DBT und traumapädagogische Konzepte Verbinden eine Kooperative Herausforderung Den Drachen reiten…. Fachtag des CJD-Altensteig Marc Schmid, Altensteig, 14. November 2014 Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Einleitung Zusammenspiel von Therapie und Pädagogik „Mit einer Hand lässt sich kein Knoten knüpfen.“ Mongolisches Sprichwort Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 2 Gliederung › Die Ausgangslage: Risikofaktoren, psychische Belastung von Heimkindern und deren Auswirkungen auf den Verlauf von stationären Hilfen. › Wann ist ein Fall psychiatrisch und wann sozialpädagogisch? Kann man die Seele eines Kindes teilen? › Ist das Thema aktuell oder ein Dauerbrenner? › Wie kann Kooperation gelingen? Welche Haltung braucht es? › DBT und Traumapädagogik – Unterschiede und Gemeinsamkeiten › Was brauchen die Kinder? Was brauchen die sozialpädagogischen Mitarbeiter von der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie? › Fazit und Diskussion Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 3 Warum Kooperation? › Diagnostik, Begutachtung und Beratung. › Medikamentöse Therapie, Psychotherapie. › Stationäre Krisenintervention. › Rehabilitation nach einer stationären Behandlung Schutz vor psychosozialen Belastungen. › Über 25% der Kinder und Jugendlichen, die stationär in der Kinderund Jugendpsychiatrie behandelt werden, werden anschliessend in der stationären Jugendhilfe begleitet (Presting et al., 1998; Martin, 2002, Beck & Warnke, 2009). › Einige Krankheitsbilder sind nur langfristig im Rahmen eines stabilen und strukturierten milieutherapeutischen Umfeldes zu behandeln. › Hohe psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 4 Kooperation braucht Struktur „Schließe Freundschaft solange Du sie nicht brauchst“ Amerikanisches Sprichwort › Es lohnt sich, klare Kooperationsstrukturen aufzubauen. › Kooperation sollte primär unabhängig von den Fällen nach den Bedürfnissen der Institution organisiert werden. › Beide Kooperationspartner müssen in gleicher Art und Weise von der Kooperation profitieren. › Kooperation benötigt Ressourcen! › Alle institutionellen Ebenen sollten von der Kooperation profitieren. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 5 Kreismodell von verschiedenen Kooperationen Funktionsträgerebene kooperieren miteinander Leitung Fachdienst Versorger Jugendamt Team Kinderund Jugendpsychiatrie Kind Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 6 Teilnehmende Institutionen: MAZ. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 7 Modellversuch Abklärung und Zielerreichung MAZ. Geschlechtsspezifische Altersverteilung N = 592 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 8 Psychosoziale Risikofaktoren › 28% Sucht mindestens eines Elternteils › 30% psychiatrische Auffälligkeiten der KM › 11% KV im Gefängnis › 45% mindestens ein Schulwechsel wegen disziplinarischen Schwierigkeiten. › 50% der über 16jährigen waren vor der aktuellen Massnahme mindestens einmal fremdplatziert › 30% weisen zwei oder mehr Platzierungen auf › Traumata Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 9 Traumata › 80% berichten traumatische Erlebnisse im ETI › 49% geben 3 oder mehr traumatische Erlebnisse an N=420 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 10 Psychische Belastung (Gesamtwert CBCL für t1) N=421 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 11 Psychische Belastung (Gesamtwert CBCL für t1) • 76% der Stichprobe im klinisch auffälligen Bereich (T-Wert > 60) • 32% im klinisch hoch auffälligen Bereich (T-Wert von mind. 70) N=421 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 12 6-Monats-Prävalenz nach ICD-10 mind. 1 Diagnose (N=483) keine Diagnose 26% 74% Allgemeinbevölkerung (Median): 18% (Ihle & Esser, 2002) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 13 Diagnosen x Massnahmendauer Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 14 Prävalenz x Dauer Massnahme 90% 82,0% 80% (N=483) 77,4% 70% 60% 54,9% 47,1% 50% 40% 30% 20% 10% 0% unter 2 Jahren 2-3 Jahre 3-4Jahre Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 mehr als 4 Jahre | 15 Komorbidität nach DSM-IV (N=483) 35% 30,0% 30% 25,7% 25% 22,6% 20% 13,7% 15% 10% 6,4% 5% 1,7% 0% keine Diagnose 1 Diagnose 2 Diagnosen 3 Diagnosen 4 Diagnosen 5 Diagnosen 44% Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 16 Trauma-Entwicklungsheteropie Schmid, Fegert, Petermann (2010) Substanz missbrauch Bipolare Störungen im Kindesalter Affektive Störungen Störung des Sozialverhaltens Emotionale Störungen Angststörungen Bindungsstörungen Regulationsstörungen Geburt Vorschulalter Störungen der Persönlichkeits -entwicklung Selbstverletzung Suizidalität ADHS Oppositionelles Verhalten Traumafolgestörungen + biologische Faktoren Schulalter Pubertät Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 Adoleszenz | 17 Biologische Faktoren Genetik, prä- und perinatale Risikofaktoren Soziale Wahrnehmung weniger soziale Kompetenzen PTSD: Hyperarousal, Intrusionen, Vermeidung Störungen der Empathiefähigkeit Mentalisierung Bindungsstörung Störungen der Interaktion Störung der Impulskontrolle Selbstregulation Stresstoleranz Invalidierende, vernachlässigende Umgebung Typ-II-Traumata Selbstwert, Gefühl d. Selbstunwirksamkeit kognitive Schemata Dissoziationsneigung/ Sinneswahrnehmung Schmid (2008) Störung der Emotionsregulation Störungen des Körperselbst Körperwahrnehmung Somatisierung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 Störung der exekutiven, kognitiven Funktionen | 18 Nochmals genauer nachlesen? Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 19 Verhältnis ambulante vs. stationäre Hilfen › Durch den Ausbau der ambulanten Hilfen, steigt die traumatische und psychische Belastung von fremduntergebrachten Kinder! › Indikationsstellung nur bei schlechter Prognose, bestehender Kindeswohlgefährdung oder bereits gescheiterten ambulanten Hilfen. › Oft erfolgt der Eintritt erst in oder nach der Pubertät – Bindungsentwicklung dann nicht mehr an pädagogische Bezugspersonen sondern eher an Gleichaltrige. › Defensive Position der stationären Hilfen wegen der vergleichsweise hohen Kosten. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 20 Abbrüche in der stationären Jugendhilfe Häufigkeit, individuelle und gesellschaftliche Folgen, auslösende Faktoren Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 21 Viele Beziehungsabbrüche I › Je mehr Beziehungsabbrüche und gescheiterte Hilfen in der Vorgeschichte, desto schlechter die Wirksamkeit der aktuellen Jugendhilfemaßnahme und desto höher das Risiko für weitere Abbrüche (EVAS, 2004, Schmidt et al. 2002). › Jeder Wechsel ist zudem mit Ressourcenaufwand / Kosten im Jugendhilfesystem verbunden. › Die Zahl der Beziehungsabbrüche geht mit einer höheren und schweren Delinquenz (Ryan & Testa 2004) sowie einer stärkeren Teilhabebeeinträchtigung (Aarons et al. 2010) auf dem weiteren Lebensweg einher. › Wesentlich höhere Folgenkosten im medizinischen Bereich (Rubin et al. 2004). Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 22 Irreguläres Ende der Massnahme Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 23 Viele Beziehungsabbrüche II › Je mehr Beziehungsabbrüche desto schlechter die Bindungsqualität und desto wahrscheinlicher Bindungsstörungen (Schleiffer 2002, Pérez et al. 2011). › Klienten mit positiven Beziehungserfahrungen haben einen besseren Verlauf bei psychosozialen Interventionen (Zersen et al. 2006, Skodol et al. 2007). › Im Sinne der aus der psychoanalytischen Familientherapie stammenden Replikationshypothese können viele Beziehungsabbrüche auch als unbewusste Wiederholung von innerfamiliären Beziehungserfahrungen betrachtet werden. › Beziehungsabbrüche belasten nicht nur die Heranwachsenden sondern auch die beteiligten Fachkräfte auf den Wohngruppen und die Pflegeltern, da diese ebenfalls eine emotionale Beziehung zu den Heranwachsenden aufgebaut haben. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 24 Abbrüche in der stationären Jugendhilfe Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften des „Psychopathy Konzepts“ RR = 3.2 RR = 1.9 RR = 1.9 Schmid et al. 2014 Kindheit und Entwicklung, 23(3), 161-173. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 25 Einfluss von psychischen Erkrankungen auf den Verlauf von Jugendhilfemassnahmen Irreguläres Massnahmenende % 20 18 16 14 12 10 Häufigkeit (%) 8 6 4 2 0 Keine Diagnose Eine Diagnose Zwei Diagnosen Mehr als drei (n = 124) (n = 145) (n = 109) (n = 105) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 26 Gliederung › Die Ausgangslage: Risikofaktoren, psychische Belastung von Heimkindern und deren Auswirkungen auf den Verlauf von stationären Hilfen. › Wann ist ein Fall psychiatrisch und wann sozialpädagogisch? Kann man die Seele eines Kindes teilen? › Ist das Thema aktuell oder ein Dauerbrenner? › Wie kann Kooperation gelingen? Welche Haltung braucht es? › DBT und Traumapädagogik – Unterschiede und Gemeinsamkeiten › Was brauchen die Kinder? Was brauchen die sozialpädagogischen Mitarbeiter von der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie? › Fazit und Diskussion Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 27 Martin Kühn, 2009 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 28 Eigentlich ein altbekanntes physikalisches Prinzip Reihenschaltung RGes = R1 + R2 Bei einer Reihenschaltung von Widerständen / psychosozialen Hilfen wird der Widerstand größer Parallelschaltung Rges = 1/R1 + 1/R2 Bei einer Parallelschaltung von Widerständen / psychosozialen Hilfen wird der Widerstand kleiner als die einzelnen Widerstände (vgl. RosenRunge 2009) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 29 Pädagogischer oder psychiatrische Falldefinition Ist die Seele eines Kindes teilbar? Es braucht eine gemeinsame interdisziplinäre Falldefinition mit geklärten Verantwortlichkeiten: „Das psychoreaktiv erkrankte Kind braucht Psychotherapie, weil es krank ist - und es braucht Pädagogik, weil es ein Kind ist.“ Heinz Stefan Herzka (Kinder- und Jugendpsychiater , Zürich) Es ist nicht möglich, einen Fall eines/er fremdplatzierten psychisch belasteten Heranwachsenden entweder nur aus einer rein kinder- und jugendpsychiatrischen/-psychotherapeutischen Perspektive oder aus einer rein pädagogischen Perspektive heraus zu betrachten - es braucht immer beide! - Eine kleine Demonstration. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 30 Gliederung › Die Ausgangslage: Risikofaktoren, psychische Belastung von Heimkindern und deren Auswirkungen auf den Verlauf von stationären Hilfen. › Wann ist ein Fall psychiatrisch und wann sozialpädagogisch? Kann man die Seele eines Kindes teilen? › Ist das Thema aktuell oder ein Dauerbrenner? › Wie kann Kooperation gelingen? Welche Haltung braucht es? › DBT und Traumapädagogik – Unterschiede und Gemeinsamkeiten › Was brauchen die Kinder? Was brauchen die sozialpädagogischen Mitarbeiter von der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie? › Fazit und Diskussion Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 31 Kooperation und Interdisziplinarität Hochaktuell oder „alter Wein in neuen Schläuchen“ Ein Buch zur „Erziehungskunst für Ärzte und Pädagogen“ (1914) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 32 Heilen und Bilden (1914) Ein Buch zur „Erziehungskunst für Ärzte und Pädagogen“ Alfred Adler und Carl Furtmüller sprechen in ihrem Untertitel von „Erziehungskunst“ - ein wunderbarer Begriff, der uns abhanden gekommen ist, wird im heutigen Allgemeinverständnis von pädagogischer und milieutherapeutischer Arbeit nicht mehr benutzt. Heute wird im Zusammenhang mit Fremderziehung von „aushalten“ oder „begleiten“ gesprochen. Das Wort „Kunst“ bezeichnet im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist (Heilkunst, Kunst der freien Rede). Im engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benannt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind. Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 33 Heilen und Bilden (1914) 100 Jahre alt und hoch aktuell Ein Buch zur Erziehungskunst für Ärzte und Pädagogen › Erziehungskunst: Spass und Freude daran, die Bedürfnisse des Kindes interdisziplinär zu entdecken und kreativ zu fördern. › Interdisziplinarität ein Buch für Ärzte und Pädagogen bzw. Pädagogen und Ärzte. › Teilhabe sicherstellen – sozialpsychiatrischer und sozialpädagogischer Auftrag für eine gute schulische Integration. › Sehr exakte Beschreibung von pädagogischen Problemen und den Beziehungsbedürfnissen der Kinder. › Adler und Furtmüller betonen die Bedeutung der Pädagogik zur Prävention von psychischen Erkrankungen/Neurosen im Kindesund Erwachsenenalter. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 34 Gliederung › Die Ausgangslage: Risikofaktoren, psychische Belastung von Heimkindern und deren Auswirkungen auf den Verlauf von stationären Hilfen. › Wann ist ein Fall psychiatrisch und wann sozialpädagogisch? Kann man die Seele eines Kindes teilen? › Ist das Thema aktuell oder ein Dauerbrenner? › Wie kann Kooperation gelingen? Welche Haltung braucht es? › DBT und Traumapädagogik – Unterschiede und Gemeinsamkeiten › Was brauchen die Kinder? Was brauchen die sozialpädagogischen Mitarbeiter von der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie? › Fazit und Diskussion Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 35 Einleitung Probleme bei der Kooperation und Vernetzung „Kooperation: Die Kunst, den Partner mit einem Kaktus zu streicheln .“ Carlo Franchi, ital. Autorennfahrer und Politiker Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 36 Was macht Kooperation so schwierig? › Unterschiedliche Professionen und Zugänge erschweren es, eine gemeinsame Haltung zu generieren. › Mangelnde Ressourcen auf beiden Seiten › Die betroffenen Familiensysteme halten Kontakte oft nicht aufrecht. Kommunikation verläuft oft in Triaden (Familie, JA KJPP, Institutionen) › Die komplexe Symptomatik der Heranwachsenden selbst (schwere Bindungsstörungen, etc.) und der vergleichsweise geringe Behandlungswunsch der Jugendlichen selbst. Nur 9% der psychisch belasteten Heimjugendlichen wünschen psychotherapeutische oder kinder- und jugendpsychiatrische Unterstützung obwohl über 80% psychisch belastet sind und die zuweisenden Sozialarbeiter eine Therapie wünschen (Mount et al. 2004) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 37 Was macht die Kooperation angeblich schwierig Die liebe Schweigepflicht Die Schweigepflicht ist sehr wichtig, ihre formale Einhaltung essentiell. Sie stellt aber bei einer partizipative und transparenten Grundhaltung kein Hindernis dar! Es gibt doch vielr „gute Gründe“ miteinander zu reden!. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 38 Umgang mit der Schweigepflicht Eine Herausforderung für die Liaison? › Wem möchte ich was, warum erzählen – was soll und wird zwischen uns bleiben? › In Anbetracht der enthemmten Bindungsmuster und den Problemen der Patienten, die Intimität von Beziehung einzuschätzen und zu gestalten – finde ich es wichtig, dass wir diese Themen aktiv reingeben und eher überbetonen und mit dem Patienten aktiv lösen. › Ich habe es noch nie erlebt, dass ich etwas, was mir wichtig ist, nicht erzählen durfte. › Viele Heimjugendlichen haben entweder die Vorstellung, dass sich niemand für sie interessiert und alle ständig über sie reden. › Es scheint mir wichtig, sie für verschiedene Intimitätsgrade von Beziehungen zu sensibilisieren. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 39 Enge Kooperation, weil…. Zusammenspiel von Therapie und Pädagogik › Man verfolgt die gleichen Ziele und ist gemeinsam Stärker. › Themen aus dem Alltag in der Therapie › Informationen aus der Therapie in die Pädagogik › Unterstützung des Transfers des in der Therapie gelernten Vermittelten Verhaltens in den Alltag. › Gemeinsame Interventionen und Verhandlungen › Regelmässige gemeinsame Auswertung › Mit Fachkräften sollte genau so intensiv gearbeitet werden, wie mit Eltern. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 40 Pädagogische Haltungen nach Jesper Juul Vier Werte, die Kinder brauchen gelten auch für kooperationsbeziehungen › Gleichwürdigkeit › Authentizität › Integrität › Verantwortung „Man muss nicht das Licht des anderen ausblasen, um das eigene leuchten zu lassen.