Ausgewählte Kapitel der Graphentheorie

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Ausgewählte Kapitel der Graphentheorie
Frank Göring∗
Fakultät Mathematik
TU Chemnitz
09107 Chemnitz, BRD
11. Juli 2003
Zusammenfassung
In der Vorlesung werden vertiefende Kenntnisse zu Ausgewählten Kapiteln der Graphentheorie vermittelt.
Im Kapitel Zusammenhang und Trenner“ werden insbesondere die
”
Theoreme von Menger und Mader, sowie ihre Konsequenzen (auch in der
Transversaltheorie) vermittelt.
Im Kapitel Die Probabilistische Methode“ wird untersucht, wie man
”
unter Zuhilfenahme zufälliger Ereignisse gute Schranken für Graphenparameter herleiten. Dabei ist es tatsächlich möglich, deterministische Algorithmen zum Auffinden der zugehörigen Strukturen herzuleiten.
Im Kapitel Extremale Graphentheorie“ beschäftigt sich die Vorlesung
”
mit Fragen wie jener nach der größtmöglichen Kantenzahl eines Graphen G
auf n Ecken, der einen gegebenen Graphen H nicht als Teilgraph enthalten
soll.
1
Einführung
1.1
Literatur
• Diestel, Graphentheorie, 2.Auflage (Gute Übersicht)
• Welsh, Transversaltheorie (für 1. Kapitel)
• West, Introduction to Graph Theory
∗
[email protected]
1
1 EINFÜHRUNG
1.2
Motivation
1.3
Begriffe
2
Ein Graph G = (V (G), E(G)) mit Knotenmenge (vertex set) V (G) und Kantenmenge (edge set) E(G) heißt
• ungerichtet: eine Kante verbindet zwei Knoten, höchstens eine Kante pro
Knotenpaar.
Modell: E(G) ⊆ 2V (G) , ∀e ∈ E(G) : |e| ∈ {1, 2}
Beispiel: Kanten symbolisieren Nachbarschaft
• gerichtet: jede Kante zeigt von einem Knoten ausgehend zu einem anderen
Knoten, höchstens eine Kante pro Knotenpaar.
Modell: E(G) ⊆ V (G) × V (G)
Beispiel: Nahrungskette“: Kanten z.B. von Opfer zum Räuber gerichtet.
”
• Multigraph: Jede Kante verbindet zwei Knoten (oder einen mit sich selbst),
aber zwei Knoten auch durch mehr als eine Kante verbunden sein können.
Modell: Zusätzliche Inzidenzfunktion, die jeder Kante eine ein- oder zweielementige Teilmenge von V (G) zuordnet.
• gerichteter Multigraph: Jede Kante führt von einem Startknoten zu einem
Endknoten, aber es sind mehrere Kanten pro Knotenpaar zulässig.
Modell: Zusätzliche Inzidenzfunktion, die jeder Kante ein Element aus V (G)×
V (G) zuordnet.
• gemischter Multigraph: sowohl gerichtete als auch ungerichtete Kanten sind
erlaubt.
Modell: Zusätzliche Inzidenzfunktion, die jeder Kante eine ein- oder zweielementige Teilmenge von V (G) zuordnet
Beispiel: Straßenkarte, Kreuzungen als Knoten, Straßen als Kanten.
Dabei setzen wir stets voraus, daß V (G) und E(G) disjunkt sind.
Alle betrachteten Graphenarten lassen sich auch als gerichtete Graphen darstellen, wobei V (G0 ) = V (G) ∩ E(G) gilt und ein Knoten zu einer Kante verbunden wird, wenn sie von ihm ausgeht bzw. eine Kante zu einem Knoten verbunden
wird, wenn sie in ihm endet.
Eine Kante inzidiert mit einem Knoten (und umgekehrt), wenn sie ihn als
Anfangs- oder Endknoten hat; zwei Knoten heißen adjazent, wenn sie mit derselben Kante inzidieren.
Spezielle Kantentypen:
1 EINFÜHRUNG
3
Schlinge inzidiert nur mit einem Knoten,
Bogen gerichtete Kante - wird als Teil einer zugehörigen ungerichteten Kante
aufgefaßt.
Mehrfachkante Menge von mindestens zwei Kanten (genau zwei: Doppelkante), die zwischen den gleichen Knoten (im gerichteten Fall in der gleichen
Richtung) verlaufen,
parallele Kanten Zwei mit den gleichen Knoten inzidierende Kanten (im gerichteten Fall der gleichen Richtung),
antiparallele Kanten Zwei mit den gleichen Knoten inzidierende Kanten unterschiedlicher Richtung.
hängende Kante Kante, die zu einem Knoten die einzige inzidente Kante ist.
induzierte Kante e heißt durch X induzierte Kante, wenn e nur mit Knoten
aus X inzidiert.
Brücke Kante e eines Graphen G derart, daß G − e mehr Zusammenhangskomponenten hat als G
Spezielle Knotentypen
isolierter Knoten Knoten, der mit keiner Kante inzidiert.
Blatt, hängender Knoten Knoten der mit genau einer Kante inzidiert.
Anfangsknoten Blatt, von dem die mit ihm inzidente Kante ausgeht.
Endknoten Blatt, zu dem die mit ihm inzidente Kante führt.
Artikulation Knoten v derart, daß G − v mehr Zusammenhangskomponenten
hat als G.
innerer Knoten Ein Knoten, der kein Anfangs- oder Endknoten ist.
Spezielle Graphen
Schlichter Graph Graph ohne Schlingen und Mehrfachkanten.
Endlicher Graph Graph mit endlicher Knoten- und endlicher Kantenmenge.
Vollständiger Graph schlichter Graph in dem je zwei Knoten adjazent sind.
Untergraph, Teilgraph U ist Untergraph von G, wenn U ein Graph mit V (U ) ⊆
V (G) und E(U ) ⊆ E(G) ist. Wir schreiben dann kurz U ⊆ G.
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
4
echter Untergraph U ist echter Untergraph von G (kurz U ⊂ G), wenn U ⊆ G
und U 6= G gilt.
induzierter Untergraph U ist induzierter Untergraph von G, wenn V (U ) ⊆
V (G) gilt und E(U ) genau alle durch V (U ) induzierten Kanten aus G
enthält. Der durch eine (Knoten-)menge X induzierte Untergraph ist der
induzierte Untergraph U = G[X] mit V (U ) = X ∩ V (G).
k-regulärer Graph Graph, dessen Knoten sämtlich genau mit k Kanten inzidieren.
minimaler Graph Graph einer Graphenklasse, dessen echte Untergraphen nicht
mehr zu dieser Graphenklasse gehören. Minimalität betrachten wir immer
bezüglich ⊆.
Wir betrachten in der Regel endliche Multigraphen bzw. gerichtete Multigraphen, sagen aber kurz Graphen.
2
Zusammenhang und Trenner
2.1
Vorbereitende Betrachtungen
Zunächst definieren wir, was wir unter (gerichtetem) Zusammenhang verstehen
wollen:
Definition 1 Sei G ein Graph.
• Sind A und B Teilmengen von V (G), so heißt G von A nach B zusammenhängend, wenn für alle Mengen X mit A ⊆ X ⊆ V (G) \ B eine Kante
eX ∈ E(G) mit einem Anfangsknoten in X und einem Endknoten außerhalb
X existiert.
• G heißt (stark) zusammenhängend, wenn er für je zwei seiner Knoten sagen wir u und v - stets von {u} nach {v} zusammenhängend ist.
• G heißt schwach zusammenhängend, wenn ein minimaler ihn enthaltender
ungerichteter Graph stark zusammenhängend ist.
Man beachte, daß G automatisch von A nach B zusammenhängend ist, wenn sich
A und B überschneiden.
Beobachtung 1 Sind G und H zwei sich überschneidende zusammenhängende
Graphen, so ist auch G ∪ H ein zusammenhängender Graph. Ist speziell G von
a nach b und H von c nach d zusammenhängend, so ist G ∪ H von a nach d
zusammenhängend.
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
5
Nun definieren wir den k-fachen Zusammenhang:
Definition 2 Zu einer gegebenen positiven ganzen Zahl k heißen
• ein Graph G auf mehr als einem Knoten k-fach zusammenhängend, wenn
für alle Mengen T ⊆ V (G) ∪ E(G) mit |T | < k der Graph G − T zusammenhängend ist,
• zwei Knotenmengen A und B eines Graphen G k-fach zusammenhängend
in G, wenn für alle Mengen T ⊆ V (G)∪E(G) mit |T | < k der Graph G−T
von A nach B zusammenhängend ist und
• zwei Knoten a und b eines Graphen G k-fach zusammenhängend (von a
nach b) in G, wenn für alle Mengen T ⊆ (V (G)∪E(G))\{a, b} mit |T | < k
der Graph G − T von a nach b zusammenhängend ist.
Also heißt ein Graph k-zusammenhängend, wenn er nach Löschen von weniger als
k Knoten oder Kanten noch nicht zerfällt. Zwei Knoten sind k-zusammenhängend,
wenn man sie durch Löschen von weniger als k Knoten und Kanten nicht trennen
kann, und zwei Knotenmengen heißen k-zusammenhängend, wenn man sie durch
Löschen von weniger als k Knoten nicht trennen kann. Entsprechend definieren
wir einen k-Trenner:
Definition 3 Sei G ein zusammenhängender Graph. A und B seien Teilmengen
seiner Knotenmenge. Weiterhin sei T eine Teilmenge seiner Knotenmenge und
a und b seien zwei verschiedene Knoten von V (G) \ T . Dann heißt T
Trenner von G, falls G − T nicht zusammenhängend ist,
AB-Trenner von G, falls G − T nicht von A nach B zusammenhängend ist und
ab-Trenner von G, falls G − T nicht von {a} nach {b} zusammenhängend ist.
Beobachtung 2 Ein Graph ist genau dann k-zusammenhängend von A nach B,
wenn jeder AB-Trenner mindestens k Knoten enthält.
Nachdem wir den Zusammenhang definiert haben, wollen wir darauf basierend
auch Wege einführen.
Definition 4
Ein gerichteter AB-Weg ist ein minimaler von A nach B zusammenhängender
Graph.
Ein ungerichteter AB-Weg ist ein minimaler von A nach B zusammenhängender
ungerichteter Graph.
Die folgende Beobachtung machen wir entsprechend für gerichtete wie ungerichtete Wege.
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
6
Beobachtung 3 Sei W ein (endlicher) {a}{b}-Weg, c ∈
/ V (W ) ein Knoten und
e eine bc-Kante. Dann ist W + e + c = (V (W ) ∪ {c}, E(W ) ∪ {e}) ebenfalls ein
(endlicher) Weg.
Beobachtung 4 Zwischen zwei in einem Graphen G (von a nach b) zusammenhängenden Knoten a und b gibt es in G stets einen {a}{b}-Weg.
Lemma 5 Jeder AB-Weg ist ein endlicher Graph mit genau einem Knoten in
A und genau einem Knoten in B.
Beweis: Wir betrachten einen belebigen AB-Weg W . Sei VA die Menge der
Knoten v ∈ V (W ) derart, daß W einen endlichen {a}{v}-Weg enthält und VB =
V (W ) \ VA . Wegen Beobachtung 3 folgt, daß es in W keine Kante von VA nach
VB gibt. Da W zusammenhängend ist, muß VB = ∅ gelten.
Angenommen a1 und a2 seien verschiedene Knoten von W ∩ A. Wegen der
Minimalität von W gibt es in W1 = W − a1 eine Zerlegung von V (W1 ) in Knotenmengen Va und Vb derart, daß Va den Knoten a2 enthält, zu B disjunkt ist
und mit keinen Kanten inzidiert, die zu Vb gehen. Somit ist insbesondere Va nicht
leer.
Wegen der Minimalität von W besitzt mithin W 0 = W − Va eine Zerlegung
seiner Knotenmenge in zwei Knotenmengen Va0 und Vb0 derart, daß Va0 den Knoten
a1 enthält, disjunkt zu B ist, und mit keiner Kante zu Vb0 inzidiert. Dann zeigt
aber die Zerlegung von V (W ) in die Knotenmengen Va0 ∪ Va und Vb0 , daß W selbst
nicht zusammenhängend ist - ein Widerspruch zur Definition. Somit ist unsere
Annahme falsch.
Analog zeigt man |V (W ) ∩ B| = 1.
2
Häufig wird der (einfache) Zusammenhang auch über die Existenz eines Weges
und ein Weg als endliche Folge von Knoten und Kanten definiert. Mit Lemma 5
und Beobachtung 1 zeigt man leicht die Äquivalenz unserer Begriffsbildung zur
üblichen.
2.2
Mengers Theorem
Der k-fache Zusammenhang wurde gewissermaßen über die Untrennbarkeit durch
kleine Mengen definiert. Natürlicher wäre eine Definition über k einfache Zusammenhänge. Diese Überlegung resultiert in folgender Vermutung:
Vermutung 1 Ist G ein Graph und sind A und B Teilmengen von V (G), so ist
G genau dann k-fach von A nach B zusammenhängend, wenn G k disjunkte von
A nach B zusammenhängende Untergraphen enthält.
