Musikverein Regensburg e. V. Samstag, 16. April 2016, 19:30 Uhr, Vielberth-Gebäude der Universität (H 24) SIGNUM SAXOPHONE QUARTET JURE GORUČAN, Klavier Blaž Kemperle, Sopransaxophon, Erik Nestler, Altsaxophon, Alan Lužar, Tenorsaxophon, David Brand, Baritonsaxophon Mit seiner jugendlichen Energie, seinem Talent und unkonventionellen Ideen brachte das SIGNUM saxophone quartet frischen Wind auf die europäischen Bühnen. Egal ob in der Carnegie Hall oder auf einem Gipfel in den Dolomiten, das Ensemble gewinnt das Publikum mit seiner außergewöhnlichen Leidenschaft und der ansteckenden Freude am Musizieren. Sein breites Repertoire reicht vom Barock bis zur Gegenwart und umfasst viele Auftragswerke sowie Transkriptionen aus Kammermusik und sinfonischen Werken. Durch freies, meist auswendiges Musizieren gewinnt das Ensemble Freiraum für choreographische Inszenierungen, und das Publikum kann klassische Musik in einer neuen Art erleben. Die jungen Musiker - Blaž Kemperle und Alan Lužar aus Slowenien, Erik Nestler und David Brand aus Deutschland - trafen sich in Köln, wo sie das Ensemble im Jahr 2006 gründeten. Die Ensemblemitglieder studierten in Köln, Wien und Amsterdam. Quellen regelmäßiger Inspiration sind das Quatuor Ebène, das Artemis Quartett und Gabor Takács-Nagy. Nach dem Gewinn mehrerer internationaler Auszeichnungen wird das Ensemble nun eingeladen, auf den wichtigsten Konzertbühnen und Festivals in Europa zu spielen. Nach dem Debut 2013 in der Carnegie Hall folgte die wichtige Auszeichnung „Rising Stars 2014/2015“ durch ECHO. Weitere Stationen sind u.a. Barbican Centre London, Konzerthaus Wien, Concertgebouw Amsterdam, Palais des Beaux-Arts Brüssel, Tonhalle Zürich, Gulbenkian Lissabon, Festspielhaus Baden-Baden, Philharmonie Luxemburg und Elbphilharmonie Hamburg. Eine erste CD erschien 2011 mit Werken von Grieg, Ravel, Bartók und Schostakowitsch, die zweite Scheibe wird in 2015 erwartet. Jure Goručan (geb.1992) ist ein junger slowenischer Pianist. Seit seinem 15. Lebensjahr studierte er schon an der Hochschule für Musik in Köln. Der Preisträger verschiedener Musikwettbewerbe nimmt zu seiner weiteren Ausbildung regelmäßig an Klavierseminaren und Festivals in Europa teil und absolviert Meisterkurse unter der Leitung berühmter Pianisten. Trotz seines jungen Alters ist Goručan schon Gast in vielen namhaften Konzertsälen und ging mit dem Kammerorchester „Zagreber Solisten“ auf Europatournee. Bei der Uraufführung der Transkription von Strawinskys „Feuervogel“ war er Partner des SIGNUM saxophone quartet. -2- Programm Edvard Grieg 1843 – 1907 Aus Holbergs Zeit op. 40 Bearbeitung für Saxophonquartett von Maarten Jense Praeludium Sarabande Gavotte Air (Andante religioso) Rigaudon Dmitrij Schostakowitsch 1906 – 1975 Elegie und Polka op. 36 Bearbeitung von SIGNUM saxophone quartet György Ligeti 1923 – 2006 Sechs Bagatellen Bearbeitung für Saxophonquartett von Guillaume Bourgogne Allegro con spirito Rubato – Lamentoso Allegro grazioso Presto ruvido Adagio – Mesto Molto vivace – Capriccioso - Pause - Samuel Barber 1910 – 1881 Adagio op. 11 Bearbeitung für Saxophonquartett von Johann van der Linden Igor Strawinsky 1882 - 1971 Der Feuervogel Suite für 4 Saxophone und Klavier Bearbeitung von Sylvain Dedenon Introduction Danse de l’oiseau Ronde des princesses Danse infernale du roi Kastcheï Berceuse Final Mit Förderung durch das Kulturreferat -3- Edvard Grieg: „Aus Holbergs Zeit“ – Suite im alten Stil op. 40 1884 feierte man in Skandinavien den 200. Geburtstag Ludwig Holbergs, des in der norwegischen Hafenstadt Bergen geborenen Gründers der modernen dänischen Literatur, den man wegen seiner zahlreichen französisch inspirierten Komödien auch als den "Molière des Nordens" bezeichnete. Der dänische Komponist Niels Wilhelm Gade schuf angesichts der Jubiläumsfeierlichkeiten eine Orchestersuite "Holbergiana", und