allem triadische Rauhwacken und
Dolomite neben Glimmerschiefern (Trias-Jura-Alter) an der Oberfläche aufgeschlossen. Die Dolomite, vorwiegend als Kalkdolomite und zuckerkörnige
Dolomite ausgebildet, könnten ohne Vorbehandlung enorme bautechnische
Schwierigkeiten bereiten und zu grossen Verzögerungen im Bau führen.
Mit verschiedenen Neukartierungen, Reflexionsseismik und einer Überarbeitung der Bohrung Gana-Bubeira wurde versucht, Tiefgang und Ausdehnung
der kritischen Dolomite auf Tunnelniveau zu bestimmen. Die Prognosen waren
mehrdeutig und erreichten keinesfalls die geforderte Genauigkeit und Sicherheit von wenigen Metern. Angesichts des Risikos für den Baufortschritt ist ein
Schacht von 5,5 km Länge etwas oberhalb Tunnelhöhe geplant, der mit einem
Zeitvorsprung von 2 Jahren auf den Beginn des Haupttunnels die Verfestigung
der kritischen Zone erlauben soll (Bild 6).
Die Gneise der Leventina-Lucomagnio-Decke sind bautechnisch nicht problematisch.
Auf zwei weitere Aspekte der Planung, die vom geologischen Befund
beeinflusst werden, soll kurz eingegangen werden:
Der Einsatz von Vollschnitt-Tunnelbohrmaschinen (TBM) ist ohne Zweifel
schneller und kostengünstiger als der konventionelle Vortrieb mit abwechselnder Sprengung und Ausräumung des Gesteins (Bild 7).
Für stark verformbare oder zerscherte Gesteine kommen aber nur konventionelle Methoden in Frage. Der heterogene Untergrund des Basistunnels wird
also in Abschnitte für TBM und für konventionellen Vortrieb aufgeteilt werden
müssen, solcherart, dass Zeit und Kosten optimiert werden (Bild 9).
Bei der grossen Länge des Basistunnels ist ein zeitlich gestaffelter Bohrbeginn von mehreren Zwischenschächten aus ohnehin vorgesehen (Bild 8).
Bei der Entscheidung über das Tunnelsystem, ob Doppelspur, ob 2 oder 3
Einspurröhren, sind die geologischen Verhältnisse primär für die Machbarkeitsfrage von Bedeutung. Andere Faktoren, wie Baukosten und Langzeitbelastungen (Unterhalt, Sicherheit, Flexibilität), sind hier entscheidend.
3.2 Lötschbergachse
Die Geologie des Lötschbergbasistunnels, mit einer Länge von über 30 km, war
zu Beginn der Planung weniger gut bekannt als der Gotthard, für welchen schon
im Rahmen früherer Projekte Kartierungen und Bohrungen ausgeführt wurden.
Im Gegensatz zum Gotthard verläuft beinahe die Hälfte der geplanten Trasse
in nicht metamorphen Sedimenten der Helvetischen und Ultrahelvetischen
Decken. Von Frutigen bis Gasterental durchquert der Tunnel, je nach Interpretation, die harten Taveyannaz-Sandsteine oder weichere Tonsteine des Ultrahelvetikum, verschuppte tonige Kalke, Sandsteine der Wildhorndecke, Tonund Mergelschiefer bis harte Kieselkalke der Doldenhorndecke. Südlich davon
wird zunächst das Autochton des Aarmassivs, dunkle Tonschiefer des Dogger
115
Die Alptransit-Basistunnel der Schweiz und ihre geologischen Grundlagen
BAUPROGRAMM GOTTHARD - BASISTUNNEL
E W I
25.03.92
AAR-MASSIV
SONDIERSYSTEM
PIORA-MULDE
INBETRIEBNAHME NACH
8 -9
JAHREN
1
®
®
o
L
gestaffelte
Vergabe
der Bauarbeiten
Bild 8 Bauprogramm Gotthard- Basistunnel (gestaffelter Baubeginn) (nach EWI/EB&P, 1992)
Fig. 8 Timetable for construction of base tunnel with staggered starting times for the intermediate lots (after (EWI/EB&P, 1992)
und der Trias angefahren, dann verläuft der Tunnel in den Graniten und Gneisen
des Aaremassivs und durchquert die metamorphen Gneise des Altkristallins des
Aaremassivs bis zum Südportal im Rhonetal. Die autochtonen Metasedimente
des Aaremassivs, mesozoische Sandsteine und Kalke am Nordhang des Lötschentals und unterjurassische Ton- und Kalkmergel von Gampel-Baltschieder
sind bautechnisch von geringer Bedeutung für die Gesamtplanung, während
die mesozoischen bis quartären Sedimente des Gasteren- und Kandertales einen
grossen Einfluss auf die Trassengestaltung haben können (Bild 10).
