M E D I Z I N Claus Seebacher1 Dietrich Abeck2 Tinea capitis – aktuelles Erregerspektrum, mykologische Diagnostik und Therapie Zusammenfassung Dermatophytosen im Kindesalter sind häufige Hauterkrankungen. Genaue epidemiologische Daten fehlen. Die Tinea capitis stellt hierbei aufgrund ihrer Bevorzugung des jungen Alters, ihrer hohen Infektiosität sowie Besonderheiten der Therapie eine große Herausforderung dar. Etwa die Hälfte aller Erkrankungen in Deutschland wird durch Microsporum canis hervorgerufen. Obwohl in Deutschland derzeit allein Griseofulvin die Zulassung zur Behandlung einer Tinea capitis besitzt, versprechen die neueren Antimykotika, insbesondere Itraconazol eine deutliche Verkürzung der Therapiedauer. Die Besonderheiten der Pharmakokinetik der modernen Antimykotika im vorpubertären Kindesalter werden besonders besprochen. Schlüsselwörter: Pilzinfektion, Tinea capitis, Microsporum canis, Griseofulvin, Itraconazol, Terbinafin, Fluconazol Summary Tinea capitis – Current Infectious Organisms, Diagnostic Procedure and Treatment Dermatophytoses in children are frequent diseases with exact epidemiological data missing. Among these Tinea capitis is a special challenge due to its preferred manifestation in early age, due to its high infectiosity and due to some peculiar aspects concerning therapy. About half of tinea capitis infections in Germany are caused by Microsporum canis. Although in Germany griseofulvin is still the only drug licensed for treatment, newer antifungal agents, especially itraconazole offer the advantage to shorten the duration of treatment. Specific pharmocokinetic features of the modern antifungals in pre-pubertal children are discussed. Key words: fungal disease, mycotic infection, dermatophytes, Tinea capitis, Microsporum canis, griseofulvin, itraconazole, terbinafine, fluconazole M icrosporum canis ist heute in Mitteleuropa der häufigste Erreger einer Tinea capitis, wobei die Mehrzahl der Infektionen durch Katzenkontakt (vor allem bei Aufenthalt in südeuropäischen Ländern durch Kontakt mit dort streunenden Katzen) erfolgt. Tietz und Mitarbeiter (16) analysierten 377 Fälle von Tinea capitis in Deutschland, die durch kulturellen Erregernachweis gesichert waren. M. canis war mit 54,8 Prozent, der führende Erreger. Danach folgten Trichophyton (T.) mentagrophytes mit 14,7 Prozent, T. verrucosum mit 8,1 Prozent, T. violaceum mit 6,1 Prozent und T. tonsurans mit 3,8 Prozent. In einer Übersicht zum Erregerspektrum der Tinea capitis nennen Schwinn und Mitarbeiter (14) für den Raum Würzburg folgende Zahlen: M. canis 50 Prozent, T. verrucosum 22 Prozent,T. rubrum 14 Prozent,T. mentagrophytes 4 Prozent und andere Dermatophyten 10 Prozent. Jedoch zeigt das Erregerspektrum deutliche geographische Unterschiede. So wird aus den USA über einen dramatischen Anstieg der T.-tonsurans-Infektionen berichtet (3), was sich jedoch nicht auf die deutsche oder österreichische Situation übertragen lässt (13). Befallsmuster und Klinik Je nach Infektionsform des Haares wird eine Ektothrixinfektion, wobei der Pilz, überwiegend in Form von Arthrosporen sich an der Oberfläche des Haarschaftes befindet, von einer Endothrixinfektion unterschieden, bei der 1 Ehemaliger Chefarzt der Hautklinik des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt 2 Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. phil. Johannes Ring), der Technischen Universität München A 2872 der Erreger in den Haarschaft eindringt, ohne die Kutikula zu zerstören. Typische Erreger für die ektotriche