»Klangräume – Raumklänge« Samuel Barber: Agnus Dei Anton Bruckner: Motetten Morton Feldman: Rothko Chapel Charles Ives: Psalm 24 und Psalm 67 Heitor Villa-Lobos: Bendita Sabedoria Samstag, 13. Mai 2017, 18.00 Uhr – Ulm, Münster Samstag, 20. Mai 2017, 20.00 Uhr – Tübingen, Stiftskirche Donnerstag, 25. Mai 2017, 20.00 Uhr – Speyer, Dom Sonntag, 28. Mai 2017, 20.00 Uhr – Stuttgart, Dom St. Eberhard Montag, 5. Juni 2017, 20.00 Uhr – Ludwigsburg, Stadtkirche SWR Vokalensemble Marcus Creed, Dirigent empfohlen ab Klasse 8 erstellt von Dr. Benedikt Vennefrohne Vorbemerkung S. 2 I. Raumklänge und Klangräume Räume und Raumerfahrungen bei Bruckner und Feldman S. 3 Antiphonale Strukturen bei Feldman, Bruckner und Villa-Lobos S. 8 Funktionen von Polyphonie bei Bruckner und Villa-Lobos S. 11 Horizontal, vertikal und zentral – Dimensionen der Klangentfaltung bei Ives und Feldmann Text und Textbehandlung bei Barber, Feldman und Villa-Lobos II. Didaktische Klangräume und Raumerfahrungen Vorschläge zur vokalen Raumerfahrung S. 14 S. 16 S. 19 S. 19 Methodisch-didaktische Anmerkungen zu … … Samuel Barbers Agnus Dei S. 20 … den Motetten von Anton Bruckner S. 21 … Morton Feldmans Rothko Chapel S. 22 … den Psalmvertonungen von Charles Ives S. 22 … den Bendita Sabedoria von Heitor Villa-Lobos S. 22 Literatur und Quellen S. 24 Anhang S. 27 1 Vorbemerkung „Klangräume und Raumklänge“ – das Programm der Konzerte am 13., 20., 25. und 28. Mai sowie am 5. Juni wird dem Publikum Klang-Räume aufschließen, indem das SWR Vokalensemble sich bedeutende Sakralräume klanglich erschließt: die Domkirchen in Speyer und Stuttgart, das Ulmer Münster, die Stiftskirche in Tübingen und die Ludwigsburger Stadtkirche. Drei programmatische Achsen durchziehen diese Konzertabende: An die sakrale Räumlichkeit knüpft das Programm mit seinem geistlichen Schwerpunkt an und verbindet diesen mit einem räumlichen Fokus auf Amerika und einem zeitlichen auf das 20. Jahrhundert. Die folgende Handreichung ist als Türöffner in das Innere dieser Klangräume gedacht, in ihrer didaktischen Ausrichtung sollen allerdings nicht nur die Hauptportale geöffnet werden, sondern auch die Seiteneingänge und Hintertüren zu den Vokalwerken, die in diesen Konzerten erklingen. Ebenso werden von diesen Eingängen aus Wege und Umwege durch diese Räume erschlossen, manchmal wird auch nur ein Blick durch die Tür geworfen. Im Folgenden werden verschiedene Aspekte aufgegriffen, die an das Thema „Klangräume – Raumklänge“ analytisch und assoziativ anknüpfen. Weil sich die fünf Konzertabende in ihrer Programmauswahl leicht voneinander unterscheiden, wurden exemplarische Zugänge zu den Werken gewählt. Auf biografische Zugänge zu den fünf Komponisten wurde weitgehend verzichtet. Das Kapitel mit didaktischen Anmerkungen schließt sich an die Analysen an, in dem im Rückbezug auf diese methodische Vorschläge für eine Annäherung an die Werke unterbreitet werden. Es wurde darauf geachtet, dass jedes einzelne Werk voraussetzungslos auf verschiedenen Niveaustufen mit analytischen und zu eigenem Handeln anregenden Zugängen im Unterricht behandelt werden kann. Die Aufgabenstellungen sind als Vorschläge zu verstehen und können je nach Klassensituation verändert werden. 2 I. Klangräume und Raumklänge Räume und Raumerfahrungen bei Bruckner und Feldman Musik wurde zu allen Zeiten für bestimmte Anlässe und besondere Persönlichkeiten, aber auch für bestimmte Räume geschaffen. „Seit dem Mittelalter wird immer wieder die Wechselwirkung zwischen Architektur und Musik ausgelotet: So wurden Kompositionen mit Blick auf konkret vorgefundene bauliche Proportionen und deren architektonisch-ikonographische Bezüge konzipiert und Architektur nach speziellen akustischen Vorstellungen gestaltet. Die kompositorische Ausnutzung bestimmter Räume […] wie San Marco in Venedig durch G. Gabrieli und A. Willaert oder des Pariser Invalidendoms durch H. Berlioz, das Erzielen bestimmter akustischer Wirkungen mittels genau festgelegter Aufstellung von Klangkörpern im Raum […], die Ausnutzung klangfarblicher Mittel für räumliche Effekte […] Neben den akustischen Bedingungen des konkreten Aufführungsortes […] ist auch die Erwartungshaltung an einen bestimmten Ort zu berücksichtigen, die sich aus dem soziokulturellen Umfeld ergibt. […] Orte, deren Traditionen, Räume, Erwartungshaltungen, Rezeptionshaltungen und genuin Kompositorisches gehen somit eine komplexe, musikgeschichtlich überaus relevante Verbindung ein […].“1 Einen Monat nach Fertigstellung der Votivkapelle im neuen Linzer Dom wurde am 29. Oktober 1869 die kurze Motette Locus iste WAB 23 in ebendieser Kapelle aufgeführt. „Es ist eines der nachdrücklichsten und schönsten musikalischen Dokumente der schlichten und tiefen Frömmigkeit Bruckners.“2 Bruckner bezieht sich für dieses Graduale auf eine Stelle aus dem 1. Buch Mose (28,16–22). Der lateinische Text „Locus iste a Deo factus est, inaestimabile sacramentum, irreprehensibilis est“ bedeutet: „Dieser Ort ist von Gott geschaffen, ein unschätzbares Geheimnis, kein Fehl ist an ihm“3, und wird im katholischen Ritus zur Kircheneinweihung gesungen. Historisch betrachtet, schreibt sich Bruckner mit diesem vierstimmigen a cappella-Chorsatz in die Geschichte des Komponierens für bestimmte Räume ein. Eine zweite „Raumerfahrung“ dieser Motette liegt im sprichwörtlichen „auf engstem Raum“. Locus iste ist nur 48 Takte lang. Der Satz folgt einer schlichten dreiteiligen Form, in welcher die Aussage „Locus iste a Deo factus est“ als A-Teil (T. 1–12) und als wiederkehrender Teil A‘ (T. 30–48) vertont ist, während die theologische Aussage des „inaestimabile sacramentum, irreprehensibilis est“ dem B-Teil (T. 12–29) vorbehalten bleibt. Die Trinitätssymbo1 Noeske 2016. Steinbeck/Maier 2016. 3 Vgl. die aktualisierende Betrachtung zu diesem Text unter https://www.nzz.ch/articlecojhi-1.133188 (eingesehen am 26.02.2017). 