Osteoporose - Österreichische Ärztezeitung

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Osteoporose
Osteoporose zählt zu den
zehn häufigsten Erkrankungen
der westlichen Welt.
Zwischen dem 50. und 85.
Lebensjahr erleidet jede zweite Frau und jeder dritte Mann
eine Wirbelkörperfraktur. Aber
nur knapp ein Viertel von
ihnen wird adäquat behandelt.
Berechnungen der WHO
zufolge wird sich die Zahl der
Betroffenen bis 2040
in Europa verdoppeln.
Von Georg Leb*
30
Epidemiologie und aktuelle Entwicklung
Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung, welche durch Verminderung der Knochenmasse
und Störung der Mikroarchitektur des Knochens zu einer gesteigerten Fragilität und zu einem erhöhten Frakturrisiko führt. Etwa 30 Prozent der Frauen und etwa
13 Prozent der Männer über 50 Jahre leiden an Osteoporose. Zwischen dem 50. und dem 85. Lebensjahr erleiden etwa 50 Prozent der Frauen und 30 Prozent der
Männer eine Wirbelkörperfraktur. Etwa 750.000 Österreicher leiden an Osteoporose, etwa 14.000 werden
jährlich wegen Schenkelhalsfrakturen stationär behandelt. Das Bewusstsein, dass es sich bei dieser Erkrankung um eine schweres und ernst zu nehmendes Krankheitsbild mit möglicher Todesfolge handelt, ist sowohl
in der Bevölkerung, als auch bei Ärzten noch immer
nicht ausreichend verankert.
Weniger als ein Viertel der Osteoporosekranken werden in Österreich adäquat behandelt. Die Bedeutung
der Osteoporose als Volkskrankheit wird drastisch unterschätzt. Die oft sehr schmerzhaften Frakturen führen
zur Invalidisierung, sozialer Isolierung und vorzeitigem
Tod. Etwa 30 Prozent der Patienten mit Schenkelhalsfrakturen bleiben dauernd invalid, 20 Prozent sterben
innerhalb eines Jahres an indirekten Folgen der Fraktur.
Aufgabe und Ziel eines effizienten Managements dieser
Erkrankung muss es daher sein, die Diagnose bei den gefährdeten Patientengruppen rechtzeitig zu stellen und eine individuell angepasste Therapie frühzeitig einzuleiten.
Das Ziel dieser Therapie ist eine Verhinderung oder zumindest eine Reduktion des Risikos von Frakturen. ❯ österreichische ärztezeitung ❮ 10 ❮ 25. mai 2005
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Eine osteoporotische Fraktur stellt
ebenso eine vermeidbare Spätkomplikation einer chronischen Erkrankung
dar, wie etwa der Herzinfarkt bei der
koronaren Herzkrankheit oder der
Schlaganfall bei arterieller Hypertonie.
Die Osteoporose ist eine Erkrankung
des höheren Alters. Mit der Zunahme
der mittleren Lebenserwartung der Bevölkerung nimmt diese Erkrankung an
Häufigkeit zu, andererseits ist jedoch
darüber hinaus auch eine von der
durchschnittlichen Lebenserwartung
unabhängige überproportionale Zunahme der Erkrankungshäufigkeit zu
beobachten. Nach Berechnungen der
International Osteoporosis Foundation
wird sich ohne Einleitung wirksamer
Präventivmaßnahmen und deren breiter Anwendung die Zahl der Osteoporosekranken bis zum Jahre 2040 in
Europa und den USA mehr als verdoppeln.
Krankheitsbild
und Symptome
Die primäre Osteoporose ist eine
multifaktoriell verursachte Erkrankung, deren Entstehung sowohl genetisch determiniert als auch durch eine
große Anzahl von Risikofaktoren bestimmt wird (Tab. 1). Demgegenüber
sind die sekundären Osteoporoseformen Folge einer definierten Grunder-
Seite 32
krankung, die in ihrem Verlauf zu Störungen des Knochenabbaus durch
osteoklastäre Zellen beziehungsweise
des Knochenaufbaus durch Osteoblasten führt (Tab. 2). Eine primäre
Osteoporose kann also erst dann diagnostiziert werden, wenn entsprechende sekundäre Grunderkrankungen ausgeschlossen worden sind.
Bei der Anamnese ist zu berücksichtigen, dass der Entstehung einer klinisch manifesten Osteoporose ein sehr
langes asymptomatisches Stadium vorausgehen kann. Ein typisches Beschwerdebild, das auf das Vorhandensein ein primären Osteoporose hinweist, existiert zumindest im Frühstadium nicht (Tab. 3). Die Schmerzsymptomatik seitens der Wirbelsäule ist
uncharakteristisch. Im weiteren Verlauf
der Erkrankung treten jedoch chronische Rückenschmerzen und Muskelverspannungen, die Entwicklung eines
Rundrückens mit Abnahme der Körpergröße, eine vermehrte Bildung von
Hautfalten am Rücken (Tannenbaumphänomen) und eine zunehmende Vorwölbung des Abdomens ohne
Gewichtszunahme durch Verkürzung
der Lendenwirbelsäule durch langsam
verlaufende Deckplatteneinbrüche im
Bereich der Wirbelkörper auf. Akute
Schmerzattacken in der Wirbelsäule
treten nach Wirbelkörpereinbrüchen
auf, die schon bei geringer Belastung –
etwa durch das Heben einer Einkaufstasche – hervorgerufen werden können.
Ein wichtiger Teil der Anamnese betrifft die Frage nach vorhandenen Risikofaktoren, wie kalziumarme oder
phosphatreiche Ernähung, geringe körperliche Aktivität, die länger dauernde
Einnahme von Medikamenten, die den
Knochenumsatz beeinflussen, sowie eine genaue Zyklusanamnese und Lebensstilfaktoren wie Rauchen und Alkoholkonsum. Bisher durchgemachte
Frakturen müssen abgefragt werden,
insbesondere, ob diese nach nur geringen Traumata wie etwa Sturz aus dem
Stand oder Anschlagen der Hand oder
des Unterarms entstanden sind. Ein
wesentlicher Risikofaktor ist die erbliche Disposition für diese Erkrankung,
an der nach heutigem Wissenstand eine Vielzahl von Genpolymorphismen
beteiligt sein können. Die Erhebung
einer genauen Familienanamnese hinsichtlich einer klinisch manifesten
Osteoporose bei Eltern und Geschwistern ist von besonderer Bedeutung.