Infektionsform sind M. canis und das früher in Europa endemische, jetzt aber kaum noch beobachtete M. audouinii. Beispiele für die endotriche Infektion sind T. tonsurans und T. violaceum. Klinik Das klinische Bild der Tinea capitis kann sehr vielgestaltig sein und erlaubt jedoch keine sichere Zuordnung zum Erreger. Der Grad der Entzündungsreaktion kann vollständig fehlen, wie beispielsweise bei der Tinea capitis microsporica (Abbildung 1), bei der sich auf dem Capillitium kreisrunde, scharf begrenzte, haarlose Bezirke ausbilden, die von teilweise dichten, grau gefärbten Schuppen bedeckt sind. Die Größe der Herde ist variabel, sie können einzeln oder multipel und dann zum Teil konfluierend vorkommen. Die Haarschäfte brechen knapp über der Hautoberfläche ab. Auf diese Weise entsteht ein Bild, das einem Stoppelfeld ähnelt. Die Entzündungsreaktion ist dagegen bei der Tinea capitis superficialis trichophytica (Abbildung 2) vorhanden, die durch große unregelmäßig gestaltete erythematosquamöse Herde, in denen die Haare abgebrochen sind, gekennzeichnet ist. Haupterreger sind T. violaceum, T. tonsurans und fast ausschließlich bei afrikanischen Kindern T. soudanense. Sehr ausgeprägte Entzündungsreaktionen finden sich bei der Tinea capitis profunda, die durch einzelne oder multiple rundliche, erheblich entzündliche Herde charakterisiert ist, die mit follikulären Abszessen übersät sind. Durch eitrige Absonderungen bilden sich Krusten. Die Haare im Herd lassen Jg. 100 Heft 44 31. Oktober 2003 Deutsches Ärzteblatt M E D I Z I N sich mit der Pinzette leicht herausziehen. Im weiteren Verlauf entwickeln sich furunkelähnliche Eiterherde. Subjektiv können Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen, daneben leichtes Fieber auftreten. Die regionären Lymphknoten sind meist geschwollen. Häufig werden diese Knoten differenzialdiagnostisch als Karbunkel fehl gedeutet und dann chirurgisch inzidiert, allerdings ohne therapeutischen Effekt. Haupterreger ist T. verrucosum. Therapie Eine effektive Behandlung der Tinea capitis ist erst seit der Verfügbarkeit oraler Antimykotika möglich (3, 7). Eine systemische Behandlung ist erforderlich, da topische Antimykotika die vom Erreger befallenen Haarfollikel nicht ausreichend penetrieren können (3, 7). Für die orale Behandlung kommen neben dem Abbildung 2: Haarloses, entzündlich gerötetes Areal im seit 1958 eingeführten klassi- Scheitelbereich mit im Randbereich Auflagerungen schen Antimykotikum Griseo- von Schuppenkrusten bei Tinea capitis; Erreger: Diagnostik M. canis. fulvin die neueren AntimykoDie klinische Diagnose einer Tinea ca- tika Itraconazol, Terbinafin pitis wird durch das Nativpräparat und oder Fluconazol infrage. In Deutschland lich besser an als bei einem ektotrichen die Pilzkultur gesichert. Aus dem besteht derzeit eine Zulassung lediglich Befallsmuster (zum Beispiel M. canis), Krankheitsherd werden Haare gezupft. für Griseofulvin. Somit erfolgt der Ein- was die Bedeutung des kulturellen ErIm Nativpräparat lässt sich bei guter satz der neuen Antimykotika, die Vortei- regernachweises unterstreicht. Präparation der ektotriche vom endo- le gegenüber Griseofulvin hinsichtlich Offene Therapiestudien liegen für trichen Pilzbefall der Haare unterschei- der Verkürzung der Therapiedauer auf- die einzelnen Substanzen in unterden. Die endgültige Diagnose erfolgt weisen, lediglich immer im Rahmen ei- schiedlicher Anzahl vor. Gupta und nes individuellen Heilversu- Mitarbeiter (6) stellten die bis 1998 puches, wobei dieser vor allem