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
7
Diese Vermutung wird von Mengers Theorem positiv geklärt:
Satz 6 (Menger, 1927) Seien G ein Graph und A und B Teilmengen von
V (G). Die kleinste Anzahl c von Knoten aus V (G), welche einen AB-Trenner
bilden, ist die größte Anzahl disjunkter AB-Wege von G.
2.2.1
Beweis durch Kantenkontraktion
(nur für endliche ungerichtete Graphen.)
Induktion nach |E(G)|. Falls G keine Kanten hat, so ist A ∩ B sowohl kleinster
AB-Trenner und bildet gleichzeitig einen Graphen aus disjunkten AB-Wegen.
Daher können wir davon ausgehen, daß G eine Kante e zwischen x und y besitzt.
G0 , A0 und B 0 mögen aus G, A und B durch Kontraktion der Kante e hervorgehen.
Besitzt G0 keinen A0 B 0 -Trenner mit weniger als c Knoten, so hat nach Induktionsvoraussetzung G0 einen Untergraphen W 0 aus c disjunkten A0 B 0 -Wegen. Diesen
kann man in G leicht zu c disjunkten AB-Wegen vervollständigen.
Besitzt G0 also einen A0 B 0 -Trenner T 0 mit weniger als c Knoten. Dann entsteht
T 0 aus einem AB-Trenner von G mit mehr Elementen als T 0 . Es folgt x, y ∈ T
und |T | = c. Da die Kante e in keinem AT -Weg und in keinem T B-Weg auftritt, ist aber sowohl jeder AT -Trenner als auch jeder T B-Trenner von G − e
ein AB-Trenner von G, besitzt also mindestens c Knoten. Somit hat G einen
Untergraphen P aus c disjunkten AT -Wegen und einen Untergraphen Q aus c
disjunkten T B-Wegen. Da T ein AB-Trenner ist, es also keinen T vermeidenden
AB-Weg gibt, können Wege aus P und Q sich nur in T überschneiden und man
kann somit P und Q zu einem Graphen aus c disjunkten AB-Wegen zusammensetzen.
2
2.2.2
Beweis durch reines Kantenlöschen
(nur für endliche Graphen.)
Induktion nach R(G) - der Anzahl der in G vorhandenen Kantenrichtungen (gerichtete Kanten zählen einfach, ungerichtete doppelt) Falls G keine Kanten hat,
so ist A ∩ B sowohl kleinster AB-Trenner und bildet gleichzeitig einen Graphen
aus disjunkten AB-Wegen. Daher können wir davon ausgehen, daß G einen Bogen
b von x nach y besitzt. Hat G − b keinen AB-Trenner mit weniger als c Knoten,
so zieht die Induktionsvoraussetzung. Sei also T ein AB-Trenner von G − b mit
weniger als c Knoten. Da sowohl P = T ∪ {x} als auch Q = T ∪ {y} in G ABTrenner sind, folgt |P | = |Q| = |T | + 1 = c. Da b in keinem AP -Weg und keinem
QB-Weg von G vorkommen kann, ist jeder AP -Trenner und jeder QB-Trenner
von G0 auch AP - bzw. QB-Trenner - und mithin AB Trenner von G, hat also
jeweils mindestens c Knoten. Also besitzt G0 genau c AP -Wege und c QB-Wege,
die sich aber nur in T überschneiden können, da T ja AB-Trenner von G0 ist.
Diese Wege zusammen mit dem Bogen b ergeben das gesuchte Wegesystem in G.
2
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
2.2.3
8
Beweis durch Konstruktion
Der folgende Satz liefert Mengers Theorem für unendliche gemischte Multigraphen:
Satz 7 (Böhme, Göring, Harant, 2000) Sei G ein Graph, A und B seien
Knotenmengen des Graphen und U sei ein Untergraph von G bestehend aus endlich vielen disjunkten AB-Wegen von G. Für das folgende Verfahren MENGER
ist MENGER(G, A, B, U, W ) ein Algorithmus, nach dessen Durchführung W ein
Untergraph von G aus disjunkten AB-Wegen ist, welcher (A∪B)∩U ⊂ (A∪B)∩
W erfüllt, sofern es keinen AB-Trenner gibt, der genausoviele Elemente hat, wie
U Komponenten.
1. Seien G, A, B, U, W die ersten fünf Komponenten des Eingabetupels.
2. Falls es in G − U keinen AB-Weg P gibt gehe zu 4.
3. Setze W ∗ = MENGER(G, A, B, U ) = U ∪ P und gehe zu 8.
4. Sei P ein A, V (U )-Weg in G − (A ∩ V (U )),
a ein (das) Element von V (P ∩ U ),
Q die a enthaltende Komponente von U
R ein (der) Aa-Weg in Q und
führe MENGER(G, A ∪ V (P ∪ R), B, U − (R − a), W ) aus.
5. Falls W − a nicht disjunkt zu P ∪ R ist, gehe zu 7,
6. Setze W ∗ = W ∪ R und gehe zu 8.
7. Sei b ein (das) Element von V (W − a) ∩ (P ∪ R),
S ein (der) ab-Weg von P ∪ R
und W ∗ = W ∪ (R ∪ P − (S − {a, b}).
8. Setze W = W ∗ .
Beweis: Induktion über die Rekursionstiefe1 . Diese ist nach oben durch |E(U )|
beschränkt, da aus der Wahl von R folgt: |E(U − (R − a))| < |E(U )|. Aus der
Trennervoraussetzung folgt die Existenz eines A, B ∪ V (U )-Weges in G − (A ∩
V (U )) und mithin jedenfalls die Existenz von P . Die genannten Eigenschaften
der Funktion MENGER sind triviale Folgerungen aus der Konstruktion.
2
1
Dabei verstehen wir unter der Rekursionstiefe die Eingabenabhängige maximale Anzahl
ineinandergeschachtelter Selbstaufrufe des jeweiligen Algorithmus. Diese sollte stets endlich
sein - und ist es hier wie wir zeigen auch, da ansonsten der Algorithmus nicht abbricht.
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
2.2.4
9
Ein linearer Algorithmus
Der Algorithmus von Theorem 7 benutzt ein Örakelßum Auffinden des Weges P .
Um zu einem linearen Algorithmus zu gelangen, muß man den vorliegenden
Algorithmus verfeinern, indem man diese Aufgabe in ihn integriert:
• Seien G, A, B, U, W die fünf Komponenten des Eingabetupels dieses Algorithmus MENGER∗.
• Falls es einen Knoten x in A ∩ B \ V (U ) gibt, beende den Algorithmus mit
W = U + x.
• Suche eine Kante e, die beginnend in einem Knoten x von A \ V (U ) aus
A herausführt. Dabei können alle Knoten von A, welche nicht mit einer
solchen inzidieren, sowie alle von A induzierten Kanten gelöscht werden.
Das Ergebnis dieser Operation sei G0 . a sei der Endknoten von e außerhalb
A.
• Liegt a nicht in V (U ), führe MENGER ∗ (G0 − e, A ∪ {a}, B, U, W ∗) durch.
Enthält W ∗ den Knoten a, so ergibt sich W aus W ∗ durch Verlängern von
W um die Kante e (und ihren Anfangsknoten); anderenfalls setze W = W ∗.
Beende den Algorithmus.
• Liegt a in V (U ), so suche den Aa-Weg P in U (durch Rückwärtsverfolgen
von a aus), und führe MENGER ∗ (G0 − e − E(P ), A ∪ V (P ), B, U \ (P −
a), W ∗) durch. Mit b bezeichnen wir den zusätzlichen Anfangsknoten von
W ∗. Falls b nicht auf P liegt, setzen wir W = W ∗ ∪P , anderenfalls setze
W = W ∗ ∪(P \ (Q − a)) + x + a + e, wobei Q der {b}{a}-Weg in P sei.
Beende den Algorithmus.
Alle Knoten und Kanten, die bei einer gewissen Rekursionstiefe angefaßt werden,
sind in keiner größeren Rekursionstiefe sichtbar. Daher ergibt sich, daß dieser
Algorithmus linear in |V (G)| + |E(G)| arbeitet!
2.2.5
Varianten von Mengers Theorem
Der folgende Satz wird als Knotenversion des Mengerschen Satzes, oder auch kurz
als 2-Punkt-Menger bezeichnet:
Satz 8 Sind zwei Knoten a und b in einem Graphen G c-fach zusammenhängend,
so gibt es in G c im Inneren disjunkte {a}{b}-Wege.
Zum Beweis: Durch Löschen der Kanten zwischen a und b kann man den Satz auf
den Fall reduzieren, wo a und b nicht adjazent sind. Dann ergibt sich der Satz aus
der ersten Version (der Mengenversion) des Mengerschen Satzes durch Übergang
zu A und B als Nachfolgerschaft bzw. Vorgängerschaft von a bzw. b.
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
10
Ähnlich erhält man auch die Fächerversion (Fächermenger oder auch Pinselmenger):
Satz 9 Hat jeder den Knoten a nicht enthaltende {a}B-Trenner eines Graphen
G wenigstens c Knoten und liegt insbesondere a nicht in B, so gibt es in G c bis
auf a disjunkte {a}B-Wege.
Dabei gilt sogar die Vorschreibbarkeit der Endknoten eines nicht maximalen
Wegesystems für ein maximales.
2.2.6
Ein Beispiel für die Anwendung der Vorschreibbarkeit
Gesucht ist eine möglichst gute obere Schranke für die Länge eines kürzesten
die Knoten x, y und z enthaltenden Kreises in einem x, y und z enthaltenden
Polyedergraphen (3-zusammenhängend, ungerichtet, schlicht, planar).
Zunächst bestimmen wir eine möglichst große Unterstruktur von G, die viele
Kreise durch die vorgeschriebenen Knoten hat:
Wegen 2-Punkt-Menger gibt es drei im Inneren disjunkte {x}{y}-Wege in G.
Wir wählen sie nach Möglichkeit so, daß z auf einem dieser Wege liegt. Das geht
immer, da ansonsten von z aus drei sich nur in z überschneidende Wege von z aus
auf die drei {x}{y}-Wege führen müßten (wegen 3-Zusammenhang, Schlichtheit
und Fächermenger). Davon dürften aber keine zwei auf dem gleichen {x}{y}Weg landen. Somit enthielte G eine Unterteilung des K3,3 , wäre also nicht mehr
planar.
Betrachten wir den {x}{y}-Weg der z enthält, als zwei von z ausgehende
Wege, können wir das Wegesystem wegen der Vorschreibbarkeit im Fächermenger
um einen Weg von z zu einem Knoten a auf einem der beiden z nicht enthaltenden
{x}{y}-Wege ergänzen.
Also gibt es stets einen Knoten a und ein System aus 6 im Inneren disjunkten
Wegen derart, daß zu je zwei Knoten aus {x, y, z, a} ein sie verbindender Weg
existiert. Dieses bildet einen Untergraphen U von G.
Jeder dieser Wege ist Teilweg von zweien der folgenden drei Kreise:
C1 : x − y − z − a − x, C2 : x − y − a − z − x, C3 : x − a − y − z − x
Die Länge l des kürzesten dieser drei Kreise erfüllt mithin folgende Ungleichung:
3l ≤ 2|E(U )| = 2|V (U )| + 4 = 2n + 4
Wir erhalten die Abschätzung
2
l ≤ (n + 2)
3
welche im Falle der Ganzzahligkeit der rechten Seite sogar scharf ist.
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
2.3
11
Zielen mit Wegen
Zunächst ein paar Begriffe aus der Transversaltheorie: Sei A = (Ai )i∈I ein Mengensystem und a = (ai )i∈I ein
Zahlen jeweils mit Indexmenge
S Tupel natürlicher
P
I. Für I 0 ⊆ I sei A(I) =
Ai und a(I 0 ) =
Bi . Falls (Xi )i∈I ein System
i∈I 0
i∈I 0
disjunkter Mengen mit Xi ⊆ Ai und |Xi | ≤ ai für alle i ∈ I ist, nennen wir X(I)
eine partielle a-Transversale der Länge |X(I)| von A. Das Wort ppartielleëntfällt,
falls für alle i ∈ I sogar |Xi | = ai gilt, die Nennung von a entfällt falls für alle
i ∈ I stets ai = 1 gilt.
Ist die Vorschreibbarkeit in Mengers Theorem eine zusätzliche Eigenschaft?
Im Originalsatz wird sie ja nicht direkt erwähnt.
Sei also ein Wegesystem U aus disjunkten AB-Wegen eines (endlichen) Graphen G gegeben. Können wir nur unter Nutzung von Mengers Theorem ein Wegesystem W aus maximal vielen AB- Wegen erzwingen, welches die Start- und
Endknoten von U enthält?
Ja: Wir betrachten den Ersatzgraphen G0 den man folgendermaßen erhält:
Seien A0 und B 0 zu V (G) disjunkte Knotenmengen aus genau so vielen Knoten,
wie ein kleinster AB-Trenner von G enthält. Man füge A0 und B 0 zu G hinzu und
verbinde jeden Anfangsknoten von U mit genau einem Knoten aus A0 , jeden
Endknoten von U mit genau einem Knoten von B 0 , jeden verbleibenden Knoten
von A mit jedem verbleibenden Knoten von A0 und jeden verbleibenden Knoten
von B mit jedem verbleibenden Knoten von B 0 .