2 3 lik dieser Dreiteiligkeit, auch das jeweils dreimalige „a Deo factus est“ und „irreprehensibilis est“ weisen zurück auf Bruckners „schlichte Frömmigkeit“, nicht aber die Brüche und die „auffallend breite Ausdrucks- und Gefühlspalette auf engstem kompositorischen Raum, die auch wir noch heute mit dem Bruckner-Stil allgemein verbinden“4. Bei Bruckner geht es „vor allem um ostentative Entgegensetzungen, das heißt um jenen […] kleinräumigen Wechsel grundverschiedener Ausdrucksebenen“5. An drei kurzen Ausschnitten des Locus iste lässt sich diese räumlich-stilistische Besonderheit Bruckners demonstrieren. Verbleibt er am Anfang im schlichten, meist leitereigenen C-Dur, der in T. 12 auf einem Halbschluss endet, so wendet er den Satz mit dem Beginn des B-Teils unvermittelt in den Subdominantbereich: B-Dur und g-Moll werden durchschritten und mit einer überraschenden Vorhaltwendung nach A-Dur geführt (T. 12–16). Das „unschätzbare Geheimnis“ steht auch dynamisch im Kontrast zum „faktischen“ A-Teil. In einer realen Sequenz wird dieses über C-Dur und a-Moll nach H-Dur geführt und vom forte zum fortissimo gesteigert (T. 16–20). Auch die aufwärts strebende Melodieführung steht in ihrem ekstatischen Gestus in stärkstem Kontrast zum Vorhergehenden. Diese Steigerung kulminiert allerdings nicht in einer Synthese oder einer Auflösung. Die anschließende Generalpause (T. 20) – die erste von dreien ihrer Art in diesem Chorsatz! – teilt nicht nur den B-Teil in zwei gleich lange Hälften, sondern sie stellt auch die liedhafte Form insgesamt infrage. „irreprehensibilis est“ erklingt im dreistimmigen Oberstimmensatz, beginnend mit einem neapolitanisch gefärbten c des Tenors, der als Vorsänger mit den Frauenstimmen alterniert. In seinem Gestus kommen Demut und religiöse Versenkung zum Ausdruck. Auch hier finden sich wieder chromatische Stimmführung, Vorhalte und Sequenzierung als harmonisches Gegenstück zum ersten B-Teil: Über H-Dur, g-Moll, A-Dur und f-Moll (T. 21–25) wird wieder die Stabilität der C-Dur-Hauptstufen erreicht. Schließlich bricht Bruckner auch in dem, im Vergleich zum ATeil, eingeschobenen „Deo“ (T. 40–42) aus der Schlichtheit des Anfangs aus: Die chromatische, den Dominantbereich umspielende Folge G – g – Av – d – D7 – Hv – e bringt eine bis dato noch nicht vorhandene Form von Emotionalität in die Motette ein, eine Leidenschaft, die trotz des „Deo“ sehr diesseitig wirkt. Wie die beiden anderen herausgehobenen Passagen enden auch diese Takte mit einer Generalpause. Die zeitliche Dimension des „auf engstem Raum“ zeigt Bruckner im Locus iste demnach als einen Komponisten, der den Ausdruckswechsel verdichtet, indem er ohne vermittelnde Übergänge neben die schlichte Frömmigkeit sowohl entgrenzende Ekstase und religiöse Versenkung als auch menschliche Leidenschaftlichkeit stellt. 4 5 Kirsch 2001, S. 340. Ebda. 4 Auch Morton Feldman lotet mit seiner Komposition Rothko Chapel „die Wechselwirkung zwischen Architektur und Musik“6 aus. 1964 hatte der Maler Mark Rothko seine Zusage gegeben, für den Neubau der Houston Chapel mehrere seiner Gemälde zur Verfügung zu stellen.7 Die Gründer dieses architektonischen Projekts, das Mäzenaten-Ehepaar de Menil hatte sich an Rothko aufgrund des spirituellen Charakters seiner Werke gewandt. Sie wussten auch von Rothkos Suche nach einem Ort, der ausschließlich der Ausstellung seiner eigenen Gemälde gewidmet sein sollte, und baten ihn, an der Gestaltung dieses Ortes im texanischen Houston selbst mitzuwirken. Die Gemälde stellte er 1967 fertig und begann dann an den Entwürfen des Gebäudes mitzuarbeiten, sodass es seinen Vorstellungen entsprechen konnte. „Der Innenraum ist achteckig. […] Die vierzehn Gemälde […] sind auf alle acht Wände verteilt und umschließen so den Betrachter. Die Wände der Kapelle haben keine Fenster. Natürliches Licht dringt nur durch eine Öffnung in der Decke in den Raum. Dadurch entspricht der Lichteinfall ziemlich genau demjenigen in Rothkos Atelier in New York. […] Außer einer etwas nach hinten versetzten Wand, die eine Apsis andeutet, gibt es in der Kapelle nichts, was auf eine Nutzung des Raums für liturgische Zwecke hinweisen würde. Bedenkt man den Entstehungsprozess und den Einfluss Rothkos auf die Gestaltung des ganzen Projekts, so kann man die ›Houston Chapel‹ wohl zu Recht als eine Art malerisch-architektonisches Gesamtkunstwerk bezeichnen. […] Rothko selbst hat die Kapelle mit seinen Bildern übrigens nie betreten. Er nahm sich am 25. Februar 1970, ein Jahr vor der Einweihung, in New York das Leben.“8 Abb. 1 – Anordnung der Gemälde in der Houston Chapel9 6 Noeske 2016. Vgl. zur Entstehung der Houston Chapel: Johnson 1994, S. 6/7 und Kopp 2008, S. 30/31. 8 Kopp 2008, S. 30/31. 9 http://vidal.genevieve.pagesperso-orange.fr/rothko/eng/cnt_12.htm (eingesehen am 27.02.2017). 7 5 Morton Feldman war als Vertrauter Rothkos bei der Einweihung der Houston Chapel am 27. Februar 1970 anwesend. An diesem Tag „erhielt er […] den Auftrag, eine Komposition speziell für diese Kapelle zu schreiben. Feldman verbrachte das Frühjahr […] in Frankreich, wo er die Komposition von ›Rothko Chapel‹ im Mai auch abschloss.“10 Uraufgeführt wurde das Stück am 9. April 1972 „im Rahmen eines ›weltlichen Gottesdienstes‹, so Feldman“11. Abb. 2 – Nördliches Triptychon der Houston Chapel12 Die Gemälde Rothkos beeindrucken in ihrer Schlichtheit und gleichzeitig durch ihre Monumentalität; ihre Höhe variiert zwischen 3,4 m und 4,6 m. „Auf den Bildern an den Eckwänden und in der Apsis sieht sich der Betrachter jeweils einer monochromen Fläche von dunklem Kastanienbraun gegenüber. Die Bilder unterscheiden sich leicht in ihrer Helligkeit. Durch den Farbauftrag entstehen auch innerhalb der Bilder leichte Helligkeitsnuancen. Auf den Bildern der Triptychen an den Seitenwänden und dem Bild an der Rückwand ist jeweils ein schwarzes Rechteck zu sehen, das fast bis an den Bildrand reicht und nur einen schmalen Rahmen – wiederum in dunklem Kastanienbraun – lässt, der das Schwarz scharf begrenzt.