blizierten Untersuchungen zusammen. vor dem Hintergrund des Ur- Während für Terbinafin und Itraconateils des Bundessozialgerichts zol publizierte Daten für mehrere hunvom 19. März 2002 (Az: B1 dert Patienten vorlagen, war die puKR37/00R) zu sehen ist: „Ein blizierte Datenlage für Fluconazol mit Fertigarzneimittel kann grund- 83 beziehungsweise Griseofulvin mit sätzlich nur bei den Heilanzei- 132 dokumentierten Fällen deutlich gen (Indikationen), für die es schlechter. Nur wenige Studien wurden nach den geltenden Vorschrif- publiziert, die unterschiedliche Antimyten in Verkehr gebracht wer- kotika vergleichend untersuchen. In einer Doppelblindstudie mit Itraden darf, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung conazol (100 mg/die) versus GriseofulAbbildung 1: Haarloses schuppendes Areal im Scheitel- verordnet werden.“ vin (500 mg/die) bei kindlicher Tinea bereich mit fehlender Entzündungsreaktion bei Tinea capitis betrug die Behandlungsdauer Betont wird jedoch auch, dass capitis; Erreger: M. canis. es rechtlich dem Arzt nicht sechs Wochen. Die Heilungsraten waverboten ist, auf eigene ren für beide Präparate identisch. Erst durch die Pilzkultur auf einem Festme- Verantwortung (und mit dem Risiko acht Wochen nach Abschluss der Bedium, wobei im Hinblick auf die zu der Haftung für eventuelle Schäden) handlung waren 13 von 17 der mit Itrawählende Therapie die Bestimmung diese Grenze zu überschreiten, wobei conazol und 11 von 14 der mit Griseodes Erregers bis zur Art erforderlich ist. jedoch eine Leistungspflicht der Kassen fulvin behandelten Kinder pilzfrei. Die Eine diagnostische Hilfe, insbesondere grundsätzlich nicht besteht. Verträglichkeit von Itraconazol war etbei Gruppenerkrankungen, kann die was besser (12). Untersuchung im so genannten WoodIn diesem Zusammenhang ist auf die licht sein. Hierbei handelt es sich um ei- Orale Behandlung Studie von Gupta und Mitarbeitern (9) ne UV-Lampe, die UVA-Strahlung von der Tinea capitis hinzuweisen, die randomisiert 200 Kin365 nm emittiert. Zeigt sich eine gelbder mit einer von Trichophyton-Arten lich-grüne Fluoreszenz, so ist die Dia- Die zurzeit gültigen Therapieempfeh- verursachten Tinea capitis umfasste. Je gnose einer Microsporumerkrankung lungen für die infrage kommenden An- 50 Kinder erhielten Griseofulvin 20 (zum Beispiel M. canis) gesichert.Aller- timykotika aufgrund der internationa- mg/kg KG täglich für sechs Wochen, dings ist die Sensitivität bei einer M.-ca- len Studien nennt die Tabelle 1. Prinzi- Terbinafin: > 40 kg KG: 250 mg, 20 bis 40 nis-Infektion des behaarten Kopfes piell sprechen alle Therapien beim Vor- kg: 125 mg, < 20 kg: 62,5 mg zwei oder nicht sehr groß und damit für eine Aus- liegen einer endotrichen Infektion drei Wochen, Itraconazol 5 mg/kg KG (zum Beispiel Trichophyton spp.) deut- täglich, zwei oder drei Wochen, Flucoschlussdiagnose nicht geeignet (10). Jg. 100 Heft 44 31. Oktober 2003 Deutsches Ärzteblatt A 2873 M E D I Z I N nazol 6 mg/kg täglich, zwei oder drei Itraconazol, Terbinafin und Fluconazol Wochen. Klinisch und mykologisch ge- durch eine sehr gute Verträglichkeit, heilt waren nach zwölf Wochen: Griseo- auch bei der Gabe an Kindern aus und fulvin 46/50 (92 Prozent), Terbinafin erlauben eine sichere Behandlung (3). 