Der Graph G0 ist von A0 nach B 0 genauso stark zusammenhängend, wie G
von A nach B (Warum?). Das aus Mengers Theorem resultierende Wegesystem
in G0 resultiert nach Löschung von A0 und B 0 im gesuchten Wegesystem in G.
Also ist die Vorschreibbarkeit eigentlich implizit in Mengers Theorem enthalten.
2.3.1
Wege zwischen Mengensystemen
Was steckt noch drin, wenn wir die Idee der Konstruktion des Ersatzgraphen G0
mal verallgemeinern?
Wir erweitern G um ein Mengensystem A0 disjunkter Teilmengen über der
Indexmenge I und um ein Mengensystem B 0 disjunkter Teilmengen über der
Indexmenge J, sowie um je eine Kante von v nach w, falls v ∈ A0i und w in Ai
oder v ∈ Bi und w in Bi0 für geeigneten Index i gilt und A bzw. B Systeme von
Teilmengen (nicht notwendig disjunkt) von V (G) über den Indexmengen I bzw.
J sein mögen!
S 0
Nun reformulieren wir Mengers Theorem angewandt auf G0 bzgl. A0 =
Ai
i∈I
S
und B 0 =
Bi0 in Bezug auf das sich ergebende Teilwegesystem in G und unter
i∈J
Ausnutzung der Beobachtung, daß ein kleinster A0 B 0 -Trenner ein Ai bzw. Bi
entweder enthält, oder disjunkt zu ihm ist:
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
12
Satz 10 (Göring) In einem endlichen Graphen G seien ein Mengensystem A
und ein Tupel a natürlicher Zahlen jeweils mit Indexmenge I sowie ein Mengensystem B und ein Tupel b natürlicher Zahlen jeweils mit Indexmenge J gegeben.
Die maximale Anzahl disjunkter Wege von G deren erste Knoten eine partielle
a-Transversale von A und deren letzte Knoten eine partielle b-Transversale von
B bilden, ist
min t(K, L) + a(I \ K) + b(J \ L)
K⊆I,L⊆J
wobei t(K, L) die minimale Größe eines A(K)B(L)-Trenners von G ist.
Theorem 10 hat eine Eigenheit, die man bei seiner Anwendung nicht außer
Acht lassen sollte: Die darin vorkommenden Wege sind leider im allgemeinen
keine A(I)B(J)-Wege. Im Falle I = J = {1} und a1 = b1 = |V (G)| erhalten
wir aus ihm jedoch sofort den Satz von Menger zurück! Wenden wir uns nun
Spezialfällen von Theorem 10 zu!
2.3.2
Spezialfälle in der Transversaltheorie
In diesem Abschnitt untersuchen wir die Auswirkungen von Satz 10 auf Mengensysteme, d.h. auf Graphen G ohne Kanten!
Wir gehen in diesem Abschnitt davon aus, daß alle Elemente aller auftretenden
Mengen Knoten sind.
Satz 11 (Hall, vgl. [23], 1935) Ist A ein Mengensystem mit endlicher Indexmenge I, so hat A genau dann eine Transversale, wenn für alle I 0 ⊆ I gilt:
|A(I 0 )| ≥ |I 0 |
Beweis: Setze G = A(I), ai = 1 für alle i ∈ I, J = {1},B1 = G und b1 = |I|.
Für alle K ⊆ I und L ⊆ J sind A(K)B(L)-Trenner alle Mengen, die A(K) ∩
B(L) enthalten. Anwendung des Theorems 10 liefert die Größe einer maximalen
partiellen Transversale von A. Man braucht nur noch zu fordern, daß diese gleich
|I| ist. Für L = ∅ ergibt sich dann |A(K)| ≥ 0 und für L = {1} ergibt sich
|A(K)| ≥ |K|.
2
Satz 12 (Ford,Fulkerson, [5], 1958) Zwei Mengensysteme A und B mit gleicher Indexmenge I haben eine gemeinsame Transversale genau dann, wenn
|A(K) ∩ B(L)| ≥ |K| + |L| − |I|
für alle K, L ⊆ I gilt.
Beweis: Setze G = A(I) ∪ B(I), J = I und ai = bi = 1 für alle i ∈ I. Die
Forderung, das Minimum aus Theorem 10 möge mindestens |I| sein, liefert den
Satz.
2
Auf ähnliche Weise wie wir hier hat Perfect (vgl. [18]) folgenden Spezialfall
bewiesen:
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
13
Satz 13 (Perfect, [18], 1968) Zwei Mengensysteme A und B mit endlichen
Indexmengen I und J haben eine gemeinsame partielle Transversale der Größe
p genau dann, wenn für alle K ⊆ I und alle L ⊆ J gilt:
|A(K) ∩ B(L)| ≥ |K| + |L| − |I| − |J| + p
Beweis: Setze G = A(I) ∪ B(J) und ai = bj = 1 für alle i ∈ I und alle j ∈ J.
Die Forderung, das Minimum aus Theorem 10 möge mindestens p sein, liefert
den Satz.
2 In [23] wird als Verallgemeinerung folgender Satz bewiesen:
Satz 14 (Welsh, [23]) Zwei Mengensysteme A und B sowie zwei Tupel a und
b natürlicher Zahlen mögen die gleiche endliche Indexmenge I besitzen und es sei
a(I) = b(I) = p. Es gilt:
A besitzt genau dann eine a-Transversale, die gleichzeitig b-Transversale von
B ist, wenn für alle K, L ⊆ I gilt:
|A(K) ∩ B(L)| ≥ a(K) + b(L) − p
Beweis: Setze G = A(I) ∪ B(I) und J = I. Die Forderung, das Minimum aus
Theorem 10 möge mindestens p sein, liefert den Satz.
2 Die allgemeinste
Folgerung aus Theorem 10 gibt das folgende Theorem wieder:
Satz 15 Gegeben seien ein Mengensystem A und ein Tupel a natürlicher Zahlen
jeweils mit Indexmenge I sowie ein Mengensystem B und ein Tupel b natürlicher
Zahlen jeweils mit Indexmenge J.Es gilt:
A besitzt genau dann eine partielle a-Transversale der Größe p, die gleichzeitig
partielle b-Transversale von B ist, wenn für alle K ⊆ I und alle L ⊆ J) gilt:
|A(K) ∩ B(L)| ≥ a(K) + b(L) − a(I) − b(J) + p
Beweis: Setze G = A(I) ∪ B(J). Die Forderung, das Minimum aus Theorem 10
möge mindestens p sein, liefert den Satz.
2
2.4
Maders H-Wegesatz
Wir betrachten im folgenden Abschnitt nur ungerichtete Graphen.
Mengers Theorem kann man in seiner Knotenversion auffassen als Aussage
über die Anzahl im Inneren disjunkter H-Wege eines Graphen G für eine zweielementige Menge H ⊆ V (G). Dabei bezeichnen wir einen Weg dann als H-Weg,
wenn es ein {a}{b}-Weg für a 6= b; {a, b} ∈ H ist. Kann man einen allgemeineren
Satz für größere H (d.h. für H ⊆ V (G); |H| beliebig) machen? Um unnötige
Kompliziertheit in der Darstellung zu vermeiden, setzen wir die Knoten von H
als paarweise nichtadjazent voraus.
Allgemein kann man dennoch als H-Trenner eine Menge von Knoten und
Kanten des Graphen G auffassen, nach deren Löschung jeder Knoten von H in
einer anderen Zusammenhangskomponente des Restes liegt. Genauer wollen wir
unsere Trenner als Menge von Knoten und Kanten von G − H wählen.
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
14
Definition 5 V E(G) sei die Vereinigung von V (G) und E(G)
Frage 2 Gibt es also eine Funktion M |V (G)∪E(G) 7→ N derart, daß
min
T ⊆V E(G−H)
f (T )
genau die Maximalzahl der im Inneren disjunkten H-Wege liefiert? Wie müßte
M beschaffen sein?
Betrachten wir einen Trenner T ⊆ V E(G − H) im Detail: Durch jeden Knoten
paßt genau ein H-Weg. Die Kanten finden sich zu Clusternßusammen, d.h. sie
spannen Untergraphen auf. Da die Knoten schon abdiskutiert sind, beschränken
wir uns auf jene Kanten, die nicht mit Knoten aus T inzidieren. Wieviele Wege
passen auf den ersten Blick höchstens durch so einen Untergraphen U (haben
wenigstens eine Kante mit ihm gemein) ? Stellen wir uns einen H-Weg W als
gerichtet vor! Irgendein Knoten von W ist der erste in U , irgendeiner der letzte,
beide sind es innere Knoten. Aber welche Knoten kommen für diese Übergänge
in Frage? Wollen wir sie Randknoten nennen:
Definition 6 Der Rand eines Untergraphen U in einem Graphen G ist die Menge all jener Knoten von U , welche sowohl mit Kanten aus U als auch mit Kanten
aus G − E(U ) inzidieren und wird mit ∂G U bezeichnet.
Da wir die Wege durch die Knoten von T schon mit |V (T )| = |T ∩ V (G)|
abschätzen können, bleiben für die restlichen Wege als Übergangsknoten nur
1
noch Knoten aus ∂G−V (T ) U übrig; durch U passen also
höchstens 2 |∂G−V (T ) U
1
und wegen Ganzzahligkeit sogar höchstens 2 |∂G−V (T ) U weitere Wege.
Definition 7 Mit C(T ) bezeichnen wir die Menge aller Komponenten des von
T ∩ E(G − V (T )) durch Hinzunahme der hierzu inzidenten Knoten erzeugten
Graphen.
Falls es eine Funktion M gemäß Frage 2 geben sollte, so gilt für sie also:
X 1
M (T ) ≤ |V (T )| +
|∂G−V (T ) C|
2
C∈C
Der Satz von Mader sagt nun, daß die Funktion M (T ) gemäß Frage 2 tatsächlich
existiert und in obiger Ungleichung das Gleichheitszeichen gilt. Setzt man H nun
nicht mehr als unabhängige Menge voraus, so lautet das Theorem vollständig:
Satz 16 Sei G ein ungerichteter Graph und H ⊆ V (G). Die Maximalzahl unabhängiger H-Wege eines Graphen G ist gleich
X 1
|E(G(H))| + min |V (T )| +
|∂G−V (T ) C|
T
2
C∈C
wobei T alle Teilmengen von V E(G − H) durchläuft, nach deren Löschung aus
G die Knotenmenge H vollständig getrennt ist.
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
15
Geht man analog zum Satz von Menger zu einer Mengenversion dieses Satzes
über, so erhält man
Satz 17 Sei G ein ungerichteter Graph und (Ai )(i∈H) ein System von Teilmengen
von V (G) über einer endlichen Indexmenge H. Die Maximalzahl disjunkter Wege
in G, die sämtlich Ai Aj -Wege für jeweils geeignetes i 6= j; {i, j} ⊆ H sind, ist
X 1
min |V (T )| +
|∂G−V (T ) C ∪ (V (C) ∩ A(H))|
T
2
C∈C
wobei T alle Teilmengen von V E(G) durchläuft, für die G − T keine Ai Aj -Wege
enthält.
Man kann auch hier eine Vorschreibversion beweisen, also noch zusätzlich
zeigen, daß folgendes gilt:
Satz 18 Sei G ein ungerichteter Graph, (Ai )(i∈H) ein System von Teilmengen
von V (G) über einer endlichen Indexmenge H und W ein System disjunkter
Ai Aj -Wege. Ist die Zahl der Wege in W nicht maximal, so gibt es in G ein Wegesystem W 0 disjunkter Ai Aj -Wege, welches einen Weg mehr, sowie alle äußeren
Knoten (Anfangs- bzw. Endknoten) der Wege in W enthält.
Beweisidee für Sätze 17 und 18: In der Beweisidee folgen wir im Wesentlichen
dem Beweis von W. Mader in [13]. Wir haben hier vier Teilschritte abzuarbeiten:
1. Diskussion des Graphen G.
2. Auswahl eines geeigneten (extremalen) Trenners T .
3. Nachweis der Existenz des Teils von W , der außerhalb des Trenners liegt.2
4. Nachweis der Existenz des Teils von W , der sich mit T überschneidet und
simultanes
2.5
Die Struktur k-zusammenhängender Graphen für kleine k
Abschnitt entfällt in Vorlesung, da schon aus Grundlagenvorlesung bekannt!
In diesem Abschnitt betrachten wir nur ungerichtete Graphen.
Definition 8
2
Hier ergibt sich die Vorschreibbarkeit der Startknoten der Wege des Wegesystems U für
das Wegesystem W .
2 ZUSAMMENHANG UND TRENNER
16
Ein Kreis ist ein minimaler 2-zusammenhängender Graph.
Beobachtung 19 Sei C ein gerichteter Kreis und e ∈ E(C). Dann ist C − e
ein {a}{b}-Weg, wobei b der Anfangs- und a der Endknoten von e ist. Umgekehrt
ist W + e ein gerichteter Kreis, wenn W ein {a}{b}-Weg und e ein Bogen von b
nach a ist.
Beobachtung 20 Die Eigenschaft zweier Knoten eines gegebenen Graphen G,
in ihm zusammenhängend zu sein, ist eine Äquivalenzrelation. Damit ergeben sich
Äquivalenzklassen der Knoten, welche in G Zusammenhangskomponenten, kurz
Komponenten induzieren.
