- 1 - Professor Dr. Michael Wolffsohn Historisches Institut Universtät

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Professor Dr. Michael Wolffsohn
Historisches Institut
Universtät der Bundeswehr München
85577 Neubiberg
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Tel 089 / 6004 3043
Was eint uns was trennt „die abrahamitischen Religionen“?
- aus jüdischer Sicht,
Evangelische Akademie Tutzing, 28. Juni 2008
Goethe, also bildungsbürgerlich gleichsam unanfechtbar: „Toleranz sollte eigentlich nur eine
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vorübergehende Gesinnung sein; sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ Der
Meister aus Frankfurt/Main + Weimar begnügte sich verbal (weniger in seinem gelebten Alltag) nicht
nur mit Toleranz, er verlangte Akzeptanz als Maxime. Hier irrt Goethe freilich – etwas.Tolerieren
bedeutet nämlich, zumindest wörtlich, nicht „dulden“, sondern, aus dem Lateinischen übersetzt, tragen
oder ertragen. „Toleranz“ hieße dann: „Ich trage oder ertrage den Anderen in seinem Anderssein.“
Das bedeutet: Das Anderssein des Anderen ist mir eine Last, aber nun ja, ich trage und ertrage sie,
doch sie missfällt mir, weil sie mich belastet.
„Akzeptanz“, vom Lateinischen „accipere“, beinhaltet: in Empfang nehmen, annehmen, auch
einnehmen. Nicht nur Geld einnehmen (pecuniam accipere), sondern auch in diesem Sinne: er oder
sie hat ein „einnehmendes Wesen“ – welches ich eben nicht als Last, sondern eher als Lust empfinde
und eigentlich auch gerne verinnerliche oder in meinem Innern gerne bewahrte. Und so gesehen hatte
der „Meister aus Deutschland“ natürlich Recht: Akzeptanz sei unser Ziel. Doch welcher Mensch
könnte dieses geradezu Schiller´sche Ideal erreichen? Es gleicht dem Griff nach den Sternen. Durch
Stern-Griff und Stern-Gedanken stürmen wir gedanklich gleichsam in den Himmel und nähern uns,
wie von der Tagungsleitung beabsichtigt, der historischen Theologie. Wir sollten ganz bescheiden,
irdisch, nüchtern fragen, wie wir miteinander auf Erden zurecht kommen und friedlich zueinander
kommen – ohne uns selbst aufgeben zu müssen. Deshalb bleibe Toleranz unser Ziel, solange wir uns
selbst als Juden oder Christen oder Muslime treu beiben. Zur Akzeptanz bekennen sich Konvertiten,
indem sie das Andere, den Anderen innerlich vereinnahmen und mit ihm eins werden. Konvertiten
sind sind die wenigsten. Deshalb gilt für uns Nicht-Konvertiten, ob jüdisch, muslimisch oder christlich
das Paulus-Wort aus Galater 6,2 „Einer trage des Anderen Last“, besser: „Einer ertrage des Anderen
Last“. Machen wir uns das Anderssein erträglich – im Sinne echter, wörtlicher Toleranz. Machen wir
uns aber bitte auch nichts vor: Der Andere ist anders. Er ist ein Mensch wie du, und jedes
Menschenleben ist heilig. Die rechtlich-politische Sprachregelung verzichtet auf Heiligkeit und spricht
vorzugsweise – siehe Artikel 1 Grundgesetz - von der „Würde des Menschen“. Sie „ist unantastbar“.
Jeder erkenne den Anderen und seine Bewertung auch im interreligiösen Gespräch an, ohne diese
übernehmen zu müssen. Oder mit Walter Dirks: Der Andere ist anders. Er ist wie Du.“ Das ist auch im
interreligiösen Dialog oder Trialog leichter gesagt als getan, selbst (oder gerade?) bezüglich des
vermeintlich Gemeinsamen: des „Abrahamitischen Erbes“. Genau das sollte aber auch –nach
Reflexion – unsere Maxime werden. Man muss nicht gleich sein oder Gleiches wollen, um friedlich
neben- und miteinander leben zu können.
*
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Abraham: jüdisch - muslimisch
Der „Kuschel-Klassik“ im Radio“ entspricht in der Religionswissenschaft die Kuschel-Theologie vom
„gemeinsamen abrahamitischen Erbe“ der drei monotheistischen Bekenntnisse. Auf wackeligen
theologischen Beinen steht die These vom verbindenden Abrahamitischen Erbe, das Juden, Christen
und Muslime verbinde. Kenntnisreich und überzeugend hat Matthias Morgenstern diese Behauptung
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wissenschaftlich regelrecht zerpflückt. Vor allem zum Islam sei die Abraham-Brücke instabil. Der
Tübinger Judaist belegt dies minutiös.
Entscheidend ist: Selbst die Abraham-Geschichte, das „Narrativ“, ist im Koran ganz und gar anders
als im Alten Testament, das, zumindest als Narrativ, Juden und Christen verbindet. Es trennt aber
Juden und Christen fundamental vom Islam. Die muslimische Distanzierung ist gewollt und provokativ.
Das gilt nicht nur für die Abraham-Geschichte, es gilt für viele, fast alle Geschichten, in denen der
Koran, die islamische Urquelle, auf Inhalte des Alten und Neuen Testamentes zurückgreift, in einer Art
Gegen-Narrativ zurückgreift. Tilman Nagel und Hans Jansen haben dies eindrucksvoll und
nachdrücklich in ihrer jeweiligen Mohammed-Biografie dargestellt und erklärt. Diese beiden
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dickleibigen, ja, Meisterwerke sind erst kürzlich erschienen und seien nachdrücklich empfohlen. Eine
Wiederholung verbietet sich hier. Ich begnüge mich mit Stichworten.
Theologisch-islamisch ist dies schnell und leicht erklärt. Der Koran wird als Vollendung, sozusagen als
Richtigstellung der jüdischen und christlichen Schrift präsentiert. Im Koran ist Abraham nicht
Stammvater der Juden, sondern als erster Monotheist erster Anhänger des Islam, Prophet und
Errichter der Kaaba in Mekka.