47/50 (94 Prozent), Itraconazol 41/50 Leichtere Unverträglichkeiten in (82 Prozent) und Fluconazol 41/50 (82 Form von Kopfschmerzen, Nausea, Prozent). Jedoch war in dieser Studie Durchfall, Flatulenz und Magender in Deutschland häufigste Erreger schmerzen können bei allen Substanzen einer Tinea capitis, M. canis nicht ver- auftreten. Die Häufigkeit liegt bei Itratreten. conazol bei etwa 7 bis 12 Prozent, bei Für die Behandlung eine durch M. Fluconazol bei etwa 16 Prozent und bei canis bedingte Tinea capitis liegen meh- Terbinafin bei etwa 10 Prozent (3). Dierere Studien vor. Mehr als 100 Kinder se Nebenwirkungen bestehen in der wurden mit 5 mg/kg Itraconazol täglich Regel jedoch nur vorübergehend, soüber einen Zeitraum von zwei bis maxi- dass ein Behandlungsabbruch in den mal zwölf Wochen behandelt, wobei al- meisten Fällen nicht notwendig ist. le zwei Wochen entsprechende mikroArnzeimittelexantheme können aufbiologische Untersuchungen durchge- treten und bedingen einen sofortigen führt wurden (8). Vier Kinder benötigten zwei Wochen, 37 Kinder vier Wochen, 32 Kinder sechs Wochen sowie 28 Kinder acht Wochen um eine klinische und mykologische Heilung zu erzielen. Nach 12 Wochen war diese bei allen behandelten Kindern erreicht, sodass die Autoren eine Therapiedauer von vier bis acht Wochen bei einer durch M. canis verursachten Tinea capitis empfehlen. Die Datenlage für Terbinafin zeigt ein Abbildung 3: Tinea capitis bei zwei Geschwisterkindern. ungünstigeres Ansprechen ge- Jeweils sehr stark entzündlich gerötete, haarlose Areale mit einzelnen Pusteln sowie teils gelblichen, teils hägenüber M. canis. 165 Kinder, morrhagischen Schuppenkrusten; Erreger: M. canis. bei denen eine durch M. canis (n=163) oder M. audouinii (n=2) hervorgerufene Tinea capitis be- Therapieabbruch. Schwerwiegende Mestand, wurden entweder 6, 8, 10 oder 12 dikamentenunverträglichkeiten im SinWochen mit Terbinafin (3 bis 6 mg/kg ne eines Steven-Johnson- beziehungsKG täglich) oder mit 20 mg/kg Griseo- weise Lyell-Syndroms wurden im Zufulvin täglich behandelt. Komplette sammenhang mit der Einnahme von Heilung mit Griseofulvin wurde in 84 Griseofulvin, Itraconazol und TerbinaProzent erreicht, für Terbinafin konn- fin berichtet. Hierbei handelte es sich jeten unabhängig von der Einnahmedau- doch ausschließlich um erwachsene Paer lediglich Heilungsraten von etwas tienten. Leberfunktionsstörungen während mehr als 60 Prozent erzielt werden (11). der Behandlung können ebenfalls bei allen Systemantimykotika auftreten, sind in der Regel jedoch nur leicht und erSicherheitsprofil lauben eine Fortsetzung der Behandlung. Da es sich bei Tinea-capitis-ErkrankunDie gute Verträglichkeit der Subgen in den meisten Fällen um Erkran- stanzen konnte in aktuellen Studien bei kungen bei Kindern handelt, sind der Behandlung von kindlichen TineaAspekte der Medikamentenverträg- capitis-Erkrankungen bestätigt werlichkeit von besonderem Interesse. All- den. In einer Vergleichsstudie zwischen gemein zeichnen sich sowohl Griseoful- Griseofulvin (n=30) und Terbinafin vin als auch die neueren Antimykotika (n=134) wurde bei Einnahme von Gri- A 2874 seofulvin in einem Fall das Auftreten einer Somnolenz, in der Terbinafin-Gruppe das Auftreten von Somnolenz in zwei Fällen, gastrointestinale Nebenwirkungen in weiteren zwei Fällen sowie jeweils einmal das Auftreten einer Urticaria sowie einer Neutropenie beobachtet(11). Bei 6 von 107 mit Itraconazol behandelten Kindern traten Nebenwirkungen auf, die in drei Fällen als durch Medikamente bedingt angesehen wurden. Die aufgetretenen Beschwerden, Diarrhö in zwei und Bauchschmerzen in einem Fall führten nicht zu einem Therapieabbruch (8). Eine Kontrolle des Differenzialblutbildes sowie der Leberenzyme vor Therapiebeginn, bei klinischen Anzeichen einer Unverträglichkeitsreaktion unter der Einnahme von Systemantimykotika und nach Beendigung der oralen Medikation hat sich bewährt. Ursachen des unbefriedigenden Ansprechens Die hier dargestellten, zum Teil nicht sehr überzeugenden Ergebnisse, vor allem mit Terbinafin bei M.