GEOTHERMIE Stand und Aussichten der Tiefengeothermie in Deutschland Status and Prospects of Geothermal Energy Use in Germany Von R. JUNG* bstract The article summarizes the geothermal potential, the status and the prospects of geothermal energy use in Germany and arrives at the following conclusions: Even in a country like Germany with no active vulcanism the resources for geothermal power production and direct use are very high and exceed those of conventional energy sources by far. Geothermal use in Germany however is still in its initial stage. The installed capacity in 2005 amounted to 135 MWth for direct use and to only 230 kWel for power production. The uprating of the allowance for geothermal power from 0.09 Euro/kWh to 0.15 Euro/kWh in 2004 and the R&D-programme for renewable energy of the Ministry of Environment has generated a great number of new projects especially in the Upper Rhine Valley and in the Fore Alp Region near Munich. The success of these projects will be critical for the development of geothermal power production in Germany in the near future. Geothermal energy use in Germany is so far restricted to deep seated hot water aquifers. One of the major barriers for a wider application of this resource is our poor knowledge about the hydraulic properties of these aquifers leading to a great and in many cases unacceptable risk for potential investors. For this reason a geothermal information system is under development at the Leibniz Institute for Applied Geophysics in Hannover which will help to supply investors with the best information available and to quantify the risk for insurance companies and geothermal funds. Though hot water aquifers suitable for geothermal power production are rare in Germany the size of this resource is comparable to the German oil and gas resources. Nevertheless their contribution to the national power production will remain small and will hardly exceed a few hundred MWel. Their potential for direct use is much higher. But since heat has to be produced very close to the consumer to prevent excessive costs for transportation this huge resource can only be used in regions A * Dr. Reinhard Jung, GGA-Institut, Hannover (E-mail: [email protected]) 0179-3187/07/02 © 2007 URBAN-VERLAG Hamburg/Wien GmbH ERDÖL ERDGAS KOHLE 123. Jg. 2007, Heft 2 where a suitable aquifer is situated in an industrialized and densely populated area. A much wider application of geothermal energy in Germany can be expected when techniques for geothermal energy production from tight sediments or igneous rock are available. This resource is by at least two orders of magnitude larger than that of the aquifers and is available at almost any location. The key for exploiting these resources is the waterfrac technique whose application is currently investigated in several research projects in Germany, France, Switzerland and Australia. These projects proof that large artificial fracture systems can be created with this technique and be used for heat extraction. The reduction of the flow resistance in these systems and the restriction of induced seismicity are two major objectives for further development of this promising technology. urzfassung Ausgehend von den geothermischen Potenzialen für die geothermische Wärme- und Stromnutzung werden der gegenwärtige Stand der Nutzung und neue in Entwicklung befindliche Erschließungsverfahren vorgestellt. Die wesentlichen Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: Auch in Deutschland mit seinen eher moderaten Untergrundtemperaturen gibt es ein beachtliches geothermisches Potenzial, das den Energieinhalt aller konventionellen Energieträger um ein vielfaches übersteigt. Die gegenwärtige Nutzung beschränkt sich auf Heißwasser-Aquifere und steht mit einer installierten Leistung von 135 MWth für die Wärmenutzung und lediglich 230 kW für die Stromnutzung noch ganz in den Anfängen. Die Erhöhung der Einspeisevergütung auf 0,15 Euro/kWh und die direkte Förderung durch das BMU hat dem Aufbau einer geothermischen Kraftwerkskapazität in Deutschland einen deutlichen Impuls gegeben. Die Nachhaltigkeit der dadurch in Gang gesetzten Entwicklung hängt stark vom Erfolg der laufenden Projekte vor allem im Süddeutschen Molassebecken und im Oberrheingraben ab. Eine der Hauptschwierigkeiten ist die lokal schwer einzuschätzende hydraulische Ergiebigkeit der Heißwasseraquifere. Da ähn- K lich finanzstarke Investoren und Förderunternehmen wie im Erdöl- oder Erdgasbereich fehlen, sind Versicherungs- oder Fondslösungen zur Absicherung dieses Fündigkeitsrisikos erforderlich und in Entwicklung. Ein wichtiger Beitrag zur besseren Einschätzbarkeit des Fündigkeitsrisikos wird von einem am GGA-Institut, Hannover im