Bezüglich des „Propheten“ Abraham gibt es eine einzige Einschränkung: In Genesis 20, 7 nennt ihn
Gott, der im Traum zu Abimelech spricht, einen „Propheten“.
Dass Abraham sich geografisch im Großraum oder gar in Mekka aufgehalten und dort (mit Ismael) die
Kaaba errichtet hätte, lesen wir nirgends im Alten Testament. Die biblische Geografie von Genesis 13,
14 – 18 und 15, 18 – 21 beinhaltet nicht die Arabische Halbinsel, schon gar nicht ihrem
Zentralbereich. Genesis 17, 8 nennt nur das Land Kanaan, zu dem die Arabische Halbinsel gewiss
nicht gehörte.
Ja, in Genesis 12, 7 -9 errichtet Abraham zwei Altäre, den einen bei Sichem, den anderen bei Bet El,
also mitten im der Juden Heiligen Land.In Beer Scheva wohnte dann Abraham (Gensis 22, 19). Das
ist nicht die Arabische Halbinsel, sondern die Wüste Negev.
Und Ismael ? „Er ließ sich in der Wüste Paran nieder, und seine Mutter nahm ihm eine Frau aus
Ägypten“ (Genesis 21, 21). Paran und Ägypten gehören ebenfalls nicht zu Mekka und der Arabischen
Halbinsel.
In Genesis soll Abraham seinen Sohn Isaak opfern, im Koran (Sure 37, Vers 99 bis 103) wird der zu
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opfernde Sohn nicht namentlich genannt. Die einen muslimischen Kommentaroren sagen Issak, die
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anderen Ismael sei gemeint. Isaak wird Abraham sehr wohl in Sure 37 (Vers 113) „verkündet“. Mit der
Opferung bzw. Bindung Isaaks (hebräisch „akedat jitzchak) hat das nichts zu tun.
Geburtsverkündigung und Opferung sind zwei grundverschiedene Themen. Einmal mehr und immer
wieder: Bezogen auf Jüdisch-Biblisches ist das Koran-Narrativ nicht jüdisch, es verbindet Juden und
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Muslime nicht, es trennt sie. Vorsichtiger: Es ist ähnlich, aber letzlich anders, aus welchen Gründen
auch immer.
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Sure 37, „offenbart zu Mekka“, gehört in die mittelmekkanische Periode. Sie ist, wie die
mekkanischen Suren überhaupt, daher grundsätzlich prophetisch und noch nicht, wie die
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medinensischen, politisch-gesetzlich. Die medinensischen Suren spiegeln zudem heftig und offen
den Gegensatz, ja, die Feindschaft Mohammeds zu den Juden wider. Das lässt sich leicht erklären.
Zunächst hatte Mohammed gehofft, die jüdischen Stämme Medinas für seine neue Heilslehre
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gewinnen zu können. Sie lehnten ab. Wie später die Juden Deutschlands die Lehre Luthers, der sie ,
nach anfänglicher Umwerbung, seinen Zorn spüren ließ. Luther verbal, Mohammed blutig. Erst die
Nachfahren Luthers ließen Juden bluten; nicht wegen, doch auch nicht trotz Luther, dessen
Judenverfluchungen in nach-holocaust-Ohren noch schriller als davor klingen.
Ja, die Juden Medinas verhöhnten Mohammed zumindest teilweise– gerade weil er ihnen die
alttestamentlichen Geschichten bzw. Erzählungen (Narrative) ähnlich, aber eben doch anders
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auftischte. Sie wussten es, aus ihrer alttestamentlichen Sicht, anders, ja, besser. In der natürlich „zu
Medina offenbarten“ Sure 3, Vers 72 erfahren wir es wörtlich: „Ihr Schriftbesitzer, bemäntelt nicht
Wahrheit mit Unwahrheit, um die Wahrheit zu verbergen, da ihr es besser wisst.“
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Mohammed
beharrte auf seiner „Wahrheit“, die Juden auf ihrer alttestamentlichen. Die Wahrheit Mohammeds war
und ist ausgehend von ihrem alttestamentlichen Narrativ natürlich den Juden Dichtung.
Möglicherweise große Dichtung, doch nicht Wahrheit. Deshalb stritten die Juden Medinas mit
Mohammed: „Einige der Schriftbesitzer sagen….“, also die Juden sagen in Sure 3, Vers 73.
Mohammed entgegnet ihnen (Vers 74): „Sprich: Die Leitung ist Allahs… Oder wollen sie vor Allah mit
euch streiten? Sage ihnen…“
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und so weiter.
„Allein der Satan will sie in tiefen Irrtum führen“, behauptet Mohammed bzw. der Koran in Sure 4, Vers
61, natürlich ebenfalls „zu Medina offenbart“. „Sie“, das waren die Juden. Sie wurden von Satan
verführt. Dem Satansmotiv werden wir bezogen auf den christlich-jüdischen Abrahams“dialog“ noch in
der antijüdischen Polemik des Johannesevangeliums begegnen.
Ganz offen benennt auch die medinensische Sure 4, Vers 66 die „Streitigkeiten“ zwischen Mohammed
und den Juden Medinas.
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Nicht erst die spät-, sondern schon die frühmedinensischen Suren, wie
Sure 2 „Die Kuh“, zeichnen die mohammedanisch-jüdischen Auseinandersetzungen. Folgerichtig wird
in ihr Stellung und Rolle Ismaels dramatisch aufgewertet. Zum Beispiel in Vers 141 ist Ismael
Abraham, Isaak und Jakob gleich- und in der namentlichen Reihung der Stammväter Isaak vorgestellt.
Das wiederum widerspricht dem jüdischen Narrativ fundamental, denn in der jüdischen Nennung und
Reihung der Stammväter erscheint Ismael nie.
