Musterlösung 4

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Ling 231 Diskursmodelle
SS 2009
Zinsmeister
24.6.2009
Übung 4: Informationsstruktur
1. Fokus
1-a. Markieren Sie die Fokuskonstituente (mit eckigen Klammern und dem Subskript "F")
(1) Wann fährt Karl nach Berlin? Karl fährt [F morgen] nach Berlin
(2) Wer fährt morgen nach Berlin? [F Karl] fährt morgen nach Berlin.
(3) Was gibt es Neues? [F Karl fährt morgen nach Berlin.]
(4) Was mach Karl morgen? Morgen [fährt] Karl [F nach Berlin ____].
⇒ Hier handelt es sich nicht um zwei Foki, sondern die Fokuskonstituente ist
diskontinuierlich, also nicht zusammenhängend. Dies wird dadurch erklärt, dass sich
das finite Verb fährt in einer abgeleiteten Position befindet und seine Basisposition
eigentlich am Satzende ist:
(4') ... dass Karl morgen [nach Berlin fährt].
1-b. Oft kann sich die Fokusmarkierung auf unterschiedlich große Bereiche des Satzes
beziehen. Man beobachtet dann eine Ambiguität in der Fokusprojektion. In der folgenden
Textsequenz wird diese potenzielle Ambiguität für einen Witz verwendet. Markieren Sie im
Satz (5) den Fokusbereich wie ihn Emil intendiert und wie seine Mutter ihn versteht.
[Aus Erich Kästner, Emil und die Detektive, Traumsequenz; Emil ist verängstigt, dass ihn der
Wachtmeister Jeschke festnehmen wird, weil er das Denkmal des Großherzog Karls
verunstaltet hat.]
"Das ist doch der Wachmeister Jeschke, sagte die Mutter und schüttelte erstaunt den
Kopf. [Emil:] "Er saust schon die ganze Zeit wie blödsinnig hinter mir her." [Mutter:]
"Na und?" [Emil:] "Ich habe neulich dem Großherzog Karl mit der schiefen Backe auf
dem Obermarkt [..] einen Schnurrbart ins Gesicht gemalt.". "Ja, wo solltest du denn den
Schnurrbart sonst hinmalen" fragte Frau Augustin und prustete.
⇒ in die folgenden Beispielsätze hatte sich leider ein Tippfehler eingeschlichen und
"Schnurrbart" stand doppelt da.
(5)
a. Emil meinte: Ich habe neulich [F dem Großherzog Karl mit der schiefen Backe auf
dem Obermarkt einen Schnurrbart ins Ge`SICHT gemalt].
⇒ Gesicht ist durch Betonung markiert, die Fokusprojektion dehnt sich auf eine
größere Konstituente aus: "dem Großherzog Karl ... ins Geicht gemalt" oder
falls der Herzug schon erwähnt war— evt. auch nur "einen Schnurrbart ins Gesicht
gemalt"
b. Mutter verstand : Ich habe neulich dem Großherzog Karl mit der schiefen Backe auf
dem Obermarkt einen Schnurrbart [F ins Ge`SICHT gemalt].
⇒ die Mutter interpretiert einen kontrastive (engen) Fokus auf "ins Gesicht".
Ling 231 Diskursmodelle
SS 2009
Zinsmeister
24.6.2009
2. Diskurs- und Satztopik
Häufig treten Diskurstopik und Satztopik aligniert auf. Lesen Sie den Text und versuchen Sie
für größere Passagen (intuitiv) ein Diskurstopik zu benennen (z.B. "Hänschen und Gretchen"
am Textanfang, insgesamt ca. fünf ). Lesen Sie den Text erneut und markieren Sie für jeden
Satz ein Topik zu markieren (z.B. "Hänschen und Gretchen" und "sie" in den ersten beiden
Teilsätzen). Kommentieren Sie kurz, in wie weit die Diskurstopik mit den Satztopik
übereinstimmen.
Kommentar: Bei der Festlegung der Diskurstopiks ist der Spielraum der subjektiven
Interpretation relativ groß!
Hänschen und Gretchen waren noch kleine Kinder, als sie einmal miteinander
hinaus in den Wald gingen, um rote Beeren zu suchen. Jedes hatte ein Töpfchen. Ehe
sie den Wald erreichten, kamen sie an einen Teich, darinnen gar schöne Fischchen
herumschwammen, die aussahen wie das blanke Silber. Davon fingen sich die Kinder
einige, und taten sie in ihre Töpfchen; dann pflückten sie im Wald noch gar viele rote
Beeren und taten sie hinein zu den Fischen, bis das Töpfchen ganz voll war. Dann
fanden sie zwei schöne Messerchen, und die legten sie oben darauf. Aber, als sie eine
kleine Strecke durch den Wald gegangen waren, sahen sie einen großen Bären
entgegen kommen; da fürchteten sie sich sehr, und versteckten sich, und ließen in der
Eile ihre Töpfchen zurück, die der Bär, als er herbei kam, mitsamt den Fischen und
Beeren auffraß. Und auch die Messerchen verschluckte er. Dann tappte er wieder
fort. Die Kinder, als sie sich wieder hervorwagten aus ihrem Versteck, und sahen dass
ihre Fische und Beeren und Töpfe und Messer gefressen waren, fingen sie sehr an zu
weinen, und gingen nach Hause, und sagten es ihrem Vater. Der machte sich schnell
auf, nahm ein langes Messer mit, ging hinaus in den Wald, und schnitt dem Bären den
Leib auf, und tat alles wieder heraus: die Beeren, die Fischchen, die Töpfchen und
Messerchen und gab es seinem Hänschen und Gretchen wieder. Da waren die Kinder
voll Fröhlichkeit, und trugen ihre Töpfchen heim, und aßen die roten Beeren, und
aßen ihre Fischchen, und spielten mit den schönen Messerchen.
Der typische Textaufbau ist so beschaffen:
o Das Diskurstopik eines Abschnittes bleibt konstant;
o auf das Diskurstopik wird mit der privilegierten syntaktischen Rolle (Subjekt)
referiert; wenn das Diskurstopik mal nicht Agens (= der Handelnde) , sondern Patiens
(= demjenigen, dem etwas geschieht) ist: Passiv-Diathese (= Verb steht im Passiv und
das Patient, das normalerweise als Objekt realisiert ist, wird zum Subjekt)
o auf das Diskurstopik wird mit dem einfachsten pronominalen Ausdruck referiert
(einfaches Pronomen, Nullpronomen) (Bernhart und Krifka 2009)
Referenz und Quelle für die Aufgaben:
Toni Bernhart und Manfred Krifka. 2009. Strukturen und Typen von Texten. Seminarfolien.
Humboldt-Universität zu Berlin. Wintersemester 2008/2009.
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