Tyrosinkinasen als Ziele neuer onkologischer

Werbung
MEDIZIN
ÜBERSICHTSARBEIT
Tyrosinkinasen als Ziele neuer
onkologischer Therapien
Aussichten und Probleme
Carsten Müller-Tidow, Utz Krug, Uta Brunnberg, Wolfgang E. Berdel, Hubert Serve
ZUSAMMENFASSUNG
SUMMARY
Einleitung: Tyrosinkinasen sind an der Pathogenese vieler
maligner Erkrankungen beteiligt. Dies erklärt das große Interesse, die pharmakologische Hemmung von Tyrosinkinasen mittels monoklonaler Antikörper oder kleiner inhibitorischer Substanzen therapeutisch zu nutzen. Der Artikel
gibt einen Überblick über die derzeit eingesetzten Tyrosinkinase-Inhibitoren und die Probleme, die sich mit der Entwicklung und dem Einsatz von Tyrosinkinase-Inhibitoren
ergeben. Methoden: Der Artikel beruht auf einer selektiven
Literaturaufarbeitung durch die Autoren bezüglich einer
pathologischen Aktivierung von Tyrosinkinasen in malignen
Erkrankungen sowie des Einsatzes, Wirkungs- und Nebenwirkungsprofils von definierten Tyrosinkinase-Inhibitoren.
Ergebnisse und Diskussion: Spezifische Inhibitoren der Enzymaktivität wurden für viele Tyrosinkinasen entwickelt.
Diese sind dann wirksam, wenn der Tumor von der Aktivität der Tyrosinkinase abhängig ist. Tyrosinkinase-Inhibitoren zeigen Nebenwirkungsprofile, die sich von denen
klassischer zytostatischer Substanzen deutlich unterscheiden und oft nicht vorhersagbar sind. Problematisch in der
klinischen Testung von Tyrosinkinase-Inhibitoren ist die
molekulare Heterogenität vieler maligner Erkrankungen,
wodurch Tyrosinkinase-Inhibitoren oft nur in einer bestimmten, molekular definierten Untergruppe von Patienten wirksam sind.
Dtsch Arztebl 2007; 104(19): A 1312–9.
TYROSINE KINASES ARE THE TARGETS OF NEW
TREATMENTS IN ONCOLOGY
Introduction: Tyrosine kinases are involved in the pathogenesis of many malignancies. Their inhibition via monoclonal antibodies or small inhibitory molecules is therefore
of great interest. This article reviews those tyrosine kinase
inhibitors in clinical use, and the problems evolving from
their development and use. Methods: Selective review of
literature relating to the pathological activation of tyrosine
kinases in malignant diseases and the indication, effect
and toxicity profile of tyrosine kinase inhibitors. Results
and discussion: Inhibitory components have been developed for many tyrosine kinases. These are effective when
the tumor is addicted to the tyrosine kinase activity. In addition, tyrosine kinase inhibitors display different, and often unpredictable, toxicity profiles compared to classical
cytostatic compounds. Many malignant diseases are heterogeneous at the molecular level. This raises problems in
clinical studies with tyrosine kinase inhibitors since they
are effective only in molecularly defined subgroups of
patients.
Dtsch Arztebl 2007; 104:(19) A 1312–9.
Key words: tyrosine kinase, cancer therapy, inhibitor of cell
signals, monoclonal antibody
Schlüsselwörter: Tyrosinkinase, Krebstherapie, Signalübertragungshemmer, monoklonaler Antikörper
T
Universitätsklinikum
Münster, Medizinische
Klinik und Poliklinik A,
Münster: PD Dr. med.
Müller-Tidow, Dr. med.
Krug, Dr. med. Brunnberg, Prof. Dr. med.
Berdel, Prof. Dr. med.
Serve
A 1312
yrosinkinasen sind Enzyme, die Substrate durch
Übertragung einer Phosphatgruppe modifizieren.
Im menschlichen Genom werden circa 90 Tyrosinkinasen kodiert, davon 58 als Rezeptor-Tyrosinkinasen auf
Zelloberflächen (1). Die Signalübertragung einer Rezeptor-Tyrosinkinase zeigt schematisch Grafik 1. Die
Aktivierung wird über die Bindung eines spezifischen
Liganden vermittelt. Die folgende Signalübertragung
führt zu Zellproliferation und Geweberegeneration,
oder hemmt den programmierten Zelltod und trägt so
zum Überleben der Zellen bei. Die übrigen Tyrosinkinasen sind zytoplasmatisch oder im Zellkern lokalisiert
und werden ebenfalls im Rahmen eines Signaltransduktionsweges über Phosphorylierung aktiviert.
Tyrosinkinasen spielen bei der Entstehung maligner
Tumoren über verschiedene Wirkmechanismen eine
Rolle: Im Rahmen einer balancierten Translokation
kann es zur Fusion einer Tyrosinkinase mit einem
Brückenprotein kommen, das eine Oligomerisation dieses Fusionsproteins mit dauerhafter Aktivierung bewirkt. Beispielhaft ist dieses in Grafik 2 für das BCRABL-Fusionsprotein bei der Philadelphia-Chromosompositiven chronischen myeloischen Leukämie dargestellt. Weiterhin kann eine Aktivierung durch aktivierende Mutationen ausgelöst werden. Ein Beispiel hierfür sind aktivierende Flt3-Mutationen. Hierbei wird
durch Mutationen die Flt3-Rezeptor-Tyrosinkinase dauerhaft und Liganden-unabhängig aktiviert.
⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 19⏐
⏐ 11. Mai 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
MEDIZIN
Eine weitere Möglichkeit der Aktivierung von Tyrosinkinasen in malignen Zellen besteht in der Überexpression, zum Beispiel durch Genamplifikation. Bei
Karzinomen ist dieser Mechanismus für den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) und die verwandten ERBB2/Her2/Neu und ERBB3 von großer Bedeutung (Tabelle 1). Darüber hinaus können RezeptorTyrosinkinasen vermehrt aktiviert werden, indem die jeweiligen Liganden entweder in den Tumorzellen selber
oder im umgebenden Stromagewebe überexprimiert
werden. Mögliche pharmakologische Blockaden der
Tyrosinkinase sind in den Grafiken 1 und 2 dargestellt.