-canis-Infektionen, stehen scheinbar im Widerspruch zur hervorragenden In-vitroAktivität gegen Dermatophyten, die im Nanogrammbereich liegt. Hierfür sind pharmakokinetische Besonderheiten bei Kindern vor der Pubertät und der Wirkungsmechanismus sowohl der Azole als auch der Allylamine auf die Pilzzelle verantwortlich. In der Tabelle 2 sind die Wirkstoffkonzentrationen der wichtigsten Antimykotika im Schweiß, Sebum, Stratum corneum und im Haar aufgeführt. Alle vier Präparate weisen hohe Konzentrationen im Stratum corneum auf. Hierzu parallel erfolgt auch die Wirkstoffaufnahme über die keratinogenen Zonen der Haarwurzel in den Haarschaft. Alle vier Präparate sind in der Lage, die Pilzinfektion an ihrer Quelle, der Haarwurzel, sicher zu beseitigen, allerdings nach unterschiedlich langer Behandlungsdauer (Griseofulvin > Terbinafin). Die in der Tabelle 2 angegebenen Wirkstoffkonzentrationen im Haar sind bei Erwachsenen ermittelt worden und können nicht auf Kinder Jg. 100 Heft 44 31. Oktober 2003 Deutsches Ärzteblatt M E D I Z I N ´ Tabelle 1 ´ Systemische Therapie der Tinea capitis mit Ausnahme von Infektionen, die durch Microsporum canis bedingt sind Dosierung/Tag Therapiedauer Griseofulvin (Fulcin S, Likuden M, griseo 125 von ct) 10 mg/kg/ KG (intern. heute 20 mg/kg/KG die Regel; Gabe: einmal täglich nach dem Essen) 8 Wochen, gegebenenfalls auch deutlich länger Itraconazol*1 (Sempera liquid) 5 mg/kg KG (Gabe: einmal täglich zusammen mit der Hauptmahlzeit) 4 Wochen Terbinafin*1 (Lamisil Tabletten) < 20 kg: 62,5 mg 20–40 kg: 125 mg > 40 kg: 250 mg täglich 4 Wochen Fluconazol*2 (Diflucan Derm als Saft) Dosisfindungsuntersuchungen noch nicht abgeschlossen (10) 6 mg/kg/KG täglich 8 mg/kg/KG einmal wöchentlich 20 Tage 4–8 Wochen *1Präparate für Kinder noch nicht zugelassen. *2 Für Kinder > 1 Jahr bei Fehlen einer Alternative zugelassen. Bei Infektion durch M. canis: bei Griseofulvin (20 mg/kg/KG täglich) für mindestens 12 Wochen oder Itraconazol (5 mg/kg/KG) für mindestens 6 Wochen vor der Pubertät übertragen werden. Untersuchungen von Wildfeuer und Mitarbeiter (18) haben gezeigt, dass Fluconazol nicht gleichmäßig im Haar verteilt ist, sondern über die Haarwurzel in den Haarschaft eingebaut wird, nach Beendigung der Medikation dort verweilt und mit dem Haarwachstum nach distal gelangt (Grafik). Es gibt keinen vernünftigen Grund für die Annahme, dass Itraconazol oder Terbinafin sich anders verhalten. Daraus ergibt sich, dass die Antimykotikumkonzentration am distalen Ende eines etwa 20 cm langen Haares bei einem kleinen Mädchen innerhalb einer Behandlungsdauer von acht Wochen praktisch nicht messbar ist, wenn man das Haarwachstum mit 1 bis 2 cm pro Monat veranschlagt. Diesbezügliche Untersuchungsergebnisse bei Kindern waren nicht eruierbar. Terbinafin und Itraconazol weisen sehr hohe Konzentrationen im Sebum auf. Damit kann Wirkstoff von außen auf oder auch per diffusionem in das Haar gelangen. Diese Möglichkeit wird von Gupta und Mitarbeiter (5) auf der Grundlage von Langzeituntersuchungen zur Itraconazolkonzentration im Haar Erwachsener diskutiert. Dieser Mechanismus ist bei Kindern nicht wirksam, denn die menschlichen Talgdrüsen entwickeln A 2876 sich erst mit der Pubertät unter dem Einfluss der Sexualhormone zu voller Größe und Funktion. Damit bleibt der pharmakokinetische Vorteil der Wirkstoffkumulation im Talg für vorpubertäre Kinder ohne therapeutischen Nutzen. Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Wirkungsmechanismus der Azole und Allylamine. Sie haben ihren Hauptangriffspunkt an der Zellmembran, durch die Hemmung der Ergosterolbiosynthese (17). Dadurch entfal´ Tabelle 2 ten sie ihre volle Wirksamkeit nur gegen proliferierende Pilze, nicht aber gegen Pilzsporen oder Myzel in der Ruhephase, die kein Ergosterol neu synthetisieren. In entsprechenden Versuchen mit T. mentagrophytes als Testkeim, war in der Wachstumsphase mit 20 ng/mL Terbinafin vollständige und mit 2 ng/mL weitgehende Fungizidie erreichbar, derselbe Stamm in der Ruhephase wurde erst mit der 1000-fachen Menge (20 µg/mL) restlos abgetötet (15). Bei Einsatz von M. canis als Testkeim wurden identische Ergebnisse erzielt (Seebacher, unpublizierte Daten). Im Sebum von Erwachsenen wurden 45,1µg/mL Terbinafin bestimmt, eine Menge, die sogar sporozid wirkt, nur kommt dieser Vorteil bei Kindern nicht zum Tragen. Die Unterschiede im Ansprechen auf die Behandlung mit Terbinafin zwischen M.-canis-Infektionen und solchen mit Trichophyton spp., wie sie in den zitierten Studien offenbar wurden, sind auf den endo- beziehungsweise ektotrichen Befall der Haare zurückzuführen. Die Infektion des Haares mit M. canis erfolgt zunächst im Haarfollikel. Der Erreger setzt sich dann als Myzel und Arthrosporen am Haarschaft (ektotrich) fest. Die Haare brechen zum Teil einige Millimeter über der Kopfhaut ab. Im Follikel werden die Pilze unter dem Einfluss des Antimykotikums abgetötet, nicht aber am Haarschaft, da sie sich hier überwiegend in ´ Wirkstoffkonzentrationen von vier systemischen Antimykotika*1 Schweiß Sebum Stratum corneum Griseofulvin*2 2x500 mg/die, 14 Tage 200–300 nicht untersucht 20,6 nicht untersucht Terbinafin*2 250 mg/die, 12 Tage 0 45,1 2,6 Itraconazol*3 100 mg/die, 28 Tage nicht untersucht nicht untersucht 0,132–1,467 0,073 Itraconazol 200 mg/die, 7 Tage 0,072 4,640 Fluconazol*4 50 mg/die, 12 Tage 4,58 nicht untersucht 73 Fluconazol 200 mg/die, 5 Tage nicht untersucht nicht untersucht 127 9,1 0,007 Haare nicht untersucht nicht untersucht 0,8, nach 4 Monaten nach letzter Einnahme *1Angaben in µg/mL beziehungsweise µg/g; *2nach Faergemann et al.; *3nach Wildfeuer et al. (18); *4nach Cauwenbergh et al. Jg. 100 Heft 44 31. Oktober 2003 Deutsches Ärzteblatt M E D I Z I N der Ruhephase als Sporen befinden und die zur Fungizidie benötigten Wirkstoffkonzentrationen nicht erreicht werden können. Im Gegensatz zum Griseofulvin, Fluconazol und in geringerem Maße auch zu Itraconazol wird Terbinafin nicht mit dem Schweiß ausgeschieden. Allerdings wirken Griseofulvin, Fluconazol und Itraconazol in den nachgewiesenen Konzentrationen im Schweiß nicht fungizid, sondern nur protektiv im Hinblick auf die Ausbreitung der Infektion. Unterstützende topische Behandlung sinnvoll Die zusätzliche Lokalbehandlung mit einem topischen Antimykotikum vom fungiziden Wirkungstyp zum Beispiel Ciclopiroxolamin, Terbinafin (10 mg/g wirken auch gegen ruhende Dermatophyten fungizid), Tolnaftat oder Tolciclat wird insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verringerung der Infektionsgefahr für andere Personen empfohlen (6, 16). Die zusätzliche Lokalbehandlung mit einem Antimykotikum vom fungiziden Wirkungstyp sollte sich nicht nur auf den sichtbar befallenen Bezirk beschränken, sondern auch die Haare der Umgebung in ihrer gesamten