Aus der Sicht des Sozialpädiaters - Was soll ein Medizinisches Zentrum für Erwachsene mit geistigen Behinderungen und schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) leisten? Dr.med. Burkhard Mehl, Institutsdirektor Sozialpädiatrisches Institut – Kinderzentrum Bremen 21.11.2014 21.11.2014 Seite 2 21.11.2014 Seite 3 Sozialpädiatrische Zentren • nach § 119 SGB V: institutionelle Sonderform interdisziplinärer ambulanter Krankenbehandlung unter ärztlicher Leitung • Auftrag: Untersuchung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Kontext mit dem sozialen Umfeld einschließlich der Beratung und Anleitung von Bezugspersonen • Behandlungsspektrum: insbesondere Krankheiten, die Entwicklungsstörungen, drohende und manifeste Behinderungen sowie Verhaltens- oder seelische Störungen jeglicher Ätiologie bedingen • Voraussetzung: interdisziplinär, multiprofessionell • „High-End-Versorger“ im Netzwerk ambulanter und stationärer Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen / Behinderungen • Aktuell 146 bestehenden Sozialpädiatrischen Zentren in Deutschland 21.11.2014 Seite 4 Aufgaben und Ziele eines SPZ • Interdisziplinäre Diagnostik, Behandlungsplanung , Beratung und Therapie • Koordination ärztlicher, psychologischer, therapeutischer, sozialer und pädagogischer Tätigkeit • Verlaufsuntersuchungen und Begleitung des Patienten und seiner Familie bei kindheitslang bis zum 18. Lebensjahr • umfassende Linderung der Folgen entwicklungsneurologisch bedingter Erkrankungen; Nutzung der Ressourcen des Patienten • Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und Selbstständigkeit der Kinder und Jugendlichen • Stärkung der familiären Ressourcen • Verbesserung des Krankheitsbewältigungsprozesses und der Lebensqualität für den Patienten wie für die Familie • Sicherung/Optimierung der sozialen Integration in Familie und Umfeld • Vernetzung mit anderen Institutionen und Behandlern 21.11.2014 Seite 5 Professionen des SPZ-Teams • • • • • • • • • 21.11.2014 Pädiatrie / Neuropädiatrie (Entwicklungs- und Neuro-)Psychologie / Psychotherapie Physiotherapie Logopädie Ergotherapie Musiktherapie Heilpädagogik Sozialarbeit Organisation, Sekretariat, Schreibbüro Seite 6 Sozialpädiatrische Zentren 21.11.2014 • Flächendeckendes Angebot (146 Zentren) • Ca. 250.000 Kinder-und Jugendliche / Jahr • Breites Behandlungsspektrum Seite 7 Behandlungsspektrum (Diagnosen) im SPI Haupt-Diagnosen 2008 – 2014 (ca. 9000 Patienten) ICD10 21.11.2014 Hauptdiagnose in % F83, F88, F89 Entwicklungsstörung, allgemein 26,0% F80 Sprachentwicklungsverzögerung 11,7% F81 Schulprobleme 10,9% F91 - F93 Verhaltensstörungen 9,7% F82 Störung motorischer Funktionen 8,6% F90 ADHS 7,4% P07Z Z.n. Frühgeburtlichkeit 6,7% F70 - F79 Intelligenzminderung 5,0% F84 Autismus 2,7% F94, Z61 Deprivation, Eltern-Kind-Interaktionsstörung 2,0% Q9x (V.a.) genetisches Syndrom 1,9% G40 Neurologische Störung / Epilepsie 1,2% Q90 Down-Syndrom 1,1% F98.2 Fütterstörungen 1,1% H90, H54 Einschränkungen Hören / Sehen 0,9% Q05 Spina bifida 0,2% G80 Cerebralparese 2,4% G70 - G73 Neuromuskuläre Erkrankung 0,6% Seite 8 Behandlungsspektrum (Diagnosen) im SPI Haupt-Diagnosen 2008 – 2014 (ca. 9000 Patienten) ICD10 21.11.2014 Hauptdiagnose in % F83, F88, F89 Entwicklungsstörung, allgemein 26,0% F80 Sprachentwicklungsverzögerung 11,7% F81 Schulprobleme 10,9% F91 - F93 Verhaltensstörungen 9,7% F82 Störung motorischer Funktionen 8,6% F90 ADHS 7,4% P07Z Z.n. Frühgeburtlichkeit 6,7% F70 - F79 Intelligenzminderung 5,0% F84 Autismus 2,7% F94, Z61 