Richtig herzlich spricht die medinensische Sure 2 zu den Juden nicht: „Ihr wisst sicherlich, was denen
unter euch widerfuhr, die den Sabbat entweihten; wir sagten zu ihnen: ´Seid gleich den Affen von der
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menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen!´“ Schon in der mekkanischen Sure 7, 167 wurden die
vermeintlich gotteslästerlichen Juden mit den gleichen freundlichen Worten bedacht.
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Die
medinensische Sure 4, Vers 48 droht handgreiflich: „O ihr, denen die Schrift gegeben wurde, glaubt
an das, was wir zur Bestätigung eurer früheren Offenbarungen jetzt offenbarten, bevor wir euer Antlitz
zerstören und es dem Hinterteile gleichmachen oder euch verfluchen, wie wir die verfluchten, welche
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den Sabbat entweihten – und Allahs Befehl wurde ausgeführt.“
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Das bedeutet, wie wir aus Sure 2,
66, Sure 7, 166f. und Sure 5, 59f. wissen: Die jüdischen Gesetzesbrecher wurden in Affen verwandelt.
Diese Information stamme, heißt es, aus einer „Sage“ der Apokryphen, den „Verborgenen Büchern
der Bibel.“
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Aus den Apokryphen zum Alten oder Neuen Testament? Weder hier noch dort konnte ich
sie finden. So oder so, jedenfalls wurde diese „Sage“ nicht in die kodifizierte jüdische Tradition, den
Tenach bzw. die Hebräische Bibel, aufgenommen, aber eben sehr wohl in den Koran – bestens
erkennbar, zumal in einer der ersten Suren. Zufall, Irrtum, Absicht, Politik? Wer jene Zitate kennt, ist
zumindest skeptisch, wenn er liest, dass Mark A. Cohen aus Princeton behaupte, der Antisemitismus
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des Islam sei ein „Mythos“, eine „Erfindung der Moderne“. Die hier vorgetragenen Koran-Zitate sind
weder „Mythos“ noch „modern“, sie führen zur Quelle des Islam.
Hebräische Bibel hier, Koran dort, Narrativ und Gegen-Narrativ, ja Gegnerschaft, denn Koran und
islamische (Früh-)Überlieferung sind alles andere als judenfreundlich. Mohammed, so Hans Jansen,
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hat nicht nur achtzig Meuchelmorde ausgelöst und gebilligt, sondern viel jüdisches Blut fließen lassen.
Die Hinrichtung der jüdischen Männer des Quraiza-Stammes vergleicht Jansen gar mit dem Massaker
von Srebreniza.
aufgefordert.
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„Tötet jeden Juden, der unter eure Macht fällt“, hatte der Prophet seine Anhänger
Sie gehorchten.
In die Tradition der jüdischen Propheten und des „Propheten“ Jesus stellte sich Mohammed. Der
Djihad-Gedanke war diesen jedoch gedanklich, religiös und politisch-praktisch völlig fremd. Weder
Jesus noch die jüdischen Propheten traten, wie Mohammed, mit dem Schwert auf. „Schwerter zu
Pflugscharen“, das war ihre Botschaft. Diese blutige Tatsache wiegt mindestens so schwer wie das
vermeintlich (nicht wirklich) gemeinsame Abraham-Narrativ – das zudem besonders in der
judentheologisch und judenhistorisch bedeutsamen, „zu Medina offenbarten“ Sure Zwei den
Überlegenheitsanspruch über Judentum und Juden hervorhebt: „Als der Herr den Abraham durch
mancherlei Gebote auf die Probe gestellt hatte und dieser sich als treuer Diener bewährte, da sagte
er: ´Ich setze dich als Hohenpriester für die Menschen ein.`Abraham fragte: ´Und meine
Nachkommen?´Gott antwortete: ´Die sündigen Frevler umfast mein Bündnis nicht.“
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Die Botschaft ist eindeutig: Abrahams Nachfahren, die Juden, sind Sünder. Historisch, zumal in
Medina, ergibt das Sinn, kann man Mohammed verstehen. Die Juden Medinas verweigerten die
Gefolgschaft – was sie bestenfalls Hab und Gut und besonders einem jüdischen Stamm Leib und
Leben kostete.
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So viel kurz zu „den Juden“. Und zum Judentum? In Sure 2, Vers 130 bitten Abraham und Ismael
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Allah folgerichtig: „O Herr, mache uns zu dir ergebenen Moslems.“ Sure 3, 64 nennt die Religion der
Muslime die „Religion Abrahams“. Der mekkanische Prophet sei der wahre Erbe Abrahams. Die
Suren 4 und 9 zum Beispiel sind auch nicht gerade judenfreundlich. Ähnliche Koran-Belege und
Mohammed-Überlieferungen (vor allem in der Urquelle Ibn Ishaq) sind Legion. Die Abgrenzung zum
Judentum ist eindeutig. „Schroff“, so Tilman Nagel, sei die Trennungslinie zwischen den Muslimen und
den Andergläubigen, den Juden und Christen, sofern letztere nicht bereit sind, sich den islamischen
Riten und Reinheitsgeboten anzubequemen. Sie sind in diesem Falle als Ungläubige zu
brandmarken“ (Sure 9, Vers 12-14).
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Gewiss, nach Mohammed war die islamisch-jüdische Geschichte weniger blutig, besonders im
frühmittelalterlichen Spanien von 711 bis bis ca. 1.000 nach Christus, im indischen Mogulreich Kaiser
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Akhbars (1556 – 1605) und vor allem im Osmanischen Reich mit seinem auch aus heutiger Sicht fast
vorbildlichen Millet-System, aber, wie die Christen, waren die Juden, auch wo und wenn nicht verfolgt,
so doch untergeordnet.
Das aber ist längst nicht mehr unser Thema. Dem wenden wir uns wieder zu, erwähnen der
Ausgewogenheit halber zuvor allerdings eine sanftere Interpretation des unterschiedlichen jüdischen
und islamischen Narrativs. Der große jüdische Gelehrte Abraham Geiger (1810 – 1874) ist die
Personifikation dieser sanfteren Interpretation. Mohammeds Nichtwissen und lückenhaftes Wissen,
teils Unwissen sei der Grund für die im Koran vom alttestamentlichen Inhalt oft dramtisch
abweichenden Darstellungen der ursprünglich selben Erzählungen. Die Lückenhaftigkeit seines
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Wissens dürfe nicht von seiner Sprachgewalt ablenken. Also große Dichtung bei großer
Quellendistanz.