“13 Auf die Raumwirkung der Houston Chapel reagiert Feldman zunächst auf der Ebene der Besetzung. Er wählt ein Ensemble aus Viola, Celesta, Schlagzeug, Solo-Sopran und -Alt und 10 Kopp 2008, S. 30. Ebda. 12 https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/originals/1a/e5/af/1ae5afac9883dca7542b4640411823c3.png (eingesehen am 27.02.2017). 13 Kopp 2008, S. 31. 11 6 „einem gemischten Chor, der in bis zu zwanzig Stimmen unterteilt wird. Die Besetzung umfasst damit die drei elementaren Tonerzeugungsformen Streichen, Schlagen und Atmen. Für das Schlagzeug, das von einem Spieler gespielt wird, schreibt Feldman folgende Instrumente vor: Pauken, große Trommel und Tenortrommel, Vibraphon, Gong und Röhrenglocken, Wood- und Tempelblock. […] Die wenigen Schlaginstrumente sind damit ein Abbild sämtlicher Möglichkeiten des Schlagwerks überhaupt. Trotz des begrenzten Umfangs stellt das Ensemble damit eine virtuelle Totalität des musikalischen Raumes dar.“14 Eine konkrete Anweisung zur Aufstellung dieses Ensembles im Raum gibt Feldman allerdings nicht an. Feldman reagiert auch auf anderer Ebene auf die Raumerfahrung, speziell auf die Erfahrung beim Betrachten der Gemälde Rothkos. Werden diese zunächst als statisch wahrgenommen, so verändert sich diese Wahrnehmung mit der Zeit. Rothko beabsichtigte „einen ›Schwebezustand‹ und ein ›weiches Schwingen in den Raum‹ zu erzielen“15. Insbesondere bei Feldmans Behandlung des Chorklangs lassen sich analoge Erfahrungen machen. Dadurch dass er im B-Teil nur einen einzigen Akkord in den sechsfach geteilten Frauenstimmen verwendet (T. 211–242), diesen aber rhythmisch und in seiner Besetzung gegeneinander verschiebt, gewinnt der zunächst statische Klang Bsp. 1a) – Akkord (T. 211) an innerer Bewegung. Rothkos „Bewegungsillusion“16 geht in diesem Kompositionsverfahren auf. Bsp. 1b) – Feldman: Rothko Chapel (Ausschnitt T. 211–217)17 14 Ebda., S. 32. Fischer 1993, S. 10. 16 Zitiert nach ebda. 15 7 „Ich bin nicht an der Beziehung von Farben und Formen interessiert, sondern einzig und allein daran, urmenschliche Gefühle auszudrücken – Tragödie, Ekstase, Tod und so weiter. […] die Menschen, die vor meinen Bildern weinen, machen dieselbe religiöse Erfahrung wie ich, als ich die Bilder malte.“18 Eine dritte kompositorische Reaktion auf Rothkos Kunst zeigt sich in Feldmans Verwendung von crescendi und decrescendi. Feldman notiert die dynamischen Veränderungen sehr genau. Einzeltöne und Akkorde bewegen sich häufig an der Hörschwelle, Feldman verlässt diese Grenze aber immer mit gezielten Steigerungen. Diese führen nicht gezielte Entwicklungen zu einem Abschluss, sondern sie bringen dieselben „urmenschlichen Gefühle“ isoliert zum Ausdruck, an denen auch der Maler interessiert war. Antiphonale Strukturen bei Feldman, Bruckner und Villa-Lobos Morton Feldmans Rothko Chapel gliedert sich in vier Abschnitte (A: T. 1–210; B: T. 211–242; C: T. 243–313; D: T. 314–427). Ab T. 163 und T. 197 teilt Feldman den Chor jeweils für 10 Takte in zwei vierstimmige Chöre, ohne diese Einteilung allerdings kompositorisch direkt aufzugreifen. Im dritten und vierten Abschnitt jedoch ist der Chor durchgehend doppelchörig aufgeteilt und Feldman setzt ihn antiphonal ein, wobei sich „antiphonal“ in diesem Sinn auf den antwortartigen Wechsel zweier Vortragsgruppen bezieht, die einander räumlich gegenüberstehen19. Bsp. 2 verdeutlicht, wie Feldman durch das Alternieren der beiden Chöre die räumliche Dimension in die Komposition einbezieht.20 Im Wechsel von Chor 1 und 2 erklingt ein sechsstimmiger Akkord, der aus zwei Großseptklängen mit großer Terz in den Frauenstimmen und kleiner Terz in den Männerstimmen aufgebaut ist. Begleitet wird der Chor von Geräuschhaftem, Einwürfe von Viola und Celesta erfolgen als harmonische Kontrastelemente. Dieselbe Chorpassage verwendet der Komponist ab Takt 360, diesmal unterlegt mit einem Ostinato des Vibraphons.21 Feldman macht zwar keine Angaben zur Aufstellung des Ensembles, die überwiegend antiphonale Struktur der Chorpassagen jedoch lässt eine doppelchörige Auf- 17 In der Aufnahme https://www.youtube.com/watch?v=1ZZ0DYIkaP8 (eingesehen am 27.02.2017) beginnt die Passage ab Min. 15:02. 18 Zitiert nach ebda. 19 Vgl. Nowacki 2016. 20 In der Aufnahme https://www.youtube.com/watch?v=1ZZ0DYIkaP8 (eingesehen am 27.02.2017) beginnt die Passage ab Min. 21:43. 21 Ebda. ab Min. 23:23. 8 Bsp. 2 – Feldman: Rothko Chapel (T. 302–307) stellung der beiden Chöre sinnvoll erscheinen.22 Dabei ist diese Kompositionsstruktur nicht primär bedeutungstragend, sondern betrifft die rein klangliche Dimension des Werkes. Erst mit Blick auf den Raum selbst, der mittels dieser Klänge erschlossen wird, Rothkos Houston Chapel, lässt sich auch die räumliche Anordnung des Ensembles bedeutungstragend interpretieren: Der Chor wird innerhalb des Gesamtkunstwerks von Rothkos Kapelle Teil des „weltlichen Gottesdienstes“23, als welchen Feldman die Uraufführung wahrnahm, und somit auch Teil der von Rothko anvisierten „religiösen Erfahrung“ 24. In seiner Motette Ave Maria WAB 6 greift Anton Bruckner auf antiphonale Gesten als Bedeutungsträger zurück. Die Worte der Verkündigung aus Lukas 1,28 werden so zwischen dem dreistimmigen Frauenchor und dem vierstimmigen Männerchor aufgeteilt, dass das „Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum, benedicta tu in mulieribus“ („Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen.“) den Frauenstimmen vorbehalten bleibt (T. 1–10), welche den Engel der Verkündigung klanglich vertreten, während die Männerstimmen mit dem „et benedictus fructus ventris tui“ („und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“) die „Leiblichkeit […] nachfolgend interpretier[en]“25. Nach einer Generalpause wird der Satz mit der Gebets-Anrede „Sancta Maria, Mater Dei“ 22 Vgl. Kopp 2008, S. 32. Kopp 2008, S. 30. 24 Vgl. Fischer 1993, S. 10. 25 Kirsch 2001, S. 354. 