Bezüglich der Kanten ergibt sich:
Beobachtung 21 Die Eigenschaft zweier Kanten eines gegebenen Graphen G,
gemeinsam in einem Kreis in G zu liegen, ist eine Äquivalenzrelation. Damit
ergeben sich Äquivalenzklassen der Kanten, welche in G Blöcke induzieren.
Um in die Blockstruktur von G auch singuläre Punkte (Knoten ohne inzidente
Kante) aufnehmen zu können, betrachten wir zusätzlich jeden singulären Punkt
als Block.
Beobachtung 22 Zwei Blöcke eines Graphen haben höchstens einen Knoten gemeinsam. Dieser ist dann eine Artikulation des Graphen gemeinsam.
Definition 9 Konstruieren wir aus einem Graphen G einen Graphen H indem
wir für jeden Block B von G und jede Artikulation a von B je einen Knoten
vB bzw. va in H einsetzen und zwei Knoten verbinden, wenn einer für einer
Artikulation von G und der andere für einen Block von G eingesetzt wurde und
der Block die Artikulation enthält, so heißt H Blockgraph von G.
Beobachtung 23 Blockgraphen sind Kreisfrei.
Der folgende Satz liefert uns ein Induktionsschema für zweifach zusammenhängende Graphen:
Satz 24 In jedem 2-zusammenhängenden Graphen G findet man einen Weg W
derart, daß G bei Löschung aller Kanten und inneren Knoten von W 2-zusammenhängend
bleibt.
Beweis: (vgl. Diestel, Graphentheorie, Seite 47)
Sei G ein 2-zusammenhängender Graph und C ein in G enthaltener Kreis. Weiterhin sei H ein maximaler C enthaltender 2-zusammenhängender echter Untergraph
von G und e ∈ E(G) \ E(H). Dann gibt es nach Theorem 6 zwei disjunkte Wege
P und Q zwischen den Endecken von e und V (H). Da G0 = H ∪ P ∪ Q + e ein
H und also C enthaltender 2-zusammenhängender Untergraph von G ist, folgt
G0 = G und H ergibt sich durch Löschung aller Kanten und inneren Knoten des
Weges P ∪ Q + e.
2
3 ZUFALLSGRAPHEN
3
17
Zufallsgraphen
Vergleiche [24], Seiten 404 bis 432
3.1
3.1.1
Beispiele
Schmelzpunkte
Das Verhalten von Zufallsgraphen ist geeignet, die Existenz von Schmelzpunkten
zu erklären:
Stellen wir uns einen festen Körper als dreidimensionales Molekülgitter vor, so
führt das Erhitzen zur Erhöhung der Energie der Moleküle und damit zum Aufbrechen von Bindungen. Fassen wir das Molekülgitter als Graphen auf, so werden
also Schrittweise zufällig Kanten aus diesem Graphen entfernt. Solange der Zusammenhang eines großen Teils des Molekülgittergraphen hoch bleibt, bleibt das
Material fest. Werden allerdings alle Zusammenhangskomponenten klein, wird
das Material flüssig.
Abhängig von der Größenordnung des Gitters finden wir tatsächlich einen
Schwellwert für die Zahl der Kanten, die entfernt werden können, sodaß bei Entfernung von etwas weniger Kanten beinahe immer eine riesige Zusammenhangskomponente verbleibt, bei Entfernung von etwas mehr Kanten beinahe immer
nur winzige Komponenten entstehen.
3.1.2
Algorithmenanalyse
Um Algorithmen zu vergleichen, kann man sich der Worst-case-Analyse bedienen,
also die Maximalzeit bestimmen, die ein Algorithmus benötigt, um mit einer
Eingabe der Größe n fertig zu werden. Diese Methode arbeitet vernünftig beim
Vergleich von Algorithmen für polynomiale Probleme.
Werden die Probleme komplizierter, so kann es Algorithmen geben, die mit
seltenen, eigentümlichen Eingaben sehr schlecht zurechtkommen, bei den meisten
möglichen Eingaben schnell bleiben (z.B.Simplex Algorithmus).
Wie kann man die Nützlichkeit derartiger Algorithmen messen?
Ausgehend von einer Wahrscheinlichkeitsverteilung der Eingaben betrachten
wir den Erwartungswert für die Laufzeit des Algorithmus.
Da es schwer ist, eine realistische Verteilung zu wählen, benutzt man in der
Regel Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die man analytisch im Griff hat.
Da es schwer ist, eine vernünftige Wahrscheinlichkeitsverteilung für unendlich
viele Graphen anzugeben, begnügt man sich mit Verteilungen für Graphen gegebener Ordnung (Knotenzahl). Das paßt insbesondere gut zur Darstellung des
Erwartungswertes der Laufzeit in Abhängigkeit von der Größe der Eingabe.
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
4
18
Die probabilistische Methode
Nehmen wir an, wir wollen die Existenz eines Objektes mit gewünschter Eigenschaft nachweisen. Dazu definieren wir einen Wahrscheinlichkeitsraum, in welchem das Auftreten dieser Eigenschaft ein Ereignis A ist. Wenn A eine positive
Wahrscheinlichkeit hat, dann muß solch ein Objekt existieren.
Wir werden im folgenden mit P (A) die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A
bezeichnen.
4.1
Beispiel: Ramsey-Zahl
Mit R(p,q) bezeichnen wir die kleinste Zahl n, sodaß jeder Graph mit n Knoten
eine Clique der Größe p oder eine unabhängige Knotenmenge der Größe q hat.
Gemäß Ramseys Theorem (1930) existiert R(p,q) (und ist nicht etwa unendlich).
Besonders berühmt ist das Beispiel R(3, 3) = 6.
Wir wollen nun eine untere Schranke r für R(p, p) herleiten. Dazu würfeln wir
für jede mögliche Kante unabhängig mit Wahrscheinlichkeit 21 aus, ob sie in unserem zufälligen Graphen enthalten ist, oder nicht. Wenn die Wahrscheinlichkeit
dafür, daß dieser Graph weder eine p-Clique, noch eine unabhängige Menge der
Größe p hat, größer 0 ist, gibt es einen Graphen mit p Knoten ohne p-Clique und
ohne unabhängige Menge aus p Knoten. Eine konkrete p-Clique tritt in unserem
p
Zufallsgraphen ebenso mit Wahrscheinlichkeit 2−(2) auf, wie eine unabhängige
Menge der Größe p. Die Wahrscheinlichkeit, überhaupt eine p-Clique oder eine
p
unabhängige Menge der Größe p zu haben, ist folglich höchstens pr 21−(2) . Es
ergibt sich also:
p
Satz 25 (Erdős, 1947) Aus pr 21−(2) < 1 folgt R(p, p) > r.
4.2
Linearität des Erwartungswertes
Wenden wir uns nun der Nutzung von Eigenschaften des Erwartungswertes zu:
Definition 10 Eine Zufallsvariable ist eine Funktion, die jedem Element des
Wahrscheinlichkeitsraumes eine reelle Zahl zuordnet. Der Erwartungswert E(X)
einer Zufallsvariablen
ist (im diskreten Wahrscheinlichkeitsraum) das gewichtete
P
Mittel k P (X = k)k. Das Schubfachprinzip des Erwartungswertes ist die Tatsache, daß ein Element des Wahrscheinlichkeitsraumes existiert, für welches der
Wert von X mindestens so klein (oder mindestens so groß) ist, wie E(X).
Neben dem Schubfachprinzip des Erwartungswertes ist eine (zu seiner Berechnung) wichtige Eigenschaft die Linearität des Erwartungswertes:
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
19
Lemma 26 Wenn X sowie X1 , X2 , . . . , Xn Zufallsvariablen des gleichen Wahrn
n
P
P
scheinlichkeitsraumes sind und X =
Xi gilt, so folgt E(X) =
E(Xi ) sowie
i=1
i=1
E(aX) = aE(X) für beliebiges reelles a.
Beweis: Im diskreten Wahrscheinlichkeitsraum liefert jedes Element den gleichen
Beitrag zur linken wie zur rechten Seite.
2
Um den Erwartungswert einer Zufallsvariablen zu bestimmen, nutzt man
häufig Indikatorvariablen:
Definition 11 Eine Indikatorvariable ist eine Zufallsvariable, die bei Eintreten
eines bestimmten Ereignisses den Wert 1 annimmt und ansonsten nur den Wert
0.
Der Erwartungswert einer Indikatorvariablen ist offenbar gerade die Wahrscheinlichkeit des indizierten Ereignisses.
Betrachten wir folgendes Beispielproblem:
In einem Turnier mit n Teilnehmern T1 , T2 , . . . Tn tritt jeder gegen jeden einmal zum Zweikampf an. Ein Unentschieden ist als Ausgang des Zweikampfes
dabei ausgeschlossen. Aus den Ergebnissen der Zweikämpfe möchte man gerne
eine Rangfolge der Turnierteilnehmer ablesen. Eine vernünftige Rangfolge wäre
eine solche, in der jeder Teilnehmer gegen den in der Rangfolge direkt unter ihm
stehenden auch gewonnen hat. Diese Einschränkung ist nun bei weitem nicht eindeutig. Uns interessiert nun, wie viele in diesem Sinne vernünftige Rangfolgen in
demselben Turnier auftreten können.
Modellieren wir das Turnier als Graph, wobei die Teilnehmer den Knoten des
Graphen entsprechen. Zwischen zwei Knoten a und b des Graphen wird nun eine
gerichtete Kante von a nach b eingezogen, wenn a im Turnier gegen b gewonnen hat. Als Modell unseres Turnieres erhalten wir einen Turniergraphen, einen
gerichteten Graphen, der zwischen je zwei Knoten eine Kante hat. In diesem Modell entspricht einer vernünftigen Rangfolge ein gerichteter Weg, der alle Knoten
überdeckt (gerichteter Hamiltonweg). Um die maximale Zahl der vernünftigen
Reihenfolgen nun nach unten abzuschätzen, können wir den Erwartungswert dieser Anzahl für ein zufälliges Turnier mit n Teilnehmern bestimmen.
Dazu wählen wir unabhängig und gleichwahrscheinlich für jede Kante des
Turniergraphen eine der beiden möglichen Richtungen. Die Wahrscheinlichkeit,
daß nun ein konkreter gerichteter Hamiltonweg im Ergebnis auftritt, ist folglich
21−n , da jede der n − 1 Kanten des Hamiltonweges genau die richtige“ Richtung
”
aufweisen muß. Die Zahl der zu betrachtenden Hamiltonwege ist gleich der Zahl
der Reihenfolgen, in der man die Knoten anordnen kann, also gleich n!. Addiert
man nun die Indikatorvariablen für das Auftreten der Hamiltonwege, so ergibt
sich eine Zufallsvariable, die die Anzahl der Hamiltonwege eines zufälligen Turniergraphen anzeigt. Ihr Erwartungswert ergibt sich mit Lemma 26 zu n!21−n .
Nach dem Schubfachprinzip des Erwartungswertes folgt:
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
20
Satz 27 (Szele, 1943) Es gibt einen Turniergraphen auf n Knoten mit dn!21−n e
Hamiltonwegen.
Wir haben also eventuell dn!21−n e oder mehr vernünftige Rangfolgen.
4.3
Nachträgliche Korrektur
Hat ein Zufallsobjekt beinahe“ eine gesuchte Eigenschaft, so kann eine kleine
”
Modifikation das gesuchte Objekt liefern. Diese Technik nennen wir die Methode der nachträglichen Korrektur (in der englischsprachigen Literatur: alteration
principle, deletion method, two step method). Wir betrachten ein Beispiel.
Definition 12 Eine dominierende Menge von Knoten eines Graphen G ist eine
Menge S ⊆ V (G) derart, daß für alle v ∈ V (G) gilt: dG (v, S) < 1. Ein Knoten v
dominiert einen Knoten w in G, wenn er entweder selbst w, oder zu w benachbart
ist.
Wir interessieren uns nun für obere Schranken für die Größe möglichst kleiner
dominierender Mengen in Graphen mit gegebener Minimalvalenz k.
Randomisieren: Sei G ein solcher Graph. Wir wählen uns eine zufällige
Teilmenge S seiner Knotenmenge, indem wir mit einer festen Wahrscheinlichkeit
p unabhängig voneinander jeden Knoten aus G zu S hinzunehmen (und mit
Wahrscheinlichkeit 1 − p auslassen).
Nachträgliche Korrektur: Wenn wir Glück haben, ist S schon eine dominierende Menge, aber das ist nicht sicher. Sei T also die Menge der nicht von S
dominierten Knoten. Offenbar ist S ∪ T dann eine dominierende Menge.
Ermitteln des Erwartungswertes: Wie groß ist nun der Erwartungswert
für |S∪T |? Da jeder Knoten in S mit Wahrscheinlichkeit p landet, ist E(|S|) = np.
Die Zufallsvariable |T | ist die Summe der n Indikatorvariablen dafür, daß ein
spezieller Knoten von G zu T gehört. Nun gehört v genau dann zu T , wenn v
und seine Nachbarn nicht zu S gehören. Dies sind aber mindestens k + 1 Knoten,
die Wahrscheinlichkeit hierfür ist also höchstens (1 − p)k+1 . Somit ist gemäß
Linearität des Erwartungswertes:
E(|S ∪ T |) ≤ n(p + (1 − p)k+1 )
Optimieren des Ergebnisses (justieren von p): Das gilt nun für alle
p ∈ [0, 1]. Wir wollen eine möglichst kleine Schranke herleiten, suchen also das
Minimum dieses Ausdrucks über all diese p. Glücklicherweise ist f (p) = n(p+(1−
p)k+1 konvex in [0, 1] sodaß wir lediglich die Ableitung gleich Null setzen müssen.