Schließlich sind im Rahmen der Anamnese auch andere Erkrankungen beziehungsweise Symptome abzufragen,
die auf eine sekundäre Osteoporoseform hindeuten, sowie eine genaue
Medikamentenanamnese zu erheben.
Diagnose
1) Klinische Untersuchung:
Risikofaktoren für eine manifeste Osteoporose*
"starke" Risikofaktoren:
"schwache" Risikofaktoren:
(relatives Risiko > 2)
(relatives Risiko 1-2)
Alter > 70 á
Fraktur ohne adäquates Trauma
niedriges Körpergewicht BMI <20 kg/m2
Gewichtsverlust > 10 % in 5 Jahren
Immobilisation, extreme Inaktivität
kalziumarme Ernährung
Rauchen, Alkoholabusus
positive Familienanamnese
fehlende Sonnenexposition
vorzeitige Menopause (< 45 J.),
Ovarektomie
späte Menarche (> 15 J.)
Östrogenexpositions-Dauer < 30 Jahre
Genpolymorphismus (Sp1, Koll-I-Gen)
weibl. Geschlecht
Abnahme der Körpergröße > 4 cm
hohes Sturzrisiko (Sturz 2x/Jahr)
* modifiziert nach DVO-Leitlinien zur Osteoporose (2003)
Tab. 1
32
Die körperliche Untersuchung
kann erst eine fortgeschrittene
Osteoporose erkennen (Tab. 3). Erfasst wird die aktuelle beziehungsweise die Veränderung der Körpergröße
und das Gewicht, allfällig vorhandene Verformungen der Wirbelsäule wie
Rundrücken, Muskelhartspann der
Rückenmuskulatur sowie vorhandene
klinische Symptome der in der Tab. 2
angeführten Erkrankungen und laufende oder stattgehabte medikamentöse Therapien, die ebenfalls zu einer
sekundären Osteoporose führen können (Tab. 4).
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DFP - Literaturstudium
Sekundäre Osteoporoseformen:
(Erkrankungen, die häufig mit verminderter Knochendichte einhergehen)
2) Laboruntersuchungen:
Endokrin-Metabolisch:
Hypogonadismus, Cushing-Syndrom, länger bestehende Hyperthyreose,
Anorexia nervosa, Hyperprolaktinämie, Porphyrie, Diabetes mellitus Typ I,
Hyperparathyreoidismus, Wachstumshormonmangel
Ernährung/Malabsorption/
Malnutrition:
chron. Darmerkrankung, chron. Lebererkrankung, St.p. Darm- oder
Magenresektion, Vitamin-D-Mangel, Kalzium-Mangel, Laktoseintoleranz,
chron. Alkoholismus, Essstörungen
Die Bedeutung der
Kollagenstoffwechsel:
Osteogenesis imperfecta, Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom,
Labordiagnostik bei
Homocystinurie
der Osteoporose liegt
Skelett/Ca-Stoffwechsel
bei
primär chron. Polyarthritis, chron. Nierenerkrankung, COPD,
im Wesentlichen in der
chron. Erkrankungen:
sek. Hyperparathyreoidismus, St.p. Organtransplantation,
Abgrenzung von der
Tumor-Hyperkalzämie, diffuse Metastasierung im Skelett, Osteomalazie
primären gegenüber
Hämatolog.
Erkrankungen:
Plasmozytom, Leukämien, Lymphome, Mastozytose, Thalassämie
den sekundären OsteoMedikamentös:
Glukokortikoide, Schilddrüsenhormone hochdosiert, Heparin,
poroseformen. Mit dem
Phenytoin, Lithium, Vitamin D-Überdosierung
sogenannten "RoutineTab. 2
labor" (Tab. 5) können
Hinweise auf das Vorliegen der häufigsten sekundären Osteoporoseformen gewonnen werden. Das sogestimmungsmethoden sowie der VielDas Wirbelsäulenröntgen bildet die
nannte "erweiterte Speziallabor" sollte
zahl von Faktoren, welche die InterpreGrundlage zu einer sicheren Beurteibei klinischen Hinweisen auf sekundäre
tation beeinflussen, den in der Osteolung osteodensitometrischer MessunOsteoporoseformen durchgeführt werporosediagnostik erfahrenen Ärzten
gen an der Wirbelsäule. Beurteilt werden, außerdem enthält es einen Knobeziehungsweise Instituten vorbehalten
den Formveränderungen der Wirbelchenabbaumarker (wie zum Beispiel
sein. Im Gegensatz dazu sollte das Basäule wie etwa alte traumatische FrakCross Laps oder TRAP 5b) sowie einen
sislabor zur Differenzialdiagnostik der
turen bzw. bereits eingetretene osteoAnbaumarker wie etwa Osteokalzin
Osteoporose durch jeden Arzt bei der
porotische Frakturen, Morbus Scheuoder die knochenspezifische alkalische
Erstdiagnostik der Osteoporose veranermann, Tumore, Osteomalazie, degePhosphatase, deren Ergebnisse Rücklasst werden.
nerative Erkrankungen, etc. Weiters
schlüsse auf den Aktivitätsgrad der
kann röntgenologisch die Höhe der
3) Röntgenuntersuchungen:
Osteoporose zulassen.
Wirbelkörper relativ exakt gemessen
Wirbelsäulenaufnahmen sind fixer
werden, dieses dient als Ausgangswert
Die Serumkalzium- und PhosphatBestandteil jeder Osteoporoseerstunfür die spätere Beurteilung von Konwerte sind bei der primären Osteopotersuchung und Erstdiagnose. Auftrollröntgenuntersuchungen, die jerose typischerweise nicht verändert.
grund der geringen Sensitivität sind sie
denfalls nach jeder akuten SchmerzatDie biochemischen Marker des Knojedoch zur Frühdiagnostik und als
tacke im Bereich der Wirbelsäule indichenumbaus sind zur Suchdiagnostik
Screeninguntersuchung für eine primäziert sind.