Als eine der ersten Fragen musste geklärt werden, auf welcher Talseite die
Trasse verlaufen wird. Vom Bau des bestehenden Lötschbergtunnels war zu
vermuten, dass die Schotterfüllung der Taltröge bis auf die geplante Tunnelhöhe von ca. 800 m reichen könnte. Mittels Bohrungen und reflexionsseismischen
Messungen wurde die Tiefe des Tales kartiert und festgestellt, dass schon bei
Kandersteg die Schotterfüllung bis unter 800 m ü. Meer reichte (Bild 11).
Weitere Überlegungen, wie z. B. die Gefahr der Verformung der Tone und
Mergel bei hohen Auflasten führten zum Entscheid, die Trasse auf die Westseite
des Tales bis südlich von Kandersteg zu legen. Dies erlaubt auch die Umfahrung des Öschinen-Bergsturzes, der die Hänge östlich von Kandersteg bildet.
116
Ralph W. Schoop
GOTTHARD-BASISTUNNEL
VORTRIEBSARTEN
iG GBT, EWI+LEH ?ri 3.0
Diensttunnel
TBM
Doppelspurtunnel
KONV.
®4
KONV.
2 EST
KONV,
KONV.
2 EST?
EM). <
TBM
<I
Bild 9 Vortriebsplan für verschiedene Tunnelsysteme in Abhängigkeit des Tunneldurchmessers
(grosse Doppelspurröhre hauptsächlich konventioneller Vortrieb) (nach EWI/EB&P, 1992)
Fig. 9 Variation of tunneling method as a function of diameter of main tunnel (large diameter
double track tunnel mainly conventional) (after EWI/EB&P, 1992)
Die steilen Wände des Gasteren- und Kandertales sind in ihrem oberen Teil
von Spalten und Klüften durchsetzt, die tief unter die Talsohle reichen können.
Ursache dieser Störungen ist vor allem die junge Hebung des Aarmassivs,
verstärkt durch die Entlastung der Talwände nach dem Rückzug der Gletscher.
Bautechnisch bedeuten die Klüfte Schwächezonen im Fels, ihre Ausdehnung
bis zum Taltrog kann eine Verbindung zum Grundwasserstrom bilden. Zusammen mit den Karstwässern der darüberliegenden Kalke der Drusberg- und
Wildhorndecke könnten so bedeutende Wassermengen in den Bau einfliessen,
falls keine Vorkehrungen dagegen getroffen werden. Der Kartierung der Klüfte,
ihrer Richtung, ihrem Tiefgang wird grosse Bedeutung beigemessen. Längs der
ganzen Talseite werden Kernbohrungen von einigen hundert Meter Tiefe durchgeführt, die neben den Daten über Felsfestigkeit auch Aufschluss geben über
Klüftung, Durchlässigkeit und Wasserführung des anstehenden Fels. Nur dadurch können die Grenzen von Wildhorndecke, Taveyannaz-Serie und Ultrahelvetikum mit ihren unterschiedlichen Festigkeitsparametern bestimmt werden.
Die Alptransit-Basistunnel der Schweiz und ihre geologischen Grundlagen Vorläufiges geologisches Profil längs Achse 92.20
117
.1
OPTIMISTISCHE PROGNOSE
. uoq na..
LNGME. [ 39G5
Wa
xüü ^^i a-^-
—^
M ..e
hm
MMa,Ny
I
GoalHOP/
ans
TAVEJANNAZ
SERIE
I
141L1110RN
AECKE
LASTERNGRANI I ALTKRISTALG III
AA REH A SSIU
PESSIMISTISCHE PROGNOSE
Bild 10 Geologisches Profil Lötschberg- Basistunnel (nach P. Kellerhals, APGLB, 1991)
Fig. 10 Geologic Profile along the Lötschberg base tunnel (from P. Kellerhals, APGLB, 1991)
;JEST
DST
0151T ION
Bild 11 Seismisches Profil des Kandertales bei Kandersteg mit geologischer InteIpretation aus
Bohrungen (aus Geoexpert, 1991)
Fig. 11 Seismic profile of the Kander valley at Kandersteg, geologic interpretation calibated at
boreholes (from Geoexpert, 1991)
118
Ralph W. Schoop
Morphologisches Einzugsgebiet der Kander ob Kandersteg
(Oeysteg) mit abflusslosen Teilgebieten
Ts;:hingellochru horn ti
- %—
--
Unterirdische Abflussrichtung Ct Quelle
Abflusslese Gebiete (Nummern siehe Tobelle 2t
Gosteretal . reduzierter Abfluss
Bild 12 Orographisches Einzugsgebiet der Kander mit abflusslosen Teilgebieten (schattiert)
(aus P. Kellerhals, 1991)
Fig. 12 Orographic drainage area of the river Kander with areas of no or reduced surface
drainage shaded (from P. Kellerhals, 1991)
Die Planung der Linienführung muss einerseits die grössere Verformbarkeit
der weichen Gesteine (Tonmergel, Tonschiefer) berücksichtigen, d. h. eine
möglichst geringe Überdeckung anstreben, anderseits die Talklüftung mit ihrer
potentiellen Wasserführung vermeiden, d. h. weit genug von den Talwänden
entfernt sein. Nur eine intensive geologische Erkundung erlaubt es, das Risiko
der unvermeidlichen Kompromisse einzuschätzen und zu minimieren.