1
.
Es ergibt sich n(1 − (k + 1)(1 − p)k ) = 0, also nach Umformung: p = 1 − √
k
k+1
Setzen wir dieses p in die Abschätzung unseres Erwartungswertes ein, ergibt sich:
E(|S ∪ T |) ≤ n(1 −
k
1 + ln(k + 1)
1
√
≤n
k
k+1 k+1
k+1
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
21
Die letzte Ungleichung ist zwar schwer zu beweisen (wir verzichten an dieser
Stelle darauf), aber eigentlich nur kosmetisch ist, da wir damit ja das Ergebnis
abschwächen (fällt für große k aber kaum ins Gewicht). Man sieht allerdings die
Größenordnung in k besser.
Auswertung Mit dem Schubfachprinzip des Erwartungswertes ergibt sich:
Satz 28 (Alon, 1990) Wenn G ein Graph auf n Knoten mit Minimalgrad k
ist, so besitzt G eine dominierende Menge mit höchstens n 1+ln(k+1)
Elementen.
k+1
2 In einem k-regulären Graph dominiert jeder Knoten genau
(G)|
k + 1 Knoten, weswegen dominierende Mengen mindestens |Vk+1
Knoten haben.
Unsere obere Schranke liegt erstaunlich dicht an dieser unteren Schranke.
4.4
Von der Existenz zum Algorithmus
Bisher haben wir nur die Existenz der kleinen“ dominierenden Menge gezeigt,
”
nicht aber, wie man im konkreten Fall eine finden kann. In der Herleitung haben wir noch zusätzlich den Schritt gemacht, die Wahrscheinlichkeit, mit der
ein Knoten zu S gehört, nachträglich zu justieren. Um zu einem Algorithmus
zu kommen, der uns nun eine kleine dominierende Menge liefert, wählen wir die
Wahrscheinlichkeiten, mit denen ein konkreter Knoten in S aufgenommen wird,
unabhängig voneinander variabel. Aufgrund der Linearität des Erwartungswertes erhalten wir als Erwartungswert unserer Zielfunktion (im Beispiel E(|S ∪ T |))
eine multilineare Funktion in den n gewählten variablen Wahrscheinlichkeiten.
Nun entscheiden wir sukzessive in jedem Punkt, ob er zu S gehört oder nicht,
indem wir seine zugehörige Wahrscheinlichkeit auf 1 anheben oder auf 0 senken, je nachdem, was unsere multilineare Funktion vergrößert. Am Ende dieser n
Schritte haben wir eine konkrete Menge S ausgewählt, für die wir die nachträgliche Korrektur durchführen können. Da nun alle Wahrscheinlichkeiten 0 oder 1
sind, ist der Erwartungswert der Größe der Zielfunktion gerade die Größe der so
korrigierten Menge.
Führen wir diese Überlegung mal am Beispiel des vorigen Unterabschnittes
aus:
Die Knoten von G seien gerade die natürlichen Zahlen 1, 2, . . . , n. Mit Wahrscheinlichkeit pi wählen wir i für S aus. Mit Ni bezeichnen wir die Menge der
Nachbarn von Knoten i. Es ergibt analog zum vorigen Abschnitt:
n
X
E(|S|) =
pi
(1)
i=1
E(|T |) =
n
X
i=1
E(|S ∪ T |) =
n
X
i=1
(1 − pi )
Y
(1 − pj )
(2)
j∈Ni
!
pi + (1 − pi )
Y
j∈Ni
(1 − pj )
(3)
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
22
(4)
Befinden wir uns im Schritt s, so sind zu Beginn alle pi mit i < s entweder 0 oder
1
. Wir bestimmen nun die Ableitung
1 und alle pi mit i > s sind gleich 1 − √
k
k+1
von E(|S ∪ T |) nach ps und erhalten:
Y
X Y
1−
(1 − pj ) +
pj
j∈Ns
i∈Ns j∈Ni \{s}
Ist ihr Wert (den wir in Polynomialzeit ermitteln können) positiv, so ändern wir
ps auf 0, ansonsten auf 1. Dadurch sinkt in jedem Schritt der Erwartungswert für
|S ∪ T | oder bleibt bestenfalls gleich. Nach n Schritten sind alle pi entweder 1
oder 0. Sei S∗ = {i|pi = 1} und T ∗ die Menge aller Knoten j mit d(j, S) > 1. Mit
Wahrscheinlichkeit 1 gilt nun S = S∗ und T = T ∗, also E(|S ∪ T |) = |S ∗ ∪T ∗ |.
1
Somit ist S ∪T zwangsläufig eine dominierende Menge mit höchstens n(1− √
)
k
k+1
Elementen.
4.5
Die Markov-Ungleichung
Lemma 29 (Markov-Ungleichung) Wenn X nur nichtnegative Werte annimmt,
dann folgt P (X ≥ t) ≤ E(X)/t. Nimmt insbesondere X nur natürliche Zahlen
als Werte an, so folgt mit E(X) → 0 auch P (X = 0) → 1.
Beweis:
E(X) =
X
k≥0
kP (X = k) ≥
X
kP (X = k) ≥ t
k≥t
X
P (X = k) = t ∗ P (X ≥ t)
k≥t
2
Betrachten wir ein Beispiel zur Anwendung.
Definition 13 Die Taillenweite eines Graphen ist die Länge eines kürzesten
in ihm enthaltenen Kreises. Eine Menge von Knoten eines Graphen heißt unabhängige Menge, wenn sie keine Kanten induziert. Die chromatische Zahl eines
Graphen G (kurz χ(G)) ist die minimale Anzahl in ihm unabhängiger Mengen,
die seine Knotenmenge überdecken (=minimale Anzahl von Farben, die benötigt
werden, um seine Knoten so zu färben, daß benachbarte Knoten unterschiedlich
gefärbt sind.) Die Unabhängigkeitszahl eines Graphen G (kurz α(G)) ist die maximale Anzahl von Knoten einer in ihm unabhängigen Menge.
Wir wollen nun die Existenz von Graphen zeigen, die Lokal wie Bäume aussehen, und dennoch hohe chromatische Zahl haben, um uns klarzumachen, daß die
chromatische Zahl (im Gegensatz beispielsweise zur Durchschnittsvalenz) eben
keine lokale“ Größe ist, ihre Ermittlung also die Kenntnis der globalen Struktur
”
eines Graphen voraussetzt. Wir zeigen folgendes Resultat:
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
23
Satz 30 (Erdős, 1959) Zu gegebenem k ≥ 3 und g ≥ 3 gibt es einen Graphen
mit Taillenweite g und chromatischer Zahl k.
Beweis: Es genügt, die Existenz eines Graphen mit Taillenweite ≥ g und chromatischer Zahl ≥ k zu zeigen, da wir im Nachhinein solange Kanten löschen
können, bis die chromatische Zahl auf g gesunken ist, um am Ende noch einen
Kreis der Länge k anzufügen.
Randomisieren Zu gegebener Größe n erzeugen wir Graphen G mit V (G) =
{1, . . . , n} indem wir die möglichen Kanten unabhängig voneinander genau mit
Wahrscheinlichkeit p in ihnen auftreten lassen.
Justieren von p - strategisch Ein Graph ohne große unabhängige Menge
n(G)
hat offenbar hohe chromatische Zahl, da offenbar χ(G) ≥ α(G)
gilt (Schubfachschluß). Wir sollten p also hinreichend groß wählen, um große unabhängige Mengen zu vermeiden. Andererseits müssen wir p hinreichend klein wählen, um die
erwartete Anzahl kurzer Kreise (Kreise kürzer als g) klein zu halten.
Nachträgliche Korrektur - strategisch Sofern wir einen Graphen mit wenigen kurzen Kreisen und kleiner Unabhängigkeitszahl gefunden haben, brauchen
wir nur aus jedem kurzen Kreis einen Knoten zu löschen (was die Unabhängigkeitszahl ja nicht vergrößert), um einen Graphen der gewünschten Eigenschaft zu
erlangen.
Ermittlung des Erwartungswertes für die Zahl der kurzen Kreise
Jeder mögliche Kreis der Länge i tritt mit Wahrscheinlichkeit pi auf, da er ja i
n!
Kanten enthält. Es gibt genau (n−i)!2i
≤ ni mögliche Kreise der Länge i, weswegen
der Erwartungswert der Gesamtzahl X kurzer Kreise sich nach oben abschätzen
läßt durch
g−1
X
(pn)i
E(X) ≤
2i
i=3
.
Ermittlung für die Wahrscheinlichkeit großer unabhängiger Menr
gen: Eine Menge mit r Elementen ist mit Wahrscheinlichkeit (1 − p)(2) unabhängig. Ist α(G) ≥ r so hat G offenbar mindestens eine der nr möglichen
unabhängigen Menge der Größe α. Es folgt:
r
r−1
n
P (α(G) ≥ r) ≤
(1 − p)(2) < [ne−p 2 ]r
r
n
Hier wird r<n
und (1 − p) < e−p verwendet.
r
Justierung der bisher eingeführten Parameter p, n und r: Wir wollen
erreichen, daß P (α(G) ≥ r) + P (X ≥ f (n)) < 1 ist, wobei n−fr (n) ≥ k gelten soll.
Dazu fordern wir, daß P (X ≥ f (n)) für wachsendes n ebenso gegen Null geht,
wie P (α(G) ≥ r). Wir wählen nun zum Beispiel f (n) = n2 (hier muß man einfach
mal was ausprobieren).
Aus der Markov-Ungleichung wissen wir P (X ≥ n2 ) ≤ n2 E(X) und folglich
n→∞
wollen wir p = p(n) so wählen, daß wir n2 E(X) −→ 0 folgern können. Also
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
24
müssen alle Summanden unserer Abschätzung von E(X) mit n2 multipliziert für
wachsendes n gegen Null gehen. Für den i-ten Summanden bedeutet das pi−1 ni−2
1
gegen Null gehen muß. Man kann nun herleiten, daß hierfür p = n g −1 geradeso
reicht (beachte i < g). Wählen wir n hinreichend groß, so erhalten wir mit beliebig
n
großer Wahrscheinlichkeit
l
m einen Graphen mit 2 Knoten ohne kurze Kreise. Es
zeigt sich, daß r = 3 ln(n)
eine passende Wahl ist, um P (α(G) ≥ r) für n gegen
p
unendlich gegen Null gehen zu lassen.
Auswertung: Man beachte, daß r immer noch in geringerer Größenordnung
n
wächst als n, sodaß für festes g und k ein hinreichend großes n existiert mit r < 2k
,
n
1
1
P (α(G) ≤ r) < 2 und P (X ≥ 2 ) ≤ 2 , wozu also ein Graph mit n − f (n) = n2
Knoten existiert, dessen chromatische Zahl mindestens k und dessen Taillenweite
mindestens g ist.
2
4.6
Eigenschaften fast aller Graphen
Es gibt zwei unterschiedliche Modelle für Zufallsgraphen:
Definition 14
• Modell A: Zu gegebenem n und p = p(n) generieren wir Graphen mit Knotenmenge {1, 2, . . . , n} indem wir unabhängig je zwei Knoten mit Wahrscheinlichkeit p durch eine Kante verbinden. Jeder Graph mit m Kanten
n
hat also Wahrscheinlichkeit pm (1 − p)( 2 )−m .
• Modell B: Zu natürlichen Zahlen n und m = m(n) wählen wir aus allen Graphen mit Knotenmenge {1, 2, . . . , n} und genau m Kanten zufällig
und gleichwahrscheinlich einen aus, d.h. jeder solche Graph tritt mit Wahrn −1
scheinlichkeit ( 2 )
auf.
m
Wir betrachten Grapheneigenschaften wieder als Ereignisse. Mit Fast jeder
”
Graph hat gemäß Modell A (bzw. B) die Eigenschaft Q“ meinen wir, daß für die
Wahrscheinlichkeit qn , daß ein zufälliger Graph mit n Knoten gemäß Modell A
(bzw. B) Eigenschaft q hat, lim qn = 1 gilt.
n→∞
In gewissem Sinne sind die Modelle äquivalent, was folgender Satz besagt:
Satz 31 (Bollobás,1985,p34-35) Wenn Q eine Grapheneigenschaft derart ist,
daß mit F und H auch
alle Graphen G mit F ⊆ G ⊆ H die Eigenschaft Q haben,
n n→∞
und p(n)(1 − p(n)) 2 −→ ∞ gilt, dann hat fast jeder Graph gemäß Modell A die
Eigenschaft Q, genau dann, wenn auch für jedes feste xqfast jeder Graph gemäß
Modell B die Eigenschaft Q hat, wobei m(n) = bp n2 +x p(1 − p) n2 c zu wählen
ist.
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
25
Im Folgenden verwenden wir daher das Modell, in dem die Rechnungen einfacher
werden - also Modell A. Mit p bezeichnen wir dabei immer die Wahrscheinlichkeit
des Auftretens einer Kante. Im Folgenden hängt also p höchstens von n ab.