(Auffinden von Osteoporosepatienten)
re Osteoporose nicht geeignet. Ent4) Verfahren zur Messung
nicht geeignet. Etwa die Hälfte der
sprechende radiologische Entkalkungsder Knochendichte:
Osteoporosepatienten weisen normale
zeichen treten erst bei einem KnochenIn der Diagnostik spielt die AnwenWerte der Knochenumbaumarker auf.
mineralverlust von mehr als 30 Prozent
dung densitometrischer Verfahren zur
Diese haben jedoch möglicherweise eiauf. Zweck der Durchführung eines
Messung der Knochendichte als
ne gewisse Bedeutung in der BestimWirbelsäulenröntgens liegt vielmehr
Quantifizierung eines wesentlichen
mung des Frakturrisikos und werden
darin, lokalisierte WirbelkörperveränRisikofaktors für Frakturen eine weauch im Therapiemonitoring eingederungen wie zum Beispiel Wirbelkörsentliche Rolle. Mit Ausnahme des
setzt. Die Durchführung und Beurteipereinbrüche zu erfassen sowie HinAlters des Patienten und einer exakt
lung von Knochenumbaumarkern sollweise auf eine Knochenerkrankung im
erhobenen Frakturanamnese sind ante aufgrund von Besonderheiten in der
Rahmen einer sekundären Osteoporodere Variable zur Abschätzung
Präanalytik und der analytischen Bese zu gewinnen.
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Klinische Symptome,
die auf eine Osteoporose hinweisen*:
Rückenschmerzen (unspezifisch)
Rundrücken
Abnahme der Körpergröße > 4 cm
Tannenbaumphänomen (Hautfalten)
Spontanfrakturen von Wirbelkörpern
Gehäuftes Auftreten von nicht-vertebralen Frakturen
* Die Symptome sind unspezifisch, d.h. es kann auch eine andere Erkrankung vorliegen (z.B. Mb. Scheuermann, Osteogenesis imperfecta, etc.)
Tab. 3
des Frakturrisikos quantitativ
schlechter erfassbar (Tab. 6). Die mit
Hilfe geeigneter Methoden gemessene
Knochendichte steht in direkter Beziehung zur Frakturgefährdung, wie durch eine große Anzahl klinischer Studien belegt werden konnte.
Als diagnostische Messmethoden
zur Erfassung einer Erkrankung mit
Knochenmineralsverlust stehen und
heute drei Standardverfahren zur Verfügung.
1.)Konventionelles Skelettröntgen
2.)DXA-Methode (Dual-X-Ray-Absorptiometrie) der Wirbelsäule und des
proximalen Femurs
3.)QCT (quantitative Computertomographie) der Lendenwirbelsäule
a) DXA-Methode
Nach Erhebung des lokalen radiologischen LWS-Befundes sollte eine
DXA-Messung der Lendenwirbelsäule
beziehungsweise der Hüfte durchgeführt werden. Diese hat derzeit auch
aus ökonomischer Sicht und aufgrund
der Strahlenbelastung die größte praktische Relevanz. Aussagekräftige Messergebnisse werden bei der DXA der
Lendenwirbelsäule vor allem bei Patienten unter 65 Jahren und ohne nennenswerte degenerative Veränderungen
der Wirbelsäule zu erwarten sein. Eine
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Langzeitmedikamente,
die zu einer erniedrigten
Knochendichte führen können:
Glucocortikoide
Antikonvulsiva
Heparine
Zytostatika
Antiandrogene (GnRH-Agonisten)
Immunsuppressiva
Psychopharmaka (Lithium)
hohe Thyroxin-Dosen
zusätzliche DXA-Messung der Hüfte
sollte bei jedem Patienten über 65 Jahren und bei jüngeren Patienten mit degenerativen Wirbelsäulenveränderungen durchgeführt werden. Zur Beurteilung der Messung an der LWS wird der
Durchschnittswert von LWK1 oder
LWK 2 bis LWK4 verwendet.
Degenerativ veränderte Wirbelkörper sollten bei der Auswertung der
Messung nicht einbezogen werden. Eine Wirbelsäulenmessung ist jedoch
auswertbar, wenn der Dichtewert von
mindestens zwei Wirbelkörpern beurteilt werden kann. Bei Messungen der
Hüfte werden die Messergebnisse in
der Region "Schenkelhals", "Trochanter" und der "gesamten Hüfte" seitengetrennt beurteilt. Für die Klassifizierung nach den WHO-Kriterien ist jeweils die Messregion mit dem niedrigsten Knochendichtewert ausschlaggebend.
Für die Beurteilung densitometrischer Messergebnisse mit der DXAMethode wird heute nach internationaler Übereinkunft die gemessene
Knochenmineraldichte als T-score (TWert) angegeben. Der T-score bezieht
sich auf die Knochenmasse eines
Normkollektivs junger gesunder Erwachsener und wird als Standardabweichung vom Mittelwert dieses Norm-
Tab. 4
kollektivs angegeben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat für
DXA-Messungen an der Lendenwirbelsäule folgende Klassifikation eingeführt:
Normbefund: T-score größer als minus
1 Standardabweichung
Osteopenie: T-score von -1 bis -2,5
Standardabweichungen
Osteoporose: T-score liegt unter -2,5
Standardabweichungen
Manifeste Osteoporose: T-score unter
-2,5 Standardabweichungen und nachgewiesene osteoporotische Fraktur
Die Klassifikation gilt prinzipiell für
Frauen nach der Menopause, soll jedoch bis zum Vorliegen ausreichender
Daten für Normkollektive auch bei
Männern angewandt werden. In der
Regel wird diese Klassifikation auch für
DXA-Messungen an der Hüfte verwendet. Bei jungen gesunden prämenopausalen Frauen sollen diese WHOKriterien nicht angewendet werden, da
hier die Beziehungen zwischen Knochenmasse und Frakturrisiko nicht wissenschaftlich belegt sind. Bei jüngeren
Frauen mit eindeutigen sekundären Ursachen für eine Osteoporose findet die
WHO-Klassifikation jedoch Anwendung. Bei speziellen Fragestellungen
kann die primäre Durchführung einer
Knochendichtemessung mittels
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Laboruntersuchungen bei Osteoporose
Routinelabor:
Ca, Phosphat im Serum
Niere (Kreatinin)
Leber (AP, GGT)
BSG/CRP
Serum-Elphor
BB + Diff.-BB
Erweitertes Labor:
FSH, E2, Testosteron
Vitamin D (25-OH-Cholecalciferol)
PTH (Parathormon)
Cross Laps, TRAP 5b
Osteocalcin, bALP
TSH
c) Indikation zur Osteodensitometrie
TSH = Follikel stimulierendes Hormon, E2 = Oestradiol, Cross Laps = C-terminales Peptid des
Collagen Typ 1, TRAP = tartratresistente alkalische Phosphatase, bALP = knochenspezifische alkalische Phosphatase, TSH = Thyroidea stimulierendes Hormon. Sämtliche Bestimmungen im Serum.
Tab. 5
einer quantitativen Computertomographie (QCT) im Lendenwirbelsäulenbereich durchgeführt werden.