Aufbau befindlichen geothermischen Informationssystem erwartet. Die Nutzung der Heißwasseraquifere für die Stromerzeugung ist aufgrund des relativ geringen Potenzials begrenzt und dürfte auch mittelfristig die Größenordnung von einigen hundert MW nicht überschreiten. Ihr Potenzial für die Wärmenutzung ist um ein Vielfaches höher. Da Wärme in Verbrauchernähe produziert werden muss, wird jedoch voraussichtlich nur ein geringer Bruchteil des Potenzials tatsächlich erschlossen werden können. Trotz dieser Einschränkungen stellen die Heißwasseraquifere ein bedeutendes Energiepotenzial dar, dessen stärkere Nutzung weitere Anstrengungen lohnt. Eine wirklich breite Anwendung der Tiefengeothermie ist unter den Gegebenheiten in Deutschland jedoch erst zu erwarten, wenn neue in Entwicklung befindliche Erschließungmethoden eine geothermische Nutzung auch der hydraulisch dichten Sediment- und Kristallin-Gesteine des tiefen Untergrundes ermöglichen und damit Erdwärme ohne oder mit nur sehr geringem Erfolgsrisiko an praktisch jedem Standort verfügbar machen. Die dafür erforderliche Schlüsseltechnologie, das Wasserfrac-Verfahren ist durch die bei Experimenten in Soultz und Basel ausgelöste Seismizität öffentlich in Kritik geraten. Die Untersuchung der induzierten Seismizität, insbesondere des Gefährdungspotenzials und seiner Reduzierung ist daher für die Weiterentwicklung dieser Technologie fundamental. Einleitung In Ländern mit aktivem Vulkanismus hat die Erdwärmenutzung bereits eine lange Tradition. Für balneologische Zwecke wird sie in Ländern wie China oder Japan seit Jahrtausenden verwendet. Auch die geothermische Stromproduktion hat eine bereits mehr als 100-jährige Geschichte. Heute (Stand 2005) beträgt die installierte geothermische Kraftwerkskapazität rund 9.000 MWel 1 1 GEOTHERMIE Abb. 1 Untergrundtemperaturen in Deutschland und Anwendungsbereiche (Quelle: Temperatur-Datenbank des GGA-Instituts, Hannover, R. Schellschmidt) und rund 28.000 MWth werden thermisch genutzt. Die wichtigsten Förderländer liegen im zirkumpazifischen Raum. In Europa sind Italien und Island führend. In Deutschland steht die geothermische Energienutzung dagegen noch in den Anfängen. Die Bemühungen zu ihrer Erschließung haben durch die Erhöhung der Einspeisevergütung auf 0,15 Euro/kWh für geothermisch erzeugten Strom jedoch einen starken Impuls erhalten. Dies gilt vor allem für die Stromgewinnung aus Heißwasseraquiferen des Süddeutschen Molassebeckens und des Oberrheingrabens. In diesen Regionen sind die für die Stromerzeugung infrage kommenden Konzessionsgebiete inzwischen weitgehend vergeben. Die geothermische Nutzung, insbesondere die geothermische Stromgewinnung stellt hohe Anforderungen an die Ergiebigkeit bzw. Permeabilität der Aquifere und ist daher vor allem im Oberrheingraben und im Norddeutschen Becken mit einem hohen und schwer kalkulierbaren Fündigkeitsrisiko behaftet. Daher stellt sich die Frage, ob die mit konventioneller Technik erschließbaren Heißwasser-Aquifere in naher Zukunft tatsächlich einen nennenswerten Beitrag zur deutschen Energieversorgung leisten können oder ob größere Beiträge erst zu erwarten sind, wenn neue in Entwicklung befindliche Erschließungsmethoden die Nutzung der sehr viel weiter verbreiteten gering permeablen Kristallin- und Sedimentgesteine möglich machen. 2 Abb. 2 Isothermenkarte Deutschlands in 1.000 m Tiefe (Quelle: TemperaturDatenbank des GGA-Instituts, Hannover, R. Schellschmidt) Der Artikel baut weitgehend auf einem bei der DGMK-Frühjahrstagung 2006 gehaltenen Vortrag [1] auf. Untergrundtemperaturen in Deutschland Unsere Kenntnisse über die Temperaturen im tiefen Untergrund basieren auf Temperatur-daten von ca. 10.000 Tiefbohrungen in Deutschland, die in der Temperaturdatenbank des GGA-Instituts in Hannover gespeichert sind. Ausgehend von einer Oberflächentemperatur von ca. 10 °C, der mittleren Jahrestemperatur in Deutschland, nimmt die Temperatur im Mittel mit ca. 30 K/km mit der Tiefe zu. Das bedeutet im Allgemeinen werden in 1000 m Tiefe 40 °C erreicht, in 2000 m 70 °C und in 3000 m Tiefe 100 °C. Die höchsten nachgewiesenen Gradienten liegen in Deutschland bei 100 K/km, die geringsten bei etwa 20 K/km (Abb. 1). Der Bereich der Wärmenutzung beginnt bei etwa 30 °C. Für derart niedrige Temperaturen sind im Allgemeinen Wärmepumpen erforderlich, um das für die Nutzung benötigte Temperaturniveau zu erreichen. Der Bereich der Direktwärmenutzung beginnt bei rund 60 °C, der Bereich der Stromerzeugung bei 100 °C. Die für den jeweiligen Anwendungsbereich erforderliche Bohrtiefe kann sehr unterschiedlich sein (Abb.1). Die höchsten Temperaturen findet man im 2 Oberrheingraben, am Südrand und im Nordosten des Norddeutschen Beckens und im Bereich der Anomalie Bad Urach (Abb. 2). Die meisten geothermischen Anomalien werden durch aufsteigende Tiefenwässer verursacht. Der Kenntnisstand über die Untergrundtemperaturen ist in weiten Teilen Deutschlands gering. Allerdings gibt es für die großen Beckenstrukturen, das Norddeutsche Becken, den Oberrheingraben und das Süddeutschen Molassebecken, die für die geothermische Nutzung besonders interessant sind, eine große Zahl von Kohlenwasserstoffbohrungen und damit detaillierte Kenntnisse. Geothermische Potenziale in Deutschland Die Erdwärme zählt zu den regenerativen Energien und sollte daher per Definition unerschöpflich sein. Dies gilt jedoch nur, wenn ihre Nutzung die Regeneration nicht übersteigt. Diese Bedingung ist bei der praktischen Nutzung nicht erfüllt. Der Abbau der Wärme erfolgt bei der praktischen Nutzung viel schneller als die Regeneration durch die natürliche Wärmeproduktion und den terrestrischen Wärmestrom. Geothermische Potenzialabschätzung basieren daher auf dem im Untergrund gespeicherten Wärmeinhalt (heat in place). Dies entspricht dem Vorgehen bei den nicht regenerativen Energierohstoffen (Erdöl, Erdgas usw.). 3 ERDÖL ERDGAS KOHLE 123. Jg. 2007, Heft 2 GEOTHERMIE Dort schätzt man ebenfalls die im Untergrund vorhandenen Vorräte des jeweiligen Energieträgers ab und klassifiziert diese als Ressourcen (technisch nutzbar) oder Reserven (wirtschaftlich nutzbar). Der Begriff Potenzial entspricht in etwa dem Begriff Ressource. Die technische Nutzbarkeit eines Erdwärmereservoirs hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: der Temperatur und der spezifischen Ergiebigkeit einer in dieses Reservoir abgeteuften Bohrung. Im Gegensatz zur oberflächennahen geothermischen Nutzung, wo die Wärme im Allgemeinen mit Erdwärmesonden (geschlossene Systeme) gewonnen wird, wird die Wärme aus großen Tiefen hauptsächlich durch Förderung von Warm- oder Heißwasser aus dem Gestein erschlossen (offene Systeme). Dies stellt hohe Anforderungen an die Gesteins- oder Gebirgsdurchlässigkeit und nur wenige Gesteinsformationen erreichen die für einen wirtschaftlichen Betrieb benötigte Mindest-Transmissibilität von ca. 1 Darcy-Meter (10–12 m3) oder mehr. Bei der Ermittlung des Potenzials muss berücksichtigt werden, dass nicht der gesamte Wärmeinhalt eines Reservoirs, sondern nur ein Bruchteil erschlossen und genutzt werden kann. Dies geschieht durch den Gewinnungsfaktor, der je nach Reservoirtyp und Reservoirtemperatur zwischen 2,5 % und 30 % liegen kann. Bei der Wärme-StromWandlung ist außerdem noch der Wirkungsgrad zu berücksichtigen, der aufgrund des relativ niedrigen Temperaturniveaus (100– 250 °C) nur zwischen etwa 10 % und 14 % liegt [2]. 3.1 Geothermisches Potenzial für die Wärmenutzung Für die Wärmenutzung werden derzeit hauptsächlich Heißwasseraquifere genutzt. Tabelle 1 Potenzial der Heißwasseraquifere für die Wärmenutzung [3, 4] (1 EJ = 1018 J) Direktwärmenutzung [EJth] Norddeutsches Becken 293 Oberrheingraben 156 Süddeutsches Molassebecken Gesamt Tabelle 2 64 513 Die Aquifere mit dem höchsten Potenzial liegen im Norddeutschen Becken (Tab. 1). Hier sind es vor allem die Formationen: Lias und Rhät, der Aalen, der Buntsandstein und der Schilfsandstein. Die ebenfalls bedeutenden Rotliegend-Sandsteine wurden bei der Direktwärmenutzung nicht berücksichtigt, da sie eher für die Strom- und KWK-Nutzung infrage kommen. Im Oberrheingraben sind vor allem die Rotliegend-Sandsteine, der Buntsandstein und der Muschelkalk von Bedeutung. Im Süddeutschen Molassebeckens ist der Malmkarst der wichtigste Heißwasser-Aquifer. Ein Vergleich mit dem deutschen JahresWärmebedarf, der rund 5 EJ (1 EJ = 1018 J) beträgt, macht deutlich, dass die Heißwasser-Aquifere eine bedeutende Ressource für die Wärmeversorgung in der Zukunft sein können. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Direkt-Wärmenutzung nur an Standorten mit hoher Siedlungsdichte sinnvoll ist, da Wärme nur über relativ kurze Entfernungen wirtschaftlich transportiert werden kann. 3.2 Geothermische Ressourcen für die Stromerzeugung In einem im Jahr 2003 veröffentlichten Gutachten des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) [3, 5] wurde das geothermische Strom- und KWK-Potenzial in Deutschland abgeschätzt. Nach dieser Studie beträgt das Stromerzeugungs-Potenzial insgesamt ca. 1.200 EJ (Tab. 2). Dies entspricht etwa dem 600-fachen des deutschen Jahresstrombedarfs von ca. 2 EJ. 95 % dieses Potenzials entfallen auf die kristallinen Gesteine, 4 % auf die Störungszonen und 1 % auf die Heißwasser-Aquifere. Das zusätzliche Potenzial an Wärme bei der KWK-Nutzung (Kraft- Wärme-Kopplung) beträgt ein Mehrfaches des Strompotenzials und lässt sich durch den Einsatz von Wärmepumpen noch steigern. Es entspricht etwa dem 350-fachen bzw. dem 600-fachen Jahreswärmebedarf in Deutschland. Wie bei der Direktwärmenutzung ist jedoch zu bedenken, dass die Wärmenutzung nur an Standorten mit hoher Siedlungsdichte sinnvoll ist. Kristallingesteine Die kristallinen Gesteine sind die mit Abstand größte geothermische Ressource. Die bedeutendsten Kristallinvorkommen in Geothermiches Strom- und KWK-Potenzial der für die Stromerzeugung geeigneten Reservoirtypen in Deutschland, KWK: Kraft-Wärmekopplung, oW: ohne Wärmepumpe, mW: mit Wärmepumpe (nach [3]) Elektrische Energie [EJel] KWK oW [EJth] KWK mW [EJth] 1.100 1.600 2.800 Störungszonen 45 65 Aquifere 9,4 Gesamt 1.200 HDR Tabelle 3 Deutschland sind das Süd- und Mitteldeutsche Kristallingebiet, das etwa ein Drittel der Gesamtfläche Deutschlands ausmacht. Ein Sonderfall innerhalb dieses Gebietes ist wegen seiner erhöhten Untergrundtemperaturen der Oberrheingraben. Im Norddeutschen Becken bilden die Vulkanitgesteine des Perm eine mächtige geothermische Ressource. Die Berücksichtigung der kristallinen Gesteine bei der Ermittlung des geothermischen Strompotenzials erfolgte unter der Annahme, dass die HDR-Technik kurzoder zumindest mittelfristig zur Verfügung stehen wird. Tiefenstörungen Bei den steil bis vertikal einfallenden Störungen sind Erschließungstiefe und damit die Reservoirtemperatur in Grenzen wählbar. Durch Temperaturmessungen während des Abteufens der Bohrungen kann gegebenenfalls auf Abweichungen von der Prognose reagiert werden. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber den Heißwasser-Aquiferen. Die hydraulische Leitfähigkeit der Störungen ist dagegen wie bei den HeißwasserAquiferen von der Natur vorgegeben. Es ist jedoch vorstellbar, dass sie in begrenztem Maß durch Wasserinjektion (Wasser-Fractechnik) erhöht werden kann. Hinsichtlich der zu erreichenden Fließraten sind derzeit keine gesicherten Aussagen möglich. Für den breiten Ausbau der geothermischen Energienutzung in den nächsten Jahren scheiden die Störungen als eigenständiger Reservoirtyp aus. Sie werden jedoch bei der Standortauswahl innerhalb der Heißwasser-Aquifere und der Kristallinen Gesteine eine wichtige Rolle spielen. Heißwasser-Aquifere Die Heißwasseraquifere sind die mit Abstand kleinste geothermische Stromressource, jedoch die einzige, die mit konventioneller Technik erschließbar ist. Da sie kurzfristig den größten Beitrag liefern dürften, wird näher auf sie eingegangen. Das Strompotenzial der Heißwasseraquifere ist in Tabelle 3 zusammengestellt. Insgesamt beträgt es 9,4·1018 J (Tab. 2). Dies entspricht etwa dem Fünffachen des deutschen Jahresstrombedarfs. Ein Vergleich mit den deutschen Erdöl- und Erdgasreserven, die bei 46,5 Mio t Erdöl bzw. 255 Mrd. m3 (Vn) Erdgas [6] liegen zeigt, dass es sich dennoch um eine be- Strompotenziale (elektrische Energie) der bedeutendsten HeißwasserAquifere in Deutschland [3] Region Aquifer Norddeutsches Becken Rotliegend-Sandsteine 6,8.1018 120 Oberrheingraben Muschelkalk 2,4.1017 23 50 Oberrheingraben Buntsandstein 1,8.1018 1.700 3.000 Süddeutsches Molassebecken Malmkarst 5,0.1017 ERDÖL ERDGAS KOHLE 123. Jg. 2007, Heft 2 Elektrische Energie [J] 3 GEOTHERMIE deutende heimische Ressource handelt. Unterstellt man einen mittleren Wirkungsgrad von 50 % bei der Stromerzeugung aus Erdöl und Erdgas, so entsprechen die Reserven dieser beiden Energieträger einem Strompotenzial von rund 1·1018 J für Erdöl bzw. von rund 5·1018 J für Erdgas. Die für die geothermische Stromerzeugung in Deutschland bedeutendsten Heißwasseraquifere sind der Malmkarst des Süddeutschen Molassebeckens, der Buntsandstein und der Muschelkalk im Oberrheingraben, sowie die Rotliegend-Sandsteine des Norddeutschen Beckens. Norddeutsches Becken Das größte Potenzial haben wegen ihrer großen flächenhaften Verbreitung die Rotliegend-Sandsteine des Norddeutschen Beckens. Ihre Tiefenlage liegt in weiten Bereichen des Norddeutschen Beckens bei 4.000–5.000 m, im Gebiet der Müritz sogar bei mehr als 5000 m. Entsprechend liegt der größte Teil dieser Ressource im Temperaturbereich zwischen 130 °C und 160 °C. Die Permeabilität der Rotliegend-Sandsteine dürften jedoch nur gebietsweise für Fließraten über 100 m3/h ausreichen. Die Wässer der Rotliegend-Sandsteine sind hoch mineralisiert (d. h. hohe Salinitäten, hoher Eisengehalt). Die damit verbundene Korrosionsund Ausfällungsproblematik wird aber verfahrens- und materialtechnisch beherrscht. Süddeutsches Molassebecken Der Heißwasser-Aquifer mit den besten hydraulischen Eigenschaften ist der Malmkarst des Süddeutschen Molassebeckens. In den Bereichen der sog. Schicht- und Riff-Facies kann durchwegs mit hohen Ergiebigkeiten gerechnet werden. In vielen Fällen wurden diese jedoch erst nach einer Säureinjektion erreicht, was darauf hindeutet, dass die Wasser führenden Karsthohlräume ein relativ grobes Netzwerk bilden. Der Malmaquifer beißt in der Schwäbischen und Fränkischen Alb aus und fällt in Richtung der Alpen bis auf Tiefen unter 4.000 m ab, wo ihm deutlich schlechtere hydraulische Eigenschaften zugesprochen werden. Für die Stromerzeugung eignen sich daher nur zwei relativ kleine Gebiete südlich von München und im Bereich des Chiemsees, in denen der Malmkarst zwischen etwa 2.500 m und über 4.000 m Teufe ansteht [7]. Die Temperaturen liegen hier sämtlich zwischen 100 °C und 130 °C. Wegen des geringen Wirkungsgrades bei der Wärme-Strom-Wandlung, vor allem aber wegen der geringen nutzbaren Temperaturdifferenz, müssen für den Betrieb sehr hohe Fließraten (in der Regel >200 m3/h) erreicht werden, was jedoch bei fast allen der rund 35 bisher abgeteuften Geothermiebohrungen der Fall war. Trotz der überragenden hydraulischen Eigenschaften des Malmkarsts kann bei extrem hohen Fließraten der hohe Eigenbedarf der Förderpumpen problematisch werden. Insgesamt empfiehlt sich bei den relativ niedrigen Thermalwassertemperaturen 4 Abb. 3 Wärmenutzung mittels Bohrlochdublette des Malmkarsts die kombinierte Strom-Wärmenutzung. Ein besonderer Vorteil des Malmkarsts ist die geringe Mineralisation der Wässer, die in der Regel Trinkwasserqualität haben. Ihre Reinjektion in den Aquifer ist aus Gründen der Druckerhaltung dennoch nötig und vorgeschrieben. Oberrheingraben Hinsichtlich der Bohrtiefe sind die beiden Heißwasser-Aquifere des Oberrheingrabens, der Muschelkalk und der Buntsandstein die attraktivsten Ressourcen für die geothermische Stromerzeugung. Allerdings können die beiden Aquifere nicht länger als Schichtwasserleiter mit flächenhaft gut ausgebildeten Aquifereigenschaften angesehen werden, wie dies in früheren Studien gemacht wurde [8]. Beim Buntsandstein muss angenommen werden, dass die primär vorhandene Porosität infolge einer grabeninternen Diagenese weitgehend zementiert wurde. Hohe Ergiebigkeiten sind offensichtlich an Störungen und Kluftzonen gebunden. Dasselbe gilt wahrscheinlich auch für den Muschelkalk. Da diese im Oberrheingraben ein relativ dichtständiges Muster bilden, ist die Chance höhere Ergiebigkeiten im Buntsandstein zu erzielen, nicht so gering einzuschätzen wie dies von [9] getan wurde, deren Aussagen ausschließlich auf Permeabilitätsbestimmungen an Bohrkernen beruhen. Die weitaus größten Bereiche des Muschelkalks und Buntsandsteins, die für die Stromerzeugung infrage kommen, liegen im nördlichen Teil des Oberrheingrabens zwischen Worms und Baden-Baden. Typische Teufen liegen zwischen 2.500 m und 4.000 m [7]. Der überwiegende Teil dieser Ressourcen weist Temperaturen zwischen 130 °C und 160 °C auf, vereinzelt erreichen sie auch 180 °C. Die relativ hohen Temperaturen in vergleichsweise geringer Teufe und das dichtständige Netz von Störungszonen und Klufzonen machen diese beiden Ressourcen und den Oberrheingraben insgesamt für die geothermische Stromerzeugung besonders in- teressant. An vielen Standorten bietet es sich an, den nur wenig tiefer liegenden Granit mit zu erschließen, da die Chance dort höhere Ergiebigkeiten aus Störungs- oder Kluftzonen zu erzielen, höher erscheint als im Muschelkalk oder Buntsandstein und außerdem im HDR-Projekt Soultz mit der Wasserfrac-Technik gute Erfolge im Granit erzielt wurden. Die Mineralisation der Tiefenwässer im Oberrheingraben ist deutlich höher als im Malmkarst, aber deutlich geringer als im Norddeutschen Becken. Stand der Technik und Status der Nutzung Abgesehen von der oberflächennahen Erdwärmenutzung werden in Deutschland derzeit nahezu ausschließlich Warm- und Heißwasser-Aquifere genutzt. Die Erschließungstechnik hierfür ist ausgereift. In der Regel werden Bohrlochdubletten, bestehend aus einer Produktions- und einer Re-Injektionsbohrung in den Heißwasser-Aquifer abgeteuft (Abb. 3). In der Produktionsbohrung wird das Thermalwasser mittels einer elektrischen Unterwasserpumpe, die in mehreren hundert Metern Tiefe installiert wird, gefördert. In einem Wärmetauscher überträgt man die Wärme auf den Sekundärkreislauf. Das abgekühlte Thermalwasser wird anschließend mit einer Injektionspumpe über die Re-Injektionsbohrung wieder in den Aquifer verpresst. Um einen zu schnellen Durchbruch des abgekühlten Thermalwassers zur Produktionsbohrung zu vermeiden, müssen die Bohrungen im Aquifer einen Mindestabstand haben. Der Abstand bemisst sich an der angestrebten Nutzungsdauer (meist >25 Jahre) und thermischen Leistung des Systems und beträgt in der Regel mehr als 1.000 m. Ein ausreichender Abstand lässt sich durch entsprechend auseinander liegende Bohransatzpunkte erreichen, oder, was meist günstiger ist, durch Ablenken der von einem gemeinsamen Bohrplatz aus abgeteuften Bohrungen. 