Hierzu gehören monoklonale Antikörper gegen Rezeptor-Tyrosinkinasen, Antikörper gegen Liganden und
kleine, die ATP-Bindung hemmende Moleküle. Die folgenden Abschnitte geben einen Überblick über die aktuell klinisch eingesetzten Inhibitoren.
GRAFIK 1
Monoklonale Antikörper
Monoklonale Antikörper gegen Rezeptor-Tyrosinkinasen
sind gegen die extrazelluläre Ligandenbindungsstelle
gerichtet und hemmen so die Bindung des Liganden an
den jeweiligen Rezeptor (Grafik 1).
Bei der ersten erfolgreichen Therapie, bei der eine Tyrosinkinase gehemmt wurde, behandelte man Patientinnen mit ERBB2-überexprimierendem Mammakarzinom
mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab (2), der
gegen diese Rezeptor-Tyrosinkinase gerichtet ist. Die
Rationale dieser Therapie besteht darin, dass Mammakarzinome in circa 15 bis 30 % eine ERBB2-Überexpression aufweisen und dass eine solche Überexpression
mit einer schlechten Prognose assoziiert ist (e1).
Für Patientinnen mit metastasiertem ERBB2überexprimierenden Mammakarzinom ist der Einsatz
von Trastuzumab bereits zu einer Standardtherapie geworden und zeigt eine durchschnittliche Verlängerung
des Gesamtüberlebens um 5 bis 10 Monate in Kombination mit einer Chemotherapie. Der Antikörper kann
als Monotherapie sowie in Kombination mit Zytostatika verabreicht werden. Zur adjuvanten Therapie von
Patientinnen mit ERBB2-überexprimierendem Mammakarzinom in Kombination mit beziehungsweise im
Anschluss an eine zytostatische Therapie liegen zum
Zeitpunkt dieses Artikels vorläufige Analysen vier
großer und einer kleineren randomisierten Studie mit
insgesamt 14 079 Patientinnen vor (3). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 1 bis 3 Jahren verlängerte sich das rezidivfreie Überleben in allen Gruppen signifikant. Die absolute Verbesserung des dreijährigen rezidivfreien Überlebens betrug in der gemeinsamen Auswertung der National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project (NSABP) Studie B-31
und der North Central Cancer Treatment Group (NCCTG) Studie N9831 12 %. Insgesamt nahmen 5 535 Patientinnen teil. In der Herceptin-Adjuvant-(HERA)Studie mit 5 090 ausgewerteten Patientinnen verbesserte
sich absolut das zweijährige rezidivfreie Überleben um
8,4 %. Daten zur Verbesserung des Gesamtüberlebens
fehlen für diese Niedrigrisiko-Patientengruppe aufgrund der noch zu kurzen Nachbeobachtung. Trotzdem
⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 19⏐
⏐ 11. Mai 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
Signaltransduktion von Rezeptor-Tyrosinkinasen. Nach Bindung eines spezifischen Liganden
(Wachstumsfaktor, WF) erfolgt eine Dimerisation der Rezeptortyrosinkinase mit anschließender Aktivierung durch Autophosphorylierung von Tyrosinresten und Aktivierung von Substratproteinen durch Tyrosinphosphorylierung. Nachfolgende Signaltransduktionswege werden
aktiviert (linker Teil). Monoklonale Antikörper, entweder gegen die extrazelluläre Domäne der
Rezeptortyrosinkinase oder gegen den Liganden, verhindern die Ligandenbildung, wohingegen kleinmolekulare Rezeptortyrosinkinase-Inhibitoren (RTKI) über eine Bindung in der
ATP-Bindungsstelle die Kinaseaktivität inhibieren (rechter Teil).
ist davon auszugehen, dass die Langzeitergebnisse dieser Studien dazu führen, diese Substanz in der Standardtherapie der adjuvanten Therapie von Patientinnen
mit ERBB2-überexprimierendem Mammakarzinom zu
übernehmen. Für Trastuzumab, wie für die meisten
spezifischen Therapien, gilt, dass klassische Zytostatika-assoziierte Nebenwirkungen, wie zum Beispiel
Haarausfall, selten sind. Demgegenüber muss bei Antikörpern mit allergischen Reaktionen gerechnet werden.
Weiterhin greifen Antikörper gegen Rezeptor-Tyrosinkinasen in physiologische Signalübertragungswege
ein, sodass auch mit unerwarteten Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Bei Trastuzumab ist insbesondere die Kardiotoxizität in Form von Herzinsuffizienz
und Rhythmusstörungen gefürchtet, die in Kombination mit Anthrazyklinen – der beim Mammakarzinom
wirksamsten klassischen Substanzgruppe – bei bis zu
30 % auftreten (Tabelle 2). Deshalb sollte Trastuzumab
außerhalb von klinischen Studien nicht mit Anthrazyklinen kombiniert werden. Trastuzumab scheint bei anderen Tumoren, die eine ERBB2-Überexpression zeigen, zum Beispiel bei Bronchialkarzinomen, nicht
wirksam zu sein (e2–e4).