Schon ein schneller Blick ins Buch Genesis (besonders Kapitel 18) würde genügen, um
Alarmglocken schrillen und nicht Schofar- bzw. Widderhornblasen ertönen, Muezzinrufe erschallen
oder Domglocken zum Jubel christlich-jüdisch-islamischer Versöhnung läuten zu lassen.
In der Familie Abrahams tobte ein regelrechter Ehefrauenkrieg zwischen Sara und Hagar. Deren
Söhne Isaak und Ismael wurden in diesen, wörtlich, Kampf um Leben und Tod passiv hineingezogen.
Jener Zwist trug zudem „nationale“ Züge, denn Hagar war Ägypterin, Abraham, Isaak und dessen
Sohn Jakob die Stammväter Israels bzw. der Juden.
Den Sohn der Magd Hagar, Ismael, versprach Gott gegenüber Abraham und auch Hagar „zu einem
großen Volk“ zu machen. Die Magd, nicht die Herrin, war Hagar. Als „Brücke“ eignet sich nur
Gleichrangigkeit. Auf diesen Standesunterschied (der eben trennt und nicht verbindet) weist auch
Augustinus im „Gottesstaat“ hin: Damit Abraham „diese Verheißung nicht in dem Sohne der Magd als
erfüllt betrachte, erschien ihm, als er schon neunundneunzig Jahre alt war, der Herr und sprach zu
ihm“, dass er Sara einen Sohn geben werde.
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Der Überlieferung zufolge gilt Ismael als Stammvater der Araber. Araber und Juden – das bedeutete
schon im Text des Alten Testamentes (also in der antiken Geschichte) häufige Gegnerschaft, ja,
Feindschaft. Araber und Juden – das bedeutet leider auch heute noch Feindschaft, und das galt
ebenfalls für die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, was die Konzilsväter geradezu hautnah
durch Interventionen beider Seiten zu spüren bekamen – worauf sie mit der Verwässerung der
projüdischen Resolutionssubstanz reagierten.
Auch die in Genesis beschriebene Hierarchie der Akteure kann man nicht gerade als religions- und
völkerverbindend bezeichnen, wenn Abraham Stammvater der Juden und Muslime (und aller
Christgläubigen) sein sollte. Abraham war eindeutig der Herr, Sara die „Herrin“ und Hagar die Magd.
Sara war zunächst unfruchtbar. Deshalb wählte Sara die Magd Hagar zur „Kebse“ (untergeordneten
Zweitfrau) ihres Mannes. „Er ging zu Hagar, und sie wurde schwanger. Als sie merkte, dass sie
schwanger war, verlor die Herrin bei ihr an Achtung“ (Gen 16, 4). Eine Art familieninterner Rebellion
also. „Da behandelte Sara sie so hart, dass ihr Hagar davonlief“ (Gen 16, 6). Der „Engel des Herrn“
überredete Hagar zur Rückkehr, verkündete ihr, ihre Nachkommen „so zahlreich“ zu machen, „dass
man sie nicht zählen kann“, und sie gebar Ismael (Gen 16. 10). Die Herrschaftsverhältnisse wurden
später, nach der Geburt Isaalks, wiederhergestellt, Hagar und Ismael auf Betreiben Saras und mit
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Gottes Billigung vertrieben, im wahrsten Sinne des Wortes „in die Wüste geschickt, wo sie nur durch
ein Gotteswunder nicht verdursteten (Gen, 18).
Die Genesis-Hierarchie auf die folgende Tradition übertragen bedeutet: Juden (und in ihrer Nachfolge
Christen) stehen über den Muslimen. Keine gute Grundlage für den christlich-jüdisch-muslimischen
Trialog, was (welch „Wunder“) die muslimische Seite stets erkannt und benannt hat.
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Als Abraham starb, vermachte er Isaak alles, was ihm gehörte (Genesis 25,5). Seine anderen Söhne,
aus der (meistens und von den meisten übersehenen) zweiten Haupt-Ehe nach Saras Tod mit Ketura
(Gen 25, 1) sowie die Söhne seiner vielen Nebenfrauen schickte er „weit weg von seinem Sohn Isaak“
, „nach Osten, ins Morgenland“ (Gen 26, 6). Ein Sohn Keturas hieß übrigens Midian, war also der
Stammvater der Midianiter, und Zippora, die erste Frau Moses´, war bekanntlich Midianiterin.
Zweifellos über dieser Sohnesschar stand Ismael, denn nach Abrahams Tod begruben ihn in der
„Höhle von Machpela bei Mamre“ „seine Söhne Isaak und Ismael“. In dieser Reihung und Wertung
werden die beiden auch hier, in Genesis 25, 9 genannt. Gottes Segen erhält nach des Stammvaters
Tod jedoch nur Issak (Genesis 25, 11).
Nebenbei oder vielleicht doch nicht, denn von einem Stammvater und auch erst recht von einem
Propheten erwartet man Vorbildliches. Als Ehemann schien Abaraham seiner Frau Sara geradezu
hörig, auf Kosten Hagars und Ismaels. Sara „quälte“ (so die hebräische Originalformulierung in
Genesis 16, 6) Hagar, und Abraham bremste Sara nicht. Als Hagar zum ersten Mal davonlief, tröstete
sie der „Engel des Herrn“ (Genesis 16, 7). Kein Abraham weit und breit. Sein Rest war schweigen.