4 ERDÖL ERDGAS KOHLE 123. Jg. 2007, Heft 2 GEOTHERMIE ser verhindert, lassen sich diese Probleme technisch beherrschen. Ende 2004 waren in Deutschland 31 größere Anlagen zur Wärmenutzung mit einer installierten Gesamtleistung von 135 MWth in Betrieb (Abb. 4). Zum überwiegenden Teil handelt es sich um Dublettensysteme. Mit wenigen Ausnahmen befinden sich die Anlagen in den oben genannten Beckenstrukturen, Norddeutsches Becken, Oberrheingraben und Süddeutsches Molassebecken. Die erste geothermische Stromerzeugungsanlage in Deutschland ging 2004 in NeustadtGlewe in Betrieb. Ihre installierte LeiAbb. 4 Lokationen der in Betrieb befindlichen geothermischen Anlagen zur Wärmenutzung. Kleine Kreise: installierte Leistung größer 0,1 MWth, stung beträgt 230 große Kreise: installierte Leistung größer 5 MWth [4] kWel. Das größte HemmTechnische Schwierigkeiten beim Betrieb nis für eine breitere Nutzung der Heißwaskönnen vor allem durch die meist hoch mi- ser-Aquifere ist das Fündigkeitsrisiko [10]. neralisierten Thermalwässer und die damit Dieses besteht darin, dass die für den wirtverbundene Ausfällungs- und Korrosions- schaftlichen Betrieb benötigten Temperatuproblematik entstehen. Durch Auswahl ge- ren und Fließraten nicht erreicht werden. In eigneter Materialien und durch ausreichen- der Regel können Reservoirtiefe und -temde Druckhaltung im Thermalwasserkreis- peratur noch relativ genau vorausgesagt lauf, die einen Sauerstoffeintrag und die werden. Allerdings können schon geringe Entlösung von Gasen aus dem Thermalwas- Abweichungen, z. B. eine um 10 °C zu nied- Abb. 5 Schema des Hot-Dry-Rock-Systems Soultz und derzeitige Leistungsdaten [11] ERDÖL ERDGAS KOHLE 123. Jg. 2007, Heft 2 rige Temperatur, den wirtschaftlichen Erfolg eines Projektes gefährden. Das größere Risiko liegt aber meist in der zu geringen hydraulischen Leitfähigkeit des Aquifers und der zu geringen Thermalwasser-Produktion. Mit finanzieller Förderung durch das BMU wird derzeit am GGA-Institut Hannover ein digitales über das Internet zugängliches »Geothermisches Informationssystem« aufgebaut, das möglichen Interessenten und Investoren Informationen über die regionalen geologischen und geothermischen Verhältnisse liefern soll [13]. Neue Erschließungsverfahren Das große Potenzial der kristallinen Gesteine und der gering-permeablen Sedimentgesteine lässt sich derzeit noch nicht kommerziell nutzen, da die Erschließungstechnik noch nicht voll entwickelt ist. 5 5.1 Das Hot-Dry-Rock-Verfahren Seit mehr als 30 Jahren wurde und wird in mehreren internationalen Forschungsprojekten an der Entwicklung von Erschließungsmethoden für die Wärmegewinnung aus kristallinen Gesteinen gearbeitet. Schlüsseltechnik ist das Wasserfrac-Verfahren. Bei diesem Verfahren werden mit hohem Druck große Wasservolumina in Tiefbohrungen verpresst. Auf diese Weise werden großflächige Risse erzeugt oder vorhandene Rissflächen hydraulisch aufgeweitet. Diese Risse werden als Wärmetauscherflächen genutzt, in denen Wasser zum Entzug der Gesteinswärme zwischen zwei oder mehreren Bohrungen zirkuliert wird. Um eine hinreichend lange Nutzungsdauer dieser HDR-Systeme zu garantieren, müssen die Rissflächen mehrere Quadratkilometer groß sein und die Bohrlochabstände 1 km oder mehr betragen. Das weltweit führende Forschungsvorhaben ist das europäische Hot-Dry-Rock Forschungsvorhaben Soultz. Innerhalb dieses Projektes gelang es bereits vor ca. 10 Jahren, mit der Wasserfrac-Technik Bohrungen über eine Entfernung bis zu 450 m miteinander zu verbinden. Während eines Zirkulationsexperiments konnten im Jahr 1997 mit einer Fließrate von 90 m3/h und einer thermischen Leistung von ca. 10 MW erstmals kommerziell interessante Werte erreicht werden. Zurzeit wird in Soultz ein neues HDR-System erstellt, das aus zwei Förder- und einer Re-Injektionsbohrung besteht und einen Volumenstrom von 180 m3/h je Produktionsbohrung erreichen soll. Mittels massiver Wasserfrac-Tests gelang es, in dem für die zukünftige Nutzung besonders interessanten Tiefenbereich um 5.000 m ein HDR-System in großtechnischem Maßstab zu schaffen. Mit einem Bohrloch zu Bohrlochabstand von mehr als 600 m übertrifft es alle bisher realisierten Systeme erheblich und erreicht damit schon 5 GEOTHERMIE die für die kommerzielle Nutzung erforderliche Größenordnung. Ein erster Zirkulationstest im Jahr 2005 zeigte jedoch, dass die hydraulischen Eigenschaften des Riss-Systems noch erheblich verbessert werden müssen, um die angestrebten Fließraten und thermischen Leistungen zu erzielen. Das Erreichen ausreichender Fließraten mit akzeptablen Pumpleistungen bleibt damit weiterhin das zentrale Problem der HDR-Entwicklung. Eine weitere zu Beginn der Projektphase noch nicht so deutlich erkennbare Problematik liegt in der durch die massiven Stimulationstests induzierten Seismizität, die zwar weit unter dem Schadenslimit lag, aber zu Unruhe in der Bevölkerung geführt hat. Dies erschwert die weiteren Stimulationsmaßnahmen. Ähnliche Erfahrungen wurden im »Deep-Heat-Mining«Projekt, Basel gemacht. Da es sich wahrscheinlich um ein generelles Problem im Oberrheingraben handelt, müssen hierfür Lösungsmöglichkeiten gefunden werden. Obwohl die HDR-Technik auch für die Direktwärmenutzung attraktiv wäre, kommt für den raschen Aufbau einer kommerziellen Nutzung nur die Abb. 6 Stromerzeugung in Betracht. Die besten Bedingungen bietet der Oberrheingraben, der über die höchsten Temperaturen und über die günstigsten tektonischen Bedingungen verfügt. Vorteilhaft ist vor allem die hohe Anisotropie der Gebirgsspannungen, die eine Risserzeugung bei niedrigen Injektionsdrucken ermöglicht. Dieser günstige Umstand führt andererseits aber zu einer unerwünscht starken Seismizität während der Rissererzeugung. Bei Experimenten in Soultz und in jüngster Zeit auch in Basel wurden einzelne Beben ausgelöst, die an der Oberfläche hörbar und fühlbar waren und die Bevölkerung beunruhigten. Das Phänomen der induzierten Seismizität ist seit langem bekannt und wird schon seit Beginn der Hot-Dry-Rock-Entwicklung aktiv genutzt, um die raumzeitliche Ausbreitung der Risse im Untergrund zu verfolgen. Die davon ausgehende mögliche Gefährdung rückte aber erst in jüngster Zeit besonders durch die Ereignisse in Basel in den Fokus. Die Untersuchung dieses Phänomens und die Entwicklung von Konzepten zur Vermeidung solch starker Ereignisse ist daher für die Weiterentwicklung der Hot-DryRock-Technik vor allem in tektonisch aktiven Gebieten wie dem Oberrheingraben fundamental. Die für den Oberrheingraben abgeschätzte geothermische Stromressource beläuft sich auf über 60 EJel. Unter der Annahme, dass diese für einen Zeitraum von 100 a ausreichen soll, wären 20 GWel installierbar. Damit könnte über diesen Zeitraum theoretisch ein Drittel des deutschen Jahresstrombedarfs von ca. 60 GWa gedeckt werden. Kurz6 Tiefenzirkulationsverfahren des GeneSys-Projekts (Zeichnung R. Junker, 2006) fristig ist dies nicht erreichbar. Die Zahlen machen aber deutlich, dass die Kristallingesteine des Oberrheingrabens eine bedeutende Ressource sind, für deren Erschließung sich weitere Anstrengungen lohnen. 5.2 Das GeneSys-Konzept Das vom Geozentrum Hannover entwickelte Genesys-Konzept »Gewinnung geothermischer Energie mittels generierter geothermischer Energiesysteme« zielt vorwiegend auf die Direktwärmenutzung gering-permeabler Sedimentgesteine [12]. Wegen der weiten Verbreitung dieser Gesteine würde z. B. im Norddeutschen Becken eine geothermische Energienutzung an praktisch jedem Standort möglich sein. Um auch hinsichtlich der Abnehmerstruktur möglichst geringere Anforderungen an den Standort stellen zu müssen, werden Einbohrlochsysteme bevorzugt, die schon im Leistungsbereich weniger MWth wirtschaftlich sein können. Das einzige etablierte Einbohrlochverfahren ist die tiefe Erdwärmesonde. Die thermische Leistung tiefer Erdwärmesonden ist aufgrund der vergleichsweise geringen Wärmeaustauschfläche ( Bohrlochwand) jedoch begrenzt, so dass nur in seltenen Fällen Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann. Beim Genesys-Verfahren sollen mit Hilfe der Frac-Technik deutlich größere Austauschflächen geschaffen und damit ein erheblich größerer Energiegewinn erzielt werden. Wie beim HDR-Verfahren wird dabei auf das Wasserfrac-Verfahren gesetzt. We- gen der geringeren Anforderungen an die thermische Leistung reichen hier jedoch Rissgrößen zwischen hunderttausend und wenigen hunderttausend Quadratmetern. In der aufgelassenen Erdgasbohrung Horstberg Z1 nördlich von Unterlüß wurden umfangreiche Tests zur Entwicklung des GeneSys-Konzepts ausgeführt. Mittels massiver Wasserfrac-Tests wurde im mittleren Buntsandstein in rund 3.800 m Tiefe ein mehr als 100.000 m2 großer Zugriss erzeugt und für den Wärmeentzug aus dem Gebirge genutzt. Zwei Verfahren erwiesen sich als erfolgreich: – Beim Zyklus-Verfahren wird kaltes Wasser in die Rissfläche verpresst. Dieses erwärmt sich während einer Wartezeit und wird anschließend als Heißwasser wieder zutage gefördert. Die Förderung geschieht dabei selbständig durch den im Riss vorhandenen Überdruck und erfordert deshalb keine Unterwasser-Motorpumpe. Mit dem Verfahren konnte eine mittlere thermische Leistung von rund 1 MWth nachgewiesen werden. – Beim Tiefenzirkulationsverfahren dient der Riss als Verbindungfläche zwischen zwei Sandsteinbänken. Zum Wärmeentzug wurde