27.09.2015 Psychisch belastete Kinder und Jugendliche verstehen, sichern, stärken Sucht Qualifizierungsprogramm, Modul 4 – SOS-Kinderdorf e.V. Fulda 30.09.2015 Nils Jenkel KJPK Basel | 2 1 27.09.2015 Einleitung Warum nehmen Menschen Drogen? › Drogen kommen in fast allen Kulturen vor! › Genuss-/Suchtmittel sind Kulturgüter mit einer langen Tradition. › Wir sind eine Suchtgesellschaft, die zwischen legalen und illegalen Substanzen unterscheidet! › Der verantwortliche Umgang mit legalen Suchtmitteln und ein Ausprobieren ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe! | 3 Warum nehmen Menschen Drogen? Aussagen von Abhängigen › Das Besondere des Drogenkonsums wie › Gemeinschaft in der Szene › Überwindung von Hemmungen › Besonders sein › Positive Gefühle und Erlebnisse wie › Angenehme Gefühle › Mehr Lust › Aufregendes Abenteuergefühl › Erlebnisreicher Sex › Vermeidung von Unangenehmen wie › Abschalten › Keine Aufregungen › Schmerz beseitigen, nicht arbeiten › Abschirmung von Konflikten in der Familie Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch 27. September 2015 | | 4 2 27.09.2015 Substanzkonsum als Coping › Alkohol ist ein gutes Lösungsmittel! › Er löst : › Freundschaften › Bekanntschaften › Ehen › Arbeitsverträge › Mietverträge › Bankkonten › Leber- und Gehirnzellen. › Nur keine Probleme! | 5 Substanzkonsum im Jugendalter Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2011 › Zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr konsumieren nahezu alle Jugendlichen zum ersten Mal Alkohol. › Der häufigste Einstieg in den Cannabis-Gebrauch erfolgt zwischen dem 14. und 15. Lebensjahr. › Etwa 10% der Jugendlichen entwickeln ein manifestes Drogenproblem. › Das Jugendalter ist der Entwicklungsabschnitt, in dem der Suchtmittelkonsum an Bedeutung gewinnt. | 6 3 27.09.2015 Substanzkonsum bei Jugendlichen Risiken höher als bei Erwachsenen, weil 1 Gehirn „ist anfälliger“ 2 Neuronale Unreife (Neigung zu Risikoverhalten: rationale Kontrolle < emotionale Handlungsimpuls) 3 Geringere Alkoholtoleranz und grössere Unerfahrenheit (Körpergewicht) 4 Gefährliche Trinksituationen (im öffentlichen Raum / Verkehr) 5 Mangelnde Fahrpraxis 6 Sexuell aktive Zeit (ungeschützter Sex, sexuelle Übergriffe) 7 Mädchen erreichen bei gleichem Alkoholkonsum einen fast doppelt so hohen Promillewert! | 7 Folgen von Substanzkonsum im Jugendalter › insbesondere häufiger Konsum und Rauschtrinken sind mit negativen Konsequenzen assoziiert: › Gewalt (als Täter und Opfer) › sexuelles Risikoverhalten › Unfälle, Verletzungen und Spitalweinweisungen › Probleme in der Schule (Schwänzen, Leistungsabfall) › Probleme mit Eltern und Freunden. › auch Zusammenhänge zwischen Substanzkonsum und Suizidalität, kognitiven Leistungen und psychischer Komorbidität | 8 4 27.09.2015 Substanzgebundene Störungen & Komorbidität › Psychische Störungen: › Hohe Komorbidität mit › Störung des Sozialverhaltens (28-62%) › Depressive Störungen (16-61%) › Alle (12-38%) › Angststörungen, Essstörungen, Borderline-Störung › Psychosen › „Doppel-Diagnosen“ › Körperliche Störungen: › Vergiftungen, Infektionen (HIV) | 9 MAZ. «Top-Diagnosen», N=483 | 10 5 27.09.2015 Substanzkonsum in der stationären KJH Lifetime lifetime prevalence of alcohol use disorders is approximately 8% and illicit drug use disorders is 2-3% (Merikangas, 2012) Boys Girls Lifetime prevalence of mental disorders (n=355) SUD 25.7 (57) 32.3 (43) Alcohol 8.6 (19) 11.3 (15) Cannabinoids 21.6 (48) 23.3 (31) | 11 Heimjugendliche Sehr früher Beginn von Substanzkonsum › Erster Nikotinkonsum mit 11 Jahren (13/14) › Erster Alkoholkonsum im Schnitt mit 12 Jahren (12 - 15) › Erster Cannabiskonsum mit 14 Jahren (14/15) › Erster Rausch