Der Rezeptor für den epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) wird bei zahlreichen Karzinomen ver-
A 1313
MEDIZIN
stärkt exprimiert (4). EGFR-Überexpression korreliert bei vielen Tumorerkrankungen mit einer schlechten Prognose (4). Der gegen diesen Rezeptor gerichtete Antikörper Cetuximab ist zur Kombinationstherapie mit Irinotecan bei Patienten mit metastasiertem,
EGFR-überexprimierenden Kolonkarzinom nach Versagen einer Irinotecan-haltigen Chemotherapie zugelassen. In der randomisierten Phase-3-Studie von
Cunningham et al. (5) zeigte sich eine Ansprechrate
von 22,9 % sowie eine durchschnittliche Überlebenszeit von 8,4 Monaten im Kombinationsarm. Zum Studiendesign muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass die Probanden gegen einen Arm mit einer
Cetuximab-Monotherapie verglichen wurden und somit keine sicheren Aussagen zur Verlängerung des
Überlebens durch diese Substanz möglich sind. Circa
80 % aller Patienten unter einer Cetuximab-Therapie
entwickeln eine Akne. Weitere unerwünschte Nebenwirkungen unter einer Therapie mit Cetuximab sind
wie bei anderen Antikörpertherapien auch allergische
Reaktionen inklusive Bronchospasmen sowie in circa
5 % abdominale Schmerzen (Tabelle 2). Das Ansprechen von Cetuximab korreliert mit dem Auftreten ei-
GRAFIK 2
ner Akne, nicht jedoch mit dem Ausmaß oder dem
Vorhandensein einer EGFR-Expression. Deshalb ist
die Beschränkung der Zulassung nur für Patienten mit
EGFR-überexprimierenden Tumoren nicht nachvollziehbar. Weitere Indikationen für Cetuximab befinden
sich in der klinischen Prüfung, so zum Beispiel bei Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom
(NSCLC), Pankreaskarzinom, Zervixkarzinom, multiplem Myelom, metastasiertem Mammakarzinom,
Kopf-Hals-Tumoren (hierfür in den USA bereits zugelassen), Ösophagus- und Magenkarzinomen, Glioblastoma multiforme, hepatozellulärem Karzinom, Plattenepithelkarzinom der Haut und Weichteilsarkomen.
Die Aktivität einer Rezeptor-Tyrosinkinase kann
auch durch Neutralisierung des Liganden gehemmt
werden (Grafik 1). Für den „vascular endothelial
growth factor“ (VEGF) konnte in vielen Studien eine
direkte Korrelation zwischen Serumkonzentration und
Tumorstadium und/oder zur Prognose der Erkrankung
bei verschiedenen Tumoren nachgewiesen werden (6).
VEGF stimuliert über die Aktivierung der VEGF-Rezeptorfamilie die Neoangiogenese von Tumorgefäßen
und trägt somit zur Versorgung von Tumorgewebe bei.
Der neutralisierende Antikörper gegen VEGF, Bevacizumab, ist zur Behandlung von Patienten mit metastasierten kolorektalen Tumoren in Kombination mit einer Erstlinienchemotherapie zugelassen. Er führt bei
Kombination mit einer Irinotecan-haltigen Chemotherapie zu einer Verlängerung der Überlebenszeit von
15,6 auf 20,3 Monate (7). Zusätzlich haben randomisierte Phase-2- und/oder Phase-3-Studien ergeben,
dass Bevacizumab das progressionsfreie Überleben
von Patienten mit metastasierten Nierenkarzinomen
von 2,5 auf 4,9 Monate (8) sowie das Gesamtüberleben
von Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC), außer Plattenepithelkarzinomen, um 2
Monate verlängert (9). Bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom verlängerte die zusätzliche
Gabe von Bevacizumab zu einer Erstlinientherapie mit
Paclitaxel das progressionsfreie Überleben von 6,1 auf
11 Monate (10). Hauptnebenwirkungen von Bevacizumab sind ein arterieller Hypertonus sowie zum Teil
tödlich verlaufende Hämoptysen bei Patienten mit
Plattenepithelkarzinomen der Lunge. Deshalb wurden
Patienten mit Plattenepithelkarzinomen in Studien zur
Behandlung von NSCLC-Patienten mit Bevacizumab
ausgeschlossen (Tabelle 2).
Kleine inhibitorische Substanzen
Signaltransduktion von BCR-ABL. a) Durch die balancierte Translokation t(9;22) wird das
Fusionsprotein BCR-ABL gebildet. b) In diesem Fusionsprotein findet über die Dimerisationsdomäne (DD) eine Dimerisation mit einem anderen BCR-ABL-Fusionsprotein statt. Dadurch
wird die ABL-Kinase aktiviert, phosphoryliert Substratproteine und nachfolgende Signaltransduktionsproteine (linker Teil). Wie kleinmolekulare Rezeptortyrosinkinase-Inhibitoren bindet
Imatinib an der ATP-Bindungsstelle der ABL-Domäne, wodurch die Phosphorylierung der
Substratproteine aktiv verhindert wird (rechter Teil). Durch Sekundärmutationen in der ATPBindungsstelle kann die Bindung von Imatinib an der ATP-Bindungsstelle von BCR-ABL
inhibiert werden und so ein Resistenzmechanismus entstehen (nicht dargestellt).
A 1314
Neben der Entwicklung von therapeutisch wirksamen
monoklonalen Antikörpern sind spezifische Inhibitoren von Tyrosinkinase-Domänen verfügbar. Der Prototyp dieser Inhibitoren ist das Medikament Imatinib,
das mit hoher Spezifität in der ATP-Bindungsstelle der
Tyrosinkinase abl sowie der Rezeptor-Tyrosinkinasen
c-kit und PDGFRbeta bindet (11). Dies führt zu einer
Inhibition der Tyrosinkinase-Aktivität. Erstes Beispiel
einer malignen Erkrankung, die erfolgreich nach diesem Prinzip behandelt werden kann, ist die chronische
myeloische Leukämie (CML). Bei der CML stellt die
⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 19⏐
⏐ 11. Mai 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
MEDIZIN
TABELLE 1
Zielstrukturen der Tyrosinkinasen bei bösartigen Erkrankungen
Tyrosinkinase
Erkrankung
Aktivierungsmechanismus
gezielte Therapie
BCR-ABL
ALL, AML, CML
t(9;22)
Imatinib, Dasatinib
NUP 214-ABL
T-ALL
episomale Fusion und Amplifikation
Imatinib
NPM-ALK
ALCL
t(2;5)
TPM3-ALK,
TPM4-ALK
ALCL, IMT
t(1;2)
ABL (9q34)
ALK (2p23)
ATIC-ALK
ALCL
inv(2)
CARS-ALK
IMT
t(2;11;2)
CLTC-ALK
ALCL, IMT
t(2;17)
TEL-ARG
AML
t(1;12)
ARG (1q25)
Imatinib
EGFR (7p12)
NSCLC, CRC, Mamma- L858R, L861Q, G719C, G719S,
Ca., GBM
Überexpression, Deletion
Cetuximab (nur Überexpression),
Gefitinib, Erlotinib
ERBB3 (12q13)
Weichteilsarkom
Überexpression
ZNF198-FGFR1
EMS
t(8;13)
FOP-FGFR1
EMS
t(6;8)
CEP110-FGFR1
EMS
t(8;9)
HERVK-FGFR1
EMS
t(8;19)
BCR-FGFR1
aCML
t(8;22)
Plasmozytom
Überexpression mit t(4;14); K650E
PD0173074, SU5402
T Lymphom
t(4;12)
DP0173074, Su5402
FLT3 (13q12)
AML
interne Tandemduplikation in der
juxtamembranösen Region; D835X;
Überexpression
PKC412, MLN518, CEP-701,
SU5416
c-FMS (5q33)
MDS, AML
L301F/S; Y969C
HER2 (17q21)
Mamma-Ca., NSCLC
Überexpression, aktivierende
Mutation
cMPS
V617F
AML, ALL
t(9;12)
FGFR1 (8p11)
FGFR3 (4p16)
TEL-FGFR3
JAK2 (9p24)
TEL-JAK2
aCML
t(9;22)
c-KIT (4q11)
BCR-JAK2
AML, GIST, Seminom,
Sarkome, SM
aktivierende Mutationen,
Überexpression
c-MET (7q31)
muskuloskelettale
Tumoren, SCLC, RPC
Überexpression, Expression einer
trunkierten Variante, aktivierende
Mutation
Magen-Ca.