Dass Abraham seine Partnerinnen schützte, kann man wahrlich nicht behaupten. Um seine eigene
Haut zu retten, gibt er Sara als seine Schwester aus und lässt den Pharao körperlich an und auf die
Haut seiner angetrauten Frau, die der lüsterne König Ägyptens (der Heimat Hagars!) begehrte
(Genesis 12, 10-20). In Gerar treibt Abraham das gleiche Versteckspiel gegenüber König Abimelech
(Genesis 20, 1 – 18). Anders als der Pharao konnte Abimelech den Beischlaf mit Sara nicht genießen.
Gott hatte dies rechtzetig verhindert, indem er dem lüsternen König rechtzeitig, also vorzeitig im
Traum, erschien (Genesis 20, 6 – 7).
In Genesis 20, 12 klärt Abraham sowohl Abimelech von Gerar als auch uns, die Leser des Alten
Testamentes, auf: „Übrigens ist sie wirklich meine Schwester, eine Tochter meines Vaters, nur nicht
eine Tochter meiner Mutter; so konnte sie meine Frau werden.“ Wrklich? Grenzt das nicht an Inzest?
Wenn nicht, so ist es dennoch nicht vorbildlich. Und das, wie gesagt dürfen wir vom Stammvater und /
oder Propheten erwarten. Oder doch nicht? Wir kleinen, also nachgeborenen Juden haben mit
unseren Großen, unseren Vorfahren, keine Probleme, denn wir wissen um ihre Fehlbarkeit als
Menschen. Man denke nur an den Ehemannn- und Vaterbetrug Rebekkas und Jakobs bei der
väterlichen Segnung durch Issak. Nicht nur dieser, auch der Erstgeborene, Esau, wurde wissentlich
und willentlich getäuscht. Es menschelt immer im Alten Testament. Das ist wohltuend und realistisch,
aber ein übermenschliches Erbe vermeintlicher Unfehlbarkeit und unerreichbarer Größe sind die
Menschen hier selten. Nicht einmal Moses oder gar König David, der Begründer des Königshauses,
aus dem der sozusagen jüdische Messias kommen und aus dem Jesus stammen soll.
Bleibt Abraham als erster und radikaler Monotheist. Wirklich? „Abraham entgegenete dem König von
Sodom: Ich erhebe meine Hand zum Herrn, dem Höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der
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Erde“ (Genesis 14, 22). Zum Höchsten Gott, hebräisch „el eljon“. Wo und wenn es einen Höchsten
Gott gibt, gibt es auch andere, sozusagen niedriger gestellte Götter.
Haarspalterei, werden manche sagen. Sie irren, denn Worte, zumal heilige, werden mit Bedacht
gewählt. Wir müssen sie ernst nehmen, zumal Worte immer Wirklichkeiten oder Vorstellungen
beschreiben.
Wir lesen in Genesis 18, 8: Der Herr erschien Abraham“ (Genesis 18,1), und dieser „sah vor sich drei
Männer stehen“ (Genesis 18, 2). Die Dreiheit als Einheit, also Trinität – jüdisch. In „Juden und
Christen“ erörtere ich dieses Problem ausführlich, hier sei nur nebenbei auf diese jüdische Trinität
verwiesen, die angeblich der jüdischen und erst recht (und tasächlich) der islamischen „Theologie“ so
verdächtig polytheistisch scheint.
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Auch mit den (späteren) jüdischen Speisegesetzen nahm es Abraham nicht so genau. Er kannte sie
auch nicht, aber die talmudischen Weisen wussten das aus der Bibel durchaus. Das dürfte Christen
und Muslime weniger stören als Juden, die selten auf diesen Abschnitt eingehen; nicht einmal der
große Bibelkommentator Raschi. Genesis 18,8: Den drei Männern bzw. Engeln, die ihm die Geburt
Isaaks ankündigten, bereitete Abraham ein Mahl aus Butter, Milch und Kalb. Koscher war das nicht,
denn die jüdischen Speisegesetze sagen eindeutig: koscher ist, wenn Milch und Fleisch getrennt
gelagert und verspeist werden, keinesfalls zusammen. War Abraham etwa nicht koscher…?
Dass die Muslime Jesus´ „jungfräuliche Mutter Maria“, wie es in Nostra Aetate heißt, „verehren“,
stimmt. Sie wird (mit anderen Worten) wirklich als „die reine Magd“ dargestellt. Aber stets ist Jesus der
„Sohn Marias“ und nicht Gottes Sohn. Sure 4, 171: „ O ihr Leute des Buches, übertreibt nicht in eurer
Religion und sagt über Gott nur die Wahrheit. Christus Jesus, der Sohn Marias, ist doch nur der
Gesandte Gottes und sein Wort, das er zu Maria hinüberrachte, und ein Geist von ihm. So glaubt an
Gott und sene Gesandten. Und sagt nicht: Drei. Hört auf, das ist besser für euch. Gott ist doch ein
einziger Gott. Gepriesen sei Er und erhaben darüber, dass Er ein Kind habe.“
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Gottesohnschaft und
Trinität werden bestritten, und Nostra Aetate suggeriert, im Islam finde man eine ähnliche Mariensicht
wie im Neuen Testament. Verehrung Marias? Ja, aber nicht(s) mehr. „Ungläubig sind gewiss
diejenigen, die sagen,: ´Gott ist Christus, der Sohn Marias´“ (Sure 5, 17).
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Und „wenn sie mit, was sie
sagen, nicht aufhören, so wird diejenigen von ihnen, die ungläubig sind, eine schmerzhafte Pein
treffen“ (Sure 5, 73).
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Im Koran findet man zwei Versionen bezüglich der Geburt Jesu´. Beide erwähnen keine jungfräuliche,
aber eine außergewöhnliche Geburt: die Zeugung durch „unseren Geist“. Und dieser „erschien ihr im
Bildnis eines wohlgestalteten Menschen“ (Sure 19, 16 – 22). Eine Fassung stammt „aus der
mekkanischen Periode der koranischen Botschaft (Sure 19, 16 – 22 aus dem Jahr 616) und eine aus
der medinensischen Periode (Sure 3, 42- 43. 45 – 47 aus den Jahren 624 – 625).
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Auch hier erfolgt
die Zeugung durch den eingeblasenen „Geist“ Gottes.
