Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 03.05.2017 Baubranche: Die Renaissance des Stahlbaus 1. Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler sollen ... 1. die aktuelle Entwicklung der Nachfrage auf dem Markt für Stahl beschreiben. 2. wesentliche Einflussfaktoren für diese Veränderungen ermitteln. 3. mögliche Preisentwicklungen mit Hilfe des Marktmodells aufzeigen. 2. Aufgaben 1. Beschreiben Sie die aktuellen Entwicklungen auf dem globalen Markt für Stahl in der Bauindustrie. 2. Erklären Sie, auch mit Hilfe der Grafik, die Prozesse auf der Nachfrageseite der Stahlindustrie und ermitteln Sie die verantwortlichen Einflussfaktoren. 3. Bestimmen Sie die Position der deutschen Stahlindustrie im genannten Markt. Benennen Sie die größten deutschen Unternehmen dieser Branche. 4. Erörtern Sie mögliche Auswirkungen auf die Preisentwicklung für den Rohstoff Stahl, wenn die Nachfrage weiterhin steigen wird. Zeigen Sie mögliche Veränderungen mit Hilfe des Marktmodells auf. 5. Recherchieren und überprüfen Sie weitere Beispiele auf den globalen Märkten für Rohstoffe, bei denen die Nachfrage ebenfalls gestiegen ist und zeigen Sie Preisveränderungen auf. Jetzt wöchentlich die aktuellsten, aufbereiteten Artikel und Infografiken im „Wirtschaft Aktuell“-Newsletter erhalten. Anmeldung unter: www.handelsblattmachtschule.de/wirtschaftaktuell Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 03.05.2017 Baubranche: Die Renaissance des Stahlbaus Ob Brücken oder Hochhäuser - hochfeste und leichte Stähle sollen die Konstruktion vereinfachen und die Kosten drücken. Die Zeiten sind günstig. Denn Beton ist in Verruf geraten, und der Bau boomt. 5 10 15 20 25 30 35 Wenn Amit Sengupta die Vorteile des Bauens mit Stahl demonstrieren will, zeigt er gern ein Foto aus China. Dort ist der Bau eines Hochhauses zu sehen, drei Kräne hieven schwere Walzprofile in die Höhe. Die Geschwindigkeit, mit der der Wolkenkratzer Gestalt annimmt, ist atemberaubend: "Drei Stockwerke", sagt der oberste Marketingchef von Arcelor Mittal Europa, "und das jeden Tag." Zum Einsatz kommen massive Stahlträger, von denen der laufende Meter mehr als 1,3 Tonnen wiegt, sowie hochfeste Profile, die viel mehr Gewicht aushalten können als bislang eingesetzte Stützen und Pfeiler. Binnen 19 Tagen war der Rohbau in der zentralchinesischen Stadt Changsha abgeschlossen - schneller als jeder konventionelle Bau. Bauen mit Stahl hat viele Vorteile, glaubt die Stahlindustrie - und sieht angesichts der weltweit hohen Nachfrage nach neuen Wohngebäuden und Bürotürmen eine Chance, Marktanteile zu gewinnen. Wenn es darum geht, Anbauten zu errichten oder Gebäude aufzustocken, sei das mit Stahlprofilen schnell und kostengünstig möglich, sagt Hans Allkämper, Referent für Anwendungstechnik und Bauspezialist bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Das gelte auch für wieder entdeckte Bauformen wie die Modulbauweise, um binnen kurzer Zeit öffentliche Gebäude wie Kindergärten oder Krankenhäuser zu errichten - in Zeiten akuter Wohnungsnot in deutschen Ballungsgebieten ein gewichtiges Argument. Die Stahlkonzerne spüren das. "Im Jahr 2016 gab es den besten Auftragseingang seit 1996", sagt Allkämper. Doch trotz guter Zahlen gibt er sich keinen Illusionen hin: "Im Wohnungsbau könnte Stahl viel mehr leisten, beispielsweise bei der Modernisierung und Erweiterung bestehender Bausubstanz. Andere Länder wie Großbritannien und die Niederlande machen das vor", sagt er. Doch in Deutschland werde von Architekten wie Bauherren noch sehr konventionell gedacht. "Hier dominiert die Massivbauweise." Mehr als ein Drittel ihrer Produktion liefert die deutsche Stahlindustrie an die Bauwirtschaft, das meiste davon wird allerdings in Kombination mit Beton verbaut. Sie nimmt damit mehr ab als die Autoindustrie, die auf 26 Prozent kommt. Doch während bei VW & Co. immer mehr spezialisierte und hochfeste Stähle zum Einsatz kommen, ist das in der Baubranche noch nicht der Regelfall. Das soll sich nach dem Willen der Stahlbranche ändern: "Sie können mit hochfestem Stahl Material sparen, weil ein Profil mit gleichem Querschnitt deutlich höhere Lasten tragen kann. Sie brauchen weniger Energie und Ressourcen", sagt Allkämper. Für Stahlkonzerne wie Arcelor-Mittal ist das eine Chance, Stähle zu liefern, die sich zu höheren Preisen verkaufen lassen, weil Billiganbieter Probleme haben, diese Qualitäten anzubieten. 