“ Aus Griechenland Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 41 Ansatzpunkte der Therapie von Traumafolgestörungen (Trauma-)Psychotherapie Therapie der Traumafolgestörungen im Alltag Therapie mit Einbezug der traumatischen Erinnerung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 42 Ansatzpunkte der Therapie von Traumafolgestörungen Traumapädagogik (Trauma-)Psychotherapie Therapie der Traumafolgestörungen im Alltag Therapie mit Einbezug der traumatischen Erinnerung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 43 Diagnostik und Beratung Psychopharmakologische Unterstützung Krisenintervention Fall- und Teamberatung Teamsupervision – Einzelcoaching für Fachkräfte KooperationsMöglichkeiten der Klienten Intensität der psychotherapeutischen Behandlung „Psychotherapeutische Begleitung“ Psychotherapeutische Gruppenangebote Psychotherapie Traumaspezifische Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 Psychotherapie Möglicher/ notwendiger Zeitaufwand pro Klient | 44 Gemeinsame Falldefinition Kinderund Was muss das Kind lernen, jugend um seine Symptome psychiatrischer /psychoaufgeben zu können? Unterstützung: Welche alternativen Beziehungserfahrungen therapeutischer Alltag Bereich sollte es machen? Milieutherapie SozialPädagogischer Bereich Erlebnispädagogik Elterngespräche Förderung Einzelkontakte Resilienzstunden Übersetzungsleistung: Symptome in pädagogische Probleme - vice versa Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 Unterstützung: Beratung/ Psychotherapie Medikation Krisenintervention | 45 Wie entstehen Therapieziele? Beschwerden Beschwerden Beschwerden Therapieziele Beschwerden Beschwerden Beschwerden ›Therapieziele Beschwerden Beschwerden Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 46 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 47 Verhaltensnahe – filmbare Ziele Das Ziel muss filmbar sein, ich muss mir ein konkretes Bild/Bildsequenz von meinem Zielverhalten vorstellen können. › Kognitiv (Was ist mein Ziel? Wie muss ich mir das vorstellen? Was bedeutet das Zielverhalten für mich?) › Affektiv (Wie fühlt sich das erreichte Ziel an? Welche Gefühle gehen mit dem Ziel einher?) › Körper (Wie fühlt sich mein Körper an?) › Motivational (Was bin ich bereit für das Ziel zu investieren/ zu riskieren?) › Verhalten (Was tue ich dann? Was habe ich gelernt, um das Ziel zu erreichen?) „Kaum verloren wir das Ziel aus den Augen, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“ Mark Twain › Systemisch (Was machen die Anderen, wenn ich mein Ziel erreicht habe, wie reagieren sie auf mich?) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 48 Sprache bei der Zielerreichung › Verwenden Sie keine Verallgemeinerungen wie immer, nie, ständig benutze eine Sprache, die Veränderung impliziert. › Mit den Zeiten arbeiten bisher ……. Zukünftig wollen Sie ………………? › Beschreibe das Zielverhalten in Familien von Beginn an als Wunsch nicht als Vorwurf - VW-Regel. › Suche konkrete Beispiele, in denen Ansätze des Zielverhaltens bereits gezeigt wurde und verwende diese als Ressource. › Benennen Sie, was Sie an einer Zielerreichung warum freuen würde – arbeiten Sie die positiven Aspekte für den Klienten und seine Beziehungen heraus. › Verwenden Sie so häufig wie möglich, das therapeutische Zauberwort „noch nicht“. › Verwenden Sie aktive Verben für das Verhalten im Zielzustand. Beschreiben Sie das Zielverhalten möglichst verhaltensnah und konkret. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 49 Therapiebeginn und Zieldefinition Der zentralste Punkt jeder Psychotherapie „Das Wichtigste bei einer erfolgreichen Therapie ist, dass man zu Beginn ein lösbares Problem definiert.“ Jay Haley (1923-2007) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 50 50 Realistische Erwartungen Niemand kann zaubern 5% 50% 50% Implizite und explizite Auftragsklärung – „filmbare“ Ziele Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 51 Gliederung › Die Ausgangslage: Risikofaktoren, psychische Belastung von Heimkindern und deren Auswirkungen auf den Verlauf von stationären Hilfen. › Wann ist ein Fall psychiatrisch und wann sozialpädagogisch? Kann man die Seele eines Kindes teilen? › Ist das Thema aktuell oder ein Dauerbrenner? › Wie kann Kooperation gelingen? Welche Haltung braucht es? › DBT und Traumapädagogik – Unterschiede und Gemeinsamkeiten › Was brauchen die Kinder? Was brauchen die sozialpädagogischen Mitarbeiter von der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie? › Fazit und Diskussion Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 52 Einführung in die Traumapädagogik „Man ist dort zu Hause, wo man verstanden wird.“ Indianisches Sprichwort Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 53 Zwei Ebenen der Emotions- und Beziehungsregulation Aktuelle Gefühlsreaktionen (nicht nur eigene) werden heftiger und als potentiell bedrohlich erlebt Gegenwärtige Wirklichkeit Wahrnehmung Körperreaktion Gedanken Handlungsdrang „Normale“ Beziehungen Gefühle Vergangenes traumatisches Erleben Wahrnehmung Körperreaktion Gedanken Gefühle Handlungsdrang = Freeze/Fight/Flight „Gefährliche“ Beziehungen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 „Glaubenssätze“ „Selbstbild“ | 54 Wirkungsweise der Milieutherapie Gegenwärtige Wirklichkeit Wahrnehmung Körperreaktion Gefühle Gedanken Handlungsdrang ´Traumapädagogisches Milieu / Therapie Korrigierende Erfahrungen mit Gefühlen und Beziehungen im pädagogischen Alltag. Schutz vor Retraumatisierung und den damit verbunden Gefühlen. Wahrnehmung Körperreaktion Gefühle Gedanken Vergangenes traumatisches Erleben Handlungsdrang Förderliche Beziehungsgestaltung Wahrnehmung Körperreaktion Gefühle „Glaubenssätze“ und Gedanken „Selbstbild“ verändern sich nur durch Handlungsdrang = Freeze alternative Beziehungserfahrungen und gute Therapie. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 55 Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir – Überspitzt das klassische Modell Erziehungsmassnahmen zur Veränderung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 56 Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir – Überspitzt das klassische Modell Kind muss sich verändern Erziehungsmassnahmen zur Veränderung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 57 Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir Interaktion pädagogische Begegnung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 58 Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir Die Beziehungsfähigkeit des Kindes soll sich verbessern? Wie können wir gemeinsam unsere Ziele erreichen und die Entwicklungsaufgaben des Kindes erfüllen? Interaktion pädagogische Begegnung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 59 Kinder- und jugendpsychiatrische Unterstützung Andere Perspektive auf die Gestaltung von förderlichen pädagogischer Interaktionen › Wie beeinflusst eine psychische Erkrankung die Interaktionen zu den pädagogischen Fachkräften? › Welches bio-psycho-sozialen Bedingungen/ Lernerfahrungen könnten dazu beigetragen haben, dass ein Klient solche Beziehungsangebote macht bzw. dieses „problematisierte“ Verhalten zeigt. › Was brauchen beide Parteien, dass die Interaktionen effektiver/weniger belastend gestaltet werden können? Wie beeinflusst das Wissen um den guten Grund des kindlichen Verhalten die pädagogische Haltung/Intervention? › Was brauchen wir (Kind/Jugendliche/r, Mitarbeiter und Institution) um weiter gut zusammenarbeiten zu können? Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 60 Neue Beziehungserfahrungen führen zu Veränderung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 61 Dialektisch Behaviorale Therapie Therapiebausteine › Einzeltherapie zweimal Wöchentlich 50 min › Telefonberatung/-bereitschaft › Skills-Training in der Gruppe › Supervision (am besten mit Video- oder Tonträgeraufzeichnungen) › Interdisziplinärer Austausch aller Beteiligten, Einbezug von Medikation, Sozialarbeit 62 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 Dialektisch Behaviorale Therapie Grundideen der DBT Hauptprobleme in der Therapie von Borderlinepatienten: › Durch die Instabilität des Lebens und der Beziehungen vieler („aller“) Borderlinepatienten ist es sehr schwer, kontinuierlich Themen in der Therapie zu bearbeiten. › Borderlinepatienten fühlen sich bei sehr direktiven auf Veränderung bedachten Therapien oft unverstanden. › Non-direktive Therapien sind oft wenig zielführend und der Patient erlebt sich in seinem Leidensdruck und Wunsch nach „rascher“ Veränderung als nicht ernst genommen. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 63 Traumapädagogik und DBT Die Unterschiede › Unterschiedlichen Wurzeln und Aufträge › DBT ist Psychotherapie und Traumapädagogik ist Pädagogik!!! › Die DBT ist ein manualisiertes Therapieverfahren – Traumapädagogik lässt sich schwerer manualisieren. › Die DBT gibt ein klaren Rahmen vor › Die DBT baut auf eine bewusste Entscheidung zur Therapie und eine Veränderungsmotivation auf. › Die DBT hat eine klare Hierarchie der Therapieziele – die für die Jugendhilfe etwas adaptiert werden sollten (Schmid, 2008) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 64 Dialektisch Behaviorale EinzelTtherapie Hierarchie der Therapieziele in der Jugendhilfe 1. Gefahren für Leib und Leben – Suizidales Verhalten 2. Verhalten, dass den Verbleib in der stationären Wohngruppe gefährdet. 3. Verhalten, dass die Zusammenarbeit in der Therapie gefährdet 4. Verfahren, dass die Lebensqualität reduziert und die weitere Entwicklung gefährdet ( Drogenmissbrauch, pathologisches Sexualverhalten, etc..) 5. Fertigkeitentraining 6. Bearbeitung dysfunktionellen Schemata - Selbstbild Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 65 Traumapädagogik und DBT Die Gemeinsamkeiten › Ähnliche ätiologische Modelle – emotionale Invalidierung / sequentielle Traumatisierung . › Quasi identische Ansatzpunkte für pädagogische und therapeutische Interventionen. › Focus auf Stabilisierung › Betonung der Haltung – Verhältnis zu Regeln › Die Idee, dass die Fertigkeiten auch für die Bezugspersonen relevant sind. › Betonung der persönlichen Grenzen der Fachkräfte. Strukturelle Einbindung von Supervision und Intervision. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 66 Das Gemeinsame Ähnliche ätiologische Modelle Invalidierendes bzw. traumatisierendes Umfeld Traumapädagogisches Milieu/ validierende Beziehungen › Unberechenbarkeit › Transparenz /Berechenbarkeit › Einsamkeit › Beziehungsangebote/ Anwaltschaft › Nicht gesehen/gehört werden › Beachtet werden/wichtig sein › Geringschätzung › Wertschätzung (Besonderheit) › Kritik und Entmutigung › Lob und Ermutigung › Bedürfnisse missachtet › Bedürfnisorientierung › Ausgeliefert sein – andere › Mitbestimmen können Bestimmen absolut über mich Partizipation › Leid › Freude Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 67 Folge: Emotionsphobie Spannungsreduktion „Emotionsphobie“ Selbstverletzung Parasuizid Weglaufen Aggression Dissoziation Konsum Stimulus Emotion negiert Reaktion inadäquat Spannungsanstieg Das Dilemma ist, dass diese Patienten entweder zu viel oder zu wenig von ihren Gefühlen wahrnehmen! (van der Hart) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 68 Die Gemeinsamkeiten Quasi identische Ansatzpunkte für Interventionen DBT-Fertigkeitentraining Traumapädagogische Förderung › Psychoeduaktion › Konzept der Selbstbemächtigung › Achtsamkeitstraining › Verbesserung der Sinnes- und Körperwahrnehmung › Training der Emotionstregulation › Verbesserung der Fertigkeiten der Emotionsregulation › Training der Stresstoleranz › Selbstfürsorge- Selbstwirksamkeit › Training der Sozialen Fertigkeiten › Aufbau von positivem Selbstbild › Erarbeitung von dynamischen Resilienzfaktoren. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 69 Emotionsregulation Ansatzpunkte Emotionen möglichst früh wahrnehmen um sein Verhalten frühzeitig daran ausrichten zu können. Wie kann man Emotionen gegebenenfalls abschwächen? › Akzeptieren, dass ich dieses Gefühl habe . › Entgegengesetzt handeln. › Entgegengesetzt denken. › Entgegengesetzte Körperhaltung einnehmen. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 70 Arbeit mit Emotionen: Ausgangsniveau Anspannung Individueller Ausflippbereich Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 71 t Emotionen in der Psychotherapie Psychotherapeutischer Umgang mit Grundemotionen › Angst: Angstbewältigungstraining, Anspannungsniveau › Scham: In der psychotherapeutischen Beziehung bearbeiten – zentrales oft unterschätztes Thema › Ekel: Konfrontation: Habituation und kognitive Umstrukturierung Bewältigungserfahrungen. › Schuld: Kognitiv emotionale Umstrukturierung – Visualisierung (z.B. Knetkugeln, Tortendiagramme). › Wut: Konjunktiv Therapie, Ärgerbewältigung/-ausdruck. › Trauer: Beistand leisten, aktivieren, Rituale – verdeckte und negierte Wut beachten. › Freude: Nicht vergessen und in der Therapie leben! Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 72 Umgang mit Emotionen in der verhaltenstherapeutisch orientierten Beratung, Psychotherapie und Supervision real der Situation weitgehend angemessenen Auslösendes Ereignis Emotionale Validierung Emotion real der Situation „angemessenen“ Jede emotionale Reaktion ist, wie sie ist und prinzipiell richtig! Emotion Emotion für das auslösende Ergebnis inadäquat stark Verhaltensanalyse Soziales Problemlösen - Rollenspiel Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 Exposition, Emotion abschwächen, Bewältigungserfahrung und Neubewertung | 73 Förderung der Emotionsregulation Ansatzpunkte Traumapädagogik › Sensibilisierung für das Erkennen von eigenen Emotionen (Psychoedukation, Validierung, Protokolle) › Unterstützung beim Erkennen der Gefühle von Interaktionspartnern (Reflektion und Psychoedukation) › Förderung des Selbstverstehens › Emotional nachvalidierendes Umfeld › Vulnerabilität für negative Emotionen reduzieren › Förderung des adäquaten und sozial akzeptierten Emotionsausdrucks. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 74 Emotionale Verwundbarkeit reduzieren › Ritualisierte Alltagsabläufe – Ruhephasen im Alltag › Rückzugsräume – beruhigendes Umwelt – Farben/Pflanzen › Ausreichend Schlaf › Viel Bewegung › Gesunde Ernährung › Ausreichend trinken (Dehydration verstärkt Dissoziation) › Keine Drogen (THC) › Behandlung von körperlichen Erkrankungen › Soziale Alltagsprobleme ansprechen und abschliessen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 75 Das Gemeinsame Focus auf Stabilisierung “If your house is burning you don’t ask who was the architect.” Marsha M. Linehan Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 76 Das Gemeinsame Ähnliche Haltung › Mit traumatisierten Kindern eskalieren viele Situationen, bei denen die Einhaltung von Regeln eingefordert wird. › Starre Gruppenregeln überfordern besonders belastete Kinder häufig. › Die meisten Regelübertretungen und die damit einhergehende Eskalation können als Kontrollverlust erklärt werden. › Je rigider die Anwendung von Regeln desto unsicherer sind in der Regel die Fachkräfte. › Regeln werde daher individuell ausgehandelt und begründet (Selbstwirksamkeit; Regeln sichern gute Beziehungen). › Regeln sollen personifiziert und internalisiert werden (familienähnliche Struktur). http://www.phpresource.de/forum/atta chments/out-order/2455d1181334360na-toll-na-toll.jpg › Regeln sind dazu da, Ausnahmen zu begründen! Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 77 Das Gemeinsame Grundhaltung Verhaltensorientierte Interventionen vs. therapeutisches Containment Drang zur Veränderung Akzeptanz & Validierung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 78 Das Gemeinsame Achtsam auf eigene Grenzen: Narzissmusfalle Mitarbeiter zieht sich zurück oder reagiert über. Auftreten der Symptomatik, Entwertung des Mitarbeiters. Narzissmusfalle Jugendlicher macht „besonderes“ Beziehungsangebot. Mitarbeiter fühlt sich unwohl, überfordert, emotional stark involviert. Jugendliche/r „testet“ Beziehung aus, Reinszenierung von Abbrüchen, Beziehungserfahrungen. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 Jugendliche/r fordert Beziehung immer stärker und intensiver ein. Hält diese intensive Beziehungen kaum aus. | 79 Das Gemeinsame: Achtsam auf pers. Grenzen Mittlerer Abstand in der Beziehungsgestaltung „Der Verstand kann uns sagen, was wir unterlassen sollen. Aber das Herz kann uns sagen, was wir tun müssen.“ Joseph Joubert Emotionales Engagement Reflektierende/ professionelle Distanz Dammann 2006, Schmid 2007 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 80 Dialektische Grundhaltung Anwendung auf Kooperationsprobleme Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 81 Antizipation von Problemen in der Kooperation „ Ärger, den man nicht gehabt hat, hat man nicht gehabt.“ Eckhart von Hirschhausen › Definition der stationären Behandlungsbedürftigkeit › Antizipation von Krisen – gemeinsamer Krisenplan › Niederschwellig › Rechtzeitig › Personelle Kontinuität › Gleichwürdigkeit Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 82 Ausgestaltung der Heimerziehung Balance zwischen «Reparaturbetrieb» und Lebensort Lebensort Normalisierung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 Behandlungsort Spezifische Förderung Besserung | 83 Balance: Zeit für qualifizierte Diagnostik „Ein Experte ist jemand der hinterher genau erklären kann warum seine Prognose nicht gestimmt hat“ Sir Winston Churchill Zeit für eine gute Diagnostik und qualifizierte Platzierungsentscheidung Leidensdruck und aktiviertes Bindungssystem verursachen Zeitdruck „Sicherer Ort“ für Platzierungsentscheidung als Übergang definieren Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 84 Balance: Kontinuitätsplanung ohne Rigidität „Leben ist das was passiert, während Du eifrig dabei bist andere Pläne zu machen“ John Lennon Langfristige auf Kontinuität der Betreuung ausgerichtete Hilfeplanung Reagieren auf veränderte Lebensbedingungen und Bedürfnisse der Familie Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 85 Balance zwischen den Bedürfnisse der Gruppe und der einzelnen Bewohner „Der reißende Fluss wird gewalttätig genannt. Warum nicht das Flussbett, welches ihn einengt?“ Bertolt Brecht Optimale Ausgestaltung der Hilfe für das einzelne Kind und seine psychische Belastungen Individualisierung Optimale Ausgestaltung der Hilfe für alle Kinder einer Wohngruppe Orientierung an Bedürfnissen der Gruppe Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 86 Individualisierung Gleiche Ausgangslage für alle? Im Sinne einer gerechten Auslese lautet die Prüfungsaufgabe für alle gleich: „Klettern Sie auf einen Baum!“ Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 87 Balance: Zum richtigen Zeitpunkt aufgeben oder gemeinsam durchhalten „Es gibt mehr Leute, die kapitulieren, als solche die scheitern.“ Henry Ford Einen schwierigen Verlauf beenden, um neue Chancen an einem anderen Ort zu eröffnen. („Spezialeinrichtung“) Krisen gemeinsam durchstehen – neue Beziehungserfahrungen ermöglichen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 88 Das Gemeinsame Grundidee Eltern und Fachkräfte brauchen dieselben Fertigkeiten › Eltern und Fachkräfte benötigen dieselben Fertigkeiten und Resilienzfaktoren wie ihre Kinder/Klienten: Achtsamkeit/Sinneswahrnehmung Emotionsregulation Soziale Fertigkeiten Stresstoleranz / Kontrolle von Kampf und Fluchtimpulsen Soziales Problemlösen › Prinzip der emotionalen Validierung › Neudefinition von Beziehungen (Entwicklung) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 20. Juli 2013 | 89 Das Gemeinsame Supervision, Intervision und Unterstützung › Es gilt als Selbstverständlich, dass die Arbeit mit derart belasteten Patienten und die empathische Beziehungsgestaltung zu Ihnen die Fachkräfte sehr herausfordert und Sie dabei Unterstützung benötigen. › Supervision und gemeinsame Fallbesprechungen sind fest in den Konzepten implementiert. › Psychohygiene und Resilienzfaktoren der Fachkräfte werden gestärkt und dafür werden Strukturen geschaffen. › Selbstreflektion und Supervision ist wichtiges Qualitätsmerkmal und Zeichen von Professionalität. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 90 Institution Fallreflektion Leitung „Versorger„ „Fachdienst“ Fallreflektion „Gruppenpädagogen“ Kind Externe Hilfen: Kinder- und jugendpsychiatrische Liaison, Supervision | Drei Ebenen der Unterstützung › Administrative Ebene (eher Fachdienst) › Abläufe › Fachliche Weisungen › Rechtliche Rahmenbedingungen › Edukative Ebene › Vermittlung von Wissen, Techniken › Fallverstehen › Supportive Ebene › Emotionale Unterstützung/Entlastung › Verständnis Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 92 Gliederung › Die Ausgangslage: Risikofaktoren, psychische Belastung von Heimkindern und deren Auswirkungen auf den Verlauf von stationären Hilfen. › Wann ist ein Fall psychiatrisch und wann sozialpädagogisch? Kann man die Seele eines Kindes teilen? › Ist das Thema aktuell oder ein Dauerbrenner? › Wie kann Kooperation gelingen? Welche Haltung braucht es? › DBT und Traumapädagogik – Unterschiede und Gemeinsamkeiten › Was brauchen die Kinder? Was brauchen die sozialpädagogischen Mitarbeiter von der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie? › Fazit und Diskussion Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 93 Fazit › Traumatische Erfahrungen und Psychische Erkrankungen sind in der stationären Jugendhilfe die Regel, nicht die Ausnahme. › Die hohe psychische Belastung von fremdplatzierten Kindern rechtfertigt eine kinder- und jugendpsychiatrische Abklärung (Screening) bei jedem neu aufgenommenen Klienten. › Pädagogische Fachkräfte leisten unglaublich viel in der Betreuung dieser schwer belasteten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Heimerziehung ist sehr erfolgreich und kosteneffektiv. › Psychisch belastete Kinder die nicht bei ihren Eltern aufwachsen können brauchen Therapie und eine (trauma-)sensible pädagogische Begleitung. › Für die Zusammenarbeit zwischen Psychotherapie und Sozialpädagogik sollten institutionelle Strukturen auf den verschiedenen funktionsträgerebenen geschaffen werden. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 94 Fazit › Viele Heranwachsende leiden unter komplexen, schwer zu behandelnden Störungsbildern. Ihre belastenden Beziehungserfahrung erschweren die pädagogische und psychotherapeutische Arbeit – höheres Abbruchrisiko. › Eine Kombination von DBT und Traumapädaogik adressiert ähnliche Ziele mit vergleichbaren Haltungen, weshalb sich das gut kombinieren lässt. › Zentral ist die Förderungen des Verständnisses dafür, wie die psychische Belastung und Bindungsvorerfahrungen die pädagogische Beziehungen beeinflussen. › Die Selbstwirksamkeit der sozialpädagogischen Fachkräfte ist der Schlüssel zu erfolgreicher Heimerziehung – das ist im Wesentlichen eine Haltungsfrage. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 95 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Auf die Haltung kommt es an! „Haltung ist eine kleine Sache, die einen grossen Unterschied macht.“ Sir Winston Churchill Slides unter www.EQUALS:CH http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:C hurchill_V_sign_HU_55521.jpg&filetimestamp=2 0080414235020 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 96 Kontakt und Literatur Marc Schmid Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Schanzenstrasse 13, CH-4056 Basel +41 61 265 89 74 [email protected], www.upkbs.ch www.equals.ch www.IPKJ.ch Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 97 Haltungselemente Ebene des Kindes in der Pädagogik Kooperationspartner Gleichwürdigkeit Wertschätzung der Bedürfnisse des Kindes als Gleichwertig mit denen der Erwachsenen Gleiche Wertschätzung der Profession, Arbeitsleistung der beteiligten Kooperationspartner. Authentizität Man reagiert dem Kind gegenüber authentisch und kommuniziert seine Grenzen, Motive und Emotionen transparent. Man reagiert dem Kooperationspartner gegenüber authentisch und kommuniziert seine Grenzen, Motive und Emotionen transparent. Integrität Die Eltern /Pädagogen achten auf ihre eigene Integrität und achten die Integrität ihrer Kinder. Grenzen, Kompetenzen und Autonomiebedürfnisse der Kinder werden gewahrt. Jeder Kooperationspartner und Disziplin achtet auf ihre eigene Integrität und beachtet die der anderen. Die Grenzen aber auch die ureigensten Kompetenzen der eigenen Profession werden gewahrt und bewusst eingebracht. Verantwortung Die Eltern/Pädagogen übernehmen ihre Verantwortung übertragen dem Kind aber auch die seinem Entwicklungstand entsprechende Eigen- Verantwortung und unterstützen die Kinder ihre Verantwortung adäquat zu übernehmen. Es wird besonders beim Kind auf seine Stärken geachtet, die Dinge die gut funktionieren werden verstärkt und intensiv reflektiert. Die Kooperationspartner übernehmen Verantwortung für ihre Belange und übertragen und lassen die Verantwortung bei anderen Kooperationspartner Ressourcenorientieru ng Freude Es wird gemeinsam gelacht und Aktivitäten die Freude machen werden gemeinsam untermauert Es wird besonders auf Stärken des Kooperationspartners geachtet und die Dinge die gut funktionieren werden verstärkt und nochmals reflektiert. Freude in der Kooperation leben, sich auch ausserhalb der Fallarbeit für einander interessieren. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 98 Haltungselemente Ebene des Kindes Kooperationspartner Unbedingte Wertschätzung Wertschätzung der Überlebensleistung und der Besonderheit des Kindes. Wertschätzung der Profession, Arbeitsleistung . "Guter Grund" Hinter jedem Problemverhalten und Widerstand des Kindes steckt ein "guter Grund". Hinter Fehlverhalten oder Widerstand eines Kooperationspartners steckt "ein guter Grund". Individualisierung Jedes Kind benötigte eine andere Förderung und es darf nicht über- und unterfordert werden. Auf die Bedürfnisse der Kinder wird individuell eingegangen. Jeder Kooperationspartner und Disziplin. Hat spezifische Stärken die Sie in den Hilfeprozess einbringen kann. Achtsamkeit Achtsamkeit auf Spannungszustände, Anzeichen Achtsamkeit auf Verhaltensweisen, die sich von Über- und Unterforderung. negativ auf die Kooperation und die Beziehung der Partner auswirken könnten. Transparenz Das Kind wird über alle für das Kind relevanten Abläufe informiert und die Motive der Erwachsenen werden offen gelegt und gegebenenfalls erklärt Ich informiere die Kooperationspartner Transparent und zeitnah über die Abläufe, Geschehnisse (d.h. auch die Probleme) und die Motive werden offen gelegt und erklärt Partizipation Wichtige Entscheidungen und Regelungen werden gemeinsam ausgehandelt. Das Kind darf, wo immer möglich, (mit)entscheiden. Wichtige Entscheidungen und Regelungen werden gemeinsam ausgehandelt. Kooperationspartner können, wo immer möglich, (mit)entscheiden. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 24. November 2014 | 99 Dialektisch Behaviorale Therapie Therapeutische Grundannahmen › Borderline Patienten: › Versuchen, das Beste aus ihrer gegenwärtig verheerenden Situation zu machen. › Wollen sich verbessern › Müssen sich stärker anstrengen, härter arbeiten und stärker motiviert sein, um sich zu verändern – dies ist ungerecht › Haben ihre Probleme in der Regel nicht alle selbst verursacht, müssen sie aber selbst lösen › Müssen neues Verhalten im relevanten Kontext erlernen › Können in der DBT nicht versagen › Das Leben suizidaler Borderline-Patienten ist so, wie es gegenwärtig gelebt wird, in der Regel unerträglich › Therapeuten, die mit Borderline-Patienten arbeiten, brauchen Unterstützung. 100 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch 24. November 2014 |