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Abraham: jüdisch – christlich
Auch zwischen Christen und Juden ist die Abraham-Brücke nicht sonderlich fest. Matthäus 1, 1 – 2 ist
der kleine christliche Pfeiler: „Der Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes
Abrahams. Abraham war der Vater von Isaak, Isaak von Jakob, Jakob von Juda und seinen Brüdern“.
Matthäus 1, 17 schließt: „Im ganzen sind es also von Abraham bis David vierzehn Generationen, von
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David bis zur Babylonischen Gefangenschaft vierzehn Generationen und von der Babylonischen
Gefangenschaft bis zu Christus vierzehn Generationen.“
Bei Lukas (3, 23 – 28) wird Abraham als einer der 76 namentlichen genannten „Vorfahren Jesu“ von
Adam bis Josef, für dessen Sohn „man“ Jesus hielt, erwähnt (Lk 3, 23).
Das abrahamitische Tischtuch wird im Johannesevangelium (8, 30 – 44) ) vollends zerschnitten: „Als
Jesus das sagte, kamen viele zum Glauben an ihn. Da sagte er zu den Juden, die an ihn glaubten…
Sie erwiderten ihm: Wir sind NachkommenAbrahams… Ich weiß, dass ihr Nachkommen Abrahams
seid. Aber ihr wollt mich töten, weil mein Wort in euch keine Aufnahme findet. Ich sage, was ich beim
Vater gesehen habe, und ihr tut, was ihr von unserem Vater gehört habt. Ssie antworteten ihm: Unser
Vater ist Abraham. Jesus sagte zu ihnen: Wenn ihr Kinder Abrahams wärt, würdet ihr so handeln wie
Abraham. Jetzt aber wollt ihr mich töten, einen Menschen, der euch die Wahrheit verkündet hat, die
Wahrheit, die ich von Gott gehört habe. So hat Abraham nicht gehandelt. Ihr vollbringt die Werke
eures Vaters. Sie entgegneten ihm: Wir stammen nicht aus einem Ehebruch, sondern wir haben nur
einen Vater: Gott. Jesus sagte zu ihnen. Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben, denn von
Gott bin ich ausgegangen und gekommen… Ihr habt den Teufel zum Vater, und ihr wollt das tun,
wonach es eurem Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an.“
Im Klartext: Die Juden sind nicht Gotteskinder, sondern Teufelslkinder, und Abraham war auch nicht
ihr Stammvater. Jesus und seine Anhänger sind Gotteskinder, Abraham ist der Stammvater seiner
Gefolgschaft, später „Christen“ genannt. Abraham ist nicht der Stammvater der Juden. Deutlicher und
polemischer gegen die Juden geht es nicht. Wo ist hier das gemeinsame abrahamitische Erbe?
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Vom „Zueinandergehören“ von Christen und Juden „durch die gemeinsame Abraham-Geschichte,
die unsere Trennung und unsere Zusammengehörigkeit zugleich ist“, sprach als Kardinal Joseph
Ratzinger.
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Kann man diese kurzen Erwähnungen als „Abraham-Geschichte“ bezeichnen? Bei aller
Wörtlichkeit des Neuen Testamentes und jenseits der zweifelhaften Geschichtlickeit der Stammväter
reichen jene Nennungen selbst nicht für eine Kurz-Geschichte. Natürlich, jeder versteht, was Joseph
Ratzinger meint: über den von Matthäus und Lukas skizzierten Stammbaum seien Juden und Christen
miteinander verwandt. Das leuchtet auch ohne die Nennung einer Abraham-Brücke ein, denn die
Evangelien schildern seine Geburt, sein Leben, seinen Werdegang, sein Wirken und sein Leiden als
Jude in der von Rom drangaslierten jüdischen Welt.
Gerade als „Geschichte“ eignet sich zudem die „Abraham-Geschichte“ nicht als jüdisch-christliche
Brücke, denn Abraham nahm es (wie Gott) mit der Beschneidung als Zeichen des Bundes sehr ernst,
während der von Paulus betriebene Verzicht auf die Beschneidung die Trennung vom Judentum
miteinleitete. Deshalb trennt (auch) die „Abraham-Geschichte“ Juden und Christen voneinander. „…
dem Fleisch nach entstammt ihnen (= den „Israeliten“) der Christus, der über allem als Gott steht…“
(Römer 9, 4 – 5).
Jesus als „Gott“, zugleich „Gottessohn“, „jungfräuliche Geburt“, dann aber „Stammbaum“ – das ist nur
theologisch nachvollziehbar; ebenso wie die Geburt Isaaks als Kind der Greiseneltern Abraham und
Sara. Dieser Zusammenhang wiederum würde Juden und Christen doch miteinander verbinden. Und
gerade diesen nennt selbst der theologisch hochkundige Kardinal Joseph Ratzinger nicht, der sich
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(wie erwähnt) auf die Stammbäume bei Matthäus und Lukas beruft und an anderer Stelle
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auch die
Heiden in „Kinder Abrahams“ verwandelt, ohne Stammbaum: „Am Kreuz öffnet und erfüllt Jesus nach
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christlichem Glauben die Ganzheit des Gesetzes und übergibt es den Heiden, die es nun auch in
dieser seiner Ganzheit als das ihrige annehmen können und damit Kinder Abrahams werden.“
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Als christliiche Theologie mag dies durchgehen, als Brücke zwischen Christen und Juden ist sie
ungeeignet; jüdisch-emotional, -rational und –„theologisch“. Das bestätigt der christlich-jüdische Dialog
seit Nostra Aetate. Die großen, wirklich bedeutenden Rabbiner und jüdischen Gelehrten haben sich
ihm entzogen. Natürlich gibt es Ausnahmen. Ich denke im deutschsprachigen Raum an Schalom BenChorin, an dessen Sohn Rabbiner Tovia Ben-Chroin, Pinchas Lapide, auch Walter Homolka, an Jacob
Neusner in den USA. Wie das Liberale bzw. Reformjudentum überhaupt, verfügen sie besonders in
Israel über keinerlei religionsgewichtige „Divisionen“, und die „jüdische Musik“ wird – es gefalle oder
nicht - vor allem im Jüdischen Staat, in Israel, gespielt, wo inzwischen die meisten Juden leben. Der
Anteil der Israelis am Jüdischen Volk steigt unaufhaltsam, weil dort das jüdische
Bevölkerungswachstum beachtlich und in der Diaspora die Zahl der Mischehen steigt und, als Folge
dessen, des jüdischen Nachwuches sinkt. Die „jüdische Geografie“ und „jüdsche Demografie“ werden
das Gewicht der in Israel vorherrschenden Orthodoxie erhöhen, nicht der in den USA domierenden
„Reform“. Was diese Entwicklung für den jüdisch-christlichen Dialog bedeutet, muss nicht ausgeführt
werden: er wird „einschlafen“.
Christliche Geistliche und Gelehrte beklagen schon jetzt - meist hinter vorgehaltener Hand – den
Mangel an interessierten und theologisch qualifizeretn jüdischen Gesprächspartnern. Sie setzen den
Dialog (der Taubstummen?) fort. Die einen, weil sie „politisch korrekt“ sein wollen und wissen, dass
der heutige „Zeitgeist“, anders als in den frühen 1960er Jahren, den Dialog mit den Juden wünscht.
Wer ihn auf christlicher Seite verweigert, wird von Christen isoliert. Die „Schweigespirale“ (Elisabeth
Noelle) funktioniert. Inzwischen sind jedoch viele Geistliche, anders als noch während des Zweiten
Vatikanums, mit innerem Feuer dabei; auch auf der „Basis“ der Christenmenschen sieht man dieses
Feuer oft brennen. Es wird absterben, denn trotz ihres Einsatzes besteht der christliche
Überlegenheitsanspruch fort. Er wurde bislang nicht wirklich (von wem, wenn überhaupt?) in Frage
gestellt. Kann er von Christen als Christen in Frage gestellt werden? Nein. Und deshalb wird das noch
brenennde innere Feuer aufrichtig engagierter Christen keinen Juden wirklich (im bildlichen Sinne)
entzünden, irgendwann wird es verlöschen.
Es bleibt dabei: Nostra Aetate hat schreiendes Unrecht korrigiert, indem der Antisemitismus verurteilt
wurde. Sie Selbstverständliches, Offensichtliches ausgesprochen, indem die Kollektivschuldthese
aufgegeben wurde. Sie hat aber keine tragfähige Grundlage für einen christlich-jüdischen Dialog
geschaffen. Auch der Brückenschlag zu den anderen nichtchristlichen Religionen überzeugt nicht,
denn mehr als einen Strahl der Wahrheit billigt ihnen dieser Text nicht zu.
*
Die Botschaft der jüdischen, christlichen und muslimischen Quellen ist eindeutig - wenn man die
Quellen ernst nimmt und ihre Aussagen nicht hinweginterpretiert: Das abrahamitische Erbe verbindet
die drei Religionen nicht wirklich. Natürlich wollen und sollen wir als Juden, Christen und Muslime
zusammenkommen, aber die uns verbindende Brücke muss stabil sein. Die abrahamitische stürzt ein,
bevor wir uns auf sie begeben.
-9-
Auch der Monotheismus der „abrahamitischen“ Religionen ist unter den dreien nicht unumstritten. Das
gilt besonders für die Trinität im Christentum, „Vater, Sohn und Heiliger Geist“. Der Koran ist
diesbezüglich offen polemisch und total unsachlich, die jüdische „Theologie“ ist ähnlich distanziert,
ficht aber Florett. Beide, Judentum und Islam, verkennen dabei die komplizierte Theologie der Einheit
jener Dreiheit.
In meinem Buch „Juden und Christen“ habe ich den, wie ich meine, nachvollziehbaren Beweis
erbracht, dass die Trinität sehr wohl auch jüdische Wurzeln hat.
38
Aber das ist „ein weites Feld“ und
nicht mehr unser Thema.
Die Heilgenverehrung des katholischen Christentums und christliche Sakralbilder werden von
Judentum und Islam als eindeutiger Verstoß gegen das biblisch-alttestamentlich Bilderverbot als
Quasi-Götzendiest betrachtet.
39
*
Wer oder was verbindet uns Juden, Christen, Muslime? Nichts und niemand?
Juden und Christen, das habe ich in meinem Buch „Juden und Christen“ (2008) zu belegen versucht,
ist das jesuanische Erbe gemein, denn Jesus ist ohne die jüdischen Propheten und vortalmudischen
Rabbiner undenkbar – ebenso wie die talmudischen Weisen danach ohne Jesus nicht wirklich
40
verstanden werden können, auch in ihrer Polemik. Jesus, Jesus aber nicht als Christus, verbindet
Juden und Christen - nicht Abraham. Jesus ist das, genauer: der Juden und Christen Gemeinsame
und doch zugleich Trennende. Trennend bezüglich seiner Messianität, nicht bezogen auf seine
religiös-ethische Substanz. Diese eint Juden und Christen.
Was eint Juden und Muslime, Muslime und Christen? Abraham nicht. Wer oder was dann? Inhalt und
Botschaften des Alten und Neuen Testamentes – wo und wenn sie als wirklich gemeinsames Original
verstanden und nicht verdreht werden, sei es aus Polemik, Teil- oder oder Unkenntnis. Bei aller
Verständigungsbereitschaft muss dies jedoch klar sein: Der Djihad widerspricht jüdischem und
jesuanischem und natürlich abrahamitischem Geist. Wie aber sind zum Beispiel die Kreuzzüge zu
verstehen oder der vermeintlich göttliche Auftrag an Saul, die Amalekiter als Volk zu vernichten?
Diese wichtigen Fragen kann ich hier nicht beantworten, ich muss aus Zeit- und Raumgründen einmal
mehr auf mein Buch „Juden und Christen“ verweisen. Nur so viel: Mit Abraham hat das nichts zu tun,
während der Djihad, theologisch und historisch sehr wohl als Glaubens- und Raubkrieg, nicht als
„große geistige Anstrengung“ zu verstehen ist. Djihad das war Abrahams Sache nicht.
