1 Theorie der Kettenbrüche II

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Berufsbezogenes Fachseminar - Zahlentheorie
Prof. Dr. Jürg Kramer
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Rebecca Sattler
Wintersemester 2014/15
Theorie der Kettenbrüche II
Vom ersten Vortrag erinnern wir, dass sich jede reelle Zahl α wie folgt darstellen
lässt:
1
α = a0 +
1
a1 +
1
a2 +
...
mit a0 ∈ Z und ai ∈ N>0 für jedes i ≥ 1. Die Kettenbruchdarstellung lässt sich auch
verkürzt schreiben als α = [a0 ; a1 , a2 , . . . ].
1.1
Eindeutigkeit und Irrationalität von Kettenbrüchen
Der folgende Satz gibt ein weiteres hinreichendes und notwendiges Kriterium für die
Irrationalität einer reellen Zahl an. Bei endlichem Kettenbruch muss zusätzlich die
Bedingung gelten, dass das letzte Element ungleich Eins ist.
Satz 1. Jede reelle Zahl α lässt sich eindeutig als Kettenbruch darstellen. Dieser
Kettenbruch ist genau dann endlich, wenn gilt, dass α rational ist.
Für den Beweis rufen wir uns zunächst die rekursiv definierten Folgen {pi }i∈N und
{qi }i∈N in Erinnerung:
p−2 := 0, p−1 := 1, pi := ai pi−1 + pi−2 ,
q−2 := 1, q−1 := 0, qi := ai qi−1 + qi−2 .
Außerdem ist Ai der i-te Näherungsbruch der irrationalen Zahl α mit:
Ai =
pi
.
qi
Beweis.
Zuerst zeigen wir, dass jede rationale Zahl eine endliche Kettenbruchentwicklung hat.
Sei α ∈ Q, α = rr01 mit r0 , r1 ∈ Z und r1 > 0. Bei der Anwendung des Euklidischen
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Algorithmus ergeben sich folgende Gleichungen:
r0 = a0 r1 + r2 ,
r1 = a1 r2 + r3 ,
..
.
rn−1 = an−1 rn + rn+1 ,
rn = an rn+1 + 0,
0 < r2 < r1 ;
0 < r3 < r2 ;
0 < rn+1 < rn ;
0 < rn+1 .
Dabei sind alle ai , ri ganze Zahlen. Da die Reste ri für i ≥ 2 positiv sind und
nach Annahme r1 > 0, sind auch a1 , a2 , . . . , an positiv. Die Folge r1 , r2 , . . . , rn , rn+1
ist streng monoton fallend und nach unten durch 0 begrenzt – also muss sie nach
endlich vielen Schritten enden. Es gilt:
ri
ri+1
Setzt man nun αi =
= ai +
ri
,
ri+1
ri+2
,
ri+1
für i = 0, . . . , n − 1;
rn
rn+1
= an .
so erhält man schrittweise:
α = [α0 ] = [a0 ; α1 ] = [a0 ; a1 , α2 ] = · · · = [a0 ; a1 , a2 , . . . , an ].
Somit können wir jede rationale Zahl durch einen endlichen Kettenbruch darstellen.
Sei nun α ∈
/ Q mit den folgenden Kettenbruchentwicklungen für jedes i ≥ 0:
α = [a0 ; a1 , . . . , ai , αi+1 ]
für jedes i ≥ 0,
mit αi+1 ∈ R\Q und αi+1 > 1 für i ≥ 0.
Für i ≥ 0 wurde bereits gezeigt, dass:
α=
pi αi+1 + pi−1
.
qi αi+1 + qi−1
Somit gilt:
α−
qi (pi αi+1 + pi−1 ) − pi (qi αi+1 + qi−1 )
(−1)i
pi
=
=
.
qi
qi (qi αi+1 + qi−1 )
qi (qi αi+1 + qi−1 )
Insbesondere folgt daraus, wegen αi+1 > ai+1 und qi+1 > qi :
|α − Ai | <
2
1
.
qi2
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Wir wissen jetzt, dass:
α = lim Ai .
i→∞
Die Kettenbrüche konvergieren also tatsächlich gegen α. Damit haben wir gezeigt,
dass irrationale Zahlen eine unendliche Kettenbruchentwicklung besitzen, weil α 6= Ai
für alle i. Um die Eindeutigkeit zu zeigen, nehmen wir an, α habe zwei Entwicklungen:
[a0 ; a1 , . . . ] = α = [a00 ; a01 , . . . ].
Die Entwicklungen sind entweder beide endlich oder beide unendlich. Seien also
zuerst beide Kettenbruchentwicklungen unendlich. Wir erhalten sofort, dass a0 = a00 .
Per Induktion über i ≥ 0 kann man nun voraussetzen, dass:
aj = a0j
für j = 0, . . . , i − 1.
Wir bekommen sofort:
pj = p0j , qj = qj0
für j = 0, . . . , i − 1.
Damit liefert uns
pi−1 αi0 + pi−2
pi−1 αi + pi−2
0
0
0
0
,
= [a0 ; a1 , . . . , ai−1 , αi ] = α = [a0 ; a1 , . . . , ai−1 , αi ] =
0
qi−1 αi + qi−2
qi−1 αi0 + qi−2
dass
[ai ; ai+1 , . . . ] = αi = αi0 = [a0i ; a0i+1 , . . . ].
Das bedeutet:
ai +
1
αi+1
=
a0i
+
1
0
αi+1
⇒
|a0i
1
1
− 0 < 1 ⇒ ai = a0i .
− ai | = αi+1 αi+1
Hat α eine endliche Kettenbruchentwicklung ist die Argumentation analog. Hierbei
muss jedoch die Voraussetzung beachtet werden, dass das letzte Element nicht Eins
sein darf, da sonst mindestens zwei Darstellungen für α gefunden werden:
[a0 ; a1 , a2 , . . . , an ] = α = [a0 ; a1 , a2 , . . . , an − 1, 1].
Haben beide endlichen Kettenbrüche die Länge i + 1, so ist a0i = αi0 = αi = ai und
somit ebenfalls eindeutig. Hat einer der beiden die Länge i + 1, der andere aber
1
mindestens die Länge i + 2, so ist a0i − ai = αi+1
∈ (0, 1) wegen αi+1 > 1. Dies
0
widerspricht der Ganzzahligkeit von ai , ai und somit haben wir die Eindeutigkeit
gezeigt.
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1.2
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Periodische Kettenbrüche
Definition 1. Ein Kettenbruch [a0 ; a1 , a2 , . . . ] heißt periodisch, wenn die Folge a1 , a2 , . . .
natürlicher Zahlen periodisch ist. Die Begriffe Vorperiode l, Periodenlänge h und Periode werden von den periodischen Dezimalbrüchen übernommen.
Notation: Für einen unendlich periodischen Kettenbruch mit der Vorperiode a1 , . . . , al
und der Periode al+1 , . . . , al+h schreibt man:
[a0 ; a1 , . . . , al , al+1 , . . . , al+h ].
√
Beispiel 1. Der Kettenbruch der irrationalen Zahl 2 ergibt sich wie folgt:
√
√
√
( 2 − 1)( 2 + 1) = 1 ⇒ 2 = 1 +
1
√ .
1+ 2
Durch erneutes Einsetzen ergibt sich:
√
√
2 = [1; 2, 1 + 2],
und erhält schließlich induktiv:
√
2 = [1; 2, 2, 2, . . . ] = [1, 2].
Beispiel 2. In ähnlicher
erhält man die Kettenbruchdarstellung des
√ Vorgehensweise
√
goldenen Schnitts 12 ( 5 + 1). Da 21 ( 5 − 1) = 1 (√15+1) erhalten wir,
2
1 √
1 √
1 √
( 5 + 1) = 1 + ( 5 − 1) = [1; ( 5 + 1)] = [1; 1, 1, 1, . . . ] = [1, 1].
2
2
2
Zur Verallgemeinerung von Beispiel 1 beweisen wir folgende Proposition.
√
Proposition 1. Für D ∈ N\{0} gilt 1 + D2 = [D; 2D].
Beweis. Sei α = [2D; 2D]. Dann:
α = 2D +
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1
α
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und
α2 − 2Dα − 1 = 0.
Die einzige positive Wurzel, die diese Gleichung erfüllt, ist:
√
D + 1 + D2 .
Daraus folgt bereits die Behauptung.
Zum Abschluss formulieren wir einen Satz, der eine weitere Verallgemeinerungsstufe
darstellt und eine Vorstufe des Satzes von Lagrange ist.
Satz 2 (Euler). Ein unendlicher periodischer Kettenbruch ist irrationale Lösung
einer quadratischen Gleichung.
Beweis. Sei α eine irrationale Zahl mit einer unendlich periodischen Kettenbruchentwicklung α = [a0 ; a1 , . . . ] und αi = [ai ; ai+1 , . . . ]. So erhalten wir:
α = [a0 ; a1 , . . . , ai−1 , αi ] =
pi−1 αi + pi−2
qi−1 αi + qi−2
für i ≥ 0.
Umstellen der Gleichung nach αi ergibt:
αi =
pi−2 − αqi−2
.
αqi−1 − pi−1
Der Nenner kann dabei nicht Null werden, weil qi−1 α ∈ R\Q und pi−1 ∈ Z gilt.
Außerdem gilt für alle i > l, dass ai+h = ai und daraus folgt, dass αi+h = αi . Damit
ergibt sich folgende Gleichheit:
pi−2 − αqi−2
pi+h−2 − αqi+h−2
=
αqi+h−1 − pi+h−1
αqi−1 − pi−1
für i > l.
Setzt man nun:
Ri := qi+h−1 qi−2 − qi+h−2 qi−1 ,
Si := pi+h−2 qi−1 + pi−1 qi+h−2 − pi−2 qi+h−1 − pi+h−1 qi−2 ,
Ti := pi+h−1 pi−2 − pi+h−2 pi−1 ,
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erfüllt α folgende quadratische Gleichung:
Ri α2 + Si α + Ti = 0
für jedes i > l.
Wenn wir annehmen, dass Ri 6= 0 für alle i > l gilt, haben wir gezeigt, dass α
algebraisch vom Grad höchstens 2 ist und wegen α ∈
/ Q ist der Grad tatsächlich
genau 2.
Bleibt also noch zu zeigen, dass die Ungleichung Ri 6= 0 für alle i > l erfüllt wird.
Dafür nehmen wir an, es existiert ein i > l, sodass Ri = 0, dann:
qi+h−1 qi−2 = qi+h−2 qi−1 .
Da der ggT(qi−1 , qi−2 ) = 1 ist, können wir schlussfolgern, dass qi−1 |qi+h−1 . Somit:
qi+h−1 = gqi−1 und qi+h−2 = gqi−2
für ein g ∈ N.
Deshalb
ggT(qi+h−1 , qi+h−2 ) = g · ggT(qi−1 , qi−2 ) ⇒ g = 1,
und
qi+h−1 = qi−1 , qi+h−2 = qi−2 .
Diese Aussage steht, aber zum Widerspruch zur Definition der Folge {qi }, denn:
qi+h−1 ≥ qi+h−2 + qi+h−3 > qi+h−2 ≥ qi−1 .
Somit haben wir gezeigt, dass Ri nicht verschwinden kann und haben die obige
Annahme bestätigt.
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