Deprivation, Eltern-Kind-Interaktionsstörung 2,0% Q9x (V.a.) genetisches Syndrom 1,9% G40 Neurologische Störung / Epilepsie 1,2% Q90 Down-Syndrom 1,1% F98.2 Fütterstörungen 1,1% H90, H54 Einschränkungen Hören / Sehen 0,9% Q05 Spina bifida 0,2% G80 Cerebralparese 2,4% G70 - G73 Neuromuskuläre Erkrankung 0,6% Seite 9 Altersstruktur der Patienten 21.11.2014 0 - 0;11 Jahre 4,0 % 1;0 - 2;11 Jahre 11,3 % 3;0 - 5;11 Jahre 23,5 % 6;0 - 9;11 Jahre 30,7 % 10;0 - 11;11 Jahre 11,3 % 12;0 - 14;11 Jahare 11,4 % 15;0 - 17;11 Jahre 6,6 % 18;0 Jahre und älter 1,2 % Seite 10 Sozialpädiatrische Zentren • Flächendeckendes Angebot (146 Zentren) • Ca. 250.000 Kinder-und Jugendliche / Jahr • Breites Behandlungsspektrum • Davon ca. 7% bis zum 18. Lebensjahr (17.500 Pat.) • Bedarf (bezogen auf Diagnosen) >18-jähriger: ca. 15 – 20% Aber: die Betreuung endet in der Regel ab dem 18. Lebensjahr 21.11.2014 Seite 11 Fortschritte der Sozialpädiatrie 21.11.2014 • Behandlungsergebnisse • Lebenserwartung • Funktionsfähigkeit • Teilhabe • Spezialisierte Angebote • Interdiziplinarität • Vernetzung Seite 12 Lebenserwartung • Trisomie 21: 60 Jahre • Schwere geistige Behinderung: 59 Jahre • Leichte geistige Behinderung: 74 Jahre • Spina bifida: z.T. fast normal* • Zerebralparese: 20 -> 80 J* * abhängig vom Ausprägungsgrad 21.11.2014 Seite 13 Krankheitsbewältigung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen • Identitätsfindung, Autonomie, Berufs-und Lebensplanung • Defizite: Körperfunktionen, Fähigkeiten, Aussehen • Selbstbild, Identitätsfindung, Rollenverhalten • Spezifische Verhaltensmuster: oppositionell, Sprunghaftigkeit, Risikoverhalten • Probleme der Adhärenz zu medizinischen Maßnahmen • Probleme bei Freundschaft, Partnerschaft, Ausbildung, Beruf, Wohnen, Freizeit • Dysfunktionelle Verarbeitungsstrategien, Verschlechterung somatischer Störungen, psychische Erkrankungen 21.11.2014 Seite 14 Organische und psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Einige Beispiele aus der Sozialpädiatrie: • • • • 21.11.2014 Spina bifida Infantile Cerebralparese (ICP) Geistige Behinderung Down-Syndrom Seite 15 Spina bifida Ursache: Entwicklungsstörung des ZNS (Verschlussstörung der primären Anlage des ZNS, dem Neuralrohr in der frühen Embryonalperiode) Folge: Schlaffe Querschnittslähmung 21.11.2014 Seite 16 Spina bifida In hohem Prozentsatz weitere ZNS- Fehlbildungen und Folgeprobleme: z.B. Hydrozephalus internus 21.11.2014 Seite 17 Eigenschaften der Spina bifida • Variabilität der Ausprägung in Bezug auf die primäre Störung und der assoziierten ZNS-Fehlbildungen o Unterschiedliche Lokalisation und Ausprägung des primären Defekts • Dynamik im Krankheitsverlauf mit potentiell (bedrohlicher) Progredienz in jedem Lebensalter 21.11.2014 Seite 18 Probleme bei Menschen mit Spina bifida Komplexe Mehrfachbehinderung durch Beteiligung vieler Organsysteme : • Hirnnervenstörungen, Schlafstörungen • Orthopädische Probleme (Skoliose, Fußfehlstellungen, Hüftprobleme, Kontrakturen) • neurogene Blasenentleerungsstörungen (Harnabflussstörungen, Harnwegsinfekte, Inkontinenz) • neurogene Darmentleerungsstörung (chronische Obstipation, Inkontinenz) • eingeschränkte Sensibilität, verzögerte Wundheilung • Störungen der Pubertätsentwicklung (Pubertas präcox) • Wachstumshormonmangel • Adipositas 21.11.2014 Seite 19 Probleme bei jungen Erwachsenen mit Spina bifida Psychosoziale Problematik durch Auswirkungen des Behinderungsbildes auf alle Lebensbereiche: • IQ-Durchschnitt bei Hydrozephalus signifikant unterhalb des Normmittelwertes • Charakteristisch : gutes Sprachverständnis, Probleme beim Erfassen von Inhalten • Teilleistungsstörungen der räumlich-konstruktiven Kompetenzen, im problemlösenden Denken, in Aufmerksamkeit, Konzentration, Arbeitsgeschwindigkeit, Kurz- und Langzeitgedächtnis. • Psychosoziale Belastungen: durch organisch bedingte Einschränkungen (Mobilität, Inkontinenz etc.). 