Haben wir den Mut zum jeweiligen Anders-Sein. Haben wir den Mut, uns bei der Lektüre der
jeweiligen Quellen unseres eigenen Verstandes zu bedienen und das Andere im Anderen zu
erkennen und zu benennen. Schielen wir nicht auf ideologisch oder theologisch wohlgefällge, oft
wohlfeile Interpretationen, und seien sie noch so gelehrt oder von den additiv Gelehrtesten (also den
nicht nicht unbedingt Verständigsten, Einsichtigsten, Intellektuellen) vorgebracht.
Leben und leben lassen, nicht morden – das sei unser Ziel. „Du sollst nicht morden.“ Alle Zehn Gebote
sagen mehr als die Abraham-Geschichte(n), die in vielen Abschnitten menscheln. Welche
theologischen Probleme haben Juden, Christen und Muslime dagegen mit den Zehn Geboten? Keine.
Wer ein „Welt-Ethos“ der Küng´schen Art vorzieht, ist sicher ethisch auch auf der sicheren Seite, aber
das Ethik-Rad ist schon vorher erfunden worden. Nicht nur „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“
(Leviticus 19, 18), sondern auch Levitikus 19, 34: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie
- 10 -
ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in
Ägypten gewesen.“
Ist das „Jüdische Hegemonie“? Nein, es ist Weltoffenheit und Toleranz ohne notwendige Akzeptanz.
Nochmals: „Der Andere ist anders – er ist wie du.“
Die abrahamitische Dreiheit als verbindende Einheit ist Fiktion und Formel. Es scheint aber, dass
Formeln volkspädagogisch nötig sind, weil viele (die meisten?) Menschen sich eher an Formeln als an
Inhalten orientieren. So gesehen, hätte die Abraham-Formel wenigstens ihre zivilisierende Funktion:
inhaltsleer und wirkungsmächtig.
1
Johann Wolfgang Goethe, Maximen und Reflexionen, Mit Erläuterungen von Max Hecker, Frankfurt
am Main, 1976 Nr. 875, S. 162.
2
Matthias Morgenstern, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. 8. 2006. Die ausführliche Fassung mit
den Belegstellen wurde mir dankenswerterweise vom Kollegen Morgenstern zur Verfügung gestellt.
Ihm sei für diese und viele andere Horizont- und Wissenserweiterungen herzlich gedankt,
Hochachtung gezollt. – Für Hans Küng, Das Judentum, München – Zürich 1991, S. 25ff. ist Abraham
„der Stammvater dreier Weltreligionen“, thematisiert jedoch auch den „Streit um das abrahamitische
Erbe“, S. 34ff.
3
Nagel, Mohammed. Leben und Legende, München 2008; Hans Jansen, Mohammed. Eine Biografie,
München 2008.
4
Allerdings in Sure 37, Vers 99 bis 113 doch wieder Isaak.
5
Vgl. Der Koran, A.T. Khoury, S. 139.
6
Tilman Nagel, Der Koran, a.a.O., S. 135.
7
Vgl. Tilman Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, Von Mohammed bis zur Gegenwart,
München 1994, besonders S. 28.
8
Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, besonders S. 21.
9
Nagel, Der Koran, S. 141f.
10
Der Koran, a.a.O., S. 59.
11
Koran, S. 59.
12
Koran, S. 78.
13
Koran, S. 27.
14
Koran, S. 139.
15
Koran, S. 76.
16
Koran, S. 27, Anmerkung 16 des Bearbeiters und Kommentators dieser Ausgabe.
17
Julia Encke, FAZ , 26. 6. 2008, S. 39.
18
Hans Jansen, Mohammed, München 2008
19
Jansen, S. 313.
20
Jansen mit Quellenbelegen, S. 283ff.
21
Der Koran, Das heilige Buch des Islam, Nach der Übertragung von Ludwig Ullmann neu bearbeitet
und erläutert von L. W. Winter, München 1959, S. 33.
22
Vgl. dazu ausführlich mit Belegen Nagel, a.a.o., besonders S. 336ff und Jansen, a.a.O., S. Kapitel
8, 10, 12.
23
Koran, Sure 2, a.a. o. , S. 33.
24
Nagel. S. 462. Vgl auch Tilman Nagel, Der Koran, Einführung, Texte, Erläuterungen, 4. Auflage
München 2002, S. 130 – 136.
25
Vgl. Abraham Geider, Was hat Mohammed aus dem Judenthume aufgenommen, Mit einem Vorwort
herausgegeben von Friedrich Niewöhner, Berlin 2005, zuerst Wiesbaden 1833.
26
Augustinus, Der Gottesstaat, hrsg. Und eingelietet von Hans Urs von Balthasar, Einsiedeln 1996,
„Isaak“, S. 137.
27
Vgl. Morgenstern, a.a.O.
28
Vgl. Wolffsohn, Juden und Christen, S. 101ff.
29
Der Koran, erschlossen und kommentiert von A.T. Khoury, S. 331.
30
Der Koran, A.T. Khoury, S. 332.
31
Ebd.
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32
Der Koran, A.T. Khoury, S. 157.
Vgl. dazu auch das vorzügliche Buch von Peter Schäfer, Jesus im Talmud, Tübingen 2007, S. 256ff.
34
Kardinal Ratzinger, Salz der Erde, S. 264.
35
Vgl. auch a.a.O., S. 200. Vgl. auch Kardinal Ratzinger, Die Vielfalt der Religionen, S. 24.
36
Kardinal Ratzinger, Die Vielfalt der Religionen, S. 39.
37
Ebd.
38
M. Wolffsohn, Juden und Christen, S. 101ff.
39
Vgl. M. Wolffsohn, Juden und Christen, Kapitel 8.
40
Zur Polemik besonders Peter Schäfer, Jesus im Talmud, passim.
33
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