23 9 („Heilige Maria, Mutter Gottes“) fortgesetzt (T. 21–30). Die Doppelchörigkeit erfährt in diesem Gebet eine neue Wendung, indem der Bass II zu den Frauenstimmen hinzutritt. „[…] der dieses Ereignis reflektierende Beter [befindet sich] in einem ›fassungslosen‹ Zustand; er gerät ›außer sich‹, erfährt eine ekstatische Entgrenzung, erlebt die Auflösung der Grenze zwischen irdischer Betrachtung bzw. Gebetshaltung und überirdischer Erscheinung […]. Der emotional extrem aufgeladene, überhitzt doppelchörige Satz, der eine mit Bedacht geordnete Einsatzfolge der sich quasi gegenseitig überlaufenden beiden Chöre scheinbar negiert […] und in dem sich die Tonartenfortschreitungen gleichsam im Zeitraffer überschlagen […], ist die musikalische Umsetzung dieses Zustands.“26 Bsp. 3 – Bruckner: Ave Maria (T. 21–30) In anderen Motetten greift Bruckner ebenfalls zum Mittel des antiphonalen Satzes. Im Gegensatz zum Ave Maria setzt er es aber nur in wenigen kurzen Passagen ein, vor allem aber nicht in der Weise bedeutungstragend wie in der Marien-Motette. Der zweite Spruch aus Heitor Villa-Lobos‘ Bendita Sabedoria – sechs 1958 entstandene Bibeltext-Vertonungen, die besonders von ihrer prägnanten Kürze leben – verwendet einen der Sprüche Salomons (Sprüche 20,15): „vas pretiosum labia scientiae“ („ein vernünftiger Mund ist ein edles Kleinod“). Der nur 18 Takte umfassende achtstimmige Chorsatz ist innerhalb der Frauen- bzw. der Männerstimmen antiphonal aufgeteilt. Dabei beginnen die Frauen (T. 1–8) mit ihrem wiegenden Wechselgesang zwischen Sopran- und Alt stimmen, die Männerstimmen übernehmen dieselbe Struktur von T. 9–16, verteilt auf Tenor und Bass.27 26 27 Ebda., S. 355–357. https://www.youtube.com/watch?v=XwxnQG3ADa0 (eingesehen am 01.03.2017) bei Min. 2:45. 10 Bsp. 4 – Villa-Lobos: Bendita Sabedoria Nr. 2 (T. 1–3) Innerhalb des Zyklus‘ der Bendita Sabedoria, dieser „gesegneten Weisheiten“, findet sich eine solche antiphonale Struktur nur in der Nr. 2. Ein enger Zusammenhang zum Text ist nicht zu erkennen. Vielmehr scheint Villa-Lobos mit diesen kurzen Chorstücken die Vielfalt chorischer Satzarten demonstrieren zu wollen. Jeder der Sprüche ist in der Behandlung des Chores, in der Aufteilung der Stimmen, im Satz oder in der Verwendung von Klängen. Ein Teil dieser Vielfalt ist der antiphonale Satz des zweiten Stücks – mehr nicht, aber auch nicht weniger. Funktionen von Polyphonie bei Villa-Lobos und Bruckner Mit dem Vers „Sapientia in foris predicat, in plateis dat vocem“ aus den Sprüchen Salomons (Sprüche 1,20) eröffnet Villa-Lobos seinen Zyklus Bendita Sabedoria. „Die Weisheit ruft auf den Straßen, auf den Plätzen erschallt ihre Stimme“. Dem sinntragenden Text vorangestellt ist ein auf Vokalise zu singender Einleitungsteil in der Form eines Fugatos. Als „gelehrter Stil“ gilt die Polyphonie seit dem 18. Jahrhundert. Im Kontext der „Weisheit“ des Salomo-Spruchs greift Villa-Lobos auf diese Stilistik zurück. Das einleitende Stück des Zyklus‘ beginnt mit einem dreitaktigen Fugenthema im Bass II, das Anklänge an g-Moll enthält, allerdings untypisch auf der Sexte beginnt. Beginn und Ende des Themas erfolgen als Sekundfall, durch die Quintsprünge ergibt sich sogar eine Art von Symmetrie, die allerdings durch die rhythmischen Schwerpunkte der halben Noten in den Hintergrund rückt. Typisch für dieses Fugato ist die reale Beantwortung in der Oberquarte, als würde es mit dem Comes beginnen. Ein eigenständiges Kontrasubjekt gibt es nicht, allerdings ist die Chromatik integraler Bestandteil des Kontrapunkts. Ein dritter Fugeneinsatz erfolgt, beginnend auf es, im Tenor (T. 7). Die „zweite Durchführung“ beginnt analog in den Frauenstimmen: Alt II (T. 13), Alt I, T. 16) und Sopran (T. 19). Der Bass II als Begleitstimme bleibt dabei allerdings erhalten. 11 Bsp. 5 – Villa-Lobos: Bendita Sabedoria Nr. 1 (T. 1–6) Wie bei der antiphonalen Struktur im zweiten Stück ist auch die Polyphonie ein Teil der Vielfalt an Satzarten, selbst wenn man zwischen der im Text angesprochenen „Weisheit“ und der „gelehrten“ Kontrapunktik einen assoziativen Zusammenhang herstellen mag. Villa-Lobos‘ Intention wird es aber nicht gewesen sein, eine eher schulmäßige Kontrapunktstudie zu präsentieren. So steht das Fugenthema formbildend jeweils am Beginn der anderen Teile und weiterer Entwicklungen innerhalb des Stücks. Der Komponist greift es in T. 26 mit dem Einsatz des gesungenen Textes wieder auf und auch am Beginn des dritten Teils steht das Kopfmotiv dieses Themas. Bsp. 6 – Villa-Lobos: Bendita Sabedoria Nr. 1 – a) (T. 26–29), b) (T. 41–44) Wichtiger als die Motivik ist aber zweifellos die klangliche Struktur des Stücks. Villa-Lobos lässt nicht nur die „sapientia“ zu ihrem Recht kommen, sondern auch „vocem“, die klangliche Seite des Spruchs. Er experimentiert nicht nur, insbesondere nach dem Fugato, mit bitonalen Klängen und parallelen Akkordverschiebungen – vielmehr spielt er mit diesen Strukturen: Ohne substantiell Neues mittels Polyphonie und dem klanglichen Repertoire der klassischen Moderne zu sagen, spielt er doch ein klanglich sensibel ausgehörtes Spiel mit diesen Elementen. Teil dieses Spiels ist auch das Zitat des berühmten Quartenakkords aus der Kammersymphonie op. 9 von Arnold Schönberg in T. 30, auf das er am Ende des Zyklus‘, am Beginn und am Schluss des sechsen Spruchs wieder zurückkommt.28 Ob Bsp. 7 – Villa-Lobos: Bendita Sabedoria Nr. 1 (T. 30) „Weisheit“ an dieser Stelle verborgen liegt? Zumindest aber ein anspielungs- und geistreiches Spiel. Um „sapientia“ geht es auch in der Motette Os justi WAB 30 von Anton Bruckner, und auch er setzt in diesem Kontext auf strenge Kontrapunktik. Allerdings enthält die „Weisheit“ im polyphonen „et lingua ejus loquetur judicium“ eine moralisch-ethische Komponente mit 28 Auch Charles Ives spielt in seinem Psalm 24 (T. 23–25) auf diesen Quartenakkord an. 12 dem „sprechen, was recht ist“.29 Insgesamt stellt sich Bruckner hier eine besondere Kompositionsaufgabe: „[…] eine Motette, die alle Arten schwieriger Stimmbewegung entbehren sollte. […] Bruckner lieferte […] ein Werk ›ohne ‚Kreuz’ und ‚b’; ohne Dreiklang der 7. Stufe; ohne Quartsext-Akkord, ohne Vier- und Fünfklänge.‹ Diese radikale Reduktion ließ nur die sieben Töne f, g, a, h, c, d, e und die daraus bildbaren Dur- bzw. Moll-Dreiklänge F, G, a, C, d, e übrig.“30 Bsp. 8 – Bruckner: Os justi – Fugenthema (T. 25/26) Im Kontrast zu den anderen Teilen der Motette, die in F-Lydisch stehen, komponiert Bruckner das 25 Takte umfassende Fugato in G-Mixolydisch. Das zweitaktige Thema wird jeweils tonal beantwortet, allerdings erfolgt jeder Themeneinsatz eine Quinte über dem vorhergehenden, sodass das Thema den gesamten von ihm vorgegebenen Tonraum durchschreitet. Eine vollständige Fugendurchführung mit Einsätzen in Alt auf g (T. 17), Sopran auf d (T. 19), Bass auf a (T. 21) und Tenor auf e (T. 23) wird ohne Zwischenspiel mit den Einsätzen von Alt auf h (T. 25) und dem Sopran (T. 27) weitergeführt. Mit diesem Themeneinsatz wird das mixolydische f hervorgehoben, hier erreicht die spiralförmige Steigerung des Fugatos aber auch einen dynamischen Höhepunkt. Das Fugenthema wird nun frei fortgesetzt, es erscheint verkürzt, variiert, sein synkopisches Kopfmotiv wird sequenziert oder kanonisch enggeführt. Als Ganzes erscheint es nur noch einmal im Sopran vor der abschließenden Steigerung zum „judicium“ (T. 40–42). Bruckner lässt in diesem Fugato jegliche Fugen-Konvention hinter sich. Die „sapientia“ erscheint nicht mehr als „gelehrte Kompositionstechnik“, vielmehr wirkt die Kompromisslosigkeit der Vertonung, als hätte sich der Komponist die Worte des Psalmisten in sein Werk eingeschrieben: im ästhetischen Sinne zu „sprechen, was recht ist“ und mit dem „Gesetz seines Gottes […] in seinem Herzen […] nicht [zu] wanken.“ 29 Der lateinische Text „Os justi meditabitur sapientiam, et lingua ejus loquetur judicium. Lex Dei ejus in corde ipsius et non supplantabuntur gressus ejus.“ lehnt sich an Psalm 37, 30–31 an. („Der Mund des Gerechten wird auf Weisheit bedacht sein, und seine Zunge wird sprechen, was recht ist. Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen, seine Schritte werden nicht wanken.“) 30 Holzner o. J. 13 Horizontal, vertikal und zentral – Dimensionen der Klangentfaltung bei Ives und Feldmann Nachdem Charles Ives (1874–1954) eine nebenamtliche Tätigkeit als Organist beendet hatte, übernahm er zwischen 1898 und 1902 zweimal eine Stelle als Chorleiter in New Jersey. In dieser Funktion war es ihm zum ersten Mal in seiner Karriere möglich, eigene Chorwerke in ihrer Klangwirkung zu erproben. „Between 1898 and 1902, Ives experimented with new structural and harmonic combinations: dissonant counterpoints, wedges and other symmetrical structures, bitonality, and the systematic presentation of all twelve pitch-classes.“31 Psalm 67 erscheint in seiner dreiteiligen Anlage32 mit konsequent homophonem Satz in den A-Teilen traditionellen presbyterianischen Anthems zu folgen. In der Schlichtheit des Satzes wird ein hymnischer Ton angeschlagen. Ives setzt den sechsstimmigen Chor allerdings bitonal; während die Frauenstimmen in C-Dur notiert sind, stehen die Männerstimmen in gMoll. Nahezu jeder Klang im A- und A‘-Teil setzt sich aus einer Kombina- Bsp. 9 – Ives: Psalm 67 (T. 1–3) tion eines Dur- und eines davon unabhängigen Moll-Akkords zusammen. Anstelle einer berechenbaren Tonalität entstehen so neu- und einzigartige Klänge als einzig adäquater Ausdruck des göttlichen Segens. Andere Konstruktionsprinzipen liegen in Ives‘ Vertonung des 24. Psalms vor. In der horizontalen Bewegung verwendet Ives in den Melodien der Außenstimmen zunächst (T. 1–6) vollständige Chromatik, die allerdings durch Oktavsprünge aufgebrochen wird und so ein Element der Unberechenbarkeit bekommt. Ähnlich verhält es sich mit der Symmetrie: Während der Sopran den chromatischen Tonraum aufwärts durchschreitet, geht der Bass in Gegenbewegung abwärts. Teil der Konstruktion ist auch, dass durch die enharmonische Verwechslung auf den betonten Silben „Lord’s“ mit einem F7 (T. 2), „full“ mit einem H-Dur-Akkord (T. 3) und „world“ mit einem B-Dur-Dreiklang (T. 4) traditionelle Harmonien entstehen. Ab Takt 7 ersetzt Ives die Chromatik der Melodiebildung durch eine Ganztonleiter, wobei die Zusammenklänge zunehmend dissonanter werden. Ab Takt 17 werden die Melodie-konstituie31 32 Sherwood 2003, S. 29. Teil A (T. 1–15), Teil B (T. 16–26), Teil A‘ (T. 27–34) 14 renden Intervalle zur Terz gespreizt, ab Takt 22 zur Quarte und ab Takt 35 zur Quinte. Jedes dieser Konstruktionsprinzipien generiert einen eigenen Raum, dessen Totalität Ausdruck des Göttlichen ist. Bsp. 10 – Ives: Psalm 24 (T. 1–9) In Morton Feldmans Rothko Chapel spielen zwei Klangflächen des mehrfach geteilten Chores eine große Rolle: die enge Clusterbildung, die der Frauenchor im zweiten Teil des Werks über nahezu 3 Minuten hinweg beatmet (Bsp. 1), und der weiträumigere Cluster, der den letzten Teil des Werks bestimmt (Bsp. 2). Vorbereitet werden diese beiden Klangflächen im ersten Teil der Komposition in einer Klanggenese, in der Feldman die Intervalle in ihrer horizontalen und vertikalen Klanglichkeit insbesondere in den Melodien und melodischen Fragmenten der Bratsche erprobt. Strukturell gesehen, entstehen die beiden Cluster als „monolithisch[e] und unwandelbar[e]“33 Klangzentren aus diesen Prozessen. Eher an der Peripherie dieser Klangzentren taucht auch eine traditionelle Form der Melodik auf, die Feldman ungebrochen in seine Komposition mit aufnimmt. Zweimal werden die Chorpassagen von einer „einfachen modalen, klar gegliederten Melodie der Bratsche“ unterbrochen, die „in keiner Hinsicht Bezug zur vorherigen, frei atonalen Melodik“34 nimmt. Bsp. 11 – Feldman: Rothko Chapel (T. 320–334) 33 34 Kopp 2008, S. 37. Ebda. 15 Im Zusammenhang von Rothko Chapel wirkt sie wie ein Zitat, ist aber, so Feldman, eine „quasi hebräische Melodie“35, die er im Alter von 15 Jahren geschrieben hätte. Für Jan Kopp stellt der Schlussabschnitt von Rothko Chapel daher eine Verdichtung dar, weil unter anderem die „Erinnerung an bereits Gehörtes innerhalb der Komposition“ und „die Erinnerung an die eigene Jugend“ in ihrer Präsenz „sogar die stilistische Einheit der Musik infrage stell[en]“. Die horizontalen Achsen der Komposition erscheinen somit eher als peripher, während die vertikalen Klangflächen als Zentren die Konstante bilden. Text und Textbehandlung bei Barber, Feldman und Villa-Lobos 1967 bearbeitete Samuel Barber (1919–1981) sein populäres Adagio for Strings (1936), den ursprünglichen zweiten Satz seines Streichquartetts, für achtstimmigen Chor a cappella. „The saddest music ever written“36 beschreibt exakt den Ausdruck, den dieser langsame Satz im kollektiven Gedächtnis einnimmt. Der Trauer-Gestus der Musik entsteht durch eine Kombination verschiedener Elemente: Zugrunde liegt der Musik eine strömende Melodie, die fast ausschließlich in Sekundschritten fortschreitet, sich dabei gewissermaßen behutsam jede Stufe neu erarbeitet, und in dieser Charakteristik außerhalb der Zeit zu gehen scheint; emphatische Quart-, Quint- oder Sext-Aufschwünge, vom Komponisten gezielt eingesetzt, verstärken die pathetische Wirkung. Die liegenden Akkorde erwecken den Eindruck einer Statik, welche unperiodisch in neue Zustände überführt wird. Langsam sich ausbreitende Crescendi unterstützen die sich aufwärts windende Melodik, ebenso ausgebreitet werden die Spannungen in langen Decrescendi zu Ruhepunkten zurückgeführt. Zudem stellt sich ein schwebender Eindruck ein, weil die Grundtonart b-Moll selten erreicht, noch seltener aber kadenziell bestätigt wird und immer wieder mit vollklingenden modalen Wendungen angereichert wird. Nicht einmal der Schlussakkord kehrt zur Grundtonart zurück. Der Chor endet auf dem dominantischen F-Dur wie eine unausgesprochene Frage, ein In-sich-Hineinhorchen. Ein nicht unerhebliche Beitrag zur Popularität des Adagios war die Ausstrahlung im Radio wurde, als Präsident Franklin Delano Roosevelt 1945 gestorben war, „at a time when our emotions were charged with intensity. The sudden death oft he American president stunned 35 Zitiert nach ebda. So der Titel einer Monographie von Thomas Larson (Thomas Larson: The Saddest Music Ever Written. The Story of Samuel Barber‘s „Adagio for Strings“, New York 2010.). 36 16 millions, and the music found the listener’s heart open to receive ist message of sympathy“37. Barber selbst war seit den 1950er Jahren nicht glücklich, dass sein Adagio überwiegend als Beisetzungs-Musik wahrgenommen wurde. Und obwohl er sich mit dieser Tatsache abgefunden hatte, textierte er es 1967 mit dem Agnus Dei der lateinischen Messe. Das „Lamm Gottes“ ist österliches Symbol für die Überwindung des Todes durch Jesus Christus, als „Lamm Gottes“ verweist der Text aber auch auf die alttestamentarische Opfersymbolik. An die dreimal vorgebrachte Anrede „Agnus Dei, qui tollis peccata mundi“ schließen sich die zweimal gesprochene Bitte um Erbarmen „miserere nobis“ sowie die abschließende Bitte um Frieden „dona nobis pacem“ an. In den meisten Messvertonungen erhält das Agnus Dei dadurch eine dreiteilige Form. An diese Tradition schließt sich Barber nicht an. In seiner Textierung überlagern sich die verschiedenen Textschichten. Einer Reduzierung auf die Friedensbitte, wie sie heute auch durch politische Kontexte häufig in Agnus Dei-Vertonungen gesehen wird, entzieht sich der Komponist. Selbst in den Schlusstakten stellt er das „miserere“ in Sopran, Tenor und Bass dem „dona nobis pacem“ im Alt gegenüber, wobei letzterer mit dem „pacem“ die Dur-Terz des Schlussklanges erreicht. Motivisch wird das „Agnus“ eng an das Anfangsmelisma des Soprans geknüpft. Barber verfährt hier jedoch nicht orthodox. So unterlegt er in Takt 8 ff. dies Melisma mit dem „Agnus Dei, qui tollis peccata“, allerdings ohne das „mundi“, das die Anrede vervollständigen würde. In Takt 40 ff. verwendet er das „miserere nobis“; am Ende des Satzes hingegen textiert er das Kopfmotiv mit dem „dona“, um dieses dann mit dem „miserere“ fortzusetzen. Sätze werden unvollständig gesungen, Satzzusammenhänge getrennt, Bsp. 11 – Barber: Agnus Dei – Textierungen der Hauptmelodie a) (T. 1–4), b) (T. 8–11), c) (T. 40–43), d) (T. 65–67) 37 Harold Rawlinson (1950), zitiert nach Howard 2007, S. 54. 17 Motive oder Melodien mit unterschiedlichen Textteilen unterlegt. Handelt es sich um fehlende Sensibilität gegenüber dem Text, um mangelnde Sorgfalt? Vermutlich liegt der Ursprung dieser Textierung in einer Musik, die schon als säkularer Streichquartett- oder Streichorchestersatz mit sakraler Bedeutung beladen wurde. Dieser Sphäre gehört die Musik substantiell an, sodass ein Text hier nicht mehr „sagen“ könnte, als die Musik ohnehin in ihrem schwebenden Trauer-Gestus vermittelt. Denn in der Klanglichkeit wird die Dekonstruktion des Textes wieder aufgehoben. Auch Morton Feldman komponiert mit Rothko Chapel ein Werk, dem die sakrale Sphäre durch den Kontext eingeschrieben wird: durch die Houston Chapel als Aufführungsort und durch die posthume Hommage an einen befreundeten Künstler, der selbst von „religiösen Erfahrungen“38 bei der Rezeption seiner Gemälde gesprochen hatte, sodass Feldman die Uraufführung als „weltlichen Gottesdienstes“39 wahrnehmen konnte. In der Komposition selbst ist Sakrales nicht enthalten, am wenigsten im Text, denn Feldman vermeidet es geradezu, die Chor- und Solo-Passagen zu textieren. In der Partitur findet sich die Anweisung: „The Choir sings a consistent open hum throughout on the vowel ›n‹ but not too nasal“, welche allerdings die rein klangliche Seite des Chorklanges betrifft. In semantischer Hinsicht gewinnt der Klang aber gerade durch seine Offenheit an Bedeutung. Analog zu den nicht gegenständlichen Gemälden Mark Rothkos eröffnet ebendiese semantische Offenheit des „Systems Rothko Chapel“ seine religiöse Aufladung. Anders als im Agnus Dei von Samuel Barber wird diese Sakralität aber durch den Kontext erzeugt, nicht durch den Klang. Heitor Villa-Lobos kontrastiert die Semantik der kurzen Sprüche seiner Bendita Sabedoria konsquent mit Vokalisen. Im vierten Stück tritt der eigentliche Text „Vir sapiens fortis est.“ („Ein weiser Mann ist stark.