21.11.2014 Seite 20 Probleme bei jungen Erwachsenen mit Spina bifida Psychosoziale Problematik durch Auswirkungen des Behinderungsbildes auf alle Lebensbereiche: • Durch hohen Betreuungs- und Pflegebedarf besonders intensive Bindung an die Eltern • Erschwerte Ablösung vom Elternhaus und Entwicklung von Autonomie; evtl. Ablehnung wichtiger Maßnahmen als „Protest“ • Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung durch das erlebte „Anders sein“, negative Erlebnisse (Ausgrenzung) oder fehlende Orientierungsmöglichkeit an Gleichaltrigen (Peer-roup) • unrealistische Sichtweise bei perspektivischen Lebenszielen wie Beruf, Familie oder selbständigem Wohnen (Fehleinschätzung eigener Kompetenzen und Ressourcen) 21.11.2014 Seite 21 Infantile Zerebralparesen (ICP) • Häufigkeit: 1,5–2,0 pro 1.000 lebendgeborener Kinder • gleiche Prävalenz im Erwachsenenalter (verbesserte medizinische und technische Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten) • führt zu Störung von Bewegung, Haltung und motorischer Funktion • Entstehungszeitpunkt der Störungen: o Pränatal (genetische, infektiöse, metabolische und toxische Störungen) o Perinatal (Früh- und Risikogeburt mit Hirnblutungen und Asphyxie) o postnatal (Infektionen und Blutungen des Gehirns) • nicht progrediente Läsion des sich entwickelnden unreifen Gehirns • Störungen sind permanent, aber nicht unveränderlich • klinische Verlaufsbilder erfordern koordinierende multidisziplinäre und lebenslange Betreuung 21.11.2014 Seite 22 Formen der ICP • Spastische CP (90% der Fälle) o Steife Lähmung von Gliedmaßen, schwache Rumpfmuskulatur, Verstärkung der Symptomatik bei Intention • Dyskinetische CP (6%) o Schwankende Muskelspannung, ruckartig ausfahrende Bewegungen • Ataktische CP (4%) o Schwere Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen 21.11.2014 Seite 23 Kernsymptome bei zerebralen Bewegungsstörungen • Störung der normalen motorischen, sprachlichen und mentalkognitiven Entwicklung. • vermindertes Bewegungsrepertoire mit stereotypen Bewegungsmustern und Koordinationsstörungen. • Beeinträchtigung von Körperwahrnehmung und Bewegungs- und Haltungskontrolle • funktionelle Fehlentwicklungen • strukturelle Veränderungen der Gelenke (Kontrakturen, Deformierungen) 21.11.2014 Seite 24 Folgeerkrankungen und Komorbiditäten der ICP • • • • • 21.11.2014 Sehstörungen Sprachstörungen Epilepsien Lern- und Kognitionsschwächen Verhaltensstörungen Seite 25 Veränderungen bei ICP während der Adoleszenz und Pubertät Durch körperliches Wachstum zunehmend motorische Probleme • verminderte muskuläre Leistungsfähigkeit • Deformierungen der Gelenke und Knochen • Funktionsverluste motorischer Fähigkeiten (vorzeitiges biologisch-funktionelles Altern) • zunehmender Verlust von muskulärer Flexibilität, Muskelkraft und Elastizität. 