über einen Injektionsstrang unterhalb eines Packers kaltes Wasser in die gefracte untere Sandsteinschicht gepresst und das Heißwasser aus der oberen Sandsteinbank über den Ringraum oberhalb des Packers rückgefördert. Bei diesem Test wurde eine Fließrate von rund 20 m³/h erzielt, was einer thermischen Leistung von mehr als 1 MWth entspricht. Aufgrund dieser erfolgreichen Tests, soll auf dem Gelände des Geozentrums eine rund 3.800 m tiefe Bohrung in den Buntsandstein abgeteuft werden, um mit Hilfe des GeneSys-Konzeptes Wärme für die Beheizung des Geozentrums zu gewinnen. Die Bohrung Horstberg Z1 wird gleichzeitig mit Mitteln des BMU zu einem In-situ-Labor für die Erprobung weiterer Erschließungsverfahren ausgebaut. Weitere Untersuchungen zur Anwendung der Wasserfrac-Technik in gering permeablen Sedimentgesteinen laufen im Geothermieprojekt Großschönebeck des Geoforschungszentrums Potsdam. Der Fokus liegt hier auf der Stromerzeugung. Chancen der geothermischen Energienutzung für die deutsche Bohr- und Bohrservice-Industrie Ein forcierter Ausbau der geothermischen Energienutzung in Deutschland bietet große Chancen für die deutsche Bohr- und Bohrservice-Industrie. Der stärkste Impuls geht zweifellos von der neuen Einspeisevergütung von 0,15 Euro/kWh Strom aus, der 6 ERDÖL ERDGAS KOHLE 123. Jg. 2007, Heft 2 GEOTHERMIE kurzfristig die geothermische Stromerzeugung in den Vordergrund rücken wird. Ein Aufbau einer nennenswerten geothermischen Kraftwerkskapazität in den kommenden Jahren würde große Möglichkeiten für die deutsche Bohr- und Bohrservice-Industrie eröffnen. Dies machen folgende Abschätzungen deutlich: Wie Tabelle 4 zeigt, haben Bohrlochdubletten eine typische Brutto-Stromleistung von 2–3 MWel. Für den Aufbau einer elektrischen Gesamtleistung von 1 GWel innerhalb von 15 Jahren müssen daher mindestens 330 Bohrlochdubletten installiert werden, entsprechend einem Zubau von 22 Dubletten pro Jahr. Bei mittleren Bohrtiefen von 4.500–6.500 m ist dazu eine Jahres-Bohrleistung von rund 220.000 m erforderlich. Aktuell werden in Deutschland pro Jahr ca. 30.000 m gebohrt. Dies bedeutet, dass die Leistung der deutschen Bohrindustrie vervielfacht werden muss. Entsprechendes gilt für die einschlägigen Serviceunternehmen der Bohrindustrie einschließlich der Firmen für die Durchführung der Wasserfrac-Tests und für Geothermiefirmen. Diese Überlegungen zeigen, dass bereits der Ersatz einer im nationalen Maßstab bescheidenen Kraftwerkskapazität durch geothermische Kraftwerke ein sehr anspruchsvolles Ziel ist, das nur durch einen raschen Wiederaufbau der deutschen Bohr- und Serviceindustrie auf ein Niveau erreicht werden kann, wie es zu Zeiten der höchsten Erdöl- und Erdgasexplorationstätigkeit in Deutschland vorhanden war. Zusammenfassung und Folgerungen Die oben aufgeführten Überlegungen zeigen, dass die geothermische Energienutzung auch für Deutschland eine ernst zu nehmende Option ist. Für den raschen Ausbau der geothermischen Energienutzung kommt hauptsächlich die Stromproduktion infrage. Mittelfristig scheint der Aufbau einer geothermischen Stromproduktion mit einer installierten Leistung von 1 GW möglich. Die besten Bedingungen für den Aufbau einer geothermischen Kraftwerkskapazität hat der Oberrheingraben, der sowohl über ausreichend temperierte HeißwasserAquifere als auch über die am leichtesten erschließbaren Kristallinvorkommen verfügt. Die größten Hemmnisse für die verstärkte Nutzung dieser Ressourcen sind bei den Heißwasser-Aquiferen das Fündigkeitsrisiko und bei den Kristallingesteinen die noch nicht voll entwickelte Erschließungstechnik. Der Aufbau einer geothermischen Stromerzeugung mit einer Größenordnung von 1 GW innerhalb der nächsten 15 Jahre ist unter diesen Umständen ein ehrgeiziges aber nicht unrealistisches Ziel. Er würde der deutschen Bohr- und Bohrserviceindustrie neue Wachstumsimpulse geben und diesem Wirtschaftszweig eine Bedeutung zurückgewinnen, die er zur Zeit der größten Erdölexplorationstätigkeit schon einmal besaß. 7 ERDÖL ERDGAS KOHLE 123. Jg. 2007, Heft 2 Literatur [1] JUNG, R.; KEHRER, J.; ORZOL, J.; JATHO, R.: Erdwärmenutzung: Eine Option auch für Deutschland?. Tagungsbericht 2006-1, DGMK, S. 17–26, 2006. [2] KABUS, F.; SEIBT, P.; HOFFMANN, F.; KALTSCHMITT, M.; SCHRÖDER, G.; ROGGE, S.: Stand und Perspektiven der Erdwärmenutzung in Deutschland. Gutachten im Auftrag des Deutschen Bundestag; Geothermie Neubrandenburg GmbH, Neubrandenburg 2002. [3] JUNG, R.; RÖHLING, S.; OCHMANN, N.; ROGGE, S.; SCHELLSCHMIDT, R.; SCHULZ, R.; THIELEMANN, T.: Abschätzung des Technischen Potenzials der geothermischen Stromerzeugung und der geothermischen Kraft-Wärmekopplung (KWK) in Deutschland. 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