Sprechzettel der Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann Kabinett-Pressekonferenz Kontinuität und Weiterentwicklung – Änderungen in der Lehrerausbildung in NRW Zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lehrerausbildungsgesetzes (LABG) Dienstag, 29. September 2015 Es gilt das gesprochene Wort! 1 Einleitung Vor sechs Jahren – 2009 – hat die Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen ihre bisher grundlegendste Reform erfahren. Diese hing vor allem mit der Umstellung der Lehramtsstudiengänge von Ersten Staatsprüfungen auf Bachelor- und Masterabschlüsse zusammen. Über die Entwicklungen seit 2009 hat die Landesregierung vor zwei Jahren – 2013 – ausführlich Bericht erstattet. Damals konnten wir bilanzieren, dass mit der Reform der Lehrerausbildung die Grundlage für eine praxisorientierte, professionelle und innovative Lehrerausbildung gelegt wurde. Und heute können wir feststellen, dass wir in NRW eine der modernsten Lehrerausbildungen deutschlandweit haben. Warum also eine Novellierung? – Weil wir wollen, dass unsere Lehrerausbildung auf der Höhe der Zeit bleibt und weiterhin mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen eingestellt ist. Das Kabinett hat heute den Entwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Lehrerausbildungsgesetzes beschlossen und eine Reihe von weiteren Entwürfen von Rechtsverordnungen gebilligt. Die wichtigsten geplanten Änderungen in der Lehrerausbildung möchte ich Ihnen nun vorstellen. Kontinuität und Weiterentwicklung Als Allererstes möchte ich betonen: Die Landesregierung hält an den Grundstrukturen der Lehrerausbildung fest – vor allem an den Bachelor- und Masterstudiengängen mit gleich langen Studienzeiten in allen Lehrämtern sowie an der frühen Praxisorientierung in der Ausbildung. Hier setzen wir auf Kontinuität. Aber es gibt Bedarf für Änderungen und Weiterentwicklungen – und zwar vor allem dort, wo sich die Anforderungen an künftige Lehrerinnen und Lehrer seit 2009 zum Teil erheblich verändert haben. Grundsätzlich gilt: Die Lehrerausbildung folgt der Schulentwicklung. Das betrifft vor allem die langfristig angelegte Entwicklung hin zu inklusiv arbeitenden Schulen und die Weiterentwicklung der Schulstruktur durch die Sekundarschule. Es betrifft aber auch die steigende Bedeutung der Ganztagsausrichtung von Schulen und die Arbeit von Lehrkräften in multiprofessionellen Teams. 2 Eckpunkte der Weiterentwicklung 1.) Der Umgang mit Vielfalt wird Gegenstand der Ausbildung aller Lehrerinnen und Lehrer. Wir wollen die Lehrkräfte befähigen, noch besser und professioneller mit Heterogenität und Vielfalt umzugehen – insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Inklusionsprozesses an den Schulen. Es werden Anforderungen an sonderpädagogische Basiskompetenzen für alle künftigen Lehrerinnen und Lehrer definiert. Daneben sollen an einer Hochschule innovative Formen der vertieften förderpädagogischen Qualifizierung erprobt werden können. Fragen der Inklusion stellen sich besonders in den einzelnen Unterrichtsfächern. Diese Fragen müssen deshalb künftig verbindlich im Studium der Fachdidaktiken für die einzelnen Fächer berücksichtigt werden. 2.) Wir erleichtern Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen den Quereinstieg in das Lehramt an Berufskollegs. Zum einen wird die Anrechnung von Leistungen aus dem Fachhochschulstudium erleichtert. Zum anderen wird für dieses Lehramt auf den Nachweis einer zweiten Fremdsprache verzichtet. Absolventinnen und Absolventen ingenieurwissenschaftlicher Fachhochschulstudiengänge haben in ihrem schulischen Werdegang (mit Fachhochschulreife) häufig nur die Fremdsprache Englisch lernen können. Damit sind sie aber auch für die technischen Fachrichtungen bereits gut gerüstet. Wir wollen diese Hürde deshalb hier abbauen und stattdessen Aufstiegschancen für Frauen und Männer mit Fachhochschulreife schaffen! Und wir beugen damit zugleich dem Lehrermangel vor. Ein weiterer wichtiger (formaler) Aspekt betrifft außerdem die neue – beziehungsweise jüngste – Schulform in NRW: die Sekundarschule. Sie wird fortan in den Lehramtsbefähigungen abgebildet. 3.) Wir wollen die Praxiselemente innerhalb des Lehramtsstudiums „nachjustieren“. Das Eignungspraktikum und das Orientierungspraktikum werden nun zu einer Einheit – zu einem neuen, 25-tägigen Eignungs- und Orientierungspraktikum – zusammengeführt. Der Hintergrund ist, dass diese Elemente als eine Einheit besser in das Studium sowie in den schulischen Alltag integriert werden können. Außerdem soll das Berufsfeldpraktikum am Ende des Bachelorstudiums künftig in der Regel außerhalb von Schulen geleistet werden. Die Studierenden sollen die Möglichkeit bekommen, Erfahrungen in „schulnahen“ und mit Schulen kooperierenden Berufsfeldern zu machen – 3 zum Beispiel in der Kinder-und Jugendhilfe. Und sie sollen ihren Blick auch für ganz andere Berufsfelder öffnen können. Das landesweit erst im Februar 2015 gestartete, mindestens 5-monatige Praxissemester im Masterstudium, wird lediglich in Detailfragen optimiert. 4.) Wir wollen die Fristen und die Regelung zum Auslaufen der alten Staatsexamensstudiengänge zu Gunsten der Studierenden erweitern. Die im Jahr 2009 vom Gesetzgeber festgelegten Übergangsfristen gewähren den Studierenden zwar zusätzlich zu der Regelstudienzeit den üblichen und rechtlich notwendigen Vertrauensschutz von vier Semestern zum Abschluss der auslaufenden Studiengänge. Insbesondere Gespräche mit Hochschulen und Studierenden haben aber gezeigt, dass an einzelnen Hochschulen eine Gruppe von Studierenden – aus verschiedenen Gründen – Schwierigkeiten hat, diese Fristen einzuhalten. Wir möchten deshalb den betroffenen Studierenden mit einer differenzierten Regelung eine zusätzliche Chance eröffnen, ihr Studium nach altem Recht abzuschließen: Wir verlängern zum einen die Fristen für alle Studierenden um ein Jahr – sodass die Fristen erst im Herbst 2017 bzw. 2018 auslaufen. Zum anderen soll es erweiterte Regelungen für Härtefälle geben, die damit bis zu zwei weitere Jahre Zeit für ihren Abschluss erhalten (etwa Studierende, die Kinder bekommen oder sich hochschulpolitisch engagiert haben). 5.) Die Mindestanforderungen des Landes an den Nachweis fremdsprachlicher Kenntnisse – vor allem des Latinums – werden den heutigen schulischen Unterrichtsanforderungen angepasst. Der Entwurf sieht vor, dass von Lehramtsstudierenden des Lehramts an Gymnasien und Gesamtschulen Lateinkenntnisse in den Fächern der modernen Fremdsprachen nicht mehr zwingend nachgewiesen werden müssen. In den Fächern Geschichte und Philosophie/Praktische Philosophie soll fortan das Niveau des kleinen Latinums ausreichen. Es geht bei diesen Änderungen also nicht um die Abschaffung des Latinums oder des schulischen Unterrichtsfachs Latein, sondern um Anpassungen für spezielle Lehramtsstudiengänge. Das möchte ich ausdrücklich betonen, weil es manchmal falsch kolportiert wird! Und es sind darüber hinaus Anpassungen, die denen anderer Bundesländer vergleichbar sind. 6.) Die Listen der in den Lehrämtern jeweils zugelassenen Studienfächer sollen angepasst werden. So wollen wir zum Beispiel im Anschluss an die Einführung des islamischen Religionsunterrichts im Schulgesetz, die „Islamische Religionslehre“ als Fach der 4 Lehrerausbildung einführen. Wie Sie wissen, laufen entsprechende Studiengänge an der Universität Münster bereits mit Ausnahmegenehmigungen. 7.) Fragen der Alphabetisierung erhalten einen verbindlichen Platz in der Lehrerausbildung. Ebenso Grundkompetenzen für die Entwicklung des Ganztagsbereichs. 8.) Fragen der Medienkompetenz werden einen festen und verbindlichen Platz im Vorbereitungsdienst der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter bekommen. Auch diese Maßnahme ist mir sehr wichtig, denn digitale Medien durchdringen heute alle Lebensbereiche – auch die Schule. Wir wollen die angehenden Lehrkräfte deshalb besser auf die Herausforderungen der digitalen Bildung vorbereiten. Neben der Förderung der Medienkompetenz verbessern wir daher außerdem die technischen Ausstattungen der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung deutlich. Dafür sollen von 2016 bis 2019 rund 4,5 Millionen Euro investiert werden. Schluss Neben diesen Neuerungen gibt es in der Lehrerausbildung auch wie eingangs erwähnt Vieles, das sich bewährt hat und erhalten oder ausgebaut werden soll. Lassen Sie mich dazu zum Abschluss exemplarisch die Qualifizierung aller Studierenden im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ nennen, die NRW 2009 eingeführt hat, und die seit Herbst 2011 an allen Hochschulen verbindlicher Bestandteil des Lehramtsstudiums ist. Wir in NRW haben die Bedeutung dieser Qualifizierung für eine erfolgreiche Integration von Kindern und Jugendlichen frühzeitig erkannt, weil wir mit Zuwanderung seit Jahrzehnten intensive Erfahrungen haben. NRW ist eine moderne Einwanderungsgesellschaft, die den gesellschaftlichen Entwicklungen auch im Bildungsbereich Rechnung tragen muss. Insgesamt hat Nordrhein-Westfalen mit seiner Lehrerausbildung in den letzten Jahren eine führende Rolle in Deutschland eingenommen. Diese Rolle wollen wir mit den heute beschlossenen Weiterentwicklungen und Optimierungen bekräftigen und ausbauen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 5