21.11.2014 Seite 26 Häufigkeit psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit Bewegungsstörungen • Viele Studien, sehr unterschiedliche Studiendesigns • Psychische Störungen und Verhaltensprobleme: 10 – 35% • Häufigkeit und Ausmaß der Störung ist nicht abhängig vom Schweregrad der Behinderung • Verhaltensauffälligkeiten bei ICP-Kindern im Vergleich zu Gesunden (McDermott et.al. 1996) 21.11.2014 Seite 27 Zusammenhang zwischen Selbstbewertung und Depressivität bei Kindern mit Bewegungsstörungen 21.11.2014 Seite 28 Bedingungsgefüge bei der Ausbildung psychischer Störungen bei Kindern mit Körperbehinderungen 21.11.2014 Seite 29 Geistige Behinderung • Einteilung: o Leichte Intelligenzminderung (IQ 50 – 70) o Mittelschwere Intelligenzminderung (IQ 35 – 49) o Schwere Intelligenzminderung (IQ <49) • Häufigkeit: o 2 – 3 % Kinder und Jugendliche • Ursachen: o o o o o 21.11.2014 Chromosomale Störungen (Down-Syndrom, Fragiles X-Syndrom etc.) Pränatale Infektionen (Cytomegalie etc.) Extreme Frühgeburtlichkeit mit Hirnblutungen, Hirnsubstanzschäden etc. Schwere Anfallsleiden, Hirntumoren, Unfälle etc. Unklare Ursachen Seite 30 Risiken für die Ausbildung psychischer Störungen bei GB • erschwerte Entwicklungsprozesse der Mobilität , Kognition, Kommunikation und emotionalen Selbstregulation • Beeinträchtigung der Eltern-Kind-Beziehung (Bindungsqualität) • Unsicherheiten im Gelingen sozialer Beziehungen mit anderen Kindern und Jugendlichen • Gefährdung der Ausbildung eines positiven Selbstwertgefühls • zusätzliche Belastungen der psychischen Gesundheit in Krisensituationen • schlechtere Anpassungsfähigkeit, Strategien und Ressourcen für die Bewältigung besonderer Herausforderungen Psychische Störungen behinderter Kinder = Störungen in der Interaktion und Beziehung zwischen dem Kind und seiner Umgebung 21.11.2014 Seite 31 Psychische Störungen bei Kindern mit geistiger Behinderung • Häufigkeit psychischer Störungen bei geistiger Behinderung: o Bei 30 – 40% der Kinder Behandlungsbedüftigkeit • Verhaltensstörungen: o Störungen des Sozialverhaltens o Aggressive Verhaltensstörungen o Aufmerksamkeitsstörungen • Psychisch / psychiatrische Störungen (v.a. bei schwer GB): o o o o 21.11.2014 Autistische Störungen Selbstverletzendes Verhalten Stereotypien Depressionen Seite 32 Down-Syndrom / Trisomie 21 • genetisch determinierte Entwicklungsstörung • Intrauterine Folgen: o Entwicklungsstörung von Organsystemen und Stoffwechselprozessen • kombinierten Entwicklungsstörung des Organismus und der Entwicklung des Kindes. • Organfehlbildungen (manifestieren sich postpartal bzw. im frühen Kindesalter) • komplexe Funktionsstörung durch Veränderungen der neuronalen Verarbeitung, endokriner und immunhistopatholgischer Prozesse 21.11.2014 Seite 33 Down-Syndrom / Trisomie 21 • Äußere Merkmale dieser Prozesse: o verzögerte bzw. andersartige Entwicklung der motorischen, sensorischen und kognitiven Funktionen. • Folgen anatomischer Organstörungen führen zu o Beeinträchtigungen der Sinnesfunktionen o Störung endokrionologischer Funktionen o Entwicklungsstörungen, o Behinderungen im sozialen Miteinander o Teilhabe am gemeinsamen Leben 21.11.2014 Seite 34 Körperliche Probleme von Kindern mit Trisomie 21 21.11.2014 Seite 35 Körperliche Probleme von Kindern mit Trisomie 21 21.11.2014 Seite 36 Psychische Probleme von Kindern mit Trisomie 21 • • • • • • Alzheimer‘sche Demenz Depressionen (6 – 13%) Autismus-Spektrumstörung (5 – 9%) AD(H)S Zwanghafte Langsamkeit Herausfordernde Verhaltensweisen (v.a. bei Akzeptanzproblemen durch die Eltern) 21.11.2014 Seite 37 Psychische Probleme von Kindern mit Trisomie 21 • Alzheimer‘sche Demenz • Depressionen Symptome können gleichartig sein: o o o o o o o Verlust täglicher Fertigkeiten Schlafstörungen Änderung des Appetitverhaltens Apathie Stimmungsschwankungen Reizbarkeit, Aggressivität Gedächtnisverlust • Depression kann durch körperliche Erkrankungen verursacht werden: o Schilddrüsenunterfunktion, Zöliakie etc. 21.11.2014 Seite 38 Probleme in der Adoleszenz bei Jugendlichen mit Down-Syndrom Menschen mit Down-Syndrom benötigen nach Abschluss der schulischen Förderung Unterstützung bei • der Berufsfindung (beschützende Werkstatt, berufliche Eingliederung z.B. über Berufsbildungswerk, Belastungserprobungen etc.) • der Bewältigung von Pubertätsproblemen • Finden von Partnerschaften • Ablösung vom Elternhaus • Klärung von Wohn- und Lebensgemeinschaften • Fragen der Sexualität und Partnerschaft • sozialen Anpassungsproblemen • Auseinandersetzung mit ihrer Diagnose • Beratung bei sozialrechtlichen Fragen (z.B. Schwerbehindertenausweis, persönliches Budget etc.) 21.11.2014 Seite 39 Jugendliche mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen benötigen eine Transition in Einrichtungen der Erwachsenenmedizin Aber: wohin? 21.11.2014 Seite 40 Transition ...ist der beabsichtige und geplante Übergang Adoleszenter und junger Erwachsener mit einem chronischen physischen / medizinischen Zustand von einem kindzentrierten zu einem erwachsenenzentrierten System der Gesundheitsversorgung 21.11.2014 Seite 41 Probleme der Transition • Erkrankungen sind Erwachsenenmedizinern unbekannt • Keine kompetente Fachleute bekannt / erreichbar • Aufwändige Betreuung wird abgelehnt • Weite Wege, kein barrierefreier Zugang • Kinder-und Jugendärzte können schwer „loslassen“ • Eltern / Patienten haben Angst vor Veränderungen • Administrative / finanzielle Restriktionen 21.11.2014 Seite 42 Pilotstudie im Auftrag der Ev. Stiftung Alsterdorf, Hamburg „Die wohnortnahe medizinische Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung in zwei Hamburger Bezirken“ bei besonderer Berücksichtigung der Phase des Übergangs vom Jugend- in das Erwachsenenalter Dr. Petra Steffen, Dr. Karl Blum (DKI – Deutsches Krankenhaus-Institut) in Kooperation: Frau Professor Petra Weber (HAW – Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg) Oktober 2011 Methodik: Einbindung von drei Perspektiven: Betroffene, Angehörige, Mitarbeiter aus Einrichtungen der Eingliederungshilfe 21.11.2014 Pilotstudie im Auftrag der Ev. Stiftung Alsterdorf, Hamburg Ergebnisse Vertragsärztliche Versorgung • Mangel an qualifizierten Fachärzten • Deutliche Defizite in der psychologisch-psychiatrischen Versorgung • Insbesondere Diagnosestellung und Symptomerkennung problematisch • Symptomerkennung: Unterschiedliche Sicht von Mitarbeitern und Angehörigen • Betreuer / Assistenten / Angehörigen spielen eine wichtige Rolle • Verordnung von Medikamenten: Über- und Fehlmedikation / Zu wenig Beachtung von Wechselwirkungen oder Medikamentenunverträglichkeiten / Zu wenig Kontrolle der Medikamentenwirkung • Schlechter Umgang der Ärzte mit behinderungsspezifischen Besonderheiten (z.B. Verhaltensauffälligkeiten), v.a. bei geistig behinderten Patienten • Keine Barrierefreiheit 21.11.2014 Seite 44 Pilotstudie im Auftrag der Ev. Stiftung Alsterdorf, Hamburg Ergebnisse Krankenhausversorgung • schlechte Kommunikation zwischen Assistenten / Betreuern und KH- Mitarbeitern • Nur wenige Krankenhäuser mit Erfahrung • Fehlende Barrierefreiheit • Zu wenig Zeit, auch aufgrund der hohen Arbeitsbelastung • Optimierbare pflegerische Betreuung • Eigentlich Begleitung vonnöten, aber oft nicht gegeben • Stationsablauf für Klient inadäquat • Räumliche Unterbringung inadäquat • Nicht ausreichendes Angebot bei Psychiatrien bzw. Psychiater • Meist (zu) schnelle Entlassung 