C OV E R 8 – medianet Freitag, 21. März 2014 CCA Über neue Wege der Kreativbranche, Herausforderungen des Web 2.0 und den wirtschaftlichen Wert der Auszeichnung randnotiz „Die Branche wandelt sich“ Ad infinitum CCA-Präsidentin Gerda Reichl-Schebesta liefert Einblicke hinter die CCA-Venus – medianet bat zum Talk. caroline wirth dinko fejzuli D as Thema ist vermutlich so alt wie die Branche: die Gratispräsentation. Für viele in der Branche ein besonderes Ärgernis, da sie oftmals für viel Aufwand im Vorfeld und für keinen Lohn am Ende steht. Manche haben es mit dem ehemaligen französischen Widerstandskämpfer und UNDiplomaten Stéphane Hessel gehalten, der in seinem kleinen, aber höchst erfolgreich verkauften Booklet „Empört euch“ zum quasi qualifizierten Widerstand aufruft und sogar Initiativen gegen die (Un)kultur des Gratis-Pitches gegründet hat. Auf der anderen Seite sagen auch mir genug gerade kleinere Agenturchefs, dass die Präsentation für sie meist die einzige Chance ist, um zu Neugeschäft zu kommen, und der Gratispitch nicht nur quasi schon in die Bilanz einkalkuliert ist, sondern eine wichtige Chance, sich eben – wenn auch ohne Aufwandsentschädigung – bei potenziellen Kunden präsentieren zu können. Vermutlich wird beides stimmen: Auf der einen Seite ein unglaublicher und am Ende unbezahlter Aufwand für den einen und eine zumindest potenzielle Chance, neue Kunden zu ergattern, für den anderen. Und in der Mitte wir Branchenmedien: als Watchdogs, wenn es gar zu arg wird. [email protected] medianet: Frau Reichl-Schebesta wie geht es der heimischen Kreativbranche? Gerda Reichl-Schebesta, CCAPräsidentin: Wenn man nach den Ergebnissen beim heurigen CCAWettbewerb geht, geht es vielen ganz gut. Wir haben in vielen Kategorien ausgezeichnete Arbeiten, von Klassikern wie Design bis zu neuen wie Branded Content. Wir haben talentierten Nachwuchs, das sehen wir an der Beteiligung bei den Rookies. Und wir haben eine schöne Bandbreite an Gewinnern auf Agentur- wie auch auf Auftraggeberseite. „Die freiwillige Weiter­ verbreitung von Wer­ bung im Social Web ist heute die neue Währung für gute ­Werbung.“ gerda reichl-Schebesta … medianet: Im Vorfeld der CCAGala im März 2013 sprachen Sie von keinem besonders guten Jahr. Es wurden 60 Arbeiten aus 650 prämiert. Wie sieht es heuer aus? Reichl-Schebesta: Wir hatten heuer 750 Arbeiten im Wettbewerb, davon kommen 181 ins Buch und davon werden wiederum 91 mit einer Venus in Gold, Silber oder Bronze ausgezeichnet. © Blessing Verlag tipp des tages Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra „Aushilfe gesucht“ – nur diese Stellen­ anzeige braucht es, um Clay Jannons Leben drastisch zu verändern. Nacht­ schichten in einer verstaubten, rund um die Uhr geöffneten Buchhandlung kristallisieren sich schnell als dubios heraus: Kunden, die nichts kaufen, son­ den nur ausleihen; drei Stockwerke hohe Regale, die nichts als textlose Folianten beherbergen. Was steckt dahinter? Und: Kann Clay mithilfe seiner Freunde das Geheimnis lüften, das aus den Anfangs­ zeiten des Buchdrucks stammt? Ein Ro­ man von Robin Sloan. 20,60 €, Blessing Verlag, ISBN: 978-3-89667-480-7 medianet: Und wie beurteilen Sie die Qulität der Einreichungen? Reichl-Schebesta: Sie haben durchgehend ein hohes Niveau, und man sieht, dass sich Werbung gerade massiv verändert: Der klassische lustige Spot mit Schlussgag, der nur durch gewaltigen Mediadruck in die Köpfe der Menschen kommt, scheint ausgedient zu haben. Werbung, egal in welcher Kategorie, muss so interessant sein, dass sie freiwillig geteilt wird und so ihren Mediawert vervielfacht. medianet: Kommen wir zur Branche an sich. Ein Phänomen, über welches auch die anderen Branchen klagen, ist die Kurzfristigkeit des Geschäfts als Folge der Krise. Wie gehen die Kreativen damit um? Reichl-Schebesta: Natürlich möglichst kreativ! © TBWA\ dinko fejzuli Wien. Es scheint, als erlebe die Kreativbranche wieder einen Aufschwung. Nicht nur wirtschaftlich geht es der Branche besser, sondern es findet auch ein Umdenken in der Werbegestaltung statt: Werbung wird wieder kreativer und glänzt auf hohem Niveau, so lautet das Fazit der CCA-Präsidentin Gerda Reichl-Schebesta. Heute werden im Wiener Konzerthaus die „Venus“-Trophäen des Creativ Club Austria vergeben. Ein positives Resümee zieht Reichl-Schebesta im Gespräch mit medianet. CCA-Präsidentin Gerda Reichl-Schebesta ist mit den Einreichungen sehr zufrieden und sieht einen Wandel der Kreativbranche. medianet: Ein weniger kreatives Resultat dieser Kurzfristigkeit ist jedoch, dass Aufträge immer mehr projektweise vergeben werden. Welche Folgen hat dies für die Branche und die künftige Form der Arbeit? Reichl-Schebesta: Welche Folgen das Projektgeschäft für Marken hat, wird man erst sehen. Das würde jedenfalls erfordern, dass es auf Auftraggeberseite einen Markenverantwortlichen gibt, der koordiniert, dass die Grundwerte der Marke immer eingehalten werden, und der ihre Entwicklung im Auge hat. Prinzipiell können sich Kreative aber sehr schnell auf Markenbesonderheiten einstellen, sie müssen eben nur koordiniert werden. medianet: Lösen sich damit langjährige Kunden-AuftraggeberBeziehungen langsam auf? Reichl-Schebesta: In Österreich gibt es noch immer viele Gegenbeispiele. Aber neben dem finanziellen Aspekt des Projektgeschäfts liegt dahinter auch ein neuer Bedarf nach schnell wirksamen Werbemaßnahmen, nach kurzfristigem Erfolg. Das heißt, wenn sich langjährige Beziehungen wirklich auflösen, gibt das mehr Kreativen oder Agenturen die Chance, mit interessanten Marken zu reüssieren. medianet: Lassen Sie uns über das Social Web sprechen. Wie sharefähig müssen Kampagnen sein, um Aufmerksamkeit generieren zu können? Reichl-Schebesta: Man kann sagen: Die freiwillige Weiterverbreitung von Werbung ist heute die neue Währung für gute Werbung. Was man früher im Nachhinein über ‚Werbelieblinge‘ ermittelt hat, sieht man heute schon ab dem Tag der ersten Ausstrahlung eines Spots. Spots, die gut sind, klettern täglich in 10.000er- oder sogar 100.000er-Schritten höher. Shared Media oder Earned Media, also Werbung, die es sogar in die News schafft, zeigt den Magnetismus einer Idee und schafft einen großen zusätzlichen Wert jenseits des Mediabudgets. medianet: Kommen wir zu einem weiteren aktuellen Phänomen: Agenturen müssen als Gegenüber von schlanken Marketingabteilungen auf Auftraggeber-Seite immer mehr unternehmensberaterische Funktionen übernehmen. Ist diese Entwicklung ein Fluch oder ein Segen? Reichl-Schebesta: Der Auftraggeber bleibt immer der Experte, was sein Unternehmen betrifft. Aber Agenturen haben einen entscheidenden Vorteil: Da sie für verschiedene Branchen arbeiten, haben sie mit oft sehr ähnlichen oder gleichen Problemstellungen einfach mehr Erfahrung. Dieses Wissen können wir einsetzen und das ist auch sehr gefragt. „Statt eines EinzelPitchs einen Pool an Agenturen zur Verfügung zu haben, erscheint als interessante Alternative.“ … CCA-präsidentin medianet: Dieses Näherrücken drückt sich auch in Ideen wie einer Erfolgsbeteiligung für Agenturen aus. Gibt es Beispiele dafür? Reichl-Schebesta: Mir ist kein Beispiel bekannt. Unternehmen müssten dazu ihren Agenturen sehr viel Einblick ins Geschäft geben, davor scheuen viele zurück. medianet: Ein ewiges Branchenthema sind Gratispräsentationen. Wie ist hier der Stand der Dinge? Reichl-Schebesta: Das Thema ist jedenfalls bei allen sehr präsent, auf Auftraggeber- wie auch auf Agenturseite. Das ist sehr positiv. Es ist so präsent, dass es bei einem aktuellen Fall sofort aufkocht und über die Medien gespielt wird: Wer bei einer Gratis-Präsentation mit- macht oder sie ausschreibt, steht mehr oder weniger gleich in der Branchenpresse – und das wollen immer weniger. medianet: Dennoch ist diese aufwendige Art, pitchen zu müssen, noch quasi gültiges Gesetz. Mehrere Ausschreibungen, wie die der Österreich Werbung, haben gezeigt, dass bei den Modi etwas getan werden müsste. Wie ist hier der Zustand der CCA-Präsidentin? Reichl-Schebesta: Eine Beschäftigung mit öffentlichen Ausschreibungen zeigt eines: Dieser Vorgang ist unglaublich kompliziert und für den Auftraggeber ein mehrere Ordner füllender Rechtsakt, der viel Zeit und Manpower schluckt. Der Versuch, möglichst objektiv vorzugehen, bringt auf Agenturseite oft Anforderungen mit sich, für die besonders kleinere Agenturen gar nicht aufgestellt sind. Ob man mit einer möglichst standardisierten Präsentation der besten Idee hilft, ist ohnehin zu hinterfragen. Beide Seiten sind also mit den Lösungen nicht glücklich. Statt eines EinzelPitchs einen Pool an Agenturen zur Verfügung zu haben, erscheint derzeit als interessante Alternative. medianet: Eine abschließende Frage zum heutigen Abend: Welche Bedeutung haben Branchen-Auszeichnungen für die Agenturen heute noch? Reichl-Schebesta: Ein Award wie die CCA-Venus ist für Kreative eine begehrte Auszeichnung, weil es ein Preis ist, der von einer Reihe von ausgezeichneten CDs, Designern, etc. vergeben wird. Besonders für junge Kreative ist die erste Venus ein wichtiger Schritt für ihre Karriere. Ein Award wie die CCA-Venus ist ein Karrieresprungbrett, ein gutes Argument bei Gehaltsverhandlungen, manchmal auch der Auslöser, es selbst als Unternehmer zu versuchen. Sie macht Agenturen als Partner und als Arbeitgeber attraktiv. Wenn man sich anschaut, dass bei Ausschreibungen Awardangaben zählen, haben Awards wie die Venus auch wirtschaftlich eine hohe Bedeutung. www.cca.at