“, Sprüche 24,5) gegenüber dem „La, la, la“ sogar in den Hintergrund. In nur fünf der zwölf Takte verwendet er diesen Text und auch nur einmal ohne begleitende Vokalise. Die Botschaft dieser Miniatur liegt weniger in der Textaussage, sondern im triolischen „La, la, la“, einer geradezu beängstigend alltäglichen Gesangsfloskel. Denn diese erklingt auch als Geste überbordender Freude, als auskomponiertes Lachen. Heitor Villa-Lobos geht mit seiner Textierung einen ungewöhnlichen Weg. Durch das Namenlose ruft er keine Spiritualität hervor, sondern er verbindet seine Sprüche mit dem Leben selbst. 38 39 Vgl. Fischer 1993, S. 10. Kopp 2008, S. 30. 18 II. Didaktische Klangräume und Raumerfahrungen Vorschläge zur vokalen Raumerfahrung Grundlegende vokale Raumerfahrung können Schüler40 schon durch das Singen eines einfachen Kanons machen, indem die Aufstellung der Kanongruppen im Raum oder die Abstände der Gruppen untereinander geändert werden. Auch das Singen in Räumen mit unterschiedlicher Akustik sensibilisiert die Schüler für unterschiedliche Klangräume. Eine andere Möglichkeit der vokalen Raumerfahrung wird hier als „Wörternetz“ bezeichnet: Die Gruppe stellt sich im Kreis auf. Idealerweise ist sie nicht größer als 15–20 Personen. Der Spielleiter beginnt, indem er einen Oberbegriff vorgibt (Eissorten, Lieblingsessen, Automarken, Musiker etc.). Er startet die Kommunikation mit einem Begriff, den er einer anderen Person zuwirft. Wichtig sind dabei Blickkontakt und eine weiterleitende Geste. Die angesprochene Person fährt in derselben Weise mit einem anderen Begriff fort, bis jede Person in das Netz integriert ist. Es empfiehlt sich, dass möglichst die Begriffe nicht an benachbarte Personen weitergegeben werden. Das Wörternetz zu diesem Thema wird dann geübt, auch im Tempo, wobei die Reihenfolge der Personen stets gleich bleibt. Wenn das Wörternetz zu einem Thema gut eingeübt ist, kann man als Spielleiter einen kontrastierenden Oberbegriff vorgeben und in derselben Weise einüben. Die Reihenfolge innerhalb des Kreises muss allerdings eine andere sein. In einem nächsten Schritt können die beiden Wörternetze zeitgleich durchgespielt werden. Dies erfordert einen weitaus höheren Grad an Konzentration. Die Raumerfahrung, dass zeitgleich wichtige Impulse aus anderen Richtungen kommen können, wird intensiviert. Sehr gute Gruppen können auch drei Wörternetze gleichzeitig durchspielen. Erweiterungen dieses Spiels ergeben sich durch Änderungen der Raumkonstellationen. So kann der Kreis vergrößert werden, sodass sich größere Entfernungen im bespielten Raum ergeben. Die Räume selbst können ebenfalls verändert werden. Denkbar wäre dasselbe Arrangement in einem Klassenzimmer, in einer Sporthalle, im Freien etc. Als Impuls für den Konzertbesuch wäre ein Durchgang in einer Kirche oder zumindest einem kirchenähnlichüberakustischen Raum ideal. 40 Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Folgenden die Formulierung „Schüler“ geschlechtsneutral verwendet. 19 Eine dritte Form der vokalen Raumerfahrung bietet die Improvisation, wie sie in M 1 in einer Übungssequenz dargestellt.41 Die Schüler sitzen dabei mit geschlossenen Augen im Kreis und erleben sich im Klangraum der gesamten Gruppe. Methodisch-didaktische Anmerkungen zu … …Samuel Barbers Agnus Dei Barbers Adagio for Strings oder auch das Agnus Dei wurden häufig als Filmmusik eingesetzt. Im Vergleich zweier Filmausschnitte können Schüler auch Wesentliches über die Musik erfahren. Der Film Lorenzos Öl (1992) erzählt von Lorenzo Odone, bei dem als Kind die äußerst seltene Krankheit ALD diagnostiziert wird, die innerhalb von wenigen Jahren zum Tod führt. Das Agnus Dei setzt direkt nach der Szene ein, in der Lorenzos Eltern von einem Arzt die tödliche Diagnose erfahren haben. Während sie das Sprechzimmer verlassen und über den Flur auf ihren Sohn zugehen, werden die ersten beiden Phrasen (bis T. 8) der Musik eingeblendet. Mit den filmischen Mitteln der Überblendung bzw. des Schnitts wechselt die Musik anschließend als Hintergrundmusik in T. 9 des Adagio for Strings, welches die verzweifelte Reaktion seines Vaters Augusto Odone untermalt.42 Exemplarisch steht die Verwendung hier für intensivste Trauer und Tragik. Luke Howard lässt nicht unerwähnt, dass die filmmusikalische Verwendung des Adagios im Jahr 1992 klischeehaft wirkt, er räumt allerdings auch ein, dass gerade das vokale Agnus Dei in diesem Kontext die Tragik der Situation angemessen verstärkt, weist sie doch auf frühen Tod Lorenzos voraus.43 Der Verweis auf Trauer ist auch in Oliver Stones Vietnam-Kriegs-Epos Platoon (1986) mit dem Adagio verbunden, das im Film omnipräsent ist. Allerdings thematisiert der Film das Grauen des Krieges. So erklingt Barbers Musik, während amerikanische Soldaten ein vietnamesisches Dorf zerstören, dessen Bewohner im Verdacht stehen den Vietcong unterstützt zu haben.44 Die Musik begleitet den Blick auf das Leiden der Bevölkerung genauso wie das grausame Vorgehen der Truppe und das Verhalten des Protagonisten Chris Taylor, der ein Mädchen vor der Vergewaltigung durch seine Kameraden bewahrt. Die Empfindung von Trauer allein wird in dieser Szene nicht durch die Musik verstärkt, sie ist nachvollziehbar mit Blick 41 Der Vorschlag bezieht sich auf einen Aufsatz von Steffen Reinhold; vgl. Reinhold 2015. Die Szene setzt bei Min. 17:10 Uhr ein, das Gespräch mit dem Arzt bei Min: 13:40. Der Schnitt zum Adagio for Strings beginnt bei Min. 18:20. 43 Howard 2007, S. 58. Howard stellt dem auch etwa die Verwendung des Agnus Dei als Begleitmusik zu einer Liebesszene in The Scarlett Letter (1995) gegenüber, die von Publikum und Kritik gleichermaßen abgelehnt wurde. 44 Die Musik setzt bei Min. 53:10 ein (Ende bei Min. 56:20). 