t(1;7)
TPR-MET
NTRK1 (1q23)
PKC412, PD0173074
Trastuzumab, Pertuzumab (nur
Überexpression)
Imatinib (nicht für D816X),
SU5416, PKC412
PTC, Neuroblastom
TPM3-NTRK1
TRP-NTKR1
TFG-NTKR1
PTC
t(1;1)
t(1;1)
t(1;3)
NTRK3 (15q25)
TEL-NTRK3
α (4q12)
PDGFRα
AML, CFS, MBN, SJM
t(12;15)
GBM, Osteosarkom,
PAIS, GIST
Überexpression, aktivierende
Mutation, Deletion
⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 19⏐
⏐ 11. Mai 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
A 1315
MEDIZIN
TABELLE 1 Fortsetzung
Zielstrukturen der Tyrosinkinasen bei bösartigen Erkrankungen
Tyrosinkinase
Erkrankung
Aktivierungsmechanismus
gezielte Therapie
FIP1L1-PDGFRα
HES, GIST
interstitielle Deletion (4q12)
Imatinib
BCR-PDGFRα
aCML
t(4;22)
Imatinib
COLIα1
DFSP
t(17;22)
Imatinib
TEL-PDGFRβ
CMML
t(5;12)
Imatinib
HIP1-PDGFRβ
CMML
t(5;7)
Imatinib
Rabaptin5PDGFRβ
CMML
t(5;17)
Imatinib
H4-PDGFRβ
aCML
t(5;10)
Imatinib
CEV14-PDGFRβ
AML
t(5;14)
Imatinib
MEN-2A, MEN-2b,
FMTC
aktivierende Mutation
RET-PTC1
PTC
inv(10)
ZD6474
RET-PTC2
PTC
t(10;17)
ZD6474
RET-PTC3
PTC
inv(10)
ZD6474
FIG-ROS
GBM, Astrozytom
del(6)
TEL-SYK
MDS
t(9;12)
β (5q33)
PDGFRβ
RET (10q11)
ROS (6q22)
SYK (9q22)
VEGFR
RCC, NSCLC, Mamma- VEGF-Überexpression
Ca., Prostata-Ca., CRC
Bevacizumab, Sunitinib
aCML, atpyische CML; ALCL, anaplastisch großzelliges Non-Hodgkin-Lymphom; ALL, akute lymphatische Leukämie; AML, akute myeloische Leukämie; CFS, kongenitales
infantiles Fibrosarkom; CML, chronische myeloische Leukämie; CMML, chronische myelomonozytäre Leukämie; cMPS, chronische myeloproliferative Syndrome; CRC, kolorektales Karzinom; DFSP, Dermatofibrosarcoma protuberans; EMS, 8p11 myeloproliferatives Syndrom; FMTC, familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom; GBM, Glioblastoma
multiforme; GIST, gastrointestinaler Stromatumor; HES, hypereosinophiles Syndrom; IMT, inflammatorischer myofibroblastischer Tumor; MBN, mesoblastisches Nephrom;
MDS, myelodysplastisches Syndrom; MEN, multiple endokrine Neoplasie; NSCLC, nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom; PAIS, Leiomyosarkom der Arteria pulmonalis;
PTC, papilläres Schilddrüsenkarzinom; RCC, Nierenzellkarzinom; RPC, papilläres Nierenkarzinom; SJM, sekretorisches juveniles Mammakarzinom; SCLC, kleinzelliges
Bronchialkarzinom; SM, systemische Mastozytose
dauerhafte Aktivität der Abl-Tyrosinkinase des BCRABL-Fusionsproteins den ursächlichen transformierenden Mechanismus dar (Grafik 2). Hier erreichen
mehr als 95 % der Patienten in der chronischen Phase
unter Imatinib eine komplette hämatologische und
häufig (circa 75 %) auch komplette zytogenetische Remissionen (12). Nebenwirkungen von Imatinib sind
(um 50 %) Ödeme, vor allem Lidödeme, Übelkeit und
Muskelkrämpfe sowie häufig (10 bis < 50 %) Myalgien und Arthralgien, abdominale Schmerzen, Gynäkomastie, Hautausschlag, Durchfälle und Gewichtszunahme. Weiterhin entwickelten circa 0,1 bis 1 % der
CML-Patienten eine Herzinsuffizienz, insbesondere
bei vorbestehenden Begleitkrankheiten wie Hypertonie, Diabetes mellitus oder koronarer Herzkrankheit
(e5). Als hämatologische Haupttoxizität tritt in circa
10 % aller Patienten eine höhergradige Neutropenie
auf. Die nichthämatologischen Toxizitäten sind allerdings größtenteils gering ausgeprägt, und damit
schneidet Imatinib sowohl im Hinblick auf Effektivität
und Nebenwirkungen deutlich günstiger ab als die bisherige konventionelle Standardtherapie mit Interferon
A 1316
alpha (Tabelle 2). Dies und die deutlich höhere Toxizität der allogenen Knochenmarks- beziehungsweise
Stammzelltransplantation hat dazu geführt, dass Imatinib heute der Standard der Erstbehandlung der CML in
der chronischen Phase ist.