Folgende Bezeichnungsweisen sind üblich:
n→∞
a → L für an −→ L bzw. lim an = L,
n→∞
n|
an ∈ O(f (n)) für { f|a(n)
|n ∈ N} ist beschränkt,
an
an ∈ o(f (n)) für f (n) → 0,
an = bn (1 + o(1)), an ∼ bn oder an ist asymptotisch gleich bn für an − bn ∈ o(bn )
(äquivalent zu abnn → 1)
Satz 32 (Gilbert, 1959) Für konstantes p > 0 ist fast jeder Zufallsgraph zusammenhängend.
Beweis: Der Grund, daß G nicht zusammenhängend ist, ist die Existenz einer
Zerlegung der Knotenmenge V (G) in zwei nichtleere Teilmengen A = S und
B = V (G) \ S derart, daß keine Kante von A nach B verläuft. Als obere Schranke
für den Zusammenhang können wir die Wahrscheinlichkeiten, daß ein konkretes
A eine passende Zerlegung liefert, aufsummieren und durch 2 teilen (da A = S
und A = V (G) \ S stets gleichzeitig eine solche Zerlegung liefert). Wir erhalten:
n−1 1X n
(1 − p)k(n−k)
P (G zusammenhängend) ≤
2 k=1 k
n
≤
b2c X
n
k=1
k
(1 − p)k(n−k)
n
≤
b2c
X
n
(n(1 − p) 2 )k
k=1
<
∞
X
n
(n(1 − p) 2 )k
k=1
n
n
Nun gilt n(1 − p) 2 → 0, sodaß wir für hinreichend großes n auch n(1 − p) 2 < 1
voraussetzen können. Wir können also die Abschätzung nun durch Ausrechnen
der gewonnenen geometrischen Reihe abschließen:
n
n(1 − p) 2
P (G zusammenhängend) <
n → 0
1 − n(1 − p) 2
n
Dabei haben wir für den Grenzwert nochmals n(1 − p) 2 → 0 verwendet.
2
Unter Verwendung der Markov-Ungleichung und über die Linearität des Erwartungswertes können wir sogar folgende Aussage beweisen:
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
26
Satz 33 Für konstantes p hat fast jeder Zufallsgraph Durchmesser 2.
Beweis: Die Wahrscheinlichkeit, daß der Durchmesser von G kleiner Zwei ist,
n
ist offenbar p( 2 ) → 0, da jede mögliche Kante vorhanden sein muß. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Durchmesser von G größer als Zwei ist, geht nach der
Markov-Ungleichung gegen Null, sofern der Erwartungswert für die Anzahl der
Knotenpaare ohne gemeinsame Nachbarn und damit die Wahrscheinlichkeit ihres
Auftretens gegen
geht. Ermitteln wir diesen Erwartungswert, erhalten wir
Null
n
2 n−2
→0
2
tatsächlich 2 (1 − p )
4.6.1
Schwellfunktionen
Definition 15 Eine monotone Eigenschaft ist eine Grapheneigenschaft, die bei
Hinzunahme von Kanten (zu einem Graphen mit dieser Eigenschaft) erhalten
bleibt. Eine p-Schwellfunktion (bzgl. Modell A) für eine monotone Grapheneigenschaft Q ist eine Funktion t(n) derart, daß aus p(n) ∈ o(t(n)) folgt, daß fast kein
Zufallsgraph die Eigenschaft Q hat, und daß aus t(n) ∈ o(p(n)) folgt, daß fast
alle Zufallsgraphen die Eigenschaft Q haben.
Eine analoge Definition läßt sich für Modell B geben, hier wird dann m(n) mit
t(n) verglichen.
Definition 16 Das k-te Moment von X ist E(X k ).
Die Varianz von X ist E ((X − E(X))2 ), kurz Var(X).
Lemma 34 (Methode des zweiten Moments) Wenn X eine Zufallsvariable
2 )−(E(X))2
.
ist, dann gilt P (X = 0) ≤ E(X E(X)
2
Gilt speziell
E(X 2 )
(E(X))2
→ 1, so folgt P (X = 0) → 0.
Beweis: Anwendung der Markov-Ungleichung auf die Zufallsvariable (X −
E ((X−E(X))2 )
E(X))2 und den Wert t2 liefert: P ((X − E(X))2 ≥ t2 ) ≤
, also die
t2
Chebyshev-Ungleichung:
P (|X − E(X)| ≥ t) ≤
Var(X)
t2
Wegen
E (X − E(X))2 = E X 2 − 2XE(X) + (E(X))2 = E(X 2 ) − (E(X))2
ergibt sich:
P (X = 0) ≤ P (|X − E(X)| ≥ t) ≤
E(X 2 ) − (E(X))2
t2
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
27
Zum Abschluß des Beweises setzen wir t = E(X).
2
Die Aussage dieses Lemmas ist plausibel: Wenn der Durchschnittswert schneller wächst als die Standardabweichung, wird die Chance, den Wert Null zu erwischen beliebig gering.
Beispiel:
Satz 35
ln(n)
n
ist eine p-Schwellfunktion für die Abwesenheit isolierter Knoten.
Beweis: Sei X die Zahl der isolierten Knoten, wobei Xi die Indikatorvariable
n
P
dafür ist, daß i ein isolierter Knoten ist. Wir erhalten E(X) =
E(Xi )2 =
i=1
n(1 − p)n−1 . Wir suchen eine Größenordnung p(n) zwischen den Möglichkeiten
E(X) → ∞ und E(X) → 0. Wegen
2 ( 1 + p +...)
2
3
(1 − p)n = en ln(1−p) = e−np e−np
vereinfacht sich dieser Ausdruck asymptotisch, sofern nur np2 → 0, also p ∈ o( √1n )
gilt und liefert (1 − p)n ∼ e−np und (1 − p)−1 ∼ 1. Dann folgt E(X) ∼ ne−np . Zur
weiteren Vereinfachung setzen wir p = c ln(n)
, was uns zu E(X) ∼ n1−c führt. Für
n
1
konstantes c liegt p in o( √n ), was die vorige Abschätzung rechtfertigt. Für c > 1
folgt E(X) → 0.
Falls c < 1, folgt E(X) → ∞. Wegen der Methode des zweiten Moments
genügt es hier zu zeigen, daß E(X 2 ) ∼ (E(X))2 . Da für die Indikatorvariablen
Xi gilt Xi2 = Xi , erhalten wir:
2
E(X ) =
n
X
i=1
E(Xi2 ) +
X
E(Xi Xj ) = E(X) + n(n − 1)E(Xi Xj )
i6=j
Nun ist Xi Xj offenbar wieder eine Indikatorvariable, die diesmal anzeigt, ob beide
Knoten (i und j) isoliert sind. Dazu müssen wir aber 2(n−2)+1 Kanten verbieten,
was E(Xi Xj ) = (1−p)2n−3 liefert. Analog zum vorigen Teil esgibt sich E(Xi Xj ) ∼
e−2np , also:
E(X 2 ) ∼ E(X) + n(n − 1)e−2np ∼ E(X) + (E(X))2
Da bei E(X) → ∞ offenbar (E(X))2 noch schneller wächst als E(X), erhalten
wir letztlich E(X 2 ) ∼ (E(X))2 .
2
Wir wollen nun die Schwellfunktion für das Auftreten eines Untergraphen
isomorph zu einem konreten Graphen H herleiten. Für beliebige Graphen H ist
relativ schwierig, daher beschränkt man sich auf eine Klasse von Graphen, die
uns die Herleitung ermöglicht:
Ein Graph H heißt balanciert, sofern der Durchschnittsgrad jedes induzierten
Untergraphen höchstens gleich dem Durchschnittsgrad von H selbst ist.
Wir zeigen nun folgenden Satz:
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
28
Satz 36 Wenn H ein balancierter Graph mit k Knoten und l Kanten ist, dann
k
ist p = n− l eine p-Schwellfunktion für das Auftreten eines zu H isomorphen
Untergraphen.
Beweis: Sei X die Anzahl von Kopien von H im Zufallsgraphen. Wir können
X als Summe von Indikatorvariablen für Xi für die möglichen Kopien von H
darstellen. Wenn A die Anzahl der Automorphismen von H ist, produziert die
Menge der Abbildung von V (H) in die Knotenmenge des Zufallsgraphen jede
mögliche Kopie genau A mal. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine konkrete Kopie
tatsächlich auftritt, ist pl , da jede ihrer Kanten auftreten muß und der Rest
uns egal ist. Die Anzahl der Abbildungen von V (H) in die Knotenmenge des
n!
Zufallsgraphen ist (n−k)!
∼ nk . Es ergibt sich also insgesamt:
E(X) ∼
nk pl
A
l
k
Für p(n) = cn n− l ergibt sich E(X) ∼ cAn . Also folgt aus cn → 0 auch E(X) →
0 und aus cn → ∞ auch E(X) → ∞.
Nach der Methode des zweiten Momentes bleibt zu zeigen, daß E(X 2 ) ∼
E(X)2 gilt, sofern cn → ∞.
Wir erhalten:
X
E(X 2 ) = E(X) +
E(Xi Xj )
i6=j
Hier hängen allerdings die Summanden in der rechten Summe S von H 0 = Hi ∩Hj
ab. Allerdings können wir sie jeweils für gleiches H 0 zusammenfassen. Angenommen H 0 hat r Knoten und s Kanten. Die Zahl der Kanten von Hi ∪ Hj ist dann
2l−s, womit wir in diesem Falle E(Xi Xj ) = p2l−s erhalten. Um nun diese gleichen
Werte zusammenfassen zu können, benötigen wir die Anzahl geordneter Paare i, j
derart, daß H 0 = Hi ∩ Hj ist. Ein konkretes solches Paar erhält man, indem man
zunächst die r Knoten aus H 0 , und dann die jeweils k − r Knoten aus Hi − H 0
und Hj − H 0 wählt, um dann auf diesen Knotenmengen H 0 zu Kopien von H zu
ergänzen. Die Anzahl der Möglichkeiten, die Knoten zu wählen, ist:
n!
n2k−r
∼
r!(k − r)!(k − r)!(n − 2k + r)!
r!(k − r)!2
Die Anzahl M an Möglichkeiten, H 0 zu den Kopien von H zu ergänzen, hängt
nunmehr nicht mehr von n und p, sondern nur noch von H 0 ab und ist insbesonM
dere beschränkt in n. Sei αH 0 die Konstante r!(k−r)!
2 . Für den Anteil EH 0 von der
0
Paare (i, j) mit Hi ∩ Hj = H an S gilt EH 0 ∼ αH 0 n2k−r p2l−s . Falls r = s = 0
folgt M = (k!/A)2 , also alpha∅ = A12 und mithin:
E∅ ∼
n2k p2l
∼ (E(X))2
A2
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
29
Um den Beweis zu vervollständigen bleibt zu zeigen, daß die Anteile für jede
Wahl von H 0 6= ∅ langsamer wachsen, da ja die Zahl verschiedener Wahlen von
H 0 nur von H abhängt, also in n beschränkt ist. Es ergibt sich:
EH 0 ∼ αH 0 A2 E(X)2 n−r p−s
der Durchschnittsgrad von H 0 ist, liefert die Voraussetzung, daß H balanDa 2s
r
r
ciert ist, die Ungleichung 2rs ≥ 2kl . Es folgt pn s ≥ pnk l = c → ∞ und hieraus
n−r p−s → 0. Deswegen gilt EH 0 ∈ o(E(X)2 ) für H 0 6= ∅.
2
4.6.2
Ein Isomorphie-Test, welcher fast immer funktioniert
Bisher ist kein polynomialer Algortithmus bekannt, um zwei Graphen auf Isomorphie zu testen. Mit Hilfe von Kenntnissen über Zufallsgraphen gelingt es
aber relativ einfach, einen quadratischen Algorithmus anzugeben, der für fast
alle Paare von Graphen funktioniert. Die Idee ist, die Knoten jedes Graphen einer geeigneten Klasse von Graphen kanonisch durchnumerieren zu können. Zwei
Graphen, für die die Konstruktion der kanonischen Numerierung gelang, mögen
genau dann isomorph sein, wenn die Abbildung von Knoten mit gleicher Nummer
aufeinander einen Isomorphismus liefert.
Zunächst beschreiben wir den Numerierungsalgorithmus:
Algorithmus 37 Gegeben sei ein Graph mit n Knoten. Sei r = b3 lg(n)c. Wir
ordnen die Knoten der Valenz nach absteigend an. Haben in einer solchen Reihenfolge zwei der ersten r + 1 Knoten gleiche Valenz, berechen wir die Numerierung
ergebnislos ab. Ansonsten bekommen die ersten r Knoten die Nummer, die ihrem
Platz in dieser Anordnung entspricht. Diese Knoten mögen die Menge R bilden
und nv sei die so zugewiesene Nummer für einen Knoten v ∈ R. Für jeden verbleibenden Knoten w bilden wir jeweils einen Adjazenzvektor x ∈ {0, 1}r derart,
daß xi = 1 genau dann gilt, wenn der Knoten v mit Nummer nv = i zu w benachbart ist. Diese Vektoren ordnen wir nun lexikographisch aufsteigend. Tritt
ein solcher Vektor doppelt auf, so wird die Numerierung ergebnislos abgebrochen.