21.11.2014 Seite 45 MZEB • MZEB = Medizinisches Zentrum für Erwachsene mit geistigen und schweren Mehrfachbehinderungen • Fortsetzung der multiprofessionellen interdisziplinären Versorgung von Erwachsenen analog zu den SPZ • Ziel: Verbesserung der bio-psycho-sozialen Gesundheit der Menschen zur Unterstützung ihrer Möglichkeiten zur Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben (Inklusion) 21.11.2014 Seite 46 MZEB • „Dienstleistungsangebot“ für niedergelassene primär versorgende Haus- und Fachärzte • „High-End-Versorgung“ für mehrfach und geistig Behinderte • Grundsätzlich bleibt die Betreuung beim Niedergelassenen • Versorgt Patienten mit speziellen komplexen Fragestellungen, die eine enge Kooperation ärztlicher und nichtärztlicher Kompetenzen erfordern („Kompetenzzentrum“) 21.11.2014 Seite 47 Charakteristika des MZEB • Zeit / finanzielle Absicherung • Spezifische Fachkenntnisse der medizinischen Professionen • Jugendmedizinische Kenntnisse • Medizinische Grundkenntnisse der nichtmedizinischen Professionen • Spezifische Kommunikationsfähigkeit der Professionen (besonders bei geistig Behinderten) • Interdisziplinäre Angebote • Erreichbarkeit / Barrierefreiheit / Hausbesuche • Feste Ansprechpartner 21.11.2014 Seite 48 Aufgaben des MZEB • individuelle, anliegenorientierte Versorgung der Patienten (Diagnostik,Therapie, Beratung und Begleitung) • Fachliche Beratung, Förderung des Fachaustausches und der Fort- und Weiterbildung/Schulung professioneller Helfer und der Selbsthilfegruppen („Kompetenzzentrum“) • Förderung der Teilhabe mittels Beratung, Vernetzung und Begleitung • kurative Behandlung nur in den Fällen, in denen diese nicht wohnortnahe an anderer Stelle erbracht werden kann • Berücksichtigung von Umfeld und Lebenssituation der Betroffenen • Stabilisierung und Stützung von Lebenssituation und Hilfesystem 21.11.2014 Seite 49 Aufgaben des MZEB • Mehrdimensionale Diagnostik • Erstellung eines Behandlungs- und Hilfe-/Teilhabeplanes • Beratung im Hinblick auf Familie, Schule und Beruf • Beratung und Fortbildung von Fachkräften und Multiplikatoren • Sozialberatung 21.11.2014 Seite 50 Team Leitender Arzt/Ärztin (z.B. Arzt/Ärztin für Neurologie, Psychiatrie oder Rehabilitationsmedizin oder für Physikalische Medizin) FachärztInnen PsychologInnen / Psychotherapeuten PhysiotherapeutInnen weitere TherapeutInnen: LogopädInnen ErgotherapeutInnen ArbeitspädagogInnen SozialarbeiterInnen Verwaltung (ggf. KunsttherapeutIn, MusiktherapeutIn ) Kompetenzen werden durch eigene Mitarbeiter/-innen, Kooperations- bzw. Konsiliarverträge oder Netzwerke sichergestellt. 21.11.2014 Seite 51 Vernetzung 21.11.2014 Seite 52 Transition – Übergang vom SPZ ins MZEB Abhängig von Art und Schwere der Behinderung unterschiedliche Transitionsmodelle: • • • • • Einfache Übergabe an den Erwachsenenmediziner Weiterbetreuung durch Kinderarzt / SPI Transitionsprozess für eine Übergangszeit SPZ und MZEB unter einem Dach MZEB als Folgebetreuung in enger Kooperation mit dem SPZ 21.11.2014 Seite 53 Aktueller Stand 2 MZEB in Deutschland (Kehl-Kork, Mosbach) §119c SGB V – Vorschlag der GMK liegt vor Referentenentwurf des BMG liegt vor (Oktober 2014) Zahlreiche Initiativen in den Regionen Rahmenkonzeption der Fachverbände für Menschen mit Behinderungen v. 6./.11.14 • Arbeitsgruppe der BAG SPZ arbeitet Konzepte für Transition verschiedener Krankheits- und Behinderungsarten aus • Arbeitsgruppe in Bremen seit März 2012 • • • • • 21.11.2014 Seite 54 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !