Pharmakotherapie von Tumoren Pharmakologie und Toxikologie II Sommersemester 2010 Antikörper und Tyrosinkinaseinhibitoren Kai Kappert [email protected] Institut für Pharmakologie/ Center for Cardiovascular Research Charité-Universitätsmedizin Berlin 28. April 2010 Pharmakologische Angriffspunkte (1) Antimetabolite Antikörper Alkylantien Tyrosinkinaseinhibitoren Mitosehemmstoffe Topoisomerasehemmstoffe Antibiotikaderivate Enzyme Pharmakologische Angriffspunkte (2) Lernziele 1.a. Definition von therapeutischen Antikörpern gegen TumorOberflächenantigene und Wachstumsfaktorrezeptoren 1.b. Definition von Tyrosinkinaseinhibitoren 2. Wirkmechanismen der therapeutischen Antikörper und Tyrosinkinaseinhibitoren 3. Indikationsgebiete der therapeutischen Antikörper und Tyrosinkinaseinhibitoren 4. Unerwünschte Wirkungen der therapeutischen Antikörper und Tyrosinkinaseinhibitoren Pharmakologische Möglichkeiten der Hemmung Therapeutische Antikörper Als Arzneimittel eingesetzt, können sie krankheitsrelevante Strukturen gezielt in ihrer Wirkung blockieren oder neutralisieren. • Immunglobuline, sind Proteine die als Reaktion auf bestimmte Stoffe, so genannte Antigene, gebildet werden. • Antikörper stehen im Dienste des Immunsystems. • Antikörper werden von einer Klasse von weißen Blutzellen (Leukozyten) produziert. Anwendung: u.a. - Tumortherapie - Inflammatorische Erkrankungen. Monoklonale Antikörper variable, antigen-spezifische Region Terminologie der monoklonalen Antikörper Nach Ähnlichkeit zu den menschlichen Antikörpern unterscheidet man: murine Antikörper (von der Maus): Endung -omab Antikörper vom Primaten: Endung -imab chimäre Antikörper: Endung –ximab (Beispiel: Rituximab) humane Antikörper: Endung -mumab (Beispiel: Adalimumab) Ähnlichkeit humanisierte Antikörper: Endung -zumab (Beispiel: Trastuzumab) Bisher zur Therapie zugelassene Antikörper Antikörper Alemtuzumab Bevacizumab Cetuximab Gemtuzumab Rituximab Trastuzumab Adalimumab Etanercept Infliximab Abciximab Mechanismus Indikation Anti CD25 Anti VEGF Anti EGFR Anti CD33 Anti CD20 Anti HER2 Anti-Tumor Leukämie metast. Colon-Karzinom, Mamma-Ca metast. Colon-Karzinom Akute myelogene Leukämie (AML) B-Zell-Lymphom Mamma-Ca Anti TNFa Anti TNFα Anti TNFα Immunsuppression/Entzündungshemm. Rheumatoide Arthritis (RA) RA, psoriatische Arthritis M. Crohn, Colitis ulcerosa, RA, ... GPIIb/IIIa Rezeptor andere (Beispiele) Gerinnungshemmung Mammakarzinom Jährliche Neuerkrankungs- und Sterbefälle Deutschland 1980 – 2004 Robert Koch-Institut. Verbreitung von Krebserkrankungen in Deutschland www.rki.de Behandlung: - Die Therapie besteht in der Regel in einer an das Erkrankungsstadium angepassten Kombination aus Operation sowie Zytostatika-, Hormon- und Strahlentherapie. - Neue Ansätze aus dem Gebiet der Immuntherapie werden außerdem durch monoklonale Antikörper ermöglicht. Trastuzumab (Endung: -zumab = humanisierter Antikörper) Exkurs: Wachstumsfaktor-vermittelte Effekte z.B. Epidermal Growth Factor (EGF), Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) Zellproliferation Geweberegernation Apoptose-Hemmung Überleben Definition: Tyrosinkinasen sind Enzyme, die Substrate durch Übertragung einer Phosphatgruppe modifizieren. Tyrosinkinasen bei malignen Erkrankungen Folge: dysregulierte, gesteigerte Signaltransduktion. Trastuzumab – gezielte antineoplastische Therapie Trastuzumab (Herceptin®) ist ein humanisierter monoklonaler AK gegen den humanen epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor 2 (HER2). extrazelluläre Bindungsdomäne intrazelluläre Domäne mit Tyrosinkinaseaktivität EGF TGFα AR Kein Ligand identifiziert HER1 HER2 HER2 HER2 BTC HB-EGF NRG NRG2 HER3 HER2 NRG3 NRG4 HER4 HER2 P P P P P P P P P P P P P P Trastuzumab – Wirkungsmechanismus Normale Zelle Extrazelluläre Bindung führt zu: - Internalisierung des Rezeptors - Hemmung der Proliferation - Zellen sterben (Apoptose) HER2-überexprimierende Tumorzelle - Antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (antibody-dependent cellular cytotoxicity; ADCC) Immunzellen attackieren Trastatuzumab-bindende Tumorzellen Trastuzumab bindet HER2 Gesteigerte HER2-Signale durch Dimerisierung führt zur Tumorzell-Proliferation Trastuzumab bindet HER2+ Tumorzellen und markiert sie zur Bindung von Immunzellen Trastuzumab blockiert HER2Signaltransduktion und inhibiert die Zellproliferation Trastuzumab – gezielte antineoplastische Therapie HER2 ist bei etwa 20 bis 25 Prozent aller Patientinnen überexprimiert. Für die Patientin bedeutet das: aggressiver Krankheitsverlauf, ungünstige Prognose. Nur bei Patientinnen mit HER2 Überexpression!!! Sicherstellung, dass nur diejenigen Patientinnen Trastuzumab erhalten, die auch tatsächlich davon profitieren. Trastuzumab – Nebenwirkungen • Klassische „Zytostatika-assoziierte“ Nebenwirkungen: selten! • Allergische Reaktionen, Fieber und Schüttelfrost. • Lokale Reizungen. Da HER2-Rezeptoren auch in anderen Organen (z. B. Kardiomyozyten) vorkommen, kann Trastuzumab zu Herzschädigungen (Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen) führen. Æ Echokardiographische Verlaufskontrolle ist erforderlich. Trastuzumab – Zusammenfassung • Humanisierter monoklonaler Antikörper • Anti-tumoröser Antikörper (1998: USA; 2000; EU) • Indikation: HER2-positives Mammakarzinom • Nachweis einer HER2-Überexpression ist zwingend vorgeschrieben • Wirkmechanismus: Bindung der extrazellulären Domäne von HER2 (einem Wachstumsfaktorrezeptor, dessen Expression bei Mammakarzinomen mit einer schlechten Prognose assoziiert ist). Exkurs: Angiogenese Ohne Angiogenese ist das Tumorwachstum eingeschränkt. Ohne Neubildung von Gefäßen (=(Tumor)-Angiogenese) ist das Wachstum von Tumoren durch die O2-Diffusion limitiert auf einen Durchmesser von etwa 200µm (ca. 10-Zell-Lagen). Wie wird Tumor-Angiogenese induziert? Tumoren setzen angiogene Wachstumsfaktoren frei: -VEGF (vascular endothelial growth factor) Bevacizumab Bevacizumab – Avastin® VEGF = Vascular Endothelial Growth Factor VEGFR = Vascular Endothelial Growth Factor Receptor Bevacizumab: bindet VEGF und hemmt dadurch dessen Wechselwirkung mit seinen Rezeptoren Bevacizumab Induktion von: - Matrix Metalloproteinasen (MMPs) - tPA (tissue plasminogen activator) - uPA (urokinase-type plasminogen activator) Vaskularbett-spezifische Freisetzung von Wachstumsfaktoren Hauptmediator auf Endothelzellen: Proliferation Migration Überleben Angiogenese Permeabilität Muhsin et al. Nature Reviews Drug Discovery 2004 Bevacizumab – Avastin® Tumor nach Angiogenese: der Tumor wird über seine Blutgefäße ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Angiogenese-Hemmung: Bevacizumab bindet und blockiert sehr effektiv den VEGF-Wachstumsfaktor. Tumor nach AngiogeneseHemmung: die VEGF-Blockade durch Bevacizumab führt zur Hemmung der Tumor-Angiogenese und des Tumorwachstums. Bevacizumab – Nebenwirkungen Häufigkeit - Hämorrhagien (überwiegend Epistaxis): 20-40% - Hypertonie (9-27%) - Diarrhöen (8%) - gastrointestinale Perforation (2-6%) - arterielle Thromboembolien (2%) - venöse Thrombosen (2%) - Wundheilungsstörungen Bevacizumab – Zusammenfassung • Humanisierter monoklonaler Antikörper • Anti-tumoröser Antikörper (Zulassung: 1998: USA; 2000: EU) • Indikation: metastasiertes Kolon- oder Rektumkarzinom (in Kombination mit 5FU/Folinsäure), metastasiertes Mammakarzinom (in Kombination mit Paclitaxel) • Wirkmechanismus: Bindung an den Gefäßwachstumsfaktor VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) und hemmt dadurch dessen Wechselwirkung mit seinen Rezeptoren Æ Tumorvaskularisierung ↓, Tumorwachstum ↓ Imatinib – Gleevec®, Glivec®, STI571 Imatinib = Tyrosinkinaseinhibitor Anwendung: - (best.) Chronisch myeloische Leukämie (CML) - (best.) Akute lymphatische Leukämie (ALL) - (best.) Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) - (best.) Dermatofibrosarcoma protuberans (- pulmonale Hypertonie) Inhibierung von: - c-ABL - KIT - PDGF-Rezeptor Imatinib – Gleevec®, Glivec®, STI571 Das Philadelphia-Chromosom: Translokation t(9;22)(q34;q11) BCR-ABL-Fusionsprotein: cytoplasmatische, konstitutiv aktive Kinase Verstärkte Mobilität, Überleben, Proliferation, Differenzierung De Klein et al. Nature 300, 765 (1982) Groffen et al. Cell 36, 93 (1984) Philadelphia-Chromosom in fast allen Fällen der chronisch myeloischen Leukämie (CML) (ca. 95%) nachweisbar! Imatinib – Wirkmechanismus Imatinib-Therapie führt zu einem Abfall der CML-Zellen Imatinib hemmt die Bindung der ATP-Bindungsstelle Abbruch der Imatinib-Therapie führt zum Rückfall der CML! Michor et al., Nature 2005 Imatinib – unerwünschte Wirkungen Imatinib wird im Allgemeinen gut vertragen. Häufigkeit Zu den unerwünschten Wirkungen zählen: - Übelkeit, Erbrechen (50-60%) - Ödeme, Gewichtszumahme (ca. 50%) - Muskelkrämpfe/Myalgien (ca. 50%) - Diarrhöen (25%) - Hautausschlag (25%) - Herzinsuffizienz (0,1-1%) - Leberversagen (Einzelfälle) Aber: Resistenz-Entwicklung Entwicklung von Resistenzen gegen Imatinib unter Therapie - Mutation von BCR-ABL (Imatinib-Bindung gestört) Zusammenfassung – Take-home message (1) - Tyrosinkinasen sind an der Pathogenese vieler maligner Erkrankungen beteiligt. - Dies erklärt das große Interesse, die pharmakologische Hemmung von Tyrosinkinasen mittels monoklonaler Antikörper oder inhibitorischer Substanzen therapeutisch zu nutzen. Die Verbesserung der Überlebensrate mit neuen Therapien ist signifikant, aber unvollständig. Zusammenfassung – Take-home message (2) Bevacizumab Trastuzumab Rituximab • Die Steigerung der Überlebenszeit ist oft in Monaten zu messen • Wichtige Zukunftsentwicklung: Identifizierung der optimalen Patientenpopulation Antikörper und Tyrosinkinaseinhibitoren Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!