42 20 auf die Leiden der Menschen. Hinsichtlich der ebenfalls dargestellten Grausamkeiten aber ist es eher eine kontrastierende Wirkung, welche durch die Musik ausgeübt wird. Weitere Beispiele für die Verwendungen von Barbers Adagio im Film sind Der Elephantenmensch (1980) oder der französische Film Die fabelhafte Welt der Amélie (2001), wobei hier mit der Tradition als Trauermusik jedoch ironisch gespielt wird. Schüler können die unterschiedliche Wirkung der Musik in diesen Szenen angemessen beschreiben und über diesen Impuls die Wirkung des Barber-Adagios als Sinnbild für Trauer und Tragik benennen. Ein Vergleich bietet sich auch an zwischen der vokalen und der instrumentalen Fassung. Auch hier erscheint die Szene aus Lorenzos Öl als Impuls besonders geeignet. Kontrastierend dazu ließe sich im Unterricht auch die Rezeption des Adagios im HipHop untersuchen. Exemplarisch wäre hier die satirische Verwendung durch die Skip Raiders45 in ihrem Remix Another Day zu nennen. … den Motetten von Anton Bruckner Anknüpfend an die Analyse des Locus iste ließe sich eine Annäherung an die Motetten Anton Bruckners mithilfe von Standbildern beginnen. Das sprachliche Bild „auf engstem Raum“ legt es nahe, verschiedene kurze Passagen auszuwählen, zu denen je eine Gruppe ein Standbild erstellt und dies erläutert. Wenn sich die Gruppen über den Raum verteilen, stellt sich in der Präsentation zur Musik schon eine allgemeine Raumerfahrung ein. Anschließend sollten die Passagen im Notentext genau analysiert werden. Der Vielfalt auf engstem Raum innerhalb eines einzigen Stücks ließe sich auch die Vielfalt in der zyklischen Anordnung von kurzen Kompositionen gegenüberstellen, wie sie Heitor Villa-Lobos in den Bendita Sabedoria demonstriert. 45 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=8A_2RBEh6IE (eingesehen am 07.03.2017). Skip Raider weist sich schon durch den Namen als „Plünderer“ aus (raider (engl.) = Plünderer) und kritisiert mit der Verwendung ähnliche Sample-Praktiken bei anderen HipHop-Gruppierungen; vgl. dazu Howard 2007, S. 71. 21 … Morton Feldmans Rothko Chapel Einen ausgearbeiteten Unterrichtsvorschlag zu Rothko Chapel findet man in dem Arbeitsheft MusikBilder von Peter Schatt46. Wesentliche ästhetische Erfahrungen mit der Musik von Morton Feldman können Schüler darüber hinaus durch Malen zur Musik machen.47 Hierbei spielt schon die Vorbereitung des Unterrichtsraums eine große Rolle. „Die Atmosphäre sollte die Schüler/innen überraschen und motivieren, sich auf etwas Unerwartetes einzulassen. […] Es geht letztlich darum, mit Farben und Formen das Wesen des Stücks zu erfassen.“48 M 2 enthält Aufgabenformulierungen, die den Schülern am besten in einer ruhigen Atmosphäre am Beginn der Unterrichtsstunde vorgelesen werden. Wichtig ist beim Malen zur Musik aber auch die Reflexion, die in Form einer kommentierten Ausstellung der entstandenen Bilder erfolgen kann. … den Psalmvertonungen von Charles Ives Psalm 24 ist von vielen Komponisten vertont worden. Die Eigenwilligkeit der Ives’schen Vertonung lässt sich gut im Vergleich mit anderen Vertonungen erfassen. Berühmt ist der Chorsatz Lift up your heads aus Georg Friedrich Händels Messiah. Die entsprechende Textpassage findet sich bei Ives ab Takt 3549. Ein Vergleich ließe sich mit der Rhythmisierung des englischen Textes beginnen und mit der Melodik und der Satzweise fortsetzen. M 3 ist ein Arbeitsblatt mit Vorschlägen zu einer analytischen Herangehensweise. … den Bendita Sabedoria von Heitor Villa-Lobos Als Annäherung an Heitor Villa-Lobos‘ Kompositionen soll in diesem Zusammenhang eine Kombination aus Singen und Bodypercussion dienen. M 4 bietet eine Bodypercussion-Partitur des Spruches Nr. 4 für zwei einander gegenüberstehende Bodypercussion-Gruppen und 46 Schatt 2007, S. 22/23. Im Musikbuch Musik um uns. Sekundarbereich II, Braunschweig (Schroedel) 2008, S. 114/15 gibt es Anregungen zu Morton Feldmans Komposition De Kooning, die sich ebenfalls auf Werke der Bildenden Kunst beziehen lässt. 47 Der Vorschlag bezieht sich auf den Aufsatz von Steffen Reinhold; vgl. Reinhold 2015. 48 Ebda., S. 36/37. 49 In der Aufnahme https://www.youtube.com/watch?v=QPPsn8Nbei8 (eingesehen am 01.03.2017) beginnt die Passage bei Min. 1:54. 22 eine Gesangsgruppe. Mit den Akkorden lässt sich der Gesang auch schlicht begleiten, sodass die Nähe zur a cappella-Version gewahrt bleibt. 23 Literatur und Quellen Notenausgaben Barber, Samuel: Agnus Dei https://www.youtube.com/watch?v=FOwRW8ee4S8 (eingesehen am 01.03.2017). Bruckner, Anton: Ave Maria WAB 6, in: Ausgewählte geistliche Chöre, Nr. 1, hrsg. von Ludwig Berberich, Leipzig 1939 http://petrucci.mus.auth.gr/imglnks/usimg/8/89/IMSLP365524-PMLP405385Bruckner_Ave_Maria_ed._Berberich.pdf (eingesehen am 27.02.2017). Bruckner, Anton: Locus iste WAB 23, in: Ausgewählte geistliche Chöre, Nr. 4, hrsg. von Ludwig Berberich, Leipzig 1939, http://javanese.imslp.info/files/imglnks/usimg/1/1d/IMSLP365532-PMLP229075Bruckner_Locus_iste_ed._Berberich.pdf (eingesehen am 27.02.2017). Bruckner, Anton: Os justi WAB 30, in: Ausgewählte geistliche Chöre, Nr. 6, hrsg. von Ludwig Berberich, Leipzig 1939, http://imslp.nl/imglnks/usimg/e/e3/IMSLP365537PMLP169430-Bruckner_Os-justi_ed._Berberich.pdf (eingesehen am 27.02.2017). Tonaufnahmen Barber, Samuel: Agnus Dei https://www.youtube.com/watch?v=FOwRW8ee4S8 (eingesehen am 01.03.2017). Bruckner, Anton: Ave Maria WAB 6 https://www.youtube.com/watch?v=LVBGGOSm4jc (eingesehen am 01.03.2017). Bruckner, Anton: Locus iste WAB 23 https://www.youtube.com/watch?v=8TbOqM_lsoU (eingesehen am 01.03.2017). Bruckner, Anton: Os justi WAB 30 https://www.youtube.com/watch?v=ov-OAmpcRfw (eingesehen am 01.03.2017). Feldman, Morton: Rothko Chapel https://www.youtube.com/watch?v=1ZZ0DYIkaP8 (eingesehen am 27.02.2017). Ives, Charles: Psalm 24 https://www.youtube.com/watch?v=QPPsn8Nbei8 (eingesehen am 01.03.2017). Ives, Charles: Psalm 67 https://www.youtube.com/watch?v=rVLq5gJNSN8 (eingesehen am 01.03.2017). Villa-Lobos, Heitor: Bendita Sabedoria https://www.youtube.com/watch?v=XwxnQG3ADa0 (eingesehen am 01.03.2017). 24 Filme Lorenzos Öl (1992). DVD, Hamburg 2003. Platoon (1986). DVD, Frankfurt/M. 2006 Sekundärliteratur Fischer, Peter: Mark Rothko (1903 bis 1970): „Ohne Titel“, in: Meisterwerke der Kunst, Folge 41/1993, hrsg. vom Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Stuