Review #1–#5

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Angeschaut — Review
Mangelernährung?
Allheilmittel?
?
Ja was
denn nun
Während in Diskussionen häufig behauptet wird, eine ­vegane
­Ernährung könne uns nicht mit allem versorgen, was wir ­brauchen,
sieht es im Internet ganz anders aus. Von mehr Fitness bis
zur Krebsheilung: laut diversen Webseiten alles kein Problem.
Die ­Wissenschaft sieht das etwas differenzierter.
Text: Valentin Salzgeber
B L A U F U X — A U S G A B E # 1 — N o v e m b e r 2 01 5
Neben Ethik und Ökologie ist eine weitere
­wichtige Motivation zu einer veganen Lebens­
weise häufig die eigene Gesundheit. Was die
Auswirkungen einer rein pflanzlichen Ernäh­
rung auf die Gesundheit angeht, sind aller­
dings viele Unwahrheiten und viel Halbwissen
im Umlauf. Vermutlich auch, weil es eben sehr
schwierig ist, dies wissenschaftlich zu unter­
suchen. Studie ist nämlich nicht gleich Studie.
Wie aussagekräftig eine solche ist, hängt von
ihrem Design ab. Idealerweise würde man eine
grosse Gruppe von zufälligen Probandinnen
und Probanden dazu auswählen, sich vegan zu
­ernähren, um dann zu beobachten, ob sie sich
anders entwickelt als eine Kontrollgruppe. In
der Praxis ist dies sehr schwer umzusetzen.
—
14
Viel einfacher ist es, vegane Menschen mit nicht
veganen zu vergleichen. Bei solchen Studien ist
es jedoch schwierig, zu sagen, was die tatsäch­
liche Ursache ist. Liegt es tatsächlich an der Er­
nährung oder daran, dass Vegane sich generell
gesünder verhalten? Weil viele Fragen noch un­
beantwortet sind, bleibt B L A U F U X am Ball und
informiert sich darüber, was die Wissenschaft
zu berichten weiss. In jeder Ausgabe fassen wir
dann für euch zusammen, was es Neues gibt. Für
die allererste Ausgabe haben wir für euch eine
Übersicht zusammengestellt.
Die Energiezufuhr mit Kohlenhydraten,
Fett und Proteinen liegt meist im empfohlenen Bereich. Dies gilt auch für die Aufnahme
der verschiedenen Fettsäuren, also nicht zu
viele gesättigte und ausreichend ­ungesättigte.
Weniger enthalten sind jedoch die beiden
­
Fettsäuren EPA und DHA. Theoretisch kann
der Körper diese selbst herstellen, jedoch ist
die Umwandlungsrate so gering, dass eine
Supplementa­tion sinnvoll sein könnte. Die Studienlage hierzu ist allerdings recht dünn. Bei
­Kindern wird eine Supplementation empfohlen,
da während der Wachstumsphase möglichst
­keine Risiken eingegangen werden sollten.
Vitamin-B12-Quellen gibt es keine verlässlichen in der pflanzlichen Ernährung. Insbesondere Spirulina scheint eher negative
Effekte auf den Vitamin-B12-Status zu haben.
Auf www.vegan.ch/b12 finden Sie Informationen, wie Sie Ihren Vitamin-B12-Bedarf decken
können. Vitamin D ist generell nur in ungenügender Menge in der Nahrung enthalten.
Über 50% der Schweizer Bevölkerung haben
eine ungenügende Vitamin-D-Versorgung.
Unabhängig von der Ernährungsweise ist eine
Supple­mentation zu empfehlen.
Weder bei Kindern noch bei
­Erwachsenen hat die Höhe der Kalziumzufuhr oder des Konsums von
Milchprodukten eine Auswirkung
auf die Knochenstabilität.
Protein findet sich in einer Vielzahl an
pflanzlichen Nahrungsmitteln, insbesondere in
Fleischalternativen (Seitan, Tofu, Lupine), Nüssen und Sojamilch. Wird ausreichend Protein
zugeführt, stimmt in der Regel auch die Kalorienzufuhr. Trotz zahlreicher kalziumhaltiger
pflanzlicher Lebensmittel liegt die Kalziumzufuhr in vielen Fällen unter den empfohlenen 1000 mg pro Tag. Dies, weil die Kalziumquelle Nummer 1 in der Schweiz wegfällt: die
Kuhmilch. Zur Bedarfsdeckung empfehlen sich
kalziumreiche Mineralwasser (>400 mg/l) oder
mit Kalzium angereicherte Pflanzendrinks
(Kalziumgehalt entspricht dann dem von
Kuhmilch). Wobei die Höhe der Kalziumzufuhr
als Einflussfaktor wohl überschätzt wurde: Weder bei Kindern noch bei Erwachsenen hat die
Höhe der Kalziumzufuhr oder des Konsums von
Milchprodukten eine Auswirkung auf die Knochenstabilität. Die Schweiz ist ein Jodmangelgebiet. Dank der Anreicherung des Koch­salzes
mit Jod wurde der Jodmangel in der Schweiz
praktisch eliminiert. Die Jodversorgung von
Veganen dürfte in der Schweiz besser sein als
im Ausland, da hierzulande auch für verarbeitete Produkte (z.B. Brot) jodiertes Speisesalz
verwendet wird. Trotzdem dürfte sie eher tief
sein. Gesundheitliche Einschränkungen durch
die tiefere Jodzufuhr wurden keine beobachtet.
Selen wird in der Schweiz dem Tierfutter beigemischt, um die Bevölkerung damit zu versorgen. Als vegane Alternative empfiehlt sich die
Paranuss (2 Stück pro Tag).
Diabetes
Sehr eindrücklich sind die Auswirkungen
auf den Blutzuckerspiegel: Je geringer der
Konsum von Tierprodukten, desto tiefer die
Häufigkeit einer Diabetesdiagnose. Dies zeigt
sich auch in kontrollierten Studien, bei denen
Diabetespatientinnen und -patienten entweder eine herkömmliche Diabetesdiät oder eine
vegane Ernährung verschrieben wurde. Eine
bessere Blutzuckereinstellung und weniger
Medikamente bei bestehendem Diabetes sind
gut dokumentierte Folgen einer veganen Ernährung. Dies dürfte unter anderem auf Nahrungsmittel mit einem tieferen glykämischen
Index, mehr Ballaststoffe und weniger gesättigte Fettsäuren zurückzuführen sein.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung schreibt, dass Vegetarierinnen und
Vegetarier weniger häufig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben. Dies trifft auch
auf Vegane zu. Dafür dürften verschiedene
Mechanismen verantwortlich sein. Erstens
­
senkt eine vegane Ernährung die Cholesterinwerte, weil sie weniger gesättigte Fettsäuren
und kein Cholesterin enthält. Zweitens führt
sie zu einer besseren Blutzuckereinstellung
(Diabetes gehört zu den grossen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-­Erkrankungen). Drittens
senkt sie leicht den Blutdruck, wobei hier die
Effekte eher bescheiden sind.
B L A U F U X — A U S G A B E # 1 — N o v e m b e r 2 01 5
So wie jede Ernährungsform gibt es auch
bei einer veganen Ernährung einige Nährstoffe,
die häufiger, und andere, die weniger häufig
enthalten sind. Weit verbreitet ist ein Mangel an Vitamin B12 und Vitamin D. Oft zu kurz
kommen Protein, Kal­zium, Jod und Selen. Im
Überfluss finden sich Folsäure, Ballaststoffe,
Magnesium u.v.a.
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15
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Angeschaut — Review
B L A U F U X — A U S G A B E # 1 — N o v e m b e r 2 01 5
Knochendichte
­ tudien
Immer wieder haben Vegane in S
eine etwas tiefere Knochendichte. Keine
­Sorge, die Unterschiede sind klein und wer­
den als «nicht klinisch relevant» eingestuft.
Trotzdem ist natürlich interessant, woran das
liegt. ­Natürlich denkt man zuerst an eine ge­
ringere Kalziumzufuhr. Studien haben aber
gezeigt, dass weder die Gesamtzufuhr von Kal­
zium noch der Konsum von Milch(produkten)
einen Einfluss auf die Knochendichte haben
– auch nicht im Kindesalter. Wahrscheinlicher
ist, dass sich hier der weit verbreitete Vita­
min-B12-Mangel bemerkbar macht: Bei einem
Mangel stört die erhöhte Homocysteinkonzen­
tration den Knochenaufbau.
—
16
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass
eine vegane Ernährung gesund und vollwertig
ist – vorausgesetzt, man ernährt sich abwechs­
lungsreich und stellt die Vitamin-B12-Zufuhr
sicher. Gegenüber einer Ernährung mit Tier­
produkten stellen sich einige gesundheitliche
Vorteile ein, ein Wundermittel ist sie aber
nicht.
JA
NEIN
Je nachdem, was Ihnen fehlt, sind andere
Blutwerte relevant. Ihre Ärztin / Ihr Arzt
wird mit Ihnen besprechen, was zu mes­
sen sinnvoll ist. Die von uns aufgelisteten
Parameter sind bei einer veganen Ernäh­
rung wichtig, weil dies die Nährstoffe
sind, die manchmal zu kurz kommen.
Mit dem
Holo-Transcoba­
lamin (HTC) messen Sie
Ihre Vitamin B12-Versor­
gung und überprüfen, ob das
Vitamin B12 auch tatsächlich
dort ankommt, wo es
gebraucht wird.
ca. CHF 60.–
Der ­FerritinWert gibt Auskunft
über die Speicher­
reserven des Eisens.
Da die ­Hälfte
der Schweizer
Bevölkerung einen
Mangel hat, lohnt es sich,
den ­Vitamin D-Wert zu
messen. Idealerweise lässt
man diesen im Frühling
bestimmen.
ca. CHF 80.–
Sollte die Jod­
zufuhr zu niedrig sein,
äussert sich das in einer
Unterfunktion der Schild­
drüse. Deren Funktion misst
man anhand der TSH-­
Konzentration.
Symptome eines
ca. CHF 10.–
Zinkmangels sind
sehr vielfältig: von
Ein ­Selenmangel
Haar­ausfall bis zu erhöh­
kann sich durch eine
ter Infektanfälligkeit.
Fülle an Symptomen ber­
ca. CHF 50.–
merkbar machen und schwer­
wiegende Folgen wie z.B.
Herzschwäche haben.
ca. CHF 10.–
ca. CHF 105.–
­Anhand der
Albuminkonzen­
tration lässt sich die
Proteinversorgung
des Körpers ab­
schätzen.
­Vitamin B12
ist nicht in pflanz­
licher Nahrung enthalten
NEIN
und muss unbedingt supple­
mentiert werden. Ein M
­ angel
führt zu schwer­wiegenden
Nerven­schädigungen.
Über die ­Hälfte
­Gehen Sie hier kein
der Schweizer
Risiko ein!
Bevölkerung hat einen
Vitamin-D-Mangel.
Eine Supplementierung
wird generell
empfohlen.
Passen Sie
Ihre ­Ernährung
entsprechend an. Hervor­
ragende Proteinquellen
sind Seitan,
Nüsse, Sojamilch
und Tofu.
NEIN
Supplementieren
Sie ­Vitamin B12 und
­Vitamin D nach den
­Empfehlungen von
vegan.ch?
JA
Nehmen Sie
­durchschnittlich
ca. 1 g ­Protein pro
Tag und Kilogramm
­Körpergewicht
zu sich?
Wann ist eine
Blut­untersuchung
sinnvoll?
Ihnen geht es hervorragend, aber Sie
möchten Ihre Supplementierung über­
prüfen? Vielleicht fühlen Sie sich in letz­
ter Zeit aber auch schlapp und möchten
herausfinden, woran das liegt? Ein Blut­
test wird Ihnen helfen, den Grund dafür
zu ­finden. Natürlich muss es nicht an
der ­Ernährung liegen. Aber sollte das
Problem ein Nährstoff sein, können Sie
es mit geringem Aufwand lösen. Des­
wegen raten wir zu einer frühzeitigen
und umfassenden Abklärung.
vegan.ch orientiert sich an aktuellen
­Forschungsergebnissen sowie den Leit­linien
der ­Expertengremien.
JA
Dann gibt es aus medizinischer Sicht eigentlich
keinen Grund, Ihre Blutwerte prüfen zu lassen. Wenn
Sie einfach sicherstellen möchten, dass die Supple­
mentierung funktioniert, können Sie das Holo-Trans­
cobalamin (ca. CHF 60.–) und den Vitamin-D-Wert
(ca. CHF 80.–) messen lassen. Diese müssen Sie
allerdings aus eigener Tasche bezahlen.
!
Achten Sie auf eine abwechslungsreiche Ernährung,
­betreiben Sie regelmässig Sport und nehmen Sie die
ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen wahr.
B L A U F U X — A U S G A B E # 1 — N o v e m b e r 2 01 5
Tumoren
Das Gebiet der Tumoren ist ausserordent­
lich breit und unbeschreiblich komplex. Ob­
wohl viel Geld in die Krebsforschung fliesst und
Ernährung unbestritten ein wichtiger Faktor
für die Krankheitsentstehung ist, sind die Er­
gebnisse aus Studien nicht schlüssig. Während
eine Ernährung ohne Tierprodukte für manche
Krebsarten das Risiko zu senken scheint, stei­
gert sie jenes für andere. Die verschiedenen Tu­
moren gegeneinander abzuwiegen, wäre eine
sehr individuelle und persönliche Überlegung.
Erst wenn bessere Daten Klarheit schaffen,
kann die Situation seriös beurteilt werden. Kei­
ne Anzeichen gibt es dafür, dass eine vegane
Ernährung den Verlauf einer Krebserkrankung
verbessert.
Fühlen Sie
sich ­gesund und
munter?
—
17
Review
—
M
­ ittelmässige
N
­ achrichten der WHO
Text: Valentin Salzgeber
Forschung über vegane Ernährung hat
in den letzten Jahren deutlich ­zugenommen,
sodass es schwierig ist, den Überblick über
all die Veröffentlichungen zu behalten.
In dieser Rubrik stellt Ihnen B L A U F U X die
interessantesten Ergebnisse vor.
Die WHO hat Fakten geschaffen: Prozessiertes rotes Fleisch
wie Speck, Wurst und Schinken erhöht das Risiko für Darm­
krebs. Und unverarbeitetes rotes Fleisch wie beispielsweise
Steak erhöht es wahrscheinlich.
auf verarbeitetes rotes Fleisch verzichten,
würden wir pro Jahr ca. 600 Lebensjahre1 nicht
an Krebs verlieren. Würde sie nicht rauchen,
­wären es ca. 10 000. Wer sich nun Sorgen um
die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung
macht, müsste sich die Frage gefallen l­assen,
warum man sich nicht vorher für eine Warnung
auf alkoholhaltigen Getränken einsetzt? An
die alkoholbedingt zerstörte Leber verlieren
wir immerhin 6000 potenzielle Lebensjah­
re pro Jahr. Der Verzehr von rotem Fleisch ist
also schlecht für die Gesundheit. Aber nicht so
schlecht, dass die Forderung nach einer staat­
lichen Intervention gerechtfertigt wäre.
Prinzipiell ist das nichts Neues.
2014 kommt die Eidgenössische Ernährungskommision
­bereits zum Schluss, dass für rotes Fleisch negative Langzeit­
wirkungen angenommen werden müssen – und zwar nicht nur
für Darmkrebs, sondern auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Diabetes und sogar die Sterblichkeit. Auch die Angabe zur
­Risikoerhöhung ist nicht neu. 2007 schätzte der World Cancer
Research Fund bereits, dass ohne verarbeitetes Fleisch 10 %
­aller Darmkrebsfälle verhindert werden könnten. Auch die WHO
kommt auf ähnliche Zahlen: 50 g verarbeitetes rotes Fleisch pro
Tag erhöhen das Risiko für Darmkrebs um 18 %, 50 g frisches
­rotes Fleisch pro Tag erhöhen es wahrscheinlich um 9 %. Weil
die Risikoerhöhung durch verarbeitetes rotes Fleisch als bewie­
sen gilt, wurde es in die Gruppe der krebserregenden Stoffe auf­
genommen. Dort finden sich auch Tabak und Röntgenstrahlung.
Von einigen Seiten wurde deswegen der Ruf nach einer Krebs­
warnung auf der Verpackung laut, wie wir sie von Zigaretten­
schachteln kennen. Das mag im ersten Moment einleuchten,
18 % klingt schliesslich nach viel.
B L A U F U X — A u s g a b e #2 — F e b r u a r 2 016
Wenn wir uns die Zahlen aber genau anschauen, merken wir, dass es
einen markanten Unterschied zwischen Rauchen und rotem Fleisch
gibt.
—
18
Die NZZ hat dies folgendermassen veranschaulicht: Wenn
die Schweizer Bevölkerung kein verarbeitetes rotes Fleisch isst,
erkranken pro 100 Personen nur 5 anstatt 6 in ihrem Leben an
Darmkrebs. Natürlich ist auch das nicht wenig, aber wenn wir
es in Relation zum Tabakkonsum setzen, merken wir, dass es
eine andere Kategorie ist: Würde die Schweizer Bevölkerung
Und, so absurd es klingt, womöglich ist das gar
nicht die allerschlechteste Nachricht.
Denn was wäre noch schlimmer, als wenn
der Konsum von rotem Fleisch gleich bleibt?
Wenn auf weisses Fleisch umgestiegen wer­
den würde. Denn um gleich viel Fleisch wie von
einem Schwein zu erhalten, müssten 100 Hüh­
ner geschlachtet werden. Das Hauptargument
gegen Fleisch bleibt also die tiefere Lebenser­
wartung. Aber nicht die der Konsumentinnen
und Konsumenten, sondern jene der Nutztiere.
Was aber neu ist, ist die Bestätigung durch eine
international respektierte und angesehene
Institution. Durch diese offizielle Entmystifi­
zierung enthärtet sich vielleicht auch die Front
und ermöglicht die eine oder andere gewinn­
bringende Diskussion.
Denn wer in Zukunft behauptet, Fleischkonsum sei
gesundheitlich unbedenklich, vertritt eine absolut
zweifelhafte Position.
Quelle: Carcinogenicity of consumption of red and processed meat.
Bouvard et al. Lancet Oncol. 2015 Oct 23.
1
Wobei dies nur den Krebs miteinschliesst, nicht aber die Herz-­
Kreislauf-Erkrankungen, die im Fall von Fleisch eine wichtigere
Rolle spielen könnten. Ein Puzzlestein, der zurzeit aber noch fehlt.
Ergebnisse aus Studien kann man umso besser verwenden,
je eher die untersuchte Gruppe der eigenen entspricht. Da es
aus der Schweiz bisher keine Studie über die Nährstoffaufnahme von Veganen gab, musste bisher immer die Einschränkung gemacht werden, dass unklar ist, ob die Ergebnisse aus
Deutschland und Österreich auf die Schweiz übertragbar sind.
Die Studie von Schüpbach et al. zeigt, dass es viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede gibt. Bei der Querschnittstudie
an 206 gesunden Personen (davon 53 vegan) wurden Blut, Urin,
der Lebensstil und die Nahrungsaufnahme untersucht.
Eine sehr gute Nachricht ist, dass es nicht möglich war,
genügend Vegane für die Studie zu rekrutieren, die keine Supplemente zu sich nehmen, worauf die Anforderungen angepasst werden mussten. Dass Vitamin B12 in einer veganen
Ernährung zwingend substituiert werden muss, scheint in der
Schweiz den meisten Veganen bekannt zu sein. Trotzdem hatten
­Vegane tiefere Vitamin-B12-Serumwerte als die vegetarische
und omnivore Vergleichsgruppe. Mehr als die Hälfte hatte Werte unter 300 pmol/l und damit einen abklärungsbedürftigen
Vitamin-B12-Status. Dafür unterschied sich der Prozentsatz
an Veganen mit einem sehr wahrscheinlichen Mangel (< 150
pmol/l) nur geringfügig von der vegetarischen Subgruppe (7,5 %
versus 5,7 %), wobei er bei den Omnivoren deutlich seltener
­vorkam (1 %).
Es scheint also, als würde Vitamin B12 auf breiter Basis, aber in
­unzureichender Menge supplementiert werden.
Nach wie vor scheint es Bedarf an Information über die korrekte Art der Supplementierung zu geben. Ebenfalls schlechter
schnitt die vegane Gruppe bezüglich der Jodversorgung ab, obwohl die Salzzufuhr vergleichbar war. Eine mögliche Er­klärung
könnte sein, dass Vegane bewusst auf jodiertes Speisesalz
verzichten, obwohl in der Schweiz angereichertes Kochsalz
die wichtigste Quelle für Jod ist. Ob und inwiefern diese Unter­
versorgung klinisch relevant ist, ist allerdings unklar.
Bei der Befragung stellte sich heraus, dass mehr als die Hälfte
der Veganen weniger als 800 mg Kalzium pro Tag kon­sumieren.
Auch hier ist unklar, inwiefern dies relevant ist, da es zurzeit keine
einfache, verlässliche Bestimmung der Kalzium­versorgung gibt.
Der Eisenspeicher der veganen Gruppe war kleiner, was sich
aber nicht auf die Blutmenge auswirkte und somit von fraglicher
Relevanz ist. Kein Unterschied fand sich in der Selenversorgung,
was in anderen Studien teilweise ein Problem war.
Selbstverständlich zeigten sich aber auch Vorteile.
Vegane hatten die tiefste Aufnahme von gesättigten Fettsäuren, am meisten Vitamin C und Folsäure und einen tieferen Body Mass Index (BMI), obwohl sich kein Unterschied im
Gesundheitsbewusstsein (bezüglich beispielsweise Rauchen
und Sport) zeigte. So kommen die Autoren und Autorinnen der
Studie auch zum Schluss, dass alle Ernährungsformen gewisse
Mängel haben und keine per se den anderen überlegen ist.
Quelle: Micronutrient status and intake in omnivores, vegetarians and
vegans in Switzerland. R. Schüpbach et al. Eur J Nutr. 2015 Oct 26.
Wirksames ­Vitamin
B12 aus der
­Chlorella-Alge
Wer sich schon einmal auf der Website der Veganen Gesellschaft Schweiz über Vitamin B12 informiert hat, weiss, dass
Algen als unsichere Vitamin-B12-Quelle eingestuft werden,
insbesondere Spirulina, das sich als unwirksam erwiesen hat.
Dabei scheint es ein Bedürfnis bei Veganen zu geben, sich mit
«natürlichem» Vitamin B12 zu versorgen. Eine neue Studie
hat nun die Wirksamkeit von Chlorella, einer Süsswasseralge,
an 17 Personen mit Vitamin-B12-Mangel getestet. Die Studie
wurde von der Firma Sun Chlorella Corporation finanziert, die
­Chlorella-Supplemente gewerblich herstellt. Untersucht wurde
dabei die Veränderung der Methylmalonsäure, eines sehr sensi­
tiven Markers für die Vitamin-B12-Versorgung. 9 g Chlorella pro
Tag senkten dabei die Methylmalonsäure innert 60 Tagen im
Durchschnitt um 34 %. Bei einem Teil der Gruppe zeigte sich
jedoch fast gar kein Effekt und bei einer weiteren Person verschlechterten sich die Werte sogar.
Während der Effekt sich hauptsächlich in den ersten 30 Tagen zeigte,
stagnierten die Werte bei vielen Probanden und Probandinnen in den
folgenden 30 Tagen.
Eine mögliche Erklärung ist, dass einige Studienteilnehmende das Supplement nicht korrekt und regelmässig ein­
genommen haben. Um einen Mangel zu beheben, ist Chlorella
in diesen Mengen damit keine Option. Es scheint aber so, als
enthielte Chorella das von Menschen verwertbare Vitamin
B12 und könnte sich als natürliche Alternative zur täglichen
­Bedarfsdeckung herausstellen.
Bitte überprüfen Sie Ihren Blutwert in regelmässigen Abständen, falls
Sie den Versuch wagen möchten.
Da nicht klar ist, wie viel Chlorella pro Tag konsumiert werden
muss, um ausreichend Vitamin B12 aufzunehmen, und es sehr
teuer ist, empfehlen wir weiterhin hoch dosierte ­Supplemente
als sichere Variante. An Kindern sollten keine Experimente
durchgeführt werden, es drohen ernsthafte Langzeitschäden.
Verwenden Sie für unter 18-Jährige nur sichere Quellen.
Quelle: Nutritional Supplementation with Chlorella pyrenoidosa Lowers
Serum Methylmalonic Acid in Vegans and Vegetarians with a Suspected
Vitamin B12 Deficiency. Merchant RE et al. J Med Food. 2015 Oct 20
B L A U F U X — A u s g a b e #2 — F e b r u a r 2 016
Nährstoffversorgung von
Veganen in der Schweiz
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19
Review
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Was Ihr Körper braucht
Text: Valentin Salzgeber
Eine gesunde vegane Ernährung ist in
­allen Lebenslagen möglich. Aber wie alle
Ernährungs­formen hat auch eine vegane sowohl Stärken wie auch Schwächen. Je ­besser
man über diese Bescheid weiss, desto einfacher kann man diese ausmerzen und für
eine ausreichende Zufuhr von allen Nährstoffen sorgen. Deswegen hat BLAUFUX die
Scheuklappen abgelegt und wissenschaftlich
seriös die Vor- und Nachteile untersucht.
B L A U F U X — A u s g a b e #3 — M a i 2016
Die wichtigste Regel lautet: Essen Sie abwechslungsreich.
Unabhängig davon, wie alt Sie sind, ob Sie Fleisch, Fisch, Milchprodukte oder vegan essen: Je mehr unterschiedliche Nahrungsmittel in Ihrem Alltag integriert sind, desto ausgewogener
ist die Nährstoffzufuhr. Wer sich nun entscheidet, Tierprodukte
vom Teller zu streichen, engt die Auswahl ein. Das ist aber kein
Problem, denn es gibt dermassen viele verschiedene Nahrungsmittel, dass wohl kein Mensch bis zum Ende des L
­ ebens jemals
alles probiert haben wird. Für mehr Abwechslung hilft es, über
den europäischen Tellerrand hinauszuschauen, wo Soja und
Seitan warten, aber auch, das Supermarkt-Standardsortiment
genauer unter die Lupe zu nehmen.
Auch mit einer sehr abwechslungsreichen Ernährung ist es
fast unmöglich, sich optimal zu ernähren. So ist es nur dank
der künstlichen Anreicherung des Kochsalzes mit Jod gelungen,
den weitverbreiteten Jodmangel in der Schweiz zu bekämpfen.
Genügend Selen nimmt die Schweizer Bevölkerung nur zu sich,
weil die Tierfuttermittel mit Selen künstlich angereichert werden. Und die empfohlene Dosis für Vitamin D mit der Ernährung
zu erreichen, ist schlicht unmöglich. Supplemente helfen uns,
diese Lücken zu schliessen und einer optimalen Nährstoff­
versorgung nahezukommen.
—
24
Vitamin B12
Das absolute Fundament der veganen Ernährung ist eine ausreichende Vitamin-B12-­
Zufuhr. Es gibt keine verlässliche pflanzliche
Quelle und Vitamin B12 muss deswegen zwingend substituiert werden. Erwachsene haben
in der Regel einen vollen Speicher, der mehrere
Monate bis Jahre ausreicht. Wer sich entscheidet, langfristig bei einer veganen Ernährung
zu bleiben, muss eine ausreichende Zufuhr
sicherstellen. Säuglinge und Kinder haben keinen Speicher und müssen vom ersten Tag an
mit Vitamin B12 versorgt werden.
Der tägliche Verlust von Vitamin B12 beträgt
bei Erwachsenen bis zu 3 Mikrogramm (μg).
­Vitamin B12 kann über zwei Mechanismen vom
Körper aufgenommen werden: Einerseits existiert ein spezifischer Transportmechanismus,
der jedoch bei ca. 1,5 μg pro Mahlzeit gesättigt
ist. Gleichzeitig wird ca. 1 % der Totalmenge per
Diffusion aufgenommen. Bei einem täglichen
Verlust von bis zu 3 μg, ist also eine tägliche
Aufnahme von 200 μg oder eine wöchentliche
Aufnahme von 2000 μg notwendig. Bei einigen Menschen mit einem leichten Mangel sind
1000 μg täglich notwendig. Dies entspricht
zwar dem Vielfachen der täglichen Zufuhrempfehlung, aber keine Sorge, eine Überdosierung
ist nicht möglich. Kautabletten sind in der Regel die günstigste Variante. Für Kinder gibt es
auch Tropfen und Sprays. Es ist sinnvoll, bei
Gelegenheit die Versorgung im Rahmen einer
Blutuntersuchung zu überprüfen.
Die Rolle des Vitamins B12 ist komplex. Bei
einer fehlenden Zufuhr zeigen sich erste Symptome einerseits bei der Blutbildung, es kommt
zu einer Blutarmut. Das Nervensystem und
dessen Funktion können nicht mehr aufrechterhalten werden, es folgen Missempfindungen, wie beispielsweise Kribbeln. Im späteren
Verlauf treten Wesensveränderungen auf, zum
Beispiel Depressionen. Die Schäden können
irreversibel sein. Oft ist eine ungenügende
Versorgung aber auch nicht symptomatisch.
Nährstoffgehalt
pro Portion
Quelle: Vegane Gesellschaft Schweiz
Protein
in Gramm
Seitan
25
Käse
23
Tofu
15
Sojamilch
12
Nüsse
7
Linsen
6
Kalzium
in Milligramm
Sojamilch
120
Mineralwasser
105
Broccoli
85
Nüsse
70
Eisen
in Milligramm
Vegalife Kakao /Caotina noir
Tofu
10
5
Spinat
3,5
Linsen
3
B L A U F U X — A u s g a b e #3 — M a i 2016
Es kommt zu einer Erhöhung des Homocysteins, was die ­Gefässe
und Knochen schädigt und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen
und Knochenbrüchen führt. Auch wenn man sich gesund und
wohl fühlt, ist aus den genannten Gründen eine Supplementation mit B12 Pflicht.
Protein
Proteine gehören einerseits zu den Energielieferanten, andererseits werden sie als Baustoff verwendet. Ein ausgeprägter Proteinmangel, der sogenannte Hungerbauch, ist in Europa
nur noch bei schweren Krankheitsfällen zu sehen. Eine unzureichende Zufuhr kann jedoch die Funktion der Muskulatur und
des Immunsystems beeinträchtigen. Bei älteren Menschen
führt ein Proteinmangel zu vermehrten Knochenbrüchen.
In der Regel nehmen Vegane ausreichend Protein zu sich.
Jene, die zu wenig Proteine zu sich nehmen, erreichen oft auch
die empfohlene Kalorienzufuhr nicht. Einfach mehr essen dürfte
in vielen Fällen also bereits das Problem lösen. Wer sich jedoch
in einer Lebensphase befindet, in der sich eine erhöhte Zufuhr
empfiehlt (wie Schwangerschaft oder fortgeschrittenes Alter),
kann seine Proteinzufuhr mit einigen Nahrungsmitteln gezielt
steigern. Die sogenannten Fleischalternativen enthalten in der
Regel ähnlich viel Protein wie ihre tierlichen Gegenstücke. Soja­
milch ist ebenfalls sehr proteinreich, ausserdem sind Nüsse zu
empfehlen. Dabei stehen die pflanzlichen Proteine bezüglich
ihrer Wertigkeit den tierlichen Äquivalenten in nichts nach, da
sich die verschiedenen Nahrungsmittel ergänzen, die über den
Tag verteilt gegessen werden. Eine abwechslungsreiche Ernährung ist entsprechend von Vorteil. Es lohnt sich, in unregelmässigen Abständen die tägliche Proteinzufuhr abzuschätzen.
Als Faustregel für Erwachsene gilt 1 g Protein pro Kilogramm
Körper­gewicht pro Tag.
Kalzium
Nicht alle Veganen erreichen die empfohlene tägliche
Kalzium­zufuhr von 800 – 1000 mg. Nur ca. 2 % der Veganen in
der Schweiz konsumieren aber weniger als 525 mg, was mit
vermehrten Knochenbrüchen in Zusammenhang gebracht
wurde. Es lohnt sich also, die tägliche Zufuhr abzuschätzen
und kalziumreiche Nahrungsmittel in den Alltag einzu­bauen.
Insbesondere empfiehlt sich angereicherte Pflanzenmilch
und Mineralwasser. Das Kalzium ist ein zentraler Bestandteil
der Knochenstruktur. Die Blutwerte liefern leider keine Aus­
sage über die Kalzium­versorgung, da der Spiegel sehr eng vom
­Körper kontrolliert wird. Die Auswirkungen zeigen sich erst in
—
25
Review
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B L A U F U X — A u s g a b e #3 — M a i 2016
der Knochendichte, wenn es bereits zu spät
ist. Kalzium alleine macht jedoch keine starken Knochen. So zeigt sich beispielsweise
kein Einfluss von hohem Milchkonsum auf die
Knochenqualität; nicht einmal bei Kindern.
Mindes­tens so wichtig sind die Gene, Sport,
Vitamin D und bei Veganen Vitamin B12.
Vitamin D
Vitamin D wird zum allergrössten Teil in der
Haut hergestellt, sofern genügend Sonnenlicht
vorhanden ist. In der Schweiz hat mehr als die
Hälfte der Bevölkerung eine Vitamin-D-Insuffizienz. Risikofaktoren sind wenig Aufenthalt
im Freien, fortgeschrittenes Alter (die Hautschicht, in der das Vitamin produziert wird, wird
im Alter dünner) und eine dunkle Hautfarbe
(das Melanin absorbiert die UV-B-Strahlen, die
für die Produktion notwendig sind). In der Nahrung ist kaum Vitamin D enthalten ­(abgesehen
von Fisch, aber auch hier wären 400 g pro Tag
notwendig). Es macht also Sinn, zusätzlich
Vitamin D zu supplementieren, unabhängig
­
von der Ernährungsweise. Die offizielle Empfehlung lautet 800 Internationale Einheiten
(IE) pro Tag. Häufig werden jedoch deutlich
­höhere Dosen empfohlen, wobei die Quellen oft
zweifelhaft sind. Bei älteren Menschen f­ anden
sich negative Effekte bei sehr hohen Dosen.
Die Vegane Gesellschaft Schweiz empfiehlt,
2000 IE pro Tag bei Erwachsenen respektive
1000 IE bei Kindern nicht zu überschreiten. Ob
das (mittlerweile auch pflanzlich herstellbare)
­Vitamin D3 dem Vitamin D2 überlegen ist, ist
wissenschaftlich noch nicht geklärt.
—
26
Vitamin D ist zentral für die Regulation der
Kalziumaufnahme. Es fördert die Absorption im
Darm und in der Niere sowie den Kalziumeinbau in die Knochen. Gleichzeitig hat es eine
stimulierende Wirkung auf den Muskelaufbau
und erfüllt Funktionen im Immunsystem. Bei
älteren Menschen senkt eine Substitution mit
Vitamin D und Kalzium die Frakturrate. Eine
kurzfristige Substitution (beispielsweise bei
Grippe) zeigt jedoch keinen Effekt.
Es lohnt sich bei Gelegenheit im Frühling, wenn der Spiegel
am tiefsten ist, den Blutwert zu überprüfen.
Zink
In einer kürzlich erschienenen Studie aus der Schweiz war
Zink der einzige Nährstoff, bei dem Vegane signifikant häufiger
zu tiefe Blutwerte hatten, obwohl sie gleich viel Zink zu sich
nahmen. Das liegt vermutlich an der höheren Aufnahme von
Hemmstoffen. Um das zu kompensieren, wird die anderthalbfache Menge empfohlen (15 mg pro Tag). Mit Vollkornprodukten, Nüssen und Sojaprodukten kann man die Zufuhr gezielt
steigern.
Da ein Mangel zu einem bunten Strauss an Symptomen
­führen kann, ist es sinnvoll, bei allgemeinem Unwohlsein die
Zinkwerte überprüfen zu lassen.
Eicosapentaensäure (EPA) und
Docosahexaensäure (DHA)
EPA und DHA sind zwingend notwendige Fettsäuren für
die Gehirnentwicklung und zeigen in Studien eine ­schützende
Wirkung vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Fettsäuren
können vom Körper selbst hergestellt werden, jedoch ist die
Umwandlungsrate von Alpha-Linolensäure (ALA) sehr gering.
Ein vermehrter Konsum von Leinöl, das viel ALA enthält, ist
deswegen nur mässig erfolgversprechend. EPA und DHA sind
in der Nahrung nur in Fischen in relevanter Menge vorhanden.
Entsprechend zeigen sich bei vegan und vegetarisch lebenden
Personen deutlich tiefere Blutspiegelwerte. Insbesondere bei
Kindern macht es entsprechend Sinn, aus Algen gewonnenes
DHA und EPA zu supplementieren, wobei 500 mg pro Tag ein
guter Richtwert ist.
Eisen
Vegane zeigen in Studien einen tieferen Eisenspeicher
­(Ferritin), jedoch kein erhöhtes Risiko für eine Eisenmangel­
anämie. Inwiefern dies von Bedeutung ist, muss noch untersucht werden – es könnte auch ein Vorteil sein. Generell gilt,
dass sich mit der Ernährung der Eisenspiegel nur schwach beeinflussen lässt. In der Schweiz ist der häufigste Grund für den
Mangel ein Blutverlust, beispielsweise durch die Menstruation.
Es gibt also keinen Grund, speziell auf Eisenzufuhr zu achten,
wenn man sich vegan ernährt. Wer hingegen regelmässig an
Eisenmangel leidet, kann versuchen, die Aufnahme gezielt zu
steigern mit Mandeln, dunkler Schokolade, Sojaprodukten,
­getrockneten Aprikosen oder Caotina noir 1.
1
Enthält mehr Eisen als Blutwurst; andere Kakaopulver enthalten deutlich weniger.
Review
—
Schweizer Gemüse.
Ich weiss, warum.
Text: Valentin Salzgeber
Wer sich ohne Tierprodukte ernährt, tut bereits viel für die U
­ mwelt
und die Tiere. Dabei gibt es natürlich auch ­Unterschiede innerhalb
des veganen Angebots. Die eingeflogene Passionsfrucht und das Soja
aus gerodetem Regenwald sind mindestens ökologisch und meistens
auch ethisch fragwürdig. Viele Vegane achten deswegen auch auf
saisonale und regionale Nahrungsmittel. Das ist in der Tat auch das
ganze Jahr durch möglich, sofern man im Winter mit etwas Eintönigkeit leben kann und, natürlich, Vitamin B12 substituiert.
B L A U F U X — A u s g a b e #4 — A u g u s t 2016
Im Spätsommer bieten die Schweizer B
­ öden
fast alles, was das Herz begehrt. Sowohl die
Auberginen wie auch die Tomaten werden in
der Region geerntet und die Vielfalt ist fast
grenzenlos. Mit einer halbwegs abwechslungsreichen Ernährung macht man schon
das Wichtigste richtig, Vitamine und Spuren­
elemente sind im Überfluss vorhanden. Am
her­ausforderndsten dürfte wohl die Deckung
des Proteinbedarfs sein, da Gemüse generell
wenig davon enthält. Relativ proteinreich ist
Weizen, der als Pasta oder Brot eine gute, als
Seitan eine ausgezeichnete Proteinquelle darstellt. Weitere gute pflanzliche Quellen sind
Soja und Lupine, getrocknet sind die Bohnen
praktisch unbegrenzt haltbar. Die heimische
Produktion ist allerdings noch klein und nur
schwierig zu ergattern. Wer vorausdenkt, legt
Tomaten und Auberginen in Öl ein und trocknet Kräuter, um der drohenden Eintönigkeit in
den kalten Jahreszeiten zuvorzukommen.
—
12
Im Herbst nimmt die Vielfalt langsam ab
und erreicht im Winter ihren Tiefpunkt. Wer
aber mit etwas Eintönigkeit leben kann, hat die
grösste Hürde schon gemeistert. Der Vitaminund Mineralstoffgehalt von Wintergemüse
steht dem Sommerangebot nämlich in nichts
nach. Grünkohl wird seinem Ruf gerecht und
ist ein echter Alleskönner und enthält sogar
eine nennenswerte Menge an Protein. Man hat
aber besser auch gern Schwarzwurzel, denn
ernst zu nehmende Eisenquellen sucht man
sonst vergebens. Kohlenhydrate werden dank
der Kartoffel nie zum Problem. Mit ein bisschen
Eigeninitiative lassen sich Keimlinge das ganze
Jahr über zu Hause ziehen; sie sind eine gute
Quelle für die meisten B-Vitamine. Da Mehl
ohne Kühlung das ganze Jahr gelagert werden
kann, ist auch im Winter Seitan eine wichtige
Quelle für Protein und Eisen. Durch Verarbeitung können auch fetthaltige Nahrungsmittel
haltbar gemacht werden. So wird Schweizer
Raps zu Rapsöl verarbeitet, das sich das ­ganze
Jahr über sowohl für die kalte wie auch die
­warme Küche eignet.
Lohnt es sich denn?
Aus ökologischer Sicht enthält die Thematik Graustufen. Spinat aus der Tiefkühltruhe
ist gar nicht so viel schlechter als Spinat aus
dem Kühlregal – unabhängig von der Jahreszeit. Und ist deutlich günstiger. Die Tomate
aus der Schweiz schneidet beim CO2-Ausstoss
nur gerade in zwei Monaten besser ab als die
aus Spanien, sofern diese per Lkw hierhin gelangte. Bei der Aubergine ist es egal, woher sie
kommt, aber wehe sie war nicht saisonal.
in Ecuador kommt man besser nicht auf die
Idee, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Nahrungsmittel können gar nicht billig genug
sein. Dabei geben wir im Schnitt weniger als
10 % unseres Einkommens dafür aus. Sogar in
«Lidl-Deutschland» ist der Anteil höher!
Zwei Regeln scheinen aber zu gelten: Erstens, dass man
mit einem saisonalen und regionalen Produkt nie falsch liegt.
­Zweitens, dass bei Import der Transportweg viel massgeblicher ist als die Transportstrecke oder das Nahrungsmittel.
Per Flugzeug Transportiertes ist ein ökologisches Desaster.
Die Passionsfrucht zum Beispiel, aber oft auch die Avocado,
die ich als erste Konsequenz meiner Recherchen vorerst vom
Einkaufs­zettel gestrichen habe. Verschiffte Bananen aus Peru
sind hingegen gar nicht so viel schlimmer als die Äpfel aus dem
Thurgau. Dafür werden die Gewächshäuser ihrem schlechten
Ruf gerecht. Hors-sol klingt zwar nett, schneidet aus ökologischer Sicht aber oft schlechter ab als ein weit transportiertes,
dort aber saisonales Produkt.
Regional übertrumpft saisonal
Veganen liegt nicht nur das Schicksal von Schwein und Kuh,
sondern auch jenes unserer Mitmenschen am Herzen. Es ist
kein Zufall, dass vegane Kleidung oft auch das Fairtrade-Siegel trägt. Dabei stammen Früchte und Gemüse oft aus ebenso
prekären Arbeitsbedingungen wie T-Shirts und Smartphones.
In Südspanien gestrandete Flüchtlinge ernten zu Hungerlöhnen Tomaten für Europa. Und auf den Bananenplantagen
Nährwerte
Grünkohl (Kale)
Quelle: Vegane Gesellschaft Schweiz
pro 100 Gramm
Spätestens ab hier muss man also eigent­lich
dem regionalen Angebot den Vorzug geben. Klar,
das Budget freut’s nicht. Die ­Trauben aus Ägypten sind günstiger. Aber das gilt auch für das
«M-Budget-Güggeli». Man muss sich entscheiden, wie man die Priori­täten setzen will. Die gute
Nachricht ist, dass die tiefgekühlten Schweizer
Aprikosen wie auch die Max-Havelaar-­Bananen
erstaunlich gut ­abschneiden – sofern man dem
Fair­trade-Siegel vertraut. Wir dürfen also im
Winter ­
guten Gewissens Früchtesmoothies
­schlürfen. Haupt­sache, die Himbeeren sind aus
der Schweiz.
in Gramm
1351
Passionsfrucht
| Argentinien, per Flugzeug
Banane
| Peru, bio, per Schiff
60
Apfel
| lokal
26
Spinat, frisch
| lokal
150
Spinat, tiefgefroren | lokal
250
Tomate
| Schweiz, Gewächshaus
930
Tomate
| Spanien
Tomate
| Schweiz, saisonal
600
50
roh, pro 100 Gramm
Kcal
Protein
Kalzium
Eisen
Vitamin C
37
4,2 g
150 mg
1,47 mg
120 mg
B L A U F U X — A u s g a b e #4 — A u g u s t 2016
CO2-Daten
Gleichzeitig sind auch die Arbeitsbedingungen in der Schweizer Landwirtschaft nicht
tadellos. Weder existiert ein Gesamtarbeitsvertrag noch untersteht die Branche dem
Arbeits­gesetz. Saisonniers, die für 3000 Franken Monatslohn mehr als 50 Stunden pro
­Woche hart arbeiten, sind keine Seltenheit.
Auch viele Bauern und Bäuerinnen gehören
zu den Working Poor, trotz den Milliardensubventionen, denn der Preisdruck durch das
spanische Gemüse ist enorm. Die Arbeitsbedingungen sind aber nicht vergleichbar mit der
systematischen Ausbeutung in den Gewächshäuserstädten am Mittelmeer.
—
13
Review
—
Ja,
Vegane Ernährung
in Schwangerschaft
und Kindheit
es geht!
Eine vegane Ernährung ist in jeder Lebens­phase möglich.
Da in ­Wachstumsphasen der Nährstoffbedarf aber höher ist, muss
der E
­ rnährung dabei mehr Aufmerksamkeit g­ eschenkt werden
und zusätz­liche Nährstoffe müssen s­ ubstituiert werden.
Das gilt nicht nur für Vegane.
Text: Valentin Salzgeber
B L A U F U X — A u s g a b e #5 — N o v e m b e r 2016
Schwangerschaft
Wie in allen Lebenslagen bildet Abwechslung das Fundament einer gesunden Ernährung. Einige Anpassungen sind während
der Schwangerschaft jedoch nötig. So sollte
beispielsweise die Proteinzufuhr erhöht werden, ohne die Kalorienzufuhr zu steigern. Der
Eisenbedarf verdoppelt sich nahezu und der
Zinkbedarf steigt um die Hälfte, weswegen
eine gezielte Auswahl von eisen- und zinkreichen Lebensmitteln sinnvoll ist. Eine Eisen­
supplementierung kann notwendig werden,
prophylaktisch wird sie aber nicht empfohlen.
Manche Nährstoffe können unmöglich nur
über die Nahrung zugeführt werden. Hier muss
mit Supplementen nachgeholfen werden.
­Idealerweise achten Frauen bereits vor einer
gewünschten Schwangerschaft auf eine optimale Nährstoffversorgung.
—
10
Das Wichtigste zuerst: Vitamin B12 ist
in ­
einer rein pflanzlichen Ernährung nicht
enthalten und muss zwingend substituiert
­werden. In der Schwangerschaft ist der Bedarf
an ­Vitamin B12 erhöht und die Konsequenzen
eines Mangels für das Kind sind gravierend.
Empfohlen werden hoch dosierte Supplemente
und in Absprache mit dem Arzt oder der Ärztin
eine regelmässige Überprüfung der Blutwerte. Ebenfalls zentral ist die Supplementierung
von Vitamin D. Ein Mangel erhöht sowohl das
­Risiko für Erkrankungen der Mutter, wie Gestationsdiabetes und Präeklampsie, als auch für
eine tiefe Knochendichte und eine Frühgeburt
des Kindes.
Die empfohlene Zufuhr von Jod steigt in der
Schwangerschaft auf fast das Doppelte an,
sodass eine Deckung durch Nahrungsmittel
­
praktisch unmöglich ist. Auch wird eine Substitution von DHA empfohlen – eine F­ ettsäure,
die hauptsächlich in Fisch enthalten ist. ­Vegane
sind in Studien entsprechend schlechter damit
versorgt. Der menschliche Körper kann zwar
DHA selbst herstellen, allerdings nur in einer
offenbar unzureichenden Menge. Die Studienlage zur Supplementation ist dürftig, trotzdem
empfiehlt sie sich in der Wachstumsphase, um
kein Risiko einzugehen.
Schwierig wird es beim Thema Folsäure.
Allgemein wird Schwangeren eine zusätzliche
tägliche Zufuhr von 400 μg als Supplement
empfohlen, um das Risiko für Missbildungen
zu senken. Gleichzeitig zeigen Studien in den
USA, dass Folat, die synthetische Form der
Folsäure, auch unerwünschte Wirkungen hat.
Da Vegane im Durchschnitt aufgrund des hohen Gemüse­anteils in der Ernährung täglich
circa 300 μg mehr Folsäure zu sich nehmen als
Nichtvegane, ist der Nutzen einer Supplementation bei Veganen unklar. Ob und in welcher
Form eine Folat­supplementation sinnvoll ist,
gilt es mit der Ärztin oder dem Arzt zu besprechen.
Stillzeit
Der Nährstoffbedarf bleibt auch in der Stillzeit hoch und eine
abwechslungsreiche Ernährung und die Supplementation aus
der Schwangerschaft sollten fortgeführt werden. Stillen ­erhöht
den Kalorienbedarf, was die Nährstoffdeckung vereinfacht.
Ausser­dem sinkt der Eisenbedarf fast wieder auf das Niveau vor
der Schwangerschaft. Aus gesundheitlicher Sicht wird allgemein
empfohlen, mindestens sechs Monate zu stillen. Manche Mütter
können oder wollen dies nicht. In diesen Fällen eignet sich eine
professionelle Säuglingsnahrung auf Sojabasis1. Auf keinen Fall
eignen sich selbst hergestellte Säuglingsnahrungen, denn diese
sind für die Bedürfnisse von Säuglingen komplett ungeeignet.
Empfohlene
zusätzliche
Empfohlene
Zufuhr
in der
zusätzliche
Schwangerschaft
Zufuhr in der
Schwangerschaft
Kindheit
In der von Wachstum geprägten Kindheit ist der Nährstoffbedarf besonders hoch. Doch zahlreiche Kinder werden in der
Schweiz vegan ernährt und entwickeln sich prächtig. Der Austausch mit anderen Eltern kann sehr wertvoll sein, insbesondere die Gruppe «Vegane Eltern und Kinder ohne Esoterik»
bit.ly/veganeKinder wird Ihnen bei Fragen zur Ernährung
und zum Alltag allgemein zur Seite stehen.
3 g/100 kcal 10 g/100 kcal
Nüsse:
Tofu
/Seitan/Spinat:
Sojamilch: 7 g/ 100 kcal
Tofu /Seitan/Spinat: 10 g/100 kcal
Eisen
Caotina Noir: 10 mg/100 kcal
Eisen
Sesamsamen: 1,5 mg/100 kcal
Caotina
Noir:
10 mg/1002 mg/100
kcal kcal
Getrocknete Aprikosen:
Sesamsamen:
1,5 mg/100
Spinat:
8,4 mg/100
kcal kcal
Getrocknete Aprikosen: 2 mg/100 kcal
Spinat: 8,4 mg/100 kcal
Zink
+100 %
+100 %
+40 %
40 % Zink allgemein
+Vollkornprodukte
Nüsse
Vollkornprodukte allgemein
Nüsse
Empfohlene
Substitution
Empfohlene
Substitution
pro Tag
Vitamin
1000 μg
pro Tag B12
Vitamin D
2000 IE
Vitamin B12
1000 μg
Jod
200 μg
Vitamin D
2000 IE
DHA
200 μg
Jod
200 μg
Folsäure
unklar
DHA
200 μg
Quelle:
Vegane Gesellschaft Schweiz unklar
Folsäure
Quelle: Vegane Gesellschaft Schweiz
1
ie Phytoöstrogene im Soja haben ­keine
D
negativen hormonellen Auswirkungen
auf Säuglinge.
2
E s gibt zahlreiche Studien zur Aus­
wirkung von Sojakonsum in der Kindheit.
So zeigt der Sojakonsum zum Beispiel
keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der
ersten Menstruation. Dafür zeigte sich
bei höherem Sojakonsum in der Jugend
ein tieferes Risiko für Brustkrebs in
fortgeschrittenem Alter. Phytoöstrogene
haben also einen sehr beschränkten
Effekt auf das Hormonsystem, und in
bisherigen Studien scheint dies eher ein
Vorteil als ein Nachteil zu sein.
Jede Ernährungsform hat ihre Schwachstellen, keine ist perfekt. Wichtig ist, dass man sich bewusst ist, worauf man bei der
gewählten Ernährungsweise achten muss, und dass man sich
und die Familie abwechslungsreich ernährt. In Studien zeigt
sich regelmässig, dass manche Vegane nicht die empfohlene
Proteinzufuhr erreichen. Dabei gibt es viele gute pflanzliche
Protein­quellen. Gerade in der Kindheit ist eine ausreichende
Proteinzufuhr wichtig. Sehr gute Proteinquellen sind Sojamilch2,
Nüsse, Tofu, aber auch Spinat und Linsen. Sowohl bei veganen
Erwachsenen wie auch bei Kindern zeigt sich häufig eine tiefere
Aufnahme von Kalzium. Es ist unklar, ob und welche Relevanz
dies hat. Bei Kindern sollte aber kein Risiko eingegangen werden. Mit ­Kalzium versehene Pflanzenmilch enthält – analog zur
Kuhmilch – in der Regel 120 mg Kalzium pro Dezi­liter. Mineralwasser können bis zu 50 mg pro Deziliter enthalten. Überschlagen Sie in regelmässigen Abständen, ob Ihr Kind die empfohlene
Zufuhr erreicht, und verzichten Sie auf Kalziumsupplemente.
Diverse Studien haben die Eisenversorgung von veganen
und omnivoren Kindern verglichen, allerdings nur mit wenig
Teilnehmenden. Die Ergebnisse entsprechen denjenigen der
Erwachsenenwelt: Ein Eisenmangel kommt in allen Gruppen
gleich häufig vor, es findet sich aber ein tieferer Eisenspeicher
bei veganer und vegetarischer Ernährung. Es gibt also keine
Rechtfertigung für eine Eisensupplementation oder Bluttests
B L A U F U X — A u s g a b e #5 — N o v e m b e r 2016
+20 % Protein
Nüsse: 3 g/100 kcal
20 % 7Protein
+Sojamilch:
g/ 100 kcal
—
11
Review
—
an veganen Kindern, die sich wohlfühlen. Es ist aber wichtig,
ein paar gute Eisenquellen in den Alltag einzubauen, zum Beispiel Nüsse und Sojaprodukte. Auch im Kindesalter ist es nicht
möglich, alle Nährstoffe in ausreichendem Ausmass alleine
mit der Ernährung zu decken. Besonders wichtig ist bei veganer ­Ernährung daher die Substitution mit Vitamin B12 aus einer
­sicheren Quelle. Bedenken Sie, dass Kinder noch keine Gelegenheit hatten, einen Vitamin-B12-Speicher aufzubauen und somit
viel schneller einen Mangel entwickeln, der im schlimmsten Fall
zum Tode führen kann.
Für alle Kinder – unabhängig von der Ernährung – ist eine
Vitamin-D-Supplementation Pflicht. Veganen Kindern empfiehlt
sich eine leicht höhere Dosis, da pflanzliche Nahrung praktisch kein Vitamin D enthält, plus die Substitution von DHA.
Vegane Erwachsene sind in Studien tendenziell schlechter
­
mit Jod versorgt, wobei unklar ist, ob dies von Bedeutung ist.
Zur Jodversorgung von vegan ernährten Kindern gibt es keine
Unter­suchungen. Die wichtigste Quelle für Jod in der Schweiz
ist angereichertes Speisesalz. Zusätzlich empfiehlt sich die
Supplementation von 50 μg Jod pro Tag, da ein Jodmangel
­Entwicklungsstörungen zur Folge haben kann.
Eine Blutentnahme ist für Kinder ein deutlich ­traumatischeres
Ereignis als für Erwachsene. Entsprechend muss diese gut begründet sein. Wer die genannten Empfehlungen b
­ efolgt, sollte
die empfohlenen kinderärztlichen Termine wahrnehmen und
anhand des Gewichts und der Grösse überprüfen, ob sich das
Kind entsprechend den Erwartungen entwickelt. Sollte dies
nicht der Fall sein, oder fühlt sich das Kind generell nicht wohl,
ist die Überprüfung der oben genannten Nährstoffe mittels
Blutentnahme sinnvoll. Reine Routinekontrollen sind nicht
­gerechtfertigt.
Tägliche
Zufuhrempfehlungen
für Kinder
Vitamin B12
mindestens 10 µg pro Tag
oder 2­mal pro Woche 1000 µg
Vitamin D
Im ersten Jahr
danach
600 IE pro Tag
800 IE pro Tag
Kalzium
0 – 12 Monate
1 – 7 Jahre
7 – 18 Jahre
300 mg
700 mg
1000 mg
DHA
200 µg pro Tag
Iod
100 µg pro Tag
Protein
1 – 3 Jahre
4 – 10 Jahre
11 – 18 Jahre
~ 20 g pro Tag
~ 30 g pro Tag
~ 50 – 60 g pro Tag
Quelle: Vegane Gesellschaft Schweiz
Gesundheitliche Auswirkungen
Eine korrekt durchgeführte vegane Ernährung ist also auch in den
Wachstumsphasen eine mögliche Option. Aktuell gibt es nur wenige
­Studien, die den Einfluss einer veganen Ernährung im Kindesalter untersucht haben. Diese lassen drei Schlussfolgerungen zu:
1 Vegane Kinder entwickeln sich geistig gleich schnell und sind ebenso
intelligent wie nicht vegane.
2 Vegane Kinder sind tendenziell etwas ­weniger gross und schlanker.
B L A U F U X — A u s g a b e #5 — N o v e m b e r 2016
3 Übergewichtige Kinder profitieren von einer veganen Ernährung.
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Übergewicht ist eines der einschränkendsten und häufigsten ­Probleme
im Kindesalter. Es hat massive negative Auswirkungen auf Lebens­
erwartung und Psyche. Die pflanzliche Ernährung könnte also einen
­echten Beitrag zur langfristigen Behandlung leisten.
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