im Schnitt mit 14 Jahren › Etwa 10% der Jugendlichen entwickeln ein manifestes Drogenproblem | 12 6 27.09.2015 Was ist Sucht? Definitionen, Diagnostik Sucht ist ein Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge. «Sucht» = eine zwanghafte und unkontrollierte Verhaltensweise, die den Konsum einer psychotropen Substanz trotz negativer Konsequenzen beinhaltet und den Charakter einer „Störung“ aufweist. Ein unbezwingbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen des Individuums. Klassifikation von substanzgebundenen Störungen | 14 7 27.09.2015 Riskanter und chronischer Alkoholkonsum Die Dosis macht das Gift Riskanter Konsum: mehr als 4 Standardgetränke pro Tag bei Männern und mehr als 2 bei Frauen Chronischer Konsum: häufiger als 3 x pro Woche risikoreicher Konsum 10% der Bevölkerung mit chronischem Alkoholkonsum Nimmt mit dem Alter nicht stetig ab Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch Rauschtrinken/ «Binge drinking» Die Dosis macht das Gift Rauschtrinken: 4 Standardgetränke oder mehr bei einer Gelegenheit bei Frauen, 5 Standardgetränke oder mehr bei Männern Mehr als 1/3 der jungen Erwachsenen weisen zumindest einmal monatlich Rauschtrinken auf Nimmt mit dem Alter stetig ab Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch 8 27.09.2015 Schädlicher Gebrauch (F1x.1) Diagnostische Kriterien a. Deutlicher Nachweis, dass der Substanzgebrauch verantwortlich ist für die körperlichen und psychische Probleme, einschliesslich der eingeschränkten Urteilsfähigkeit oder des gestörten Verhaltens, das evtl. zu Behinderung oder zu negativen Konsequenzen in den zwischenmenschlichen Beziehungen geführt hat. b. Die Art der Schädigung sollte klar bezeichnet werden können. c. Das Gebrauchsmuster besteht mindestens seit einem Monat oder trat wiederholt in den letzten zwölf Monaten auf. d. Auf die Störung treffen die Kriterien einer anderen psychischen oder Verhaltensstörung bedingt durch dieselbe Substanz zum gleichen Zeitpunkt nicht zu (ausser akute Intoxikation F1x.0). Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 27. September 2015 | 17 Abhängigkeitssyndrom (F1x.2) Diagnostische Kriterien, mind. 3, mind. 12 Monate 1. Ein starkes Verlangen oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren. 2. Verminderte Kontrolle über den Substanzgebrauch (über Beginn, Beendigung oder die Menge des Konsums, d.h., dass mehr von der Substanz konsumiert wird oder über einen längeren Zeitraum als geplant und an erfolglosen Versuchen oder dem anhaltenden Wunsch, den Substanzkonsum zu verringern oder zu kontrollieren). 3. Ein körperliches Entzugssyndrom (siehe F1x.3 und F1x.4), wenn die Substanz reduziert oder abgesetzt wird, mit den für die Substanz typischen Entzugssymptomen oder auch nachweisbar durch den Gebrauch derselben oder einer sehr ähnlichen Substanz, um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 27. September 2015 | 18 9 27.09.2015 Abhängigkeitssyndrom (F1x.2) Diagnostische Kriterien, mind. 3, mind. 12 Monate 4. Toleranzentwicklung gegenüber den Substanzeffekten. Für eine Intoxikation oder um den gewünschten Effekt zu erreichen, müssen grössere Mengen der Substanz konsumiert werden, oder es treten bei Konsum derselben Menge deutlich geringe Effekte auf. 5. Einengung auf Substanzgebrauch, deutlich an der Aufgabe oder Vernachlässigung anderer wichtiger Vergnügen oder Interessensbereiche wegen des Substanzgebrauchs; oder es wird viel Zeit darauf verwandt die Substanz zu bekommen, zu konsumieren oder sich davon zu erholen. 6. Anhaltender Substanzgebrauch trotz eindeutig schädlicher Folgen (siehe F1x.1), deutlich an dem fortgesetzten Gebrauch, obwohl der Betreffende sich über die Art und das Ausmass des Schadens bewusst war oder hätte bewusst sein können. | 19 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 27. September 2015 Abhängigkeitssyndrom (F1x.2) Diagnostische Kriterien Die Diagnose Abhängigkeitssyndrom kann mit der fünften und sechsten Stelle weiter differenziert werden: F1x.20 gegenwärtig abstinent F1x.200 frühe Remission F1x.201 Teilremission F1x.202 Vollremission F1x.21 gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung (z.B. Krankenhaus, in therapeutischer Gemeinschaft, im Gefängnis usw.) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 27. September 2015 | 20 10 27.09.2015 CAGE-Test Screening › C - Cut down drinking › "Haben Sie jemals daran gedacht, weniger zu trinken?" › A - Annoying › "Haben Sie sich schon mal über Kritik an Ihrem Trinkverhalten geärgert?" › G - Guilty › "Haben Sie sich jemals wegen Ihres Trinkens schuldig gefühlt?" › E - Eye opener › "Haben Sie jemals morgens zuerst Alkohol getrunken, um sich nervlich zu stabilisieren oder den Start in den Tag zu erleichtern?" | 21 CRAFFT | 22 11 27.09.2015 Bin ich gefährdet? Habe ich einen problematischen Alkoholkonsum? A = Alcohol U = Use D = Disorder I = Identification T = Test Bei über 8 Punkten: Alkoholmissbrauch wahrscheinlich Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch MAYSI-2 EQUALS | 24 12 27.09.2015 MAYSI-2 Items Alkohol-/Drogengebrauch | 25 Gründe für experimentellen Konsum im Jugendalter › Neugier › Experimentierfreude › Gruppendynamik › Der Reiz des Verbotenen › Trotzreaktion › Geeignetes Mittel zur Abgrenzung von Erwachsenen › Etc. | 26 13 27.09.2015 Wie entsteht Sucht? Multifaktorielles Entstehungsmodell | 27 Psychotrope Substanzen im Gehirn „Suchterkrankungen sind (auch) Gehirnerkrankungen“ Alle Substanzen erhöhen den Transmitter Dopamin im Striatum. Veränderungen von Dopamin führt zum „Rausch“ Erleben (Euphorie) = Verstärkungssystem. | 28 14 27.09.2015 Psychotrope Substanzen im Gehirn „Suchterkrankungen sind (auch) Gehirnerkrankungen“ Je häufiger wir eine bestimmte Strategie einsetzen und durchführen, je grösser wird der Pfad im Hirn: vom Trampelpfad bis zur betonierten Autobahn. Umso befahrener der Pfad, desto schwieriger wird es neue Strassen auszuprobieren. „Suchtgedächtnis“ | 29 Multifaktorielles Entstehungsmodell Suchtmittel › Griffnähe / Verfügbarkeit › Dosis › Verträglichkeit › Mischkonsum | 30 15 27.09.2015 «Gefährlichkeit» von Substanzen | 31 Multifaktorielles Entstehungsmodell Gesellschaft › Medien / Werbung / Spasskultur › Strukturelle Bedingungen (legal /Illegal) › Konsumgewohnheiten › Konsumierende Peers › Nachlassende Kontrolle (gesellschaftlich und familiär) 16 27.09.2015 Familiäre Risikofaktoren nach Lachner u. Wittichen 1995, Küfner 1999 u.a. › Inkonsequenz im Verhalten der Eltern › Gleichgültigkeit und Verständnislosigkeit für die emotionalen und materiellen Belange der Kinder › Überprotektive Erziehungsstile › Trennung oder Scheidung der Eltern › Früher Verlust eines Elternteils › Antisoziales Verhalten oder geringe Konventionalität bei Eltern oder Geschwister › Alkohol- und Drogenmissbrauch der Eltern und Geschwister Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch 27. September 2015 | | 33 Multifaktorielles Entstehungsmodell Mensch › Persönlichkeit / Temperament (Impulsivität, Aggressivität, hohe Ängstlichkeit, Depressivität, sensation seeking) › Life skills › Konfliktlöseverhalten › Kommunikationsfähigkeit › Frustrationstoleranz › Soziale Beziehungen › (Unrealistische )Wirkungserwartung › Ein süchtiger Mensch strebt nicht nach einer Droge oder einem Mittel, sondern nach einem bestimmten psychischen Zustand. | 34 17 27.09.2015 Keine Sucht… …ohne Flucht Sucht ist der Versuch, durch Drogen oder Verhaltensweisen Übererregtheit (v.a. panische Ängste) zu unterdrücken oder Gefühllosigkeit (bis hin zu depressiven Zuständen) zu überwinden oder kompensieren. Prof. Dr. Franz Ruppert | 35 PTBS & Sucht › 41-85% Alkoholabhängigkeit › In PTSD patients, estimates of lifetime prevalence of SUD range up to nearly 50% (Pietrzak 2011). | 36 18 27.09.2015 CAN & SUD › Deprivierte Äffchen › A large body of evidence showed that exposure to childhood trauma predicts the development of SUDs (Bellis 2002, Clark, Lesnick, Hegedus 1997, Dube 2003, Dube 2006, Enoch 2011 , Herrenkohl 2013, Huang 2011, Jacobsen 2001, Kilpatrick 2003, Waldrop 2007, Torok 2014, Wolff 2012; Wekerle et al., 2009 ) › Youth with the history of childhood trauma start to use/abuse substances at an earlier age (Tonmyr et al., 2010) › Childhood trauma seems to be a risk factor for polysubstance use in child welfare youth (Snyder et al., 2015 ). | 37 Teufelskreismodell der Sucht (Küfner, 1985) Aufrechterhaltung Spannungslösung und Euphorisierung durch Substanz Verlangen nach Substanz Intrapsychischer Teufelskreis Negatives Selbstbild, Coping, Soziale Kompetenz, Stresstoleranz, Emotionsregulationsfertigkeiten Somatischer Teufelskreis Entzugserscheinungen Aversive Zustände Psychosozialer Teufelskreis Probleme durch Substanzkonsum | 38 19 27.09.2015 Prävention | 39 Suchttherapie | 40 20 27.09.2015 Suchttherapie Zielhierarchie der WHO 1. Sicherung des Überlebens 2. Gesundheitsstabilisierung und Gesundheitsförderung 3. Sicherung der sozialen Umgebung – Verhinderung weiterer Desintegration 4. Ermöglichung längerer Abstinenzphasen 5. Einsicht in die Grunderkrankung 6. Akzeptanz des eigenen Handlungsbedarfes 7. Akzeptanz des Abstinenzzieles 8. Konstruktive Bearbeitung von Rückfällen 9. Therapeutische Aufarbeitung der Abhängigkeitsproblematik 10. Berufliche und soziale Integration Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch 27. September 2015 | | 41 Was tun? Grundsätze › Weder Eltern noch Erzieher, Lehrer etc. können das Suchtproblem des Jugendlichen lösen – das kann nur der Jugendliche selbst. › Immer wieder die negativen Folgen zu betonen ist kontraproduktiv. › Wenn man sich mit dem Thema Sucht auseinandersetzt, muss man zunächst die eigene Position klären. › Ein Jugendlicher wird den Erwachsenen immer auf die eigene Haltung ansprechen, oder ihn auch sonst mit den Verhaltensweisen des Erwachsenen konfrontieren. › Informationen einholen › Häufig sind Jugendliche wesentlich besser über Drogen informiert, als die Erwachsenen! | 42 21 27.09.2015 Was tun? Prävention › › › › Viel Aufklärung und Prävention – Ablehnungstrainings Modell sein Dulden Sie keine Drogen im Haus. Vorsicht mit drogenverherrlichenden Postern, T-Shirts und Gesprächen. › Klare Regelung zu Drogentests › Es geht nicht ums Erwischen, sondern um Abstinenz zu fördern › Z.B. positive Tests bezahlen lassen. › höherer pädagogischer Unterstützungsbedarf statt Abbruch | 43 Was tun? Intervention › Zeigen Sie ihre Gesprächsbereitschaft › Nicht Verständnis zeigen, sondern Probleme offen ansprechen. › Machen Sie deutlich, dass Sie den Drogenkonsum nicht unterstützen (eindeutig abgrenzen), zeigen Sie aber auch wie wichtig Ihnen der Jugendlich ist. › Absprachen über zukünftig gefordertes Verhalten sollte realistisch sein und müssen konsequent eingehalten werden. › Unterstützen Sie Maßnahmen, die helfen könnten, von der Sucht wegzukommen. › Suchen Sie Hilfe in Beratungsstellen › Konstanter Drogenkonsum bedarf einer Behandlung – ambulant oder stationär › Geben Sie keinerlei finanzielle Unterstützung o.