1 Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 03.05.2017 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Stahlkäfige für Botschaft "Wir liefern Produkte, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gab", sagt Stahl-Manager Sengupta, "und konzentrieren uns dabei auf die spezifischen Wünsche unserer Kunden." Wie die runden Stahlkäfige, auf denen die neue US-Botschaft in London steht: Dutzende Meter lang wurden sie in die Erde gelassen, mit einer eingeschweißten Röhre, in der Sensoren die Umgebungstemperatur und Vibrationen messen. Anschließend mit Beton ausgegossen, sollen sie jahrzehntelang für eine stabile Basis des monumentalen Gebäudes sorgen, dessen Preis vor Jahren mit einer Milliarde Dollar angegeben wurde. Allein in die Fundamente flossen 2.500 Tonnen Stahl. "Die halten auch einem Flugzeugabsturz stand", heißt es bei Arcelor-Mittal. Langlebig seien auch Brücken für Züge und den Autoverkehr. Beispiele in den USA oder auch England zeigen, dass Stahlbrücken viel weniger korrosionsgefährdet sind als Übergänge aus Stahlbeton. Derzeit müssen überall in Deutschland Brücken teils schon nach 40 Jahren aufwendig saniert werden. "Im Lebenszyklus rechnet sich der Einsatz von Stahl", sagt Arcelor-Manager Sengupta. Zumindest ein Anfang ist gemacht: An der Autobahn A44 ist in Nordhessen eine feuerverzinkte Stahl-Verbund-Brücke gerade fertig geworden. Spektakuläre Bauten Das Sinnbild des Stahlbaus ist wohl das Bild "Lunch atop a Skyscraper", Bauarbeiter, die ihre Mittagspause auf einem Stahlträger sitzend hoch über New Yorks Dächern abhalten. Das Foto von 1932 zeigt: Neu ist Stahl als Baustoff nicht. Dass seine Bedeutung zunimmt, liegt an der Urbanisierung: "Stahl boomt im Bau in Asien und Südamerika, wo viele Hochhäuser gebaut werden", sagt Christof Rose von der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Aber auch in Deutschland gilt, ob beim Stadttor in Düsseldorf oder bei der Elbphilharmonie in Hamburg: "Spektakuläre Bauten sind ohne Stahl nicht realisierbar", sagt er. Ein weiteres Beispiel ist das Klimahaus in Bremerhaven: Die 1.200 Tonnen schwere Stahlkonstruktion der Fassade greift Elemente des Schiffbaus auf. Die durch die transparente Hülle sichtbaren Träger prägen das Gebäude. "Stahl ist flexibler als Beton, er gibt nach, ohne zu brechen", sagt Rose. Auch der Verband der Bauindustrie registriert eine deutliche Zunahme des Stahlbedarfs. Das liege vor allem am Wirtschafts- und am Wohnungsgeschossbau. Beide profitieren von der guten Konjunkturlage. Bei Goldbeck geht es nicht ohne Stahl, denn in jedem Gebäude des Mittelständlers aus Bielefeld steckt Stahl. Das Familienunternehmen baut schlüsselfertig mit Stahl und Beton - und verbaut pro Jahr circa 90.000 Tonnen Stahl. Auch die Porr AG kann auf Stahl nicht verzichten. Der österreichische Baukonzern mit einem Umsatz von 3,1 Milliarden Euro (2015) und rund 14.000 Mitarbeitern baut vor allem mit Baustahl. In jedem Kubikmeter Beton befinden sich durchschnittlich 100 Kilogramm Baustahl. Für Karl-Heinz Strauss, Vorstandschef der Porr AG, hat Stahl viele Vorteile: "Mit Stahl können wir einen hohen Vorfertigungsgrad erzielen." Stahl zähle zu den nachhaltigen Baustoffen: Er sei zu 100 Prozent recyclingfähig. Strauss: "Ob bei Stadien, Bürogebäuden oder bei Gewerbebauten: Stahl ist einfach nicht mehr wegzudenken." Quelle: Wocher, M./Freund, M., Handelsblatt, Nr. 085, 03.05.2017, 024 2 Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 03.05.2017 3