SUCHT UND ABHÄNGIGKEIT NEUE MÖGLICHKEITEN IN DER BEHANDLUNG VON SUCHTERKRANKUNGEN PD Dr. med. Marc Walter Chefarzt EPK Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 1 „Suchtkranke sind willensschwach“ Verhaltensänderung etwa gleich hoch wie bei Bluthochdruck und Diabetes Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 2 „Suchtbehandlungen sind erfolglos“ < 10% erhalten Behandlung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 3 INHALT 1. Was ist Abhängigkeit und Sucht? 2. Welche Medikamente können helfen? 3. Wie kann Psychotherapie helfen? Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 4 1. Was ist Abhängigkeit und Sucht? Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 5 Was ist Sucht? «Sucht» = eine zwanghafte und unkontrollierte Verhaltensweise, die den Konsum einer psychotropen Substanz trotz negativer Konsequenzen beinhaltet und den Charakter einer „Störung“ aufweist 50% Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 6 Abhängigkeit und Sucht «Abhängigkeitserkrankungen» = Konsum psychotrop aktiver Substanzen «Suchterkrankungen» = Verhaltenssucht und Abhängigkeitserkrankungen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 7 Klassifikation von Abhängigkeitserkrankungen (ICD-10) Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen = Stoffe, die über Effekte im Zentralnervensystem auf Erleben und Verhalten wirken 50% Klassifikation nach Symptomatologie › Schädlicher Gebrauch › Abhängigkeitssyndrom Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 8 Störungen durch psychotrope Substanzen (ICD-10) 1. Schädlicher Gebrauch Schädigung der psychischen und physischen Gesundheit 2. Abhängigkeitssyndrom • Starker Wunsch oder eine Art Zwang zu konsumieren > 3 Kriterien • Verminderte Kontrollfähigkeit in den letzten 12 Monaten • Substanzgebrauch um Entzugssymptome zu mildern • Körperliches Entzugssyndrom • Nachweis einer Toleranz • Eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit der Substanz • Fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen • Konsum trotz Nachweis schädlicher Folgen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 9 2. Welche Medikamente können helfen? Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 10 Medikamentöse Behandlungen bei Suchterkrankungen › Alkoholabhängigkeit moderater Effekt › Cannabisabhängigkeit, Kokainabhängigkeit kein Effekt › Internetabhängigkeit unklar Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 11 Medikamentöse Behandlung der Alkoholabhängigkeit Disulfiram (Antabus®) › Disulfiram hat einen positiven Effekt auf die Abstinenzerhaltung gegenüber Placebo › Disulfiram ist besonders effektiv unter kontrollierten Bedingungen mit «supervidierter» Einnahme › Disulfiram mit Risiken und einigen Nebenwirkungen (Jørgensen et al. 2011, Alcohol Clin Exp Res) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 12 Medikamentöse Behandlung der Alkoholabhängigkeit Acamprosat (Campral®) und Naltrexon (Naltrexin®) Acamprosat und Naltrexon sind effektive und gleichwertige Medikamente zur Aufrechterhaltung der Abstinenz und Trinkmengenreduktion (Jonas et al. 2014, JAMA). Acamprosat Naltrexon + - + - Weniger Nebenwirkungen Viele Tabletten pro Tag 1 Tablette pro Tag Mehr Nebenwirkungen Kontraindiktion: Niereninsuffizienz Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 Kontraindikation: Akute Hepatitis, Leberfunktionsstörung, Gebrauch von Opioiden 13 Medikamentöse Behandlung der Alkoholabhängigkeit Nalmefen (Selincro®) Konsumreduktion von Alkohol ist ein neues Therapieziel Nalmefen reduziert Alkoholkonsum bei alkoholabhängigen Patienten gegenüber Placebo (Mann et al. 2013, Biol Psychiatry) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 14 3. Wie kann Psychotherapie helfen? Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 15 Psychotherapeutische Behandlung Was ist Psychotherapie? „Psychotherapie ist eine Beziehung zwischen Personen; einerseits einem oder mehreren Individuen, die Hilfe dabei benötigen, ihr Funktionieren als Person zu verbessern, und andererseits einem oder mehreren Individuen, die diese spezielle Hilfe zur Verfügung stellen.“ (Orlinsky & Howard 1978) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 16 Psychotherapeutische Behandlung Welche suchtspezifische Psychotherapie ist erfolgreich? › Motivierende Gesprächsführung (Miller & Rollnick 1991; 2004, dt.) › Rückfallprävention (Marlatt & Gordon 1985; Körkel & Schindler 2003, dt.) › Community Reinforcement Approach (Meyers & Smith 2007, dt.) › Kontingenzmanagement (Petry 2012) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 17 Psychotherapeutische Behandlung Motivierende Gesprächsführung › Empathie ausdrücken Aktives Zuhören ohne zu werten oder zu kritisieren › Diskrepanzen entwickeln Gemeinsam Wünsche und Ziele identifizieren und Diskrepanzen benennen › Widerstand umlenken Widerstand nicht direkt benennen und zu neuen Perspektiven einladen › Selbstwirksamkeit fördern An Veränderungen zu glauben ist ein starker Motivator, verantwortlich für Veränderungen ist der Patient Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 18 Psychotherapeutische Behandlung Motivierende Gesprächsführung – was passiert? › Therapeutische Umgang mit den Patienten verändert sich › Therapeutische Beziehung kann entstehen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 19 Psychotherapeutische Behandlung Rückfallprävention › Primäre und sekundäre Rückfallprävention › Einflussbereiche der Rückfallprävention: Risikosituationen, rückfallbezogene Kognitionen, Bewältigungskompetenzen, ausgewogener Lebensstil › Teilnahme an Selbsthilfegruppen und Nachsorgeangeboten 6-12 Monate Teilnahme in einer ambulanten Gruppe nach einer Entzugsbehandlung wird empfohlen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 20 Psychotherapeutische Behandlung Rückfallprävention – was passiert? › Umgang des Patienten mit Sucht und Rückfälligkeit verändert sich › Stärkung von Selbstwertgefühl und sozialen Kompetenzen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 21 Psychotherapeutische Behandlung Community Reinforcement Approach › Ziel: Leben ohne Sucht soll attraktiver werden als der Konsum von Substanzen › Grundannahme: Verstärker aus dem sozialen Umfeld haben Einfluss auf den Substanzkonsum › Methode: Fokussierung auf positive Verstärker in der Therapie, im sozialen Umfeld und in der Paarbeziehung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 22 Psychotherapeutische Behandlung Community Reinforcement Approach– was passiert? › Entwicklung von Alternativen und Förderung «suchtfreier» Interessen und Aktivitäten › Erfolgreicher Einbezug des sozialen Umfeldes Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 23 Psychotherapeutische Behandlung Kontingenzmanagement › Gutscheine und Preise werden bei Erfolg zur Verstärkung des Verhaltens eingesetzt › Hilft bei der Reduktion von Kokain, Heroin, Benzodiazepinen, Cannabis und Zigaretten › Vermutlich besonders geeignet bei Drogenmissbrauch Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 24 Zusammenfassung › Suchterkrankungen gehören zu den besonders stark stigmatisierten psychischen Erkrankungen › Suchterkrankungen setzen körperliche Schäden und psychosoziale Beeinträchtigungen voraus › Alkoholabhängigkeit kann auch medikamentös behandelt werden › Suchtspezifische psychotherapeutische Behandlungsmethoden können bei allen Suchterkrankungen erfolgreich eingesetzt werden Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 25 DANKE FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT Marc Walter [email protected] http://www.upkbs.ch Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 21.09.2015 26