Der Wasserhaushalt im sedimentären Bereich ist für die Tunnelplanung
wegen der Durchlässigkeit und Löslichkeit von kalkhaltigen Sedimenten von
grosser Bedeutung, da für die eventuell auftretenden Wasserzuflüsse aus dem
Karst geeignete, umweltgerechte Umleitungsmassnahmen geplant werden
müssen. Untersuchungen über die Abflussbilanz der Einzugsgebiete von Gaster
und Kander zeigen z. B. klar, dass beachtliche Restwassermengen durch noch
unbekannte Karstgänge und Höhlen nach Norden wie nach Süden abfliessen
müssen (Bild 12).
Die Alptransit-Basistunnel der Schweiz und ihre geologischen Grundlagen 119
Färbversuche, chemische Untersuchungen und verfeinerte Methoden zur
Erfassung der Wassermengen sind seit Anfang der Vorphase im Gang um die
Wasserwege besser zu erforschen. Der Einfluss des Tunnels auf die Thermalbäder Leukerbad und Brigerbad wird als sehr gering eingeschätzt, ausgedehnte
Untersuchungen werden jedoch erst nach Festlegung der endgültigen Trasse
auf Walliser Boden möglich sein.
Das Ziel der seit 1989 durchgeführten geologischen Arbeiten ist eine möglichst genaue Beschreibung aller geologischen Faktoren, die auf die Trassenwahl, das Tunnelsystem und die Bohrmethoden von entscheidendem Einfluss
sein können. Bis zum Abschluss dieser Vorphase Ende 1993 müssen alle
wichtigen Entscheidungen getroffen werden, die geologischen Prognosen mit
ihren Fehlergrenzen feststehen. Es wird nicht möglich sein, alle Risiken vorauszusehen und zu umgehen, die Wahrscheinlichkeit ihres Eintreffens lässt sich
jedoch mathematisch berechnen und durch gezielte Untersuchungen auf ein
vertretbares Mass verringern. Welche Arbeiten dazu unternommen werden,
wurde im Vorangehenden kurz umrissen. Bis zum Beginn des Tunnelbaus
werden die geologischen Untersuchungen weiter vertieft, während des Baus
sind begleitende geologische Arbeiten fester Bestandteil der Gesamtplanungl.
4 Literatur
Etter, U. (1992): Die Chiera-Synform, Kartierung einer Grossfalte in einer Sackungsmasse. VSP
Bulletin 135, 93-99.
Geoexpert AG (1991): AlpTransit Seismik 1990 (Auftrag BAV).
Ingenieurgemeinschaft Lötschberg-Basistunnel (1992): Feinvariantenvergleich, Bericht zur Geologie BE 48 (Auftrag BAV).
Kellerhals P. (1992): Geologie des Lötschberg-Basistunnels, Dokumentation SIA D 085.
Leu, W., Wyss, R. (1992): Geologische Aufnahmen und Prognoseprofil im Gebiet von Sedrun.
VSP Bulletin 135, 81-92.
Schneider, T.R. (1992): Auswertungen der Sondierungen Tujetsch 1991, Bericht 425ah (Auftrag
BAV).
Schneider, T.R. (1992): Geologie des Gotthard-Basistunnels, Dokumentation SIA D 085.
Schoop, R.W. (1992): Die neuen AlpentransveIsalen. VSP Bulletin 135, 5-12.
t Dank der Bereitschaft vieler geologischer Büros, Ingenieurgemeinschaften und der Projektleitung, ihre Arbeiten für eine sehr kurze Zusammenfassung zur Verfügung zu stellen, sind mir
diese Ausführungen, ursprünglich nur als Vortrag gedacht, ermöglicht worden:
Bundesamt für Verkehr, Projektleitung Bauvorhaben, Ingenieurunternehmen Ernst Basler und
Partner AG, Ingenieurgemeinschaft Lötschberg-Basistunnel, Dr. T.R. Schneider, Beratender
Geologe Gotthard-Basistunnel, Drs. Kellerhals und Häfeli AG, APG-Lötschberg-Basistunnel,
Drs. Leu und Wyss, Geoform AG, Dr. Etter, geologisches Büro, CRSFA, Sitten, SIA, Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein.
R.W. Schoop, Wehrenbachhalde 32, 8053 Zürich
Herunterladen