ä. › Wenn Sie Anzeichen einer Co-Abhängigkeit an sich bemerken, machen Sie es öffentlich – z.B. Betreuerwechsel | 44 22 27.09.2015 «Co-Abhängigkeit» Jeder, der sich im Kontakt mit einem suchtgefährdeten, oder suchtkranken Menschen befindet läuft Gefahr in eine CoAbhängigkeit zu verfallen. | 45 Co-Abhängigkeit Definition › Co-Abhängigkeit bezeichnet ein umstrittenes psychiatrisches Konzept, nach dem manche Bezugspersonen eines Suchtkranken dessen Sucht durch ihr Tun oder Unterlassen zusätzlich fördern oder selber darunter in irgendeiner Form leiden. Jene Angehörigen seien dann co-abhängig. (J. Fengler, 2002) › Meistens geschieht dies über Wegsehen, Nichtwahrnehmen, Verharmlosen, Beschimpfen, Verschweigen oder Verschleiern. | 46 23 27.09.2015 Co-Abhängigkeit Sucht- und Helferrolle › Abhängige verhalten sich typischerweise manipulativ. Durch ihr Verhalten verstricken sie andere in coabhängiges Verhalten. Co-Abhängige machen den Abhängigen zum Mittelpunkt ihres Lebens. Sie erfahren dafür zunächst die Anerkennung ihrer Umgebung. Sie nehmen die Helferrolle ein bis zur völligen Selbstverleugnung. › Dies kann auch in der Funktion als Erzieher/in oder Pädagoge/in mit substanzabhängigen Jugendlichen geschehen. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch 27. September 2015 | 47 Co-Abhängigkeit «die drei Phasen» 1. Beschützer- und Erklärungsphase › Zeit des „Nicht-wahrhaben-wollens“ › Süchtiges Verhalten wird heruntergespielt, verniedlicht, entschuldigt, erklärt. Es bleibt folgenlos. 2. Kotrollphase › Das soziale Umfeld versucht den Konsum einzuschränken. › Gutes Zureden und Kontrolle werden eingesetzt. › Versprechen zum Verzicht werden eingefordert. › Oft tritt der Co-abhängige in die Rolle des „einzigen, der versteht…“. 3. Anklagephase › Alle bisher erprobten Strategien haben versagt, der Co-abhängige resigniert. › Typisches Verhalten ist dauerhaftes Nörgeln, Jammern, Grübeln und die Suche, wer woran Schuld trägt. › Abbruch der Beziehung – schmerzhafte Trennung. | 48 24 27.09.2015 6 Tipps zur Vermeidung von Co-Abhängigkeit 1. Ursachenorientierung Nicht die Symptome (Substanzkonsum), sondern die Ursachen, die im Substanzkonsum münden, sind die Grundlage Ihrer Arbeit. 2. Aufbau eines Vertrauensverhältnisses Der Jugendliche erwartet, dass Sie ihm das Suchtmittel ausreden wollen und stellt sich im Gespräch darauf ein. Ist kein Vertrauen vorhanden, wird er so tun, als habe er den Substanzkonsum bereits aufgegeben oder wird versuchen, Ihnen zu beweisen, wie wenig erfahren Sie auf dem Gebiet der Suchtmittel sind. | 49 6 Tipps zur Vermeidung von Co-Abhängigkeit 3. Prozesshaftes Begleiten – Förderung von Offenheit Leben Sie Offenheit im Umgang, Transparenz auch über die Notwendigkeit von Kontrollen und seien Sie sich bewusst, dass der Jugendliche in Ihnen Orientierung sucht und von Ihnen Antworten abverlangt. 4. Beziehungsarbeit – Förderung einer partnerschaftlichen Beziehung und Nähe Schaffen Sie soziale und emotionale Geborgenheit, aber bleiben Sie bei Ihrer Position: Sagen Sie, dass Sie nicht bereit sind, Substanzkonsum zu decken, Übernehmen Sie nicht den Jargon der Jugendlichen im Sinne einer Anpassung und lassen Sie sich nicht durch Mitleid und Verständnis blockieren. | 50 25 27.09.2015 6 Tipps zur Vermeidung von Co-Abhängigkeit 5. Grenzen – partnerschaftliche Distanz Verstehen Sie sich nicht als Helfer, sondern als Begleiter in einem komplexen Hilfeprozess. Seien Sie sich Ihrer Grenzen bewusst und lassen Sie Jugendliche nicht an Ihrem Privatleben teilhaben. 6. Erste Schritte auf dem Weg zur Beratung Erkennen Sie rechtzeitig, wann Ihre Grenzen erreicht sind und weitergehende professionelle Beratung (Suchtberatung) oder Therapie angezeigt sind. | 51 Danke für die Aufmerksamkeit Sorgen ertrinken nicht im Alkohol, sie können schwimmen Heinz Rühmann 26