Wenn Essen zur Sucht wird

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Wenn Essen zur Sucht wird
Esssucht ist eine Essstörung, die für Betrof­
fene sehr belastend ist. Während der immer
wiederkehrenden Heisshungerattacken
stopfen sie oft wahllos alles in sich hinein
und fühlen sich dem Essen machtlos aus­
geliefert.
Lea M.* weiss nicht mehr weiter. In nur
wenigen Monaten hat sich das Essver­
halten der 17-Jährigen so stark verän­
dert, dass sie 15 Kilo zugenommen hat.
Bei jeder Gelegenheit, die sich ihr bie­
tet, isst sie heimlich alles Mögliche,
was sie gerade im Kühlschrank findet.
Von Wurst über Schokolade und Käse
bis zu Kuchen in rauen Mengen – bis ihr
schlecht ist. Die Lust nach Herzhaftem
und Süssem wechseln sich laufend ab.
Sie leidet an ihrem Verhalten und er­
zählt: «Mittlerweile passen mir keine
meiner Kleider mehr und in der Schule
werde ich permanent darauf angespro­
chen, dass ich zugenommen hätte. Im
Moment habe ich das Gefühl, nur für
das Essen zu leben.» Wenn sie versucht
weniger zu essen, fehlt ihr etwas und
sie fühlt sich ganz leer. Ihre Gedanken
kreisen ständig ums Essen. Am liebsten
würde sie nicht mehr zur Schule gehen
und sich den ganzen Tag in ihrem Zim­
mer verkriechen, um nicht den Blicken
der Mitschülerinnen und Mitschüler aus­
geliefert zu sein. Im Spiegel kann sie sich
längst nicht mehr ansehen und ist to­
tal verzweifelt. Wie Lea ergeht es vielen
Menschen in der Schweiz – sie leiden an
Esssucht, die in der Fachsprache auch
Binge-Eating-Störung genannt wird.
«Binge» heisst auf Englisch Fressgelage.
Esssucht ist eine Krankheit
Binge-Eating ist eine Essstörung, die
erst Mitte der Achtzigerjahre in den
Fokus der Spezialisten rückte. Damals
ergaben diverse amerikanische Un­
tersuchungen zur Häufigkeit der EssBrech-Sucht (Bulimie), dass die meis­
ten Studienteilnehmenden Essanfälle
hatten, aber anschliessend nicht erbra­
chen, also nicht an einer typischen Bu­
limie litten. Seit 1994 ist die Binge-Ea­
ting-Störung als eigenständiges 
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Krankheitsbild definiert. Betroffene
konsumieren während der Essatta­
cken wahllos Getränke und Nahrungs­
mittel in grossen Mengen, die meist be­
sonders viel Energie liefern, nicht selten
mehrere Tausend Kalorien pro Episode.
Manchmal dauern die Anfälle Stunden,
ohne dass ein Sättigungsgefühl eintritt.
Betroffene essen dabei oft im Stehen,
allein und heimlich. Sie verlieren die
Kontrolle über die Situation und hören
erst dann auf zu essen, wenn sie Bauch­
schmerzen haben oder ihnen übel ist.
Das zwanghafte Essen verschafft Be­
troffenen aber keine Befriedigung,
Diese Tipps helfen, ein
reguliertes Essverhalten
zu erreichen:
N Versuchen Sie bewusst zu essen,
also langsam und genussvoll.
Kauen Sie jeden Bissen gut durch
und schlingen Sie ihn nicht ein­
fach herunter.
N Essen Sie regelmässig, idealer­
weise zu festen Zeiten.
N Essen Sie nicht vor dem Fernseher
oder Computer und legen Sie das
Handy dazu weg. Essen ist etwas
Sinnliches und dient nicht nur der
reinen Nahrungsaufnahme.
N Statt auf alle Körpersignale nur
mit Essen zu reagieren, sollten Sie
genau unterscheiden: Haben Sie
Durst? Sind Sie müde? Oder haben
Sie wirklich Hunger?
N Versuchen Sie sich regelmässig zu
bewegen.
N Vermeiden Sie Streitgespräche
oder unangenehme Themen bei
Tisch.
höchstens kurzfristige Erleichterung.
Etwa zwei Drittel der Esssüchtigen sind
Frauen, ein Drittel Männer, wobei sich
Männer seltener behandeln lassen.
sels ausgelöst werden. Das Risiko zu
erkranken ist höher, wenn Menschen
schon als Kind übergewichtig waren
oder ungünstige Ernährungsgewohn­
heiten haben. Allen Binge-Eating-Betrof­
fenen gemeinsam ist, dass sie an ihrer
Störung leiden, sich dafür schämen,
Schuldgefühle haben und sich vor sich
selbst ekeln. Durch die Krankheit wird
auch ihr Selbstwertgefühl beeinträch­
tigt. Esssüchtige wünschen sich Verän­
derung, kommen aber oft nicht allein
aus dem Teufelskreis heraus.
Alles dreht sich ums Gewicht
Typisch für viele Esssüchtige ist die Tat­
sache, dass sie Phasen durchleben, in
denen sie versuchen Diät zu halten,
um dann wieder alles Mögliche unkon­
trolliert in sich hineinzustopfen. Sie be­
schäftigen sich viel mit ihrem Gewicht,
stehen häufig auf die Waage und zäh­
len in den Diätphasen die Kalorien. Ess­
süchtige unterscheiden zwischen und
«guten» respektive «gesunden» und
«schlechten» respektive «ungesunden»
Nahrungsmitteln. Während der Essan­
fälle nehmen sie vor allem die «unge­
sunden» Nahrungsmittel zu sich, die
meist viel Fett und Kohlenhydrate, ins­
besondere Zucker, enthalten. Bei vielen
Betroffenen führt die Esssucht zu Über­
gewicht. Manche Betroffene fühlen sich
dick, obwohl sie eigentlich normalge­
wichtig sind.
Unterschied zur Bulimie
Menschen, die an Bulimie leiden, kom­
pensieren die Essattacken direkt nach
dem Essen durch Erbrechen. So verhin­
dern sie, dass es zu einer Gewichtszu­
nahme kommt. Bei Esssüchtigen ist das
kompensatorische Verhalten weniger
extrem. Einige versuchen mit Sport und
Phasen der Diät ihr Gewicht im Griff zu
halten. Bei manchen Betroffenen wech­
seln sich bulimische Phasen und BingeEating-Phasen ab.
Psychische Faktoren
Oft werden die Heisshungerattacken
durch psychische Faktoren ausgelöst.
So können Emotionen wie Wut und
Frust, zwischenmenschliche Probleme,
Spannungen und Stress, aber auch Lan­
geweile und Freude zu Essattacken füh­
ren. In manchen Fällen spielt ein negati­
ves Körpergefühl eine Rolle. Essanfälle
können aber auch durch Störungen des
Hormonhaushalts oder des Stoffwech­
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schweizer hausapotheke 5/15
Die Folgen
Menschen mit Binge-Eating leiden oft
an depressiven Verstimmungen und
Angstzuständen. Da manche Esssüch­
tige zwischen den Anfällen strenge
Diät halten, sind Mangelerscheinungen
möglich. Bei Frauen kann der Menstrua­
tionszyklus durch das extreme Essver­
halten aus dem Gleichgewicht geraten.
Stark übergewichtige Betroffene leiden
oft an Bluthochdruck, Herz-Kreislaufer­
krankungen, Diabetes und Problemen
des Skelett- und Bewegungsapparates.
Die Behandlung
Bei der Therapie von Binge-Eating kom­
men vor allem verhaltenstherapeuti­
sche Massnahmen zum Zug. Dabei set­
zen sich Esssüchtige zusammen mit
einem Therapeuten mit den Gefühlen
Weitere Informationen:
Die Beratungsstelle der Arbeitsge­
meinschaft Ess-Störungen AES in
Zürich bietet jeweils dienstags und
donnerstags eine kostenlose tele­
fonische Beratung an. Die Beratung
ist auch per E-Mail möglich: bera­
[email protected]. Weitere Informatio­
nen finden Sie auf www.aes.ch.
und Situationen auseinander, die einen
Anfall auslösen. Hilfreich kann sein, ein
Tagebuch über die persönliche Stim­
mungslage und die gegessenen Lebens­
mittel sowie ihre Menge zu führen. An­
hand eines solchen Tagebuchs kann es
möglich sein, gezielt Stimmungen und
Probleme ausfindig zu machen, die die
Essattacken auslösen und den Betrof­
fenen als Ursache bisher nicht bewusst
waren. In der Therapie lernen Esssüch­
tige, sich besser zu kontrollieren und
Stress und Probleme auf andere Art zu
bewältigen als durch unkontrollierte
Nahrungsaufnahme.
Wenn Betroffene an einer Depression
leiden, kommen zusätzlich Antidepres­
siva zum Einsatz. Diese haben eine Wir­
kung auf die Stimmungslage und beein­
flussen somit auch das Essverhalten.
Bei stark übergewichtigen Betroffenen
werden manchmal Medikamente ein­
gesetzt, um die Gewichtsabnahme zu
erleichtern. Primäres Ziel der Behand­
lung ist jedoch nicht die schnelle Ge­
wichtsreduktion, sondern die Vermin­
derung der Heisshungerattacken durch
Einführung eines geregelten Essverhal­
tens sowie die Stabilisierung des Selbst­
wertgefühls. Esssucht ist für Betroffene
sehr belastend. Deshalb sollten sie sich
professionelle Hilfe suchen.
Susanna Steimer Miller
*Name der Redaktion bekannt
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