Allerdings kann wohl bei der Mehrzahl der Patienten
der maligne Klon nicht eradiziert werden. Darüber hinaus entstehen Resistenzen gegen Imatinib, unter anderem durch Punktmutationen der Tyrosinkinase-Domäne
von bcr-abl (13). Die Mutationen bewirken, dass Imatinib nicht mehr im aktiven Zentrum binden kann und unwirksam wird. Seit Juni 2006 ist in den USA mit Dasatinib ein weiterer Tyrosinkinase-Inhibitor zugelassen, der
gegen die meisten beobachteten Punktmutationen aktiv
ist (14). Die Zulassung dieser Substanz in Europa steht
allerdings noch aus.
Imatinib hemmt nicht nur die abl-Tyrosinkinase,
sondern auch die Rezeptor-Tyrosinkinasen PDGFR
(alpha und beta) und c-kit (11). Der Einsatz von Imatinib
hat sich daher auch bei hämatologischen Erkrankungen als erfolgreich erwiesen, die mit einer balancierten
Translokation für PDGFRbeta (zum Beispiel Tel⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 19⏐
⏐ 11. Mai 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
MEDIZIN
TABELLE 2
Nebenwirkungen der Tyrosinkinase-Inhibitoren
Substanz
Nebenwirkungen (Häufigkeit)
Bevacizumab
Hämorrhagien*1 (20–40 %), Hypertonie (9*2–27*2 %), inkl. hypertensive Enzephalopathie, Diarrhöen (8*2 %), arterielle Thromboembolien (2*2 %), venöse Thrombosen (2*2 %), gastrointestinale Perforation (2–6 %), reversibles posteriores Leukoenzephalopathie-Syndrom,
Wundheilungsstörungen*3
Cetuximab
Exanthem (80 %), Hypomagnesiämie (48 %), Schmerzen inkl. abdominaler Schmerzen
(ca. 40 %), Infusionsreaktion, Fieber (ca. 40 %), Obstipation (30 %), Übelkeit/Erbrechen
(20–30 %), Anorexie (20 %), Infektionen (10 %), Konjunktivitis (5 %)
Erlotinib
Exanthem (75 %), Diarrhöen (54 %), Anorexie (52 %), Dyspnoe (41 %), Übelkeit/Erbrechen
(33 %), Infektionen (24 %), Stomatitis (17 %), Konjunktivitis, Keratoconjunctivitis sicca (12 %),
Abdominalschmerzen (11 %), interstitielle Pneumonitis (0,6–0,8 %)
Gefitinib
Exanthem (45–62 %), Diarrhöen (40–57 %), Übelkeit (12 %), Anorexie (7 %), interstitielle
Pneumonitis (1 %)
Imatinib
Übelkeit/Erbrechen (50–60 %), Ödeme, Gewichtszunahme (ca. 50 %), Muskelkrämpfe/Myalgien (ca. 50 %), Diarrhöen (25 %), Hautausschlag (25 %), Gynäkomastie (ca. 20 %), chronische
Ermüdung (15 %), abdominale Schmerzen (14 %), Myelosuppression (10–15 %), Kopfschmerzen (11 %), Herzinsuffizienz (0,1–1 %), Leberversagen*4 (Einzelfälle), Tumoreinblutung (sehr
selten, nur GIST), Hypothyreose (nur bei Patienten nach Thyreoidektomie unter Substitution)
Sorafenib
Hypophosphatämie (45 %), Hautausschlag (43 %), Diarrhöen (38 %), chronische Erschöpfung
(37 %), Alopezie (25 %), Leukopenie (23 %), Hand-Fuß-Syndrom (19 %), Hypertonie (17 %),
Übelkeit/Erbrechen (16 %), Blutungen (15 %), Myokardinfarkt (3 %)
Sunitinib
Müdigkeit (48 %), Diarrhöen (39 %), Übelkeit/Erbrechen (35 %), Hautverfärbung (29 %),
Geschmacksstörungen (28 %), Stomatitis (27 %), Hypertonie (22 %), Anorexie (21 %), HandFuß-Syndrom (17 %), Exanthem (17 %), Myelosuppression (10–15 %), Thoraxschmerz (11 %),
Obstipation (10 %), Tumorblutung (2 % der GIST-Tumoren)
Trastuzumab
Schmerzen (Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen) (47 %), Übelkeit/Erbrechen (5–33 %),
Fieber, Schüttelfrost (5–30 %), Diarrhöen (7–25 %), Herzinsuffizienz (7–21*5 %), pulmonale
Reaktionen inkl. Dyspnoe, Bronchospasmus, Pleuraerguss, Pneumonitis, ARDS*6 (8–22 %),
Infektionen (20 %), Hautausschlag (3–18 %), Leukopenie (3–18*2 %), Parästhesien
(6–11*2 %), Tachyarrhythmia absoluta (5–8*2 %), Hypersensitivitätsreaktion (3–6*2 %)
*1 überwiegend Epistaxis, z. T. tödliche Lungenblutungen, daher keine Anwendung bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom der Lunge
*2 Exzesstoxizität im Vergleich zur Kontrollgruppe (nur Chemotherapie)
*3 kein größerer chirurgischer Eingriff 28 Tage vor bis 28 Tage nach einer Therapie mit Bevacizumab
*4 keine Kombination mit Paracetamol
*5 sorgfältige Überwachung der Herzfunktion, keine Kombination mit Anthrazyklinen
*6 keine Verabreichung von Trastuzumab bei Patientinnen mit Ruhedyspnoe
ARDS, „acute respiratory distress syndrome“
PDGFRbeta) oder Abl einhergehen (Tabelle 1), sowie
bei Patienten mit gastrointestinalen Stromazelltumoren (GIST), die in circa 80 % eine Mutation der
Rezeptor-Tyrosinkinase c-kit und in weiteren 5 bis 10 %
Mutationen von PDGFRalpha aufweisen (15). Vor
Einführung von Imatinib gab es für diese Patienten
keine gute pharmakologische Therapieoption. Unter
Imatinib erreichen 50 % eine komplette oder partielle
Remission und 33 % eine zum Teil lang anhaltende
Krankheitsstabilität.