Anderenfalls bekommen die Knoten aus V (G) \ E nun jeweils - beginnend mit
r + 1 aufsteigen - die Nummer, die der Position ihres Adjazenzvektors in dieser
lexikographischen Ordnung entspricht. Damit ist die kanonosche Numerierung
abgeschlossen.
Man analysiert leicht, daß dieser Algorithmus höchstens O(n2 ) Schritte benötigt.
Zwei Graphen, von denen für einen die Numerierung gelingt, sind offenbar
genau dann isomorph, wenn für den anderen die Numerierung auch gelingt und
ihre Adjazenzmatrizen bei Anordnung der Knoten entsprechend ihrer Nummern
gleich sind. Das läßt sich offenbar auch in O(n2 ) Zeit testen.
Damit haben wir einen quadratischen Isomorphietest, der funktioniert, wenn
wenigstens für einen der zwei auf Isomorphie zu prüfenden Graphen die Numerierung der Knoten gelingt.
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
30
Dieser Algorithmus wurde 1980 von Babai, Erdős und Selkow angegeben und
sie zeigten insbesondere, daß dieser Algorithmus für fast alle Paare von Graphen
funktioniert.
Satz 38 (Babai,Erdős,Selkow 1980) Es gibt einen quadratischen Algorithmus,
welcher für fast alle Paare von Graphen mit n Knoten funktioniert.
Um die fehlende Überlegung zum Beweis des Satzes zu liefern, zitieren wir
zunächst zwei Resultate aus der Theorie der Zufallsgraphen:
Satz 39 (Erdős,Rényi, 1966) Falls p = ωn log(n)
gilt und ε > 0 fest gewählt
n
ist, gilt für fast jeden Zufallsgraphen G (gemäß Modell A):
(1 − ε)pn < δ(G) ≤ ∆(G) < (1 + ε)pn
Hier ist ωn eine unbeschränkte Funktion, die aber beliebig langsam wächst.
Dieser Satz besagt, daß die Valenzen der Knoten in einem ziemlich engen,
linear beschränkten Intervall liegen. Beim nächsten Satz beschäftigen wir uns
mit dem Häufigkeit der größten auftretenden Valenzen:
1
Satz 40 (Bollobas, 1981) Bei fester Wahrscheinlichkeit p treten für t ∈ o( logn n ) 4
in fast jedem Zufallsgraphen G die t größten Valenzen höchstens einmal auf.
Mit diesen Hilfsmitteln gelingt es uns nun, Theorem 38 zu Ende zu beweisen. Beweis: Wir müssen noch zeigen, daß für fast alle Graphen der Numerierungsteil
des Algorithmus klappt. Die Numerierung von R gelingt bei fast allen Graphen
gemäß Theorem 40. Es bleibt also zu zeigen, daß für fast alle Graphen die Adjazenzvektoren zu einer speziellen Menge R von r Knoten für die restlichen Knoten
aus V (G) \ R paarweise verschieden sind. Die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Knoten x und y aus V (G) \ r die gleichen Adjazenzen nach R haben, ist in etwa bei
(1 − p)r . In etwa, weil wir unsere Wahl der Menge R ja erst nach der Erstellung
des Zufallsgraphen treffen und zwar in Abhängigkeit von dem konkreten Zufallsgraphen, wodurch die Wahrscheinlichkeit für Kanten, welche inzident zu R sind,
erhöht wird - aber nicht wesentlich, wie wir aus Theorem ?? wissen. Daher ist
jedenfalls die erwartete Anzahl von Paaren
mit identischen Adjazenzvektoren au
r
ßerhalb R beschränkt durch O( n−r
(1
−
p)
). Durch unsere Wahl von r können
2
wir den Logarithmus zur Basis zwei hiervon durch 2 lg(n) − 3b lg(n) beschränken,
1
wobei hier b für 1−p
steht und für p ≤ 12 mindestens 2 ist. 2 lg(n) − 3b lg(n) geht
gegen −∞, womit fast alle Graphen paarweise verschiedene Adjazenzvektoren
liefern.
2
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
4.7
31
Eine schwere DeMO-Aufgabe
Über die folgende Aufgabe könnt Ihr ja mal ein Weilchen Grübeln:
Aufgabe 3 (DeMO 2003, 431343) Gegeben ist ein Quadratgitter aus N × N
Kästchen; N sei eine ungerade Zahl größer oder gleich 3. Die Raupe Nummersatt
sitzt in dem Kästchen genau in der Mitte des Gitters. Jedes der übrigen Kästchen
enthält eine positive ganze Zahl. Über die Verteilung der Zahlen ist nur bekannt,
dass sich in keinen zwei Feldern die gleiche Zahl befindet.
Nummersatt möchte durch dieses Zahlenmeer einen Weg nach draußen finden. Sie kann dabei von einem Kästchen stets nur zu einem entlang einer Seite
angrenzenden Kästchen weiterwandern und muss jede Zahl fressen, durch deren
Kästchen ihr Weg führt. Jede Zahl n wiegt n1 kg, und Nummersatt kann insgesamt
nicht mehr als 2kg Zahlen fressen.
Man untersuche
a) für N = 2003,
b) für alle ungeraden Zahlen N > 3,
ob die Zahlen im Gitter so ungünstig verteilt sein können, dass Nummersatt
keinen Weg nach draußen finden kann, auf dem höchstens 2kg Zahlen liegen.
Diese Aufgabe stammt von der Deutschlandolympiade Mathematik und war am
Montag, dem 23.6.2003 den teilnehmenden Schülern der Klassen 11 bis 13 gestellt,
von denen keiner eine vollständige Lösung fand. Für die anderen Aufgaben der
diesjährigen DeMO siehe
http://www.mathematik-olympiaden.de
Die Antwort lautet in jedem Falle: Nein, es gibt immer einen Weg nach draußen, auf dem Nummersatt weniger als 2kg Zahlen frißt. Das folgt aus folgendem
Lemma:
Lemma 41 Für jedes N gibt es ein Feld mit Abstand N zu Nummersatts Startposition derart, daß es einen Weg über N Felder gibt, auf denen insgesamt weniger
als 2kg Zahlen liegen.
Da alle Felder mit Abstand N zu Nummersatts Startposition außerhalb des betrachteten Quadratgitters liegen, ergibt sich sofort unsere Behauptung. Beweisen
wir also das Lemma:
Beweis: In der Beweisidee lassen wir Nummersatt einen Weg der Länge
N zufällig zurücklegen, so daß es sich in jedem Schritt von seiner Startposition
wegbewegt, und in jedem Feld mit gleichem Abstand k zu seiner Startposition
gleichwahrscheinlich herauskommt. Dann schätzen wir den Erwartungswert des
Gewichtes der zu fressenden Zahlen nach N Schritten durch 2 nach oben ab, wobei
wir die Linearität des Erwartungswertes und den Satz über gleich und ungleich
geordnete Folgen, sowie die Abschätzung der Summe der Reziproken aller von
Null verschiedenen Quadratzahlen nach oben gegen 2 verwenden. Damit muß es
4 DIE PROBABILISTISCHE METHODE
32
unter allen betrachteten Wegen auch einen Weg der Länge n geben, der mit einem
Gesamtzahlengewicht kleiner 2 belegt ist.
Das Feld (i,j) sei jenes Feld, welches Nummersatt erreicht, wenn es i mal nach
oben (bzw. −i mal nach unten, falls i < 0) und j mal nach rechts (bzw. -j mal
nach links) geht. Mit ni,j bezeichnen wir die darauf befindliche Zahl. Im ersten
Schritt gehe Nummersatt gleichwahrscheinlich nach links, rechts, oben und unten.
Wir betrachten nun alle Felder (i, j) mit i ≥ 0 und j > 0. Sitzt Nummersatt auf
i+1
nach links und
einem solchen Feld (i, j) so möge sie mit Wahrscheinlichkeit i+j+1
j
mit Wahrscheinlichkeit i+j+1 nach oben gehen. Diese Übergangswahrscheinlichkeiten übertragen wir durch Drehung um 90, 180, bzw. 270 Grad auf alle anderen
Felder. Sind nun die Felder mit Abstand k zu (0, 0) alle gleichwahrscheinlich auf
Nummersatts Weg, so auch alle Felder mit Abstand k + 1:
Mit Pi,j bezeichnen wir die Wahrscheinlichkeit, daß Nummersatt nach i + j
Schritten Feld (i, j) anläuft. Das Feld (i, k − i + 1) mit i ≥ 0 und k − i + 1 ≥ 1
k−i
wird mit Wahrscheinlichkeit k+1
vom Feld (i, k − i) und mit Wahrscheinlichkeit
i
von Feld (i − 1, k − i + 1) erreicht, welche zu (0, 0) den Abstand k haben, sok+1
fern i ≥ 1 - ansonsten ist die Übergangswahrscheinlichkeit aber ohnehin gleich 0.
k−i
i
k
Damit ist Pi,k−i+1 = k+1
Pi,k−i + k+1
Pi−1,k−i+1 = k+1
Pk,0 . Für die anderen Felder
ergibt sich das Gleiche wegen der Konstruktion der Übergangswahrscheinlichkeiten. Also sind Felder gleichen Abstands tatsächlich gleichwahrscheinlich auf dem
Weg von Nummersatt. Jedes Feld mit Abstand d > 0 zu (0, 0) wird also mit
1
Wahrscheinlichkeit 4d
leergefressen.
Der Erwartungswert E der Masse der gefressenen Zahlen erweist sich nun als:
E =
=
N X
4d
X
Px(d,i),y(d,i)
d=1 i=1
N
4d
X
X
d=1
1
4d
i=1
nx(d,i),y(d,i)
2
2 −1
i=d +(d−1)2
N
X
1
d2
d=1
< 2
nx(d,i),y(d,i)
1
(d+1) +d
N
X
X
1
≤
4d 2
d=1
≤
1
1
i
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
In Gleichung (6) wird der Erwartungswert aus den Erwartungswerten der auf den
d-ten erreichten Feldern aufzunehmenden Gewichte zusammengesetzt. Die jeweils
4d in Frage kommenden Felder wurden einfach durchnumeriert, ihre Koordinaten
1
eingesetzt. In
seien x(d, i) und y(d, i). In Gleichung 7 haben wir Px(d,i),y(d,i) = 4d
Abschätzung 8 verwenden wir den Satz über gleich und ungleich geordnete Folgen,
5 EXTREMALE GRAPHENTHEORIE
33
der uns hier sagt, daß Felder mit größeren Wahrscheinlichkeiten im Maximalfall
stets auch diejenigen mit größeren Gewichten sein müssen. Außerdem haben wir
verwandt, daß das i-tgrößte Gewicht höchstens 1i ist. Außerdem überprüft man
leicht, daß es genau d + 12 + d2 − 1 = 2d(d + 1) Felder mit Abstand ≤ d zu
(0, 0) gibt, welche mit Gewichten belegt sind. Analoges gilt für Abstand ≤ d −
1. Das liefert die Grenzen der inneren Summe. In Abschätzung ?? wurde i ≥
d2 + (d − 1)2 ≥ d2 , also 1i ≤ d12 verwendet, ebenso, wie die Tatsache, daß das
arithmetische Mittel von 4d Zahlen stets nie größer als die größte dieser Zahlen
1
ist; in Abschätzung 9 dann 2d(d − 1) + 1 = d2 + (d − 1)2 ≥ d2 , also 2d(d−1)+1
≤
1
und schließlich in Abschätzung 9, daß die Reihensumme der Reziproken der
d2
2
positiven Quadratzahlen bekanntlich kleiner 2 (genau: π6 ), aber größer als ihre
Partialsummen ist.
2
5
5.1
Extremale Graphentheorie
Der Satz von Turán
Zu einem Graphen H nennen einen Graphen G nennen wir extremal mit der
Eigenschaft H * G, wenn jeder Graph G0 mit H * G0 höchstens gleichviele
Kanten hat, wie G.
Die Kantenzahl eines solchen Graphen G bezeichnen wir mit ex(n, H), wobei
n die Knotenzahl von G ist.
Wir wollen zunächst die extremalen Graphen zu H = Kr bestimmen. Man
kommt leicht zur Vermutung, die r − 1-partiten Graphen zu betrachten, da diese
zumindest keinen Kr als Untergraphen haben. Die Kantenzahl eines r−1-partiten
Graphen auf n Knoten wird wohl dann maximal, wenn dieser Graph vollständig
ist und sich seine Knoten möglichst gleichmäßig auf die Partitionsmengen verteilen. Genau dann unterscheiden sich die Partitionsmengen in ihrer Mächtigkeit
aber höchstens um 1.
Wir nennen entsprechend einen vollständigen r − 1-partiten Graphen, dessen
Partitionsmengen sich in der Mächtigkeit um höchstens 1 unterscheiden, einen
Turángraphen und bezeichnen ihn mit Tr−1 (n), seine Kantenzahl mit tr−1 (n).
Dabei lassen wir insbesondere für n < r − 1 auch leere Partitionsmengen zu, also
Tr−1 (n) = Kn , falls n < r.
Nun wollen wir zeigen, daß unsere Intuition uns diesmal richtig beraten hat,
daß also gilt:
Satz 42 (Turán, 1941) Für alle r, n ∈ N ist Tr−1 (n) der einzige Graph mit n
Ecken und ex(n, Kr ) Kanten ohne Kr als Untergraph.
5 EXTREMALE GRAPHENTHEORIE
34
Beweis: Sei G ein Graph mit n Knoten und ex(n, Kr ) Kanten ohne Kr als
Untergraph. Für n ≤ r − 1 ist die Aussage des Satzes trivial. Wir machen nun
Induktion nach n. Die Beweisidee geht wie folgt: Wir entfernen einen Knoten v
von G mit kleinster Valenz in G. G − v hat dann n − 1 Knoten, also höchstens
ex(n − 1, Kr ) Kanten, weswegen seine Durchschnittsvalenz höchstens gleich der
Durchschnittsvalenz von Tr−1 (n − 1) sein kann (wegen Induktionsvoraussetzung).
Da sich die Valenzen in Tr−1 (n − 1) aber um höchstens 1 unterscheiden, ist
mithin die Minimalvalenz von G−v höchstens die Minimalvalenz von Tr−1 (n−1).
Damit ergibt sich eine Abschätzung für die Valenz von v, welches die Anzahl
der Kanten ist, die G gegenüber G − v zusätzlich hat. Diese Abschätzung wird
gerade tr−1 (n) − tr−1 (n − 1) als obere Schranke aufweisen, weswegen G − v ∼
=
Tr−1 (n − 1) sein muß, und die Schranke angenommen wird. Nun kann v nicht mit
allen Partitionsmengen von G − v verbunden sein, weswegen sich zwangsläufig
G∼
= Tr−1 (n) ergibt.
Gehen wir ins Detail! Sei dazu n = k(r − 1) + l gesetzt mit 1 ≤ l ≤ r.
Betrachten wir zunächst den Fall l = 1.
Beobachtung 43 Die Valenz von v ist dann gemäß unseren Überlegungen höchstens k(r − 2):
Falls G − v = Tr−1 (n − 1) ist, haben alle Knoten von G − v gleiche Valenz
k(r − 2), v kann nicht mit allen Knoten mit Minimalvalenz in G − v verbunden
sein, weswegen die Minimalvalenz von G höchstens die von G − v ist.
Falls G − v 6= Tr−1 (n − 1) ist, hat G − v weniger Kanten als Tr−1 (n − 1),
also auch geringere Minimalvalenz (da Tr−1 (n − 1) regulär). Die Valenz von v
kann aber die Minimalvalenz von G − v höchstens um 1 überschreiten, woraus
die Beobachtung auch folgt.
Im betrachteten Fall ist k(r − 2) gerade die Differenz der Kantenzahlen von
Tr−1 (n) und Tr−1 (n − 1), weswegen mit unserer Beweisidee sicher G ∼
= Tr−1 (n)
folgt.
Nun sei l > 1.
Beobachtung 44 Die Valenz von v ist gemäß unseren Überlegungen höchstens
k(r − 2) + l − 1.
In Tr−1 (n − 1) eine Partitionsmenge mit k + 1 Knoten (Schubfachschluß)
- und mindestens eine mit k Knoten. Alle Knoten aus Partitionsmengen mit
k + 1 Knoten haben mithin Minimalvalenz, diese ist also n − 1 − (k + 1) =
k(r − 1) + l − 1 − (k + 1) = k(r − 2) + l − 2. Die Beobachtung ergibt sich wieder,
da die Valenz von v die Minimalvalenz von G − v nicht überschreiten kann.
In diesem Fall ist k(r − 2) + l − 1 aber gerade die Differenz zwischen den
Kantenzahlen von Tr−1 (n − 1) und Tr−1 (n), weswegen auch hier die Beweisidee
funktioniert.
2
5 EXTREMALE GRAPHENTHEORIE
35
Wir wollen einen weiteren Beweis des Satzes von Turán angeben, der typisch
für extremale Graphentheorie ist. Die Beweisidee ist in R. Diestel, Graphentheorie, 2.Auflage, Seite 179, Aufgabe 8.+ angegeben.
Beweis: Sei G ein Graph mit extremal vielen Kanten ohne Kr . Zu einem
Knoten v ∈ G bezeichne Xv die Menge der Knoten x in G, die nicht adjazent zu
v sind. Mit Fv wird Xv ∪ v bezeichnet. Wir betrachten nun die Menge M aller
solchen v, die unter allen Knoten aus Fv größte Valenz in G haben. Ein Knoten
mit Maximalvalenz ist beispielsweise ein solcher. Sei nun v ∈ M .
Beobachtung 45 Alle Knoten in Xv haben die gleiche Valenz wie v.
Indirekt: Sei u ein Knoten in Xv mit kleinerer Valenz als v. Gehen wir zu einem
Graphen G0 über, indem wir aus G zunächst alle zu u inzidenten Kanten löschen
und nachher u mit allen Nachbarn von v verbinden, so hat G0 wegen der geringeren
Valenz von U nun mehr Kanten, enthält wegen der Extremalität von G also einen
Kr . Da G keinen Kr enthält, enthält G ∩G0 = G0 −u ebenso keinen Kr , weswegen
G0 einen Kr mit u als Knoten enthält. Die Nachbarschaft von u in G0 - und
mithin die Nachbarschaft von v in G - enthält also einen Kr−1 , welcher aber mit
v zusammen einen Kr in G induziert - im Widerspruch zur Kr -Freiheit von G.
Beobachtung 46 Fv ist unabhängig.
Indirekt: Seien x und y adjazente Knoten aus Fv - nach Konstruktion also sogar
aus Xv (da v keine Nachbarn in Fv hat). Löschen wir in G alle zu x und y
inzidenten Kanten aus G und verbinden stattdessen alle Nachbarn von v mit
x und y, so erhalten wir einen Kr -freien (Begründung wie oben) Graphen G0 ,
welcher eine zusätzliche Kante enthält.
Aus den Beobachtungen (45) und (46) folgt:
Beobachtung 47 Die Nachbarschaft eines jeden Knoten aus Fv ist genau V (G−
Fv ) und folglich gilt: Fv ⊆ M .
Beobachtung 48 M = V (G), d.h. die vorherigen Beobachtungen gelten sogar
für alle Knoten v ∈ V (G).
Indirekt: Sei w unter den Knoten von V (G) − M derjenige größter Valenz. Dann
ist
S w zu allen Knoten inzident, die in M liegen, da wegen Beobachtung (47) M =
Fv gilt, alle Knoten der hier vereinigten Fv aber auch wegen Beobachtung
v∈M
(47) adjazent zu w sind. Damit ist Xw und sogar Fw disjunkt zu M , also w auch
unter allen Knoten aus Fw derjenige mit größter Valenz in G.Mithin gilt nach
Konstruktion von M auch w ∈ M , was der Wahl von w widerspricht!
Beobachtung 49 Nicht adjazent zu sein ist eine Äquivalenzrelation auf V (G).
5 EXTREMALE GRAPHENTHEORIE
36
Die Symmetrie ist offenbar, die Reflexivität wegen Schlichtheit der betrachteten
Graphen gegeben, die Transitivität ergibt sich wie folgt:
Sind v und w nicht adjazent zu u, ergibt sich {v, w} ⊆ Xu ⊆ Fu nach Konstruktion. Wegen Beobachtung (46) sind v und w auch nicht zueinander adjazent.
Die Äquivalenzklassen sind offenbar die Fv .
Beobachtung 50 G ist vollständig r − 1-partit wobei Partitionsmengen auch
leer sein dürfen.
Die Äquivalenzklassen die sich aus Beobachtung 49 ergeben, sind zwangsläufig
vollständig untereinander verbundene unabhängige Mengen. Damit G keinen Kr
enthält, können es höchstens r − 1 Stück sein. Jede Äquivalenzklasse liefert eine Partitionsmenge, sind das noch nicht r − 1 Stück, sehen wir die restlichen
Partitionsmengen eben als leer an.
Beobachtung 51 Zwei Partitionsmengen von G unterscheiden sich hinsichtlich
ihrer Mächtigkeit höchstens um eins.
Indirekt: Seien A und B zwei Partitionsmengen mit 0 ≤ |A| < |B| − 1. Dann
enthält B offenbar mindestens einen Knoten b. Löschen wir in G alle Kanten von
A nach b und verbinden b stattdessen mit allen anderen Knoten in B so erhalten
wir wieder einen vollständigen r − 1-partiten Graphen G0 . Die Partitionsmengen
bis auf A und B ändern sich dabei nicht. Jedoch geht A in A∪{b} und B in B\{b}
über. G0 enthält mithin auch keinen Kr , aber es gilt |E(G0 )| = |E(G)| − |A| +
|B \ {b}| = |E(G)| − |A| + (|B| − 1) > |E(G)| im Widerspruch zur Extremalität
von G.
Beobachtung 52 G ∼
= Tr−1 (n)
Das folgt aus den Beobachtungen 50 und 51.
5.2
2
Szemerédis Regularitätslemma
Um das Regularitätslemma zu formulieren, benötigen wir einige zusätzliche Begriffe: Zu zwei disjunkten Knotenmengen X, Y ⊆ V (G) eines Graphen G bezeichnen wir mit EX,Y (G) die Menge der Kanten, die X mit Y direkt verbinden.
Maximal wären |X||Y | solche Kanten möglich, weswegen wir
%(X, Y ) =
|EX,Y (G)|
|X||Y |
als die Kantendichte (kurz: Dichte) des Paares (X, Y ) bezeichnen. Zu gegebenem
ε > 0 nennen wir X, Y ε-regulär, falls für alle A ⊆ X und alle B ⊆ Y mit
|X| ≥ ε|A| und |Y | ≥ ε|B|
5 EXTREMALE GRAPHENTHEORIE
37
auch
|%(X, Y ) − %(A, B)| ≤ ε
gilt.
Betrachten wir nun eine Menge V von k Teilmengen V1 , V2 , . . . , Vk von V (G).
Diese wird als ε-regulär zu G bezeichnet, falls folgende drei Bedingungen erfüllt
sind:
|
1.
k
S
Vi |
i=1
|V (G)|
≥1−ε
2. |V1 | = . . . = |Vk |
3. Die Elemente von V sind paarweise disjunkt.
4. Die Anzahl der Paare X, Y verschiedener Elemente von V, welche nicht
ε-regulär sind, beträgt höchstens εk 2 .
Nun können wir das Regularitätslemma formulieren:
Lemma 53 (Szemerédi, 1976) Für jedes reelle ε > 0 und jede positive ganze
Zahl m gibt es eine ganze Zahl M sodaß zu jedem Graph G auf mindestens m
Knoten eine ε-reguläre Menge V mit m ≤ |V| ≤ M existiert.
Mit Hilfe des Regularitätslemmas läßt sich insbesondere folgender Satz beweisen:
Satz 54 (Erdős,Stone 1946) Zu jedem r ∈ N \ {0} und jedem ε > 0 existiert
ein n0 ∈ N mit der Eigenschaft, daß jeder Graph mit n ≥ n0 Ecken und tr−1 (n) +
εn2 Kanten einen vollständigen r-partiten Graphen mit Partitionsmengen der
Größe s als Teilgraphen enthält.
Wir verzichten allerdings an dieser Stelle auf die Beweise und verweisen auf [2]
Seiten 154 bis 164.
Theorem 54 ermöglicht es uns nun, zumindest asymptotische Aussagen über
ex(n, H) zu treffen:
Korollar 55 Für jeden Graphen H mit mindestens einer Kante gilt
−1
χ(H) − 2
n
lim ex(n, H)
=
n→∞
χ(H) − 1
2
LITERATUR
38
Beweis:
Beobachtung 56 Man sieht leicht, daß diese Aussage für H = Kr zutrifft:
n
Sei n als k(r − 1) + l mit 0 ≤ l ≤ r − 2 dargestellt, d.h. sei k = b r−1
c und
l = n − k(r − 1) gesetzt. Dann gilt:
tr−1 (n)
n
2
(r − 1 − l)k(n − k) + l(k + 1)(n − k − 1)
n(n − 1)
(r − 1)k(n − k) + l(n − 2k − 1)
=
n(n − 1)
(r − 1)k(k(r − 2) + l) + l(k(r − 3) + l − 1)
=
(k(r − 1) + l)(k(r − 1) + l − 1)
(r − 1)(r − 2)
r−2
χ(H) − 2
→
=
=
(r − 1)(r − 1)
r−1
χ(H) − 1
=
Sei nun r = χ(H) gesetzt. Somit ist H * Tr−1 (n) und folglich tr−1 (n) ≤ ex(n, H)
Andererseits gibt es eine r-Färbung von H, die größte Farbklasse habe Mächtigkeit s. Dann können wir H aber durch Hinzufügen von Knoten zu den kleineren
Farbklassen und fehlenden Kanten zwischen den Farbklassen zu einem Graphen
gemäß Theorem 54 erweitern, was uns für ε > 0 liefert, daß für hinreichend großes
n gilt:
ex(n, H) ≤ tr−1 (n) + εn2
Das liefert uns:
r−2
=
r−1
≤
≤
lim
n→∞
tr−1 (n)
n
2
ex(n, H)
lim
n
n→∞
lim
n→∞
2
tr−1 (n) + εn2
n
2
r−2
=
+ 2ε
r−1
ex(n, H)
χ(H) − 2
lim
=
n
n→∞
χ(H) − 1
2
2
Literatur
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LITERATUR
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