Edward Grieg komponierte zum Angedenken des Dichters sowohl eine Festkantate für Männerstimmen wie auch seine populär gewordene instrumentale Suite "Aus Holbergs Zeit". Diese Suite "im alten Stil" hat Grieg wegen ihrer gezielten Rückschau auf das 18. Jahrhundert einmal leicht ironisch als "Perückenstück" bezeichnet. Aus heutiger Sicht erscheint sie als musikgeschichtliches Pionierwerk: geradezu als Vorwegnahme des Neoklassizismus im 20. Jahrhundert, und das zu einer Zeit, da historisierendes Komponieren allenfalls in Ansätzen und dann nur als charakteristische Färbung einer ansonsten vom Geist der Spätromantik dominierten Musik verbreitet war. „Aus Holbergs Zeit“ lehnt sich zunächst einmal äußerlich in den Satztiteln an die barocke Suite an, wobei Grieg primär dem französischen Geschmack und den französischen Clavecinisten Tribut zollt. Denn, was wenig bekannt ist: Ursprünglich handelte es sich hierbei um eine reine Klavierkomposition, die Grieg selbst am 7. Dezember 1884 in Bergen uraufführte. Erst kurz darauf instrumentierte er das Werk für Streichorchester, und zwar so geschickt, dass man zweifeln könnte, welche der Fassungen Original und welche Bearbeitung ist. Dabei war die Arbeit des Instrumentierens für Streicher gar nicht einfach, wenigstens was das einleitende spielfreudige "Praeludium" und das abschließende, ebenso pianistisch erfundene „Rigaudon“ betraf. Aber Grieg fand für die Transkription originelle klangliche Lösungen, indem er etwa beim „Rigaudon“ die melodische Führung Solovioline und Soloviola anvertraute, während die übrigen Streicher eine delikate Pizzicatobegleitung beisteuern. Man darf gespannt sein, wie derartige instrumentale Details in der heute erklingenden Bearbeitung von Maarten Jense für Saxophonquartett umgesetzt werden. Es sind aber nicht nur die Satztitel, die ins 17. und 18. Jahrhundert zurückverweisen. Auch in den Formen, Rhythmen und Verzierungen fühlt sich Griegs Musik ganz in den Geist der alten Zeit ein, wenn etwa die laufenden Sechzehntel- und Achtelbewegungen der Rahmensätze in den kadenzierenden Schlusstakten mit kräftigen Viertelakkorden nach Händelscher Manier majestätisch zum Ausklingen kommen. Doch andererseits kann Griegs Suite ihre Entstehung im 19. Jahrhundert nicht ganz verleugnen: Die leicht melancholische Stimmung, die das an vierter Stelle erscheinende „Air“ verbreitet, gehört Griegs Gegenwart an, und erst recht verweist der charakterisierende Titelzusatz des Satzes dorthin: Ein „Andante religioso“ gibt es erst im Rahmen der „Kunstreligion“ des 19. Jahrhunderts, die die Übung der Andacht aus den Gotteshäusern in die Konzertsäle verlagerte. Dmitri Schostakowitsch: Zwei Stücke für Streichquartett op. 36 Dass Dmitri Schostakowitschs „Zwei Stücke für Streichquartett“ am heutigen Abend in einer Bearbeitung des Signum Quartetts für Saxophone erklingen, ist umso unproblematischer, als -4auch Schostakowitschs op. 36 keine kammermusikalische Originalkomposition für Streichinstrumente war. Bei der einleitenden „Elegia“ in fis-Moll handelt es sich um die Transkription einer Arie aus Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“, während die folgende Polka in B-Dur im Original dem 1929 entstandenen Ballett „Das Goldene Zeitalter“ entstammt. Schostakowitsch bearbeitete die beiden Stücke im Jahre 1931 für das JeanVuillaume-Quartett, sieben Jahre, bevor er sein erstes reguläres Streichquartett schuf. Öffentlich aufgeführt wurde das op. 36 jedoch erst lange nach dem Tod des Komponisten: im Jahre 1984 durch das Borodin-Quartett in der UdSSR, gefolgt von der westlichen Premiere in Duisburg im Rahmen des internationalen Schostakowitsch-Festivals 1984/85. Die „Elegie“ entstammt, wie bereits gesagt, der Oper „Lady Macbeth von Mzensk“, und zwar deren dritter Szene, wo Katarina Ismailowa in einem emotionalen Ausbruch über die Gefühlskälte ihres nüchternen und schwachen Gatten klagt und ihrer Sehnsucht nach menschlicher Wärme Ausdruck gibt. Die musikalische Substanz dieser Arie hat der Komponist nur wenig modifiziert auf das Medium des Streichquartetts übertragen. Die einzigen wesentlichen Änderungen bestehen in der Intensivierung eines großen Crescendos durch Synkopierungen im Cellopart sowie in der Hinzufügung einer achttaktigen Coda. Die anschließende „Polka” gehört neben dem sogenannten „Tahiti Trott” (einer Bearbeitung von „Tea for Two“) zu den beiden populärsten Nummern von Schostakowitschs satirischem Ballett „Das Goldene Zeitalter”, das am 26. Oktober 1930 in Leningrad Premiere hatte. Die Polka mit ihrem frechen, dissonanten Xylophon-Solo begeisterte das russische Publikum damals unmittelbar. György Ligeti: Sechs Bagatellen In den frühen 1950er Jahren begann sich der junge ungarische Komponist György Ligeti allmählich von seinem großen Vorbild Béla Bartók zu emanzipieren und eine eigenständige Musiksprache zu entwickeln. Ein Werk dieses Neuaufbruchs bildete die in den Jahren 1951 bis 1953 entstandene „Musica ricercata“, ein Zyklus von 12 Klavierstücken, deren Tonvorrat sich schrittweise von der Ein- über die Zwei- bis zur Zwölftönigkeit aufbaut. Die einzelnen musikalischen Parameter – Tonhöhe, Tondauer, Tonstärke und Tonfarbe – werden in diesen Stücken oft isoliert zum Gegenstand des Komponierens, vornehmlich in den ersten Nummern, in denen rhythmische Strukturen, dynamische Veränderungen oder Oktavlagenwechsel wegen der geringen Anzahl der benutzten Töne in den Vordergrund treten. Sechs der Stücke aus der „Musica ricercata“, nämlich die Nummern 3, 5, 7, 8, 9 und 10, die ihm vom Klaviersatz unabhängig schienen, arrangierte Ligeti selbst im Jahre 1953 unter dem Titel „Bagatellen“ für Bläserquintett in der klassischen Besetzung mit Flöte, Klarinette, Oboe, Horn und Fagott. Dabei hatte er eine Aufführung durch das „Jeney“-Bläserquintett im Auge, die allerdings im noch stalinistisch geprägten Kulturklima Ungarns nur halböffentlich möglich war. Um keine Risiken zu laufen, beschlossen Komponist und Spieler zudem, selbst in diesem Rahmen lieber das letzte, zu avantgardistisch wirkende Stück als „zu gefährlich“ wegzulassen. Sowohl die „Musica ricercata“ als auch die „Bagatellen“ mussten auf ihre ersten öffentlichen Aufführungen noch lange warten: nämlich bis 1969 bei Konzerten, die in Schweden stattfanden. Danach wurden die „Bagatellen“ bald zu beliebten Programm-Nummern oder Zugabe- -5stücken von Bläserquintetten und erlebten eine neuerliche Bearbeitung durch das französische „Habanera Saxophonquartett“ unter Mitwirkung Ligetis; dieses Arrangement wurde vom Komponisten später als Original-Werk autorisiert. Eine andere Saxophon-Version erklingt am heutigen Abend: sie stammt von Guillaume de Bourgogne. Samuel Barber: Adagio op. 11 Nicht jeder Erfolg macht glücklich. Als der US-amerikanische Komponist Samuel Barber im Jahre 1936 sein Streichquartett op. 36 schuf, konnte er nicht ahnen, dass der Adagio-Satz dieses Werkes einmal so populär werden sollte, dass er sein gesamtes sonstiges Oeuvre in den Schatten stellen würde. Ganz unschuldig war Barber selbst an dieser Entwicklung nicht, denn er arrangierte das „Adagio“ im Jahre 1938 für Streichorchester. Erst die Uraufführung dieser Version unter Arturo Toscanini mit dem NBC Symphony Orchestra gab dem Stück den eigentlichen Popularitätsschub. Im Jahre 1967 arbeitete Barber das Stück abermals um: nun zu einem achtstimmigen Chorsatz über das liturgische „Agnus Dei“. Daneben entstanden zahlreiche weitere Arrangements von fremder Hand, so die heute erklingende Bearbeitung für Saxophonquartett von Johan van der Linden. Weit über den Rahmen der Kammermusikpraxis und des Konzertbetriebs hinaus ist Barbers „Adagio“ im Laufe der Geschichte funktionale Bedeutung zugewachsen: Es erklang häufig als Trauermusik bei offiziellen Anlässen, so bei den Beerdigungen der US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und John F. Kennedy wie auch den Beisetzungen von Grace Kelly, Rainier III. von Monaco und Albert Einstein. Es wundert darum nicht, dass Barbers „Adagio“ im Jahre 2004 von den Hörern der BBC zum „traurigsten Stück“ der klassischen Musik gewählt wurde. Igor Strawinsky: Der Feuervogel – Suite für 4 Saxophone und Klavier Weil ein bereits arrivierter Musiker einen Auftrag nicht ausführen kann oder will, bekommt unversehens ein Jung-Talent die Chance, sich publikumswirksam in Szene zu setzen. So geschah es auch im Falle des geplanten Balletts „Der Feuervogel“. Serge Diaghilew, der Impresario der bereits international renommierten „Ballets russes“ hatte ursprünglich Anatol Liadow dazu ersehen, die Musik zu dieser Neuproduktion zu schreiben. Doch Liadow zeigte sich dem Auftrag nicht gewachsen und zögerte den Kompositionsbeginn immer wieder hinaus. Diaghilew zog schließlich die Notbremse: Er ging das Risiko ein, den Auftrag stattdessen dem jungen Igor Strawinsky zu übertragen, von dem er in einem Konzert das kurze, brillant instrumentierte Orchesterstück „Feu d'artifice“ gehört hatte.Strawinsky hatte keine Angst vor dem Termindruck, sondern sah, dass hier seine Chance gekommen war. Zudem musste es ihm schmeicheln, dass er, der noch völlig Namenlose, mit so berühmten Künstlern wie dem Choreographen Michail Fokin und dem Maler Alexander Golowin zusammenarbeiten durfte. Termingerecht lieferte Strawinsky seine Partitur ab und fuhr zu den AufführungsVorbereitungen nach Paris. Während einer der Proben soll Diaghilew auf den dort noch völlig Unbekannten gezeigt und gesagt haben: „Seht ihn euch an. Er ist ein Mann am Vorabend des Ruhmes.“ Und so kam es auch. Die Pariser Premiere des „Feuervogel“ am 25. Juni 1910 wurde zum Triumph. Am Ende der Vorstellung kam Claude Debussy, der sich im Publikum befand, auf die Bühne und beglückwünschte Strawinsky zu dessen Erfolg. -6In den Konzertsaal fand der „Feuervogel“ seinen Weg in Form von drei unterschiedlich besetzten Ballettsuiten, die alle im Umriss der ursprünglichen Handlung folgen: der altrussischen Märchenerzählung vom Prinzen Iwan, der in den Zaubergarten des Menschenfressers Kaschtschej eindringt, diesen mit Hilfe des Feuervogels überwältigt und dadurch die Befreiung der geliebten Prinzessin erwirkt. Auch die heute erklingende Bearbeitung für SaxophonQuartett von Sylvain Dedenon folgt diesem Verlauf. Die „Introduktion“ lässt in Strawinskys Originalpartitur aus der Tiefe der Streicher heraus Kaschtschejs Zaubergarten aufblühen. Der hereinflatternde Feuervogel wird durch spielerische Figuren von Flöten und Klarinette sowie durch Glissandi von Klavier und Harfe charakterisiert, wonach beim „Reigen der Prinzessinen“ in anmutiger Weise die aufkeimende Liebe des Prinzen zu einer der Tanzenden geschildert wird. Als in der Ferne Trompetensignale hörbar werden, die den neuen Tag verkünden, verabschieden sich die Mädchen und eilen in Kaschtschejs Schloss zurück. Dieser tritt mit seinem Gefolge auf, um den eingedrungenen Prinzen gefangenzunehmen. Doch Iwan ruft mit Hilfe einer Feder den Feuervogel zur Hilfe herbei. Durch den Feuervogel verzaubert, wird Kaschtschejs Volk in eine „Danse infernale“ hineingerissen und fällt schließlich erschöpft um. Der Feuervogel tanzt nun eine „Berceuse“, die Kaschtschej einschläfert, und zeigt Iwan ein Kästchen mit dem Riesenei, das Kaschtschejs Seele enthält. Iwan zerschlägt das Ei mit seinem Schwert. Kaschtschejs Palast und der Zaubergarten verschwinden; das erlöste Volk jubelt Iwan und der Prinzessin als neuem Zarenpaar zu. In diesem „Finale“ erklingt eine einfache Melodie zuerst im Horn und wird allmählich zu immer größerem Prunk gesteigert, bis der Satz in einer majestätischen Akkordfolge der Blechbläser seinen krönenden Abschluss findet.