Nach dem Erfolg von Imatinib wurden zahlreiche andere Tyrosinkinase-Inhibitoren klinisch getestet und
zum Teil eingeführt. Bei Patienten mit NSCLC wurden
die EGFR-Inhibitoren Gefitinib und Erlotinib für die
Zweitlinientherapie getestet, hier ist die Wirksamkeit allerdings begrenzt. Für Erlotinib, jedoch nicht für Gefitinib, konnte in einer randomisierten, placebokontrollierten Studie ein kleiner signifikanter Überlebensvorteil
von 2 Monaten bezogen auf alle Patienten nachgewiesen werden (16). Ein kleiner Teil der Tumoren (< 10 %
in Europa, 30 % in Asien) spricht aber sehr gut auf Gefitinib und Erlotinib an. Dieser Anteil ist größer bei
⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 19⏐
⏐ 11. Mai 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
Frauen, Nichtrauchern, Patienten mit Adenokarzinomen
und Asiaten. Das Ansprechen auf Gefitinib korreliert
mit dem Nachweis für aktivierende Mutationen in der
Tyrosinkinase-Domäne des EGF-Rezeptors. Die Ansprechrate bei Patienten, deren Tumoren diese Mutationen aufweisen, liegt bei über 60 % (17). Wie bei dem
EGFR-Antikörper Cetuximab treten auch hier bei den
meisten Patienten Akne-artige Hautveränderungen auf
sowie bei circa 50 % Diarrhöen (Tabelle 2). Eine seltene
aber gefürchtete Komplikation mit einer Letalität von
circa 30 % bei einer EGFR-blockierenden Therapie ist
die interstitielle Pneumonitis mit einer Inzidenz von circa 1 % unter der Therapie mit Gefitinib (18). Unter Erlotinib und Cetuximab ist eine interstitielle Pneumonitis
deutlich seltener.
Auch für die Rezeptor-Tyrosinkinasen der VEGFRezeptorfamilie wurden Inhibitoren der TyrosinkinaseDomäne mit unterschiedlicher Spezifität entwickelt.
Das Indolderivat SU11248 (Sunitinib) inhibiert alle
VEGF-Rezeptor-Subtypen und PDGF-Rezeptoren (e6).
In einer randomisierten Studie bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom wurde kürzlich die
A 1317
MEDIZIN
Überlegenheit von Sunitinib über die bisherige Standardtherapie mit Interferon bezüglich der objektiven
Ansprechrate (31 versus 6 %) und des progressionsfreien Überlebens (11 versus 5 Monate) demonstriert (19).
Patienten mit Imatinib-resistenten gastrointestinalen
Stromatumoren lebten länger, sodass eine Zulassung für
diese Indikation in den USA erfolgte (20). Typische Nebenwirkungen von Sunitinib sind Diarrhöen, Stomatitis
und Geschmacksveränderungen (Tabelle 2).
Der oral applizierbare Multi-Kinaseinhibitor Sorafenib (BAY 43-9006) wurde ursprünglich als Inhibitor
des Signaltransduktionsmoleküles Raf-1 entwickelt.
Das Molekül inhibiert auch Subtypen der VEGF-Rezeptorfamilie, den PDGF-Rezeptor, Flt3 und c-kit
(e7). Sorafenib ist für die Zweitlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom zugelassen, weil in einer randomisierten Phase-3-Studie
eine Verdoppelung der progressionsfreien Überlebenszeit gegenüber Placebo von 12 auf 24 Monate erreicht wurde (21). Die häufigsten Nebenwirkungen
von Sorafenib in dieser Studie waren Hautausschlag,
ein Hand-Fuß-Syndrom und chronische Erschöpfung
(Tabelle 2).
Besonders interessant scheint die Möglichkeit zu
sein, unterschiedliche Rezeptor-Tyrosinkinasen durch eine Kombination zu inhibieren. Hier gibt es bereits erste
Phase-1- und -2-Studien mit Erlotinib und Bevacizumab
bei Patienten mit fortgeschrittenen refraktären NSCLC
(22) und Nierenzellkarzinomen (23). Der kombinierte
Einsatz der Wirkstoffe kann zum Beispiel einen Resistenzmechanismus, der bei der EGFR-Inhibition mit einer gesteigerten Aktivität des VEGF-Signaltransduktionsweges beantwortet wird, wirksam umgehen. Aufgrund des verstärkten Eingriffs in die physiologischen
Signaltransduktionswege kann eine solche Kombination allerdings auch eine überadditive und unerwartete
Toxizität bewirken.
Probleme und Ausblick
Die Besonderheiten der maßgeschneiderten Therapie
mit Tyrosinkinase-Inhibitoren erfordern ein sorgfältiges Studiendesign, das mit klassischen Konzepten nur
schwer in Einklang zu bringen ist (24, 25). So konnte
aufgrund der geringen Toxizität in Phase-1-Studien
bei Imatinib keine maximal tolerable Dosis (MTD) ermittelt werden; hier bietet sich die Ermittlung der optimalen biologischen Dosis (OBD) der Substanz
durch Untersuchungen zur In-vivo-Hemmung der
Zieltyrosinkinase, zum Beispiel in Gewebeproben, an
(24, 25). In Phase-2- und Phase-3-Studien sollte der
Einsatz des Medikaments idealerweise auf die Patientenpopulation beschränkt werden, bei der der Tumor
von der Aktivität des Zielmoleküls abhängig ist. Die
enttäuschenden Ergebnisse der EGFR-Inhibition bei
EGFR-überexprimierenden Tumoren zeigen, dass aus
einer Überexpression nicht gefolgert werden kann,
dass das Tumorwachstum von dem Enzym abhängig
ist (25). Sofern genetisch definierte Untergruppen bekannt sind, betreffen diese oft nur einen kleinen Prozentsatz von Patienten. Hieraus ergeben sich zwei
A 1318
weitere Probleme: Die Beschränkung der möglichen
Indikation einer neuen Substanz auf eine kleine Subpopulation mit einer definierten genetischen Läsion
macht aufgrund der hohen Entwicklungs- und Zulassungskosten die Forschung zunächst finanziell uninteressant und widerspricht den Interessen der pharmazeutischen Industrie, eine Zulassung für möglichst
große, unselektionierte Patientenkollektive zu erlangen. Weiterhin wird die Rekrutierung von Patienten
mit seltenen spezifischen genetischen Läsionen in einer ausreichenden Anzahl multizentrische, internationale Studien erfordern.