Länge mit einbeziehen, da sich auch hier einzelne Pilzsporen befinden können. Weitere unterstützende Maßnahmen Die Zeit bis zum Erlöschen der Infektiosität unter der Behandlung, und das gilt für alle Formen der kindlichen Tinea capitis, ist auch von der Länge der infizierten Haare abhängig. Ein Zurückschneiden der Haare sollte daher die Behandlungsdauer der kindlichen Tinea capitis, auch die M.canis-Infektion, mit einem systemischen Antimykotikum erheblich verkürzen. Diese Annahme wird durch Untersuchungsergebnisse von Aste et al. (1) eindrucksvoll gestützt. 336 Kinder im Alter zwischen einem Monat und 13 Jahren mit einer Tinea capitis, darunter 278 mit M. canis als Erreger, wurden mit Griseofulvin behandelt. Die Dosierung betrug 20 bis 25 mg/kg Grafik bis zum Abtrocknen der Läsionen erfolgen. Friseurbesuche sind bis zum nachgewiesenen Erlöschen der Infektion zu unterlassen. Aufdeckung der Infektionsquelle Immer müssen mögliche Infektionsquellen untersucht werden. Eine Untersuchung der Familienmitglieder mit entsprechender kultureller Abklärung ist empfehlenswert. Insbesondere Haustiere sollten sehr intensiv durch mykologisch versierte Tierärzte unterFluconazolkonzentration im Haar, vier Monate nach En- sucht und bei Vorliegen einer de einer 5-tägigen Einnahme von 200 mg/die. Die Wirk- Pilzinfektion auch konsequent stoffkonzentration verteilt sich nicht gleichmäßig über behandelt werden. Wichtig ist die Länge des Haares, sondern wächst mit dem Haar es auch an asymptomatische nach distal (modifiziert nach Wildfeuer A et al.: mycoses Überträger, wie etwa Katzen 1994. [18]). oder Meerschweinchen zu denken.Nicht selten erfolgt der ErKG täglich. Die befallenen Areale wur- werb der Infektion durch Katzenkontakt den einmal wöchentlich rasiert. Bei im Ausland, und die anschließende Überallen Kindern war nach 30 bis 40 Tagen tragung auf die zu Hause gebliebene eine klinisch und mykologisch gesi- Katze ist möglich. Künftig sind weitere vergleichende cherte Heilung erreicht. Durch die Rasur der befallenen Stellen auf dem be- Untersuchungen mit den neuen Antimyhaarten Kopf wird die Infektionslast kotika erforderlich, um konkrete Empdeutlich verringert. Diese sollte zu Be- fehlungen zur Dosierung und Behandginn der Behandlung und nochmals lungsdauer machen zu können und vor allem um die amtliche Zulassung zur Benach drei bis vier Wochen erfolgen. handlung der Tinea capitis im Kindesalter zu erlangen. Beendigung der Behandlung Der Erfolg der Behandlung muss durch wiederholte Pilzuntersuchungen kontrolliert werden. Erst bei negativem Nativpräparat und negativer Kultur kann die Behandlung beendet werden. Wichtige Verhaltensmaßregeln Die gemeinsame Benutzung von Kämmen, Bürsten, Handtüchern oder Kopfbedeckungen ist unbedingt zu vermeiden. Eine Befreiung vom Kindergarten/Schulunterricht nach Einleitung der topischen und systemischen Therapie ist in der Regel nicht notwendig. Lediglich bei nässenden Herden sollte eine Befreiung Jg. 100 Heft 44 31. Oktober 2003 Deutsches Ärzteblatt Manuskript eingereicht: 6. 1. 2003, Manuskript angenommen: 11. 7. 2003 ❚ Zitierweise dieses Beitrags: Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2872–2877 [Heft 44] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit4403 abrufbar ist. Anschriften der Verfasser: Prof. Dr. med. Claus Seebacher Merseburger Straße 5 01309 Dresden E-Mail: [email protected] Prof. Dr. med. Dietrich Abeck Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein der TU München Biedersteiner Straße 29 80802 München A 2877