Insbesondere dann, wenn die DXAMessung an der Wirbelsäule und Hüfte
nicht verwertbar ist. Auch bei Patienten
mit besonders schlankem Habitus und
niedrigem Körpergewicht kann durch
eine QCT durch eine selektive Bestimmung der trabekulären Knochendichte
ein zu niedriger DXA-Wert abgeklärt
werden. Die routinemäßige Anwendung
des QCT zur Erstdiagnose und insbesondere zur Verlaufskontrolle ist jedoch
durch die höheren Untersuchungskosten
und die höhere Strahlenbelastung eingeschränkt. Weiters ist die Verwendung der
T-scores und das daraus abgeleitete Frakturrisiko als Grundlage für eine Therapieentscheidung nur für die DXA-Verfahren wissenschaftlich fundiert, nicht
aber für die QCT-Methode.
b) additive Messverfahren
Mit Hilfe von DXA oder der Methode der peripheren quantitativen
Computertomographie (pQCT) kann
der Knochenmineralsalzgehalt bzw. die
Knochendichte auch an anderen Körperregionen (wie zum Beispiel Radius)
gemessen werden. Diese Verfahren sind
als Zusatzmethoden (additive Messverfahren) zu sehen, eine alleinige Messung der Knochendichte, des Radius
oder anderer peripherer Messstellen
kann nicht Grundlage für die Einleitung einer Therapie sein. Seltene Aus-
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nahmen bilden Patienten, bei denen
die Standardverfahren keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern (zum Beispiel hochgradige Coxathrose oder Totalendoprothese beider Hüften und
ausgeprägte Veränderungen an der
LWS).
Generell gilt laut WHO-Definition,
dass an einem der beiden Messorte
Wirbelsäule oder Hüfte Knochendichtedaten vorliegen sollten, da diese beiden Regionen die wichtigsten Frakturlokalisationen bei Osteoporose darstellen. Gleiches gilt auch für den Einsatz
des quantitativen Ultraschalls (QUS)
des Fersenbeines oder anderer peripherer Messstellen. Auch diese Methode
stellt nach wie vor ein additives Messverfahren dar, und die erhobenen Befunde können nicht Basis zur Einleitung einer Therapie sein. Obwohl mit
Hilfe von Ultraschallverfahren im Vergleich zur DXA-Messung ähnlich gute
Daten zur Voraussage von Hüftfrakturen vorliegen, fehlt der wissenschaftliche Beweis, dass bei Patienten, die mittels Knochenultraschall als Risikopatienten identifiziert wurden, sich diese
Methode zur Therapiekontrolle eignet,
da bisher keine großen Therapiestudien unter Verwendung von Ultraschallmessungen durchgeführt wurden. Als
drittes additives Verfahren soll noch die
DXA-Ganzkörpermessung erwähnt
werden, ihr kommt in der Osteoporosediagnostik keine Bedeutung zu.
In Übereinstimmung mit internationalen Richtlinien hat die Österreichische Gesellschaft zur Erforschung des
Knochens und Mineralstoffwechsels
folgende Indikationen zur Knochendichtemessung in ihre Leitlinien zur
Osteoporosediagnostik aufgenommen:
1) eine einmalige Messung bei postmenopausalen Frauen unter 65 Jahren bei
Vorliegen von zumindest einem zusätzlichen Risikofaktor;
2) eine einmalige Messung bei Frauen
ab 65 Jahren und Männern ab dem 70.
Lebensjahr (auch ohne Risikofaktoren);
3) bei Frauen und Männern mit Erkrankungen, die mit einem erhöhten
generalisierten Knochenverlust einhergehen (Tab. 2);
4) bei Langzeitmedikation mit Medikamenten, die einen erhöhten Knochenverlust verursachen können (Tab. 4);
5) bei radiologischem Verdacht einer
Knochenmineralverminderung (z.B.
Frakturen, Deckplattenimpressionen,
strähnige Spongiosararefizierung);
6) nach einer Wirbelkörper-, Schenkelhals- oder Radiusfraktur bzw. jeder anderen Fraktur nach inadäquatem Trauma;
7) bei Einleitung einer Therapie als Basisbefund für Verlaufskontrollen.
Kontrollmessungen im Verlauf einer
Therapie sind, wenn sie vergleichbar
sein sollen, an demselben oder einem
baugleichen Gerät durchzuführen. Die
Auswertung sollte sich nach WHOKlassifikation an Änderungen des T-
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DFP - Literaturstudium
Diagnose der Osteoporose:
Diagnostische Schritte
1. Anamnese
2. klin. Untersuchung
3. Röntgen (WS)
4. Densitometrie (WS, Hüfte)
5. Labor (Routinelabor und
erweitertes Labor)
Aussage über:
A, D, F
B, D
E, B
B, F
D, C*, E
Diagnostische Ziele
A. Erkennen von Risikopatienten
B. Bestimmung des Schweregrades
C. Bestimmung des Aktivitätsgrades
D. Ausschluss sekundärer Osteoporosen
E. Ausschluss nicht osteoporot.
Knochenerkrankungen
F. Abschätzung des Frakturrisikos
scores orientieren beziehungsweise am Wert
für die Knochendichte
(BMD in g/cm2), wenn
*) Knochenumbaumarker
signifikante Änderungen zum Vorbefund
festgestellt werden sollen. Nach Beginn einer
Therapie ist es frühesauch zur eigentlichen Therapie eingetens nach einem Jahr sinnvoll, eine
setzt. Unter Prävention der OsteoporoKontrollmessung durchzuführen. Die
se ist der Einsatz knochenwirksamer
darauffolgenden Messintervalle sollten
Pharmaka zur Verhinderung eines weiim Regelfall zwei bis fünf Jahre betrateren Knochenmasseverlustes zu verstegen. Kürzere als zwölfmonatige Meshen, so lange definitionsgemäß (nach
sintervalle können bei hochdosierter
WHO-Kriterien) noch keine OsteopoKortikoidtherapie nach Organtransrose vorliegt. Unter Therapie der
plantation sowie anderen Situationen
Osteoporose versteht man den Einsatz
mit hohem Knochenverlustrisiko notknochenwirksamer Medikamente zur
wendig sein.
Verhinderung erstmaliger oder weiterer
Frakturen, sofern bereits eine densitoTherapie der Osteoporose
metrisch verifizierte Osteoporose
Ziel der Therapie ist es, osteoporound/oder Fragilitätsfrakturen vorlietische Frakturen zu verhindern beziegen.
hungsweise das Frakturrisiko zu senken. Die entsprechenden MedikamenUnter "Sekundärprävention" verte werden sowohl zur Prävention als
steht man den Einsatz knochenwirksamer Pharmaka bei Patienten mit bereits
vorhandenen osteoporotischen Frakturen zur Verhinderung weiterer FraktuErhöhtes Sturzrisiko:
ren. Nicht medikamentöse Behandlungsmaßnahmen werden sowohl im
Anamnestisch ≥ 2 Stürze / Jahr
Bereich der Prävention, als auch in der
Anamnese von Synkopen
Therapie aller Stadien der Osteoporose
Bekannte Epilepsie
erfolgreich eingesetzt.
Eingeschränktes Sehvermögen,
unzureichende Visuskorrektur,
Brillen?
Gehbehinderung durch neurologische oder orthopädische
Erkrankungen
Therapie mit Psychopharmaka,
Schlafmittel
Therapie mit Antihypertensiva
Sturzfallen (Schwellen, Kabel,
rutschender Teppich, glatte Böden)
Tab. 7
Diese reichen von Kalzium- und Vitamin-D-reicher Ernährung sowie Sport
und Bewegungsprogrammen bis zum
Einsatz physikalischer Therapie, von
Orthesen sowie operativen Eingriffen
nach einer Fraktur von Wirbelkörpern
(zum Beispiel Kyphoplastie und Vertebroplastie) beziehungsweise nicht vertebralen Frakturen und proximalen Femurfrakturen. Eine medikamentöse Intervention ist unter Berücksichtigung
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Tab. 6
aktueller epidemiologischer Erkenntnisse und nach den anerkannten
WHO-Kriterien in folgenden Fällen
indiziert:
bei Vorliegen eines T-scores < 2,5 an
der Lendenwirbelsäule und/oder an einer Messregion der Hüfte (Therapie);
bei Vorliegen einer Fraktur nach
inadäquaten Trauma und verminderter Knochenmineraldichte,
T-score < -1,0 (Therapie);
bei verminderter Knochenmineraldichte (T-score < -1,0) und zusätzlichen Risikofaktoren (Prävention);
bei progredientem beschleunigten
Knochenmineraldichteverlust, wenn
nicht - pharmakologische Maßnahmen ineffektiv sind (Prävention).
Der Therapiebeginns wird durch
das Frakturrisiko bestimmt, welches
durch Frakturanamnese vorliegende
Risikofaktoren sowie die mit DXA gemessene Knochenmineraldichte definiert ist.
Vor der Einleitung einer spezifischen Osteoporosetherapie mit Medikamenten muss die Diagnose der
Osteoporose gesichert sein. Liegt eine
sekundäre Osteoporoseform vor, so
steht primär die Behandlung der
Grundkrankheit im Vordergrund. Spezifische Osteoporosetherapeutika 39
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Osteoporose-Therapie (Frakturwirkung)
Ca. + Vit.D
Bisphosphonate
Alendronat (Fosamax®)
Risedronat (Actonel®)
SERM
Raloxifen (Evista®)
HRT **
(E + Gestagen)
Calcitonin
Parathormon
WK-Fraktur
(+)
Hüft-Fraktur
+
nv*-Fraktur
+
++
++
++
++
(+)
(+)
+
+
++
+
(+)
+
+-
* nicht vertebrale Frakturen; ** keine primäre Indikation zur Therapie der Osteoporose
Tab. 8
können jedoch zusätzlich aus symptomatischen Therapieüberlegungen
eingesetzt werden. Der frühzeitige Beginn einer Therapie, noch bevor irreversible Schäden aufgetreten sind, ist
unbedingt anzustreben. Ziel aller therapeutischen Maßnahmen ist es, das Auftreten von osteoporotischen Frakturen
zu verhindern beziehungsweise das
Frakturrisiko herabzusetzen. Im weiteren Sinn gehört zur Therapie bereits eine frühzeitig einsetzende Prävention
der Osteoporose.
Darunter sind alle Maßnahmen zu
verstehen, die bei Personen mit erkennbarem Risiko die Entwicklung einer
Osteoporose verhindern (Primärprävention). Dies beginnt bereits in der Jugend, da für den späteren Verlauf das
Erreichen einer möglichst hohen Spitzenknochenmasse um das 30. Lebensjahr angestrebt werden soll. Faktoren,
die dazu beitragen sind: kalziumreiche
Ernährung, körperliche Aktivität, ausreichender Aufenthalt im Freien (Sonneneinstrahlung!) sowie sportliche Betätigung. Im höheren Alter spielt vor allem die Vermeidung von Stürzen bei Patienten mit erhöhtem Sturzrisiko (Tab.
7) und die Erhaltung der körperlichen
Beweglichkeit eine wesentliche Rolle.
40
Medikamentöse
Therapie der Osteoporose
Kalzium- und Vitamin D-Präparate
Kalzium- und Vitamin D werden
sowohl als eigenständige Therapie und
darüber hinaus bei allen anderen
Osteoporosetherapieformen zusätzlich
verabreicht. Die Serumkonzentrationen von 25-Hydroxyvitamin D3 nehmen mit zunehmenden Alter ab. Dies
hat nachteilige Auswirkungen auf den
Knochenstoffwechsel. Unterschiedliche Schweregrade einer gerade im Alter sehr häufigen Vitamin D-Hypovitaminose stellen eine Indikation für die
Therapie mit Kalzium und Vitamin D
dar. In Österreich steht gegenwärtig eine Reihe von Formulierungen, häufig
auch kombiniert mit Kalzium, zur Verfügung.
Der tägliche Kalziumbedarf liegt bei
1.000 bis 1.500 mg, der tägliche Vitamin D-Bedarf bei 400 bis 800 IE.
Vitamin D hemmt den Knochenabbau
über die Hemmung der Osteoklastentätigkeit, während die knochenneubildenden Zellen die Osteoblasten erst in
späterer Folge gebremst werden, sodass
zusammen mit einer Hemmung der
Parathormonsekretion eine positive
Knochenbilanz resultiert. Vitamin D
in Form von Cholecalciferol-Präparaten stellt eine besonders kostengünstige Therapieform dar. Cholecalciferol
wird in der Leber und Niere durch Hydroxylierung in aktive Metaboliten
umgewandelt, bei Patienten mit fortgeschrittenen Nieren- und Leberfunktionsstörungen sollen daher zur Substitutionstherapie aktive Vitamin D-Metaboliten (Calcitriol, Alphakalzidol)
eingesetzt werden. Für Cholecalciferol
ist eine Risikoreduktion für Schenkelhals und andere nicht vertebrale Frakturen für ältere Patienten in kontrollierten Studien nachgewiesen.
Eine Auswertung von Studien in einer Metaanalyse macht eine günstige
Wirkung auch auf Wirbelkörperfrakturen wahrscheinlich. Alphakalzidol als
aktiver Metabolit wird bevorzugt bei
Patienten mit renalen Funktionseinschränkungen eingesetzt, sofern nicht
gleichzeitig eine hepatische Erkrankung besteht. Die durchschnittliche
Dosierung beträgt 0,75 µg täglich. Auf
eine gleichzeitig ausreichende Kalziumzufuhr ist zu achten. Calcitriol wird
in einer durchschnittlichen Dosierung
von 2 x 0,25 µg täglich angewandt. Eine Kontrolle des Serumkalziumspiegels
beziehungsweise der 24-Stunden-Kalziumausscheidung im Harn am Beginn
der Therapie monatlich und dann in
halbjährlichen Abständen ist angezeigt.
Selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERMs)
Diese Substanzen besitzen sowohl
östrogenagonistische als auch -antagonistische Eigenschaften. Raloxifen, der
derzeit einzige in Österreich zur Behandlung der Osteoporose zugelassene
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SERM, wirkt antagonistisch auf
das Brustdrüsengewebe und die Uterusschleimhaut. In der Osteoporosetherapie wird die Östrogen-agonistische
Wirkung auf den Knochen genutzt.
In einer großen Studie konnte für
Raloxifen eine Reduktion des Risikos
für Wirbelkörperfrakturen sowie von
extravertebralen Frakturen (nur für
Sprunggelenksfrakturen) und nur in
einer Untergruppe der untersuchten
Patienten auch für proximale Femurfrakturen nachgewiesen werden. Ein
wesentlicher Vorteil von Raloxifen ist
die Verminderung des Mamma-Karzinom-Risikos um 62 Prozent, außerdem besitzt es eine günstige Wirkung
auf die Lipidspiegel und zeigt eine Re-
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Hormonersatztherapie bei vorhandenem familiären Mamma-KarzinomRisiko, bei vorliegenden Nierenfunktionsstörungen, bei Vorliegen gastrointestinaler Erkrankungen mit Resorptionsstörungen und bei Patientinnen
mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko
eingesetzt. Weiters wird Raloxifen bei
geringerem Sturzrisiko und damit
niedrigen Schenkelhalsfrakturrisiko
vorzugsweise gegeben, da bei diesen
Patienten generell keine signifikante
Risikoreduktion nachgewiesen werden
konnte.
Bisphosphonate
Bisphosphonate werden bei oraler
Therapie nur zu einem geringen Prozentsatz (ca. 0,5-2 %) resorbiert, sie
Messfehler bei Densitometrie m(DXA) der Wirbelsäule
cave hohe Dichtewerte:
Skoliose
Osteochondrosen
Spondylarthrosen
Frakturen
Aortenverkalkung
osteoblastäre Metastasen
Morbus Paget
cave niedrige Dichtewerte:
Konstitutionstyp!
Osteomalazie!
lytische Metastasen
Hämangiomwirbel
Laminektomie
Plasmozytom
duktion des gesamtkardiovaskulären
Risikos. Raloxifen erhöht ähnlich das
Risiko thromboembolischer Ereignisse
auf etwas das Dreifache und soll daher
Patientinnen mit tiefen Venenthrombosen- und Lungeninfarkt-Anamnese
nicht gegeben werden. Weiters können
bestehende postmenopausale vegetative Beschwerden verstärkt werden.
Die Einnahme erfolgt einmal täglich unabhängig von der Nahrungsaufnahme und der Uhrzeit. Aufgrund der
vorliegenden Studienergebnisse wird
Raloxifen hauptsächlich bei jüngeren
Patientinnen als primäre Osteoporosetherapie oder im Anschluss an eine
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Tab. 9
rationen des Ösophagus und der Magenschleimhaut. Letztere treten besonders bei inkorrekter Einnahme
auf. Die Häufigkeit der Nebenwirkungen scheint durch neue Einnahmeformen, nämlich einmal wöchentlich, reduziert zu werden. Alendronat
(10 mg 1x täglich oder 70 mg 1x wöchentlich) ist für die Therapie der postmenopausalen, der männlichen sowie
der Cortison-induzierten Osteoporose
zugelassen. Neben einer deutlichen
Zunahme der Knochendichte kommt
es auch zu einer signifikanten Reduktion des Frakturrisikos für Wirbelkörper, Unterarm und Schenkelhals. Risedronat (5 mg 1x täglich oder 35 mg
1x wöchentlich) ist zur Therapie der
postmenopausalen und Cortison-induzierten Osteoporose zugelassen.
Vorliegende Studien dokumentieren
eine signifikante Reduktion des Wirbelkörperfrakturrisikos sowie des Risikos für nicht vertebrale Frakturen einschließlich der proximalen Femurfraktur. Bei der Cortison-induzierten
Osteoporose konnte ebenfalls neben
der Zunahme der Knochendichte auch
eine Reduzierung der Wirbelkörperfrakturen nachgewiesen werden.
lagern sich aufgrund ihrer chemischen Struktur selektiv in den Knochneumbauzonen an und bewirken dort
durch ihre spezifische zytotoxische
Wirkung eine Hemmung der Osteoklastentätigkeit. Ihre Halbwertszeit
beträgt zehn bis 14 Jahre. Bisherige
Erfahrungen liegen erst über zehn
Jahre vor, weswegen bei der Behandlung jüngerer Patienten Zurückhaltung geboten ist.
Orale Bisphosphonate können bei
falscher Einnahme zur gastrointestinalen Beschwerden führen. Die Einnahme der Bisphosphonate muss auf
nüchternen Magen erfolgen, erst nach
30 Minuten sollte eine Nahrungsaufnahme stattfinden. Eine liegende Körperposition ist zu vermeiden. Die Patienten sollten über den Einnahmemodus eingehend informiert werden, und
bei Patienten mit bekannter Refluxerkrankung, Hiatushernie oder UlcusAnamnese ist Vorsicht geboten, bei Patienten mit Ösophagusstrikturen sind
Bisphosphonate kontraindiziert.
Nebenwirkungen treten vor allem
in Form gastrointestinaler Beschwerden auf und zwar Völlegefühl, Flatulenz, Diarrhoe und Obstipation bis
zu Erosionen beziehungsweise Ulce-
Das Indikationsfeld erstreckt sich
auf ältere Patienten mit hohem Sturzbzw. Schenkelhalsfrakturrisiko, Patienten mit manifester Osteoporose
mit erhöhtem Frakturrisiko
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(Reduktion sowohl vertebraler als
auch nicht vertebraler Frakturen), auf
Patientinnen und Patienten mit
thromboembolischer Erkrankung in
der Anamnese sowie die Osteoporose
des Mannes und die Cortison-induzierte Osteoporose.
Rekombinantes humanes
Parathormon – Teriparatid
Teriparatid (rHPTH 1-34) ist in
Österreich registriert und verfügbar.
Das Präparat wird einmal täglich subkutan mittels Pen in einer Dosierung
von 20 µg appliziert und hat in einer
18-monatigen Doppelblind-Studie
deutlich positive Ergebnisse gezeigt.
Unter der Gabe von Teriparatid erfolgt
ein physiologischer Knochenaufbau
von normal strukturiertem Knochen
(Zunahme der Knochendichte von
zehn bis 13 Prozent pro Jahr).
Es führt auch bei bereits vorhandenen Wirbelkörperfrakturen zu einer
65prozentigen Absenkung des Frakturrisikos an der Wirbelsäule, auch nicht
vertebrale Frakturen werden um etwa
50 Prozent reduziert. Teriparatid
kommt bei Patienten mit besonders
schweren Verlaufformen und bei therapieresistenter manifester Osteoporose
zum Einsatz.
In der gleichen Indikation kann es
auch bei Männern empfohlen werden.
Der damit erzielte Knochenaufbau
sollte nachfolgend mit resorptionshemmenden Substanzen erhalten werden.
Positive Befunde diesbezüglich liegen
für die Hormonersatztherapie und für
Raloxifen vor. In Kombination mit
Bisphosphonaten (Alendronat) beziehungsweise bei bereits laufender
Bisphosphonattherapie zeigte sich jedoch eine deutliche Wirkungsabschwächung zumindest für sechs Monate. Zu
dieser Fragestellung und allfälligen weiteren Indikationen liegen jedoch noch
keine schlüssigen Ergebnisse vor. Nachteilig für eine breitere Anwendung sind
der hohe Preis dieser Therapieform
und die tägliche Injektion.
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Strontiumranelat
Strontiumranelat ist eine Substanz,
die sowohl die Knochenneubildung
steigert als auch die Knochenresorption verringert. In einer Phase-III-Studie
an über 1.600 Frauen konnte eine Reduktion des Frakturrisikos für Wirbelfrakturen um 49 Prozent innerhalb von
drei Jahren unter einer täglichen oralen
Dosis von zwei Gramm nachgewiesen
werden. Weiters fand sich eine Zunahme der lumbalen Knochendichte um
12,7 Prozent. Vorläufige Daten weisen
außerdem darauf hin, dass auch die
Häufigkeit nicht-vertebraler Frakturen
gesenkt werden kann.
Calcitonin
Calcitonin hemmt die Knochenresorption und besitzt gleichzeitig eine
zentral analgetische Wirkung. Calcitoninpräparate kommen sowohl subcutan (100 IE/die) als auch als Nasalspray
(2x 100 IE/die) zur Anwendung. Die
Wirksamkeit der einzelnen Präparate
ist weitgehend gleichwertig. In einer
größeren kontrollierten Studie konnte
die Wirksamkeit zur Reduktion von
Wirbelkörperfrakturen bei Patienten
mit prävalenten Wirbelkörperfrakturen
mit der intranasalen Applikation nachgewiesen werden. Es wird daher in dieser Indikation als Einleitung einer antiresorptiven Therapie bei akuter
schmerzhafter manifester Osteoporose
oder zusätzlich zu einer laufenden
Osteoporosetherapie bei akuten
Schmerzphasen (z.B. Wirbelkörpereinbruch) angewandt. Weiters wird es bei
Unverträglichkeit oder Kontraindikation gegen Bisphosphonate oder Raloxifen z.B. bei Männern mit präterminaler Niereninsuffizienz bzw. bei prämenopausalen Frauen mit behandlungsbedürftiger Osteoporose eingesetzt
(Kontraindikation: Hypokalzämie). Als
Nebenwirkungen können Übelkeit
und Erbrechen, hyperergische Reaktionen wie Tachykardie, Hypotonie und
Kollaps sowie lokale Entzündungserscheinungen an der Injektionsstelle
und bei intranasaler Gabe Rhinitis und
Schleimhautulcerationen auftreten.
Hormonersatztherapie
Große epidemiologische Studien
zeigen zwar, dass durch eine Hormonersatztherapie das Risiko für Hüftfrakturen deutlich gesenkt werden kann,
andererseits wurden deutlich negative
Ergebnisse hinsichtlich eines erhöhten
kardiovaskulären Risikos und eines erhöhten Mamma-Karzinom-Risikos
(für die kombinierte Hormonersatztherapie) sowie eines erhöhten thromboembolischen und cerebrovaskulären
Risikos nachgewiesen. Deswegen kann
die Hormonersatztherapie primär nicht
zur Prävention und Therapie der
Osteoporose empfohlen werden. Die
HRT komm als Osteoporosetherapeutikum nur bei Frauen zum Einsatz, die
Kontraindikationen gegen alle anderen
Medikamentengruppen, wie Bisphosphonate, SERMs, Parathormon und
Calcitonin, aufweisen. Vor Einleitung
einer Hormonersatztherapie ist jedenfalls ein erhöhtes Mamma-KarzinomRisiko, ein erhöhtes kardiovaskuläres
Risiko sowie thromboembolisches Risiko auszuschließen. Während der Behandlung sind regelmäßig in jährlichen
Abständen Kontrollen durchzuführen
und jedes Mal das Risikoprofil neu abzuwägen. Für die Behandlung periund postmenopausaler Beschwerden
gilt der Grundsatz: so niedrig dosiert
und so kurz wie möglich.
Neue Entwicklungen
Neben Parathormon und Strontiumranelat befinden sich eine Reihe von
Substanzen im Stadium der klinischen
Prüfung bzw. Entwicklung. Für neue
Bisphosphonate wie Zoledronat oder
Ibandronat, die derzeit in der Tumorinduzierten Hyperkalzämie eingesetzt
werden, liegen auch vielversprechende
Ergebnisse für den Einsatz bei Osteoporosepatienten vor. Neue selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERMs) mit
noch günstigerer Wirkung auf das Lipidprofil stehen in klinischer Prüfung.
Weiters werden Substanzen mit neuen
Wirkungsmechanismen wie
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Katepsin-K-Inhibitoren sowie Substanzen, die in den Koppelungsmechanismus von Knochenanbau und -abbau eingreifen, wie Osteoprotegerin
oder Antikörper gegen den RANK-Liganden, klinisch geprüft. Beobachtungen über die günstige Beeinflussung
der Knochendichte und des Knochenstoffwechsels durch Statine bedürfen
noch einer Bestätigung in prospektiven
klinischen Studien an Osteoporosepatienten.
Kombinationstherapien
Für die kombinierte Anwendung
von antiresorptiven Substanzen beziehungsweise die Kombination von Knochenanabolika mit antiresorptiven
Substanzen liegen einige wenige prospektive Studien vor, in denen ein additiver Effekt auf die Knochendichte
nachgewiesen werden konnte. Prospektive Studien zur Reduzierung der Frakturhäufigkeit sind derzeit nicht publiziert, sodass eine generelle Empfehlung
für die Anwendung von Kombinationstherapien nicht gegeben werden
kann. Eine positive Beeinflussung der
Knochendichte wurde unter Kombination von Alendronat und Risedronat
mit Östrogen sowie für die Kombination Raloxifen mit Alendronat gezeigt.
Bei gleichzeitiger Gabe von Parathormon mit Bisphosphonaten konnte
kein additiver Effekt nachgewiesen
werden, ebenso, wenn Parathormon
unmittelbar nach einer Bisphosphonattherapie verabreicht wurde. Eine
Beeinträchtigung des Parathormoneffektes durch Raloxifen beziehungsweise Östrogentherapie ist nach vorläufigen Ergebnissen nicht gegeben.
Zusammenfassung
Von den in Österreich zur Therapie
und Prävention der Osteoporose zugelassenen Pharmaka ist für die Substanzen Alendronat, Risedronat und Raloxifen nachgewiesen, dass sie das vertebrale Frakturrisiko nach EBM-Kriterien senken (Tab. 8). Ein niedriger Evi-
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denzgrad liegt für die Wirksamkeit älterer Bisphosphonate wie Etidronat sowie für Calcitonin-Nasalspray vor.
Alendronat und Risedronat weisen
darüber hinaus eine Wirksamkeit bei
der Reduktion von Schenkelhalsfrakturen und anderen nicht vertebralen
Frakturen auf. Kalzium und Vitamin
D stellen eine sinnvollen Ergänzung einer Osteoporosetherapie mit den bisher zugelassenen Therapieformen dar.
Kalzium und Vitamin D in Kombination reduziert das Schenkelhalsfrakturrisiko und das Risiko nicht vertebraler
Frakturen. In einer Metaanalyse wurde
außerdem eine positive Wirkung auf
das vertebrale Frakturrisiko nachgewiesen.
Wichtige Fallgruben bei
Diagnose und Therapie
Ein wichtiger Faktor bei der Erstellung der richtigen Diagnose "primäre
Osteoporose" ist der Ausschluss von sekundären Osteoporoseformen bei vorhandener definierter Grundkrankheit.
Die Einleitung einer alleinigen Osteoporosetherapie nur aufgrund eines vorliegenden densitometrischen Befundes
kann hier zu schwerwiegenden Behandlungsfehlern führen. Eine Osteoporosetherapie kann zwar auch bei sekundären Osteoporoseformen eine
günstige symptomatische Wirkung zeigen und wird als zusätzliche Therapie
auch in vielen Fällen notwendig sein.
Im Vordergrund bei der Behandlung
sekundärer Osteoporosen steht jedoch
die Behandlung der Grundkrankheit.
Durch die ausschließliche symptomatische Behandlung der Osteoporose
wiegen sich Patient und Arzt in einer
vermeintlichen Sicherheit, die vor allem bei Vorliegen von hämatologischen
oder onkologischen Grunderkrankungen deletäre Folgen haben kann. Auch
ein Hypogonadismus des Mannes als
Ursache einer sekundären Osteoporose
wird oft übersehen. Bis zum Vorliegen
besserer Diagnoseinstrumente stellt die
Erhebung eines DXA-Befundes die
Grundvoraussetzung für eine Therapie
bei primärer Osteoporose dar. Umso
wichtiger ist die fachgerechte Beurteilung der osteodensitometrischen Befunde durch einen erfahrenen Arzt, die
nur im Zusammenhang mit den erhobenen Vorbefunden, wie Anamnese,
körperliche Untersuchung, Laboruntersuchungen und radiologischer Untersuchung, erfolgen sollte. Wesentliche Fehlbeurteilungen der Knochendichte können bei einer Reihe von radiologisch feststellbaren Veränderungen an Wirbelsäule und Hüfte vorkommen und zu einer Fehlinterpretation der Ergebnisse führen (Tab. 9).
Falsch hohe Knochendichtewerte
können den behandelnden Arzt veranlassen, eine dringend notwendige Therapie bei primärer Osteoporose nicht
einzuleiten. Andererseits ist bei konstitutionell bedingtem niedrigen Körpergewicht mit zartem Skelettaufbau die
Einleitung einer spezifischen Therapie
wahrscheinlich nicht notwendig. Hier
sollte jedenfalls eine ergänzende radiologische Abklärung, eventuell mittels
quantitativem CT der Wirbelsäule, erfolgen, um eine beginnende Osteoporose auszuschließen. Es sollte von vornherein eine vernünftige Therapieplanung erfolgen, um sich spätere therapeutische Möglichkeiten offen zu halten.
*) Univ. Prof. Dr. Georg Leb, Medizinische
Universitätsklinik, Auenbruggerplatz 15, 8036
Graz; Tel: 0316/385/23 83, Fax-DW: 34 28;
e-mail: [email protected]
Lecture Board: Univ. Prof. Dr. Harald Dobnig,
Univ. Prof. Dr. Barbara Obermayer-Pietsch,
Univ. Prof. Dr. Hans Peter Dimai,
Alle: Klin. Abteilung für Endokrinologie & Nuklearmedizin, Medizinische Universitätsklinik Graz
Herausgeber: Klinische Abteilung für
Endokrinologie & Nuklearmedizin, Medizinische
Universitätsklinik Medizinischen Universität Graz
Diesen Artikel finden Sie auch im Web
unter www.arztakademie.at
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