Die Entwicklung verläuft in Richtung maßgeschneiderter Therapieansätze, die eine bessere Kenntnis der
Tumorbiologie als auch eine engere Zusammenarbeit
zwischen interdisziplinären Teams einschließlich Molekularbiologen voraussetzt. Die Erfolge von Tyrosinkinase-Inhibitoren in der Therapie von Patienten mit balancierten Translokationen beziehungsweise Mutationen in
der Tyrosinkinase-Domäne sind sehr ermutigend. Die
Biologie von Tumorerkrankungen erfordert es, neue Wege zur effektiven Verzahnung von molekularer Diagnostik- und Therapieentwicklung zu gehen. Das Ziel einer
maßgeschneiderten, nebenwirkungsarmen, wirksameren
medikamentösen Tumortherapie rückt durch Tyrosinkinase-Inhibitoren ein Stück näher.
Interessenkonflikt
Prof. Serve hat Unterstützung für Studien von der Bayer AG erhalten. PD MüllerTidow wurde bei der Forschung von Novartis unterstützt. Prof. Berdel erhielt
Unterstützung für Studien und Forschung, Vortrags- und Beraterhonorare von
AstraZeneca, Merck-Deutschland, Bayer, Pfizer, Novartis, Roche/Genentech
und Amgen. Dr. Krug und Dr. Brunnberg erklären, dass kein Interessenkonflikt
im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors
besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 26. 4. 2006, revidierte Fassung angenommen: 29. 1. 2007
LITERATUR
1. Robinson DR, Wu YM, Lin SF: The protein tyrosine kinase family of
the human genome. Oncogene 2000; 19: 5548–57.
2. Emens LA, Davidson NE: Trastuzumab in breast cancer. Oncology
(Williston Park) 2004; 18: 1117–28; discussion 31–2, 37–8.
3. Baselga J, Perez EA, Pienkowski T, Bell R: Adjuvant trastuzumab: a
milestone in the treatment of HER-2-positive early breast cancer.
Oncologist 2006; 11(Suppl 1): 4–12.
4. Salomon DS, Brandt R, Ciardiello F, Normanno N: Epidermal growth
factor-related peptides and their receptors in human malignancies.
Crit Rev Oncol Hematol 1995; 19): 183–232.
5. Cunningham D, Humblet Y, Siena S, et al.: Cetuximab monotherapy
and cetuximab plus irinotecan in irinotecan-refractory metastatic colorectal cancer. N Engl J Med 2004; 351: 337–45.
6. Poon RT, Fan ST, Wong J: Clinical implications of circulating angiogenic factors in cancer patients. J Clin Oncol 2001; 19: 1207–25.
7. Hurwitz H, Fehrenbacher L, Novotny W, et al.: Bevacizumab plus irinotecan, fluorouracil, and leucovorin for metastatic colorectal cancer. N Engl J Med 2004; 350: 2335–42.
8. Yang JC, Haworth L, Sherry RM, et al.: A randomized trial of bevacizumab, an anti-vascular endothelial growth factor antibody, for metastatic renal cancer. N Engl J Med 2003; 349: 427–34.
9. Sandler AB, Gray R, Brahmer J, et al.: Randomized phase II/III Trial of
paclitaxel (P) plus carboplatin (C) with or without bevacizumab (NSC
# 704865) in patients with advanced non-squamous non-small cell
lung cancer (NSCLC): An Eastern Cooperative Oncology Group
(ECOG) Trial - E4599. J Clin Oncol 2005; ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. 23(16S): abstract 4.
⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 19⏐
⏐ 11. Mai 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
MEDIZIN
10. Miller KD: E2100: a phase III trial of paclitaxel versus paclitaxel/bevacizumab for metastatic breast cancer. Clin Breast Cancer 2003; 3:
421–2.
11. Buchdunger E, Cioffi CL, Law N, et al.: Abl protein-tyrosine kinase inhibitor STI571 inhibits in vitro signal transduction mediated by c-kit
and platelet-derived growth factor receptors. J Pharmacol Exp Ther
2000; 295: 139–45.
12. O'Brien SG, Guilhot F, Larson RA, et al.: Imatinib compared with interferon and low-dose cytarabine for newly diagnosed chronic-phase
chronic myeloid leukemia. N Engl J Med 2003; 348): 994–1004.
13. Shah NP, Sawyers CL: Mechanisms of resistance to STI571 in Philadelphia chromosome-associated leukemias. Oncogene 2003; 22:
7389–95.
14. Talpaz M, Shah NP, Kantarjian H, et al.: Dasatinib in imatinib-resistant Philadelphia chromosome-positive leukemias. N Engl J Med
2006; 354: 2531–41.
15. Corless CL, Fletcher JA, Heinrich MC: Biology of gastrointestinal
stromal tumors. J Clin Oncol 2004; 22: 3813–25.
16. Shepherd FA, Rodrigues Pereira J, Ciuleanu T, et al.: Erlotinib in previously treated non-small-cell lung cancer. N Engl J Med 2005; 353:
123–32.
17. Chan SK, Gullick WJ, Hill ME: Mutations of the epidermal growth factor receptor in non-small cell lung cancer – search and destroy. Eur
J Cancer 2006; 42: 17–23.
18. Sandler AB: Nondermatologic adverse events associated with antiEGFR therapy. Oncology (Williston Park) 2006; 20(5 Suppl 2):
35–40.
19. Motzer RJ, Hutson TE, Tomczak P, et al.: Phase III randomized trial of
sunitinib malate (SU11248) versus interferon-alfa (IFN-a) as first-line systemic therapy for patients with metastatic renal cell carcinoma (mRCC). J Clin Oncol 2006; ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. 24(18S): abstract LBA3.
20. New targeted therapy for rare stomach, kidney cancers. FDA Consum 2006; 40: 5.
21. Escudier B, Szczylik C, Eisen T, et al.: Randomized phase III trial of
the Raf kinase and VEGFR inhibitor sorafenib (BAY 43-9006) in patients with advanced renal cell carcinoma (RCC). J Clin Oncol 2005;
ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. 23(16S): abstract 4510.
22. Herbst RS, Johnson DH, Mininberg E, et al.: Phase I/II trial evaluating
the anti-vascular endothelial growth factor monoclonal antibody bevacizumab in combination with the HER-1/epidermal growth factor
receptor tyrosine kinase inhibitor erlotinib for patients with recurrent
non-small-cell lung cancer. J Clin Oncol 2005; 23: 2544–55.
23. Hainsworth JD, Sosman JA, Spigel DR, Edwards DL, Baughman C,
Greco A: Treatment of metastatic renal cell carcinoma with a combination of bevacizumab and erlotinib. J Clin Oncol 2005; 23:
7889–96.
24. Krause DS, Van Etten RA: Tyrosine kinases as targets for cancer
therapy. N Engl J Med 2005; 353: 172–87.
25. Arteaga CL, Baselga J: Tyrosine kinase inhibitors: why does the current process of clinical development not apply to them? Cancer Cell
2004; 5: 525–31.
Anschrift für die Verfasser
PD Dr. med. Carsten Müller-Tidow
Medizinische Klinik A – Hämatologie und Onkologie
Universitätsklinikum Münster
Albert-Schweitzer-Straße 33
48129 Münster
E-Mail: [email protected]
@
Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit1907
@
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt.de/english
REFERIERT
Calciumkanal- oder Alphablocker
bei Nierenkolik
Eine Nierenkolik ist ein schmerzhaftes Ereignis; wenn es gelingt, die
Steinpassage durch den Ureter medikamentös zu beschleunigen, kann
man eventuell eine Operation vermeiden. In einer Metaanalyse werteten
die Autoren alle bis 2005 erschienenen Publikationen aus, bei denen in
randomisierten kontrollierten Studien Calciumantagonisten oder Alphablocker eingesetzt wurden. In neun ausgewerteten Studien mit 692 Pati-
enten konnte durch die Gabe eines Calciumantagonisten oder Alphablockers eine spontane Steinpassage erzielt werden (RR = 1,65), das
heißt, 65 % mehr Steine gingen infolge der medikamentösen Begleittherapie ab, als wenn man auf diese Medikamente verzichtete. Die genauen
Werte betrugen für Alphablocker 1,54, für Calciumkanalblocker plus
Steroide 1,90. Bei einer NNT (Number needed to treat) von 4 sollte
deshalb bei jeder Nierenkolik ein medikamentöser Behandlungsversuch
unternommen werden, um die spontane Steinpassage zu erleichtern. w
Hollingworth JM, MA Rogers, SR Kaufman et al.: Medical therapy to facilitate stone passage: a meta-analysis.Lancet 2006; 368: 1171–9.
Dr. J. M. Hollingworth, Department of Urology, Ann Arbor Veterans Affairs Health Services Research & Development Center of Excellence, Ann Arbor, MI, USA
⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 19⏐
⏐ 11. Mai 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
A 1319
MEDIZIN
LITERATURVERZEICHNIS HEFT 19/2007, ZU:
ÜBERSICHTSARBEIT
Tyrosinkinasen als Ziele neuer
onkologischer Therapien
Aussichten und Probleme
Carsten Müller-Tidow, Utz Krug, Uta Brunnberg, Wolfgang E. Berdel, Hubert Serve
LITERATUR INTERNET
e1. Borg A, Tandon AK, Sigurdsson H, et al.: HER-2/neu amplification
predicts poor survival in node-positive breast cancer. Cancer Res
1990; 50: 4332–7.
e2. Bookman MA, Darcy KM, Clarke-Pearson D, Boothby RA, Horowitz
IR: Evaluation of monoclonal humanized anti-HER2 antibody, trastuzumab, in patients with recurrent or refractory ovarian or primary peritoneal carcinoma with overexpression of HER2: a phase II trial of
the Gynecologic Oncology Group. J Clin Oncol 2003; 21: 283–90.
e3. Hirsch FR, Langer CJ: The role of HER2/neu expression and trastuzumab in non-small cell lung cancer. Semin Oncol 2004; 31(1 Suppl
1): 75–82.
e4. Ziada A, Barqawi A, Glode LM, et al.: The use of trastuzumab in the
treatment of hormone refractory prostate cancer; phase II trial.
Prostate 2004; 60: 332–7.
e5. Kerkela R, Grazette L, Yacobi R, et al.: Cardiotoxicity of the cancer
therapeutic agent imatinib mesylate. Nat Med 2006;12: 908–16.
e6. Sun L, Liang C, Shirazian S, et al.: Discovery of 5-[5-fluoro-2-oxo1,2- dihydroindol-(3Z)-ylidenemethyl]-2,4- dimethyl-1H-pyrrole-3carboxylic acid (2-diethylaminoethyl)amide, a novel tyrosine kinase
inhibitor targeting vascular endothelial and platelet-derived growth
factor receptor tyrosine kinase. J Med Chem 2003; 46: 1116–9.
e7. Wilhelm SM, Carter C, Tang L, et al.: BAY 43-9006 exhibits broad
spectrum oral antitumor activity and targets the RAF/MEK/ERK pathway and receptor tyrosine kinases involved in tumor progression and
angiogenesis. Cancer Res 2004; 64: 7099-109.
⏐ Jg. 104⏐
⏐ Heft 19⏐
⏐ 11. Mai 2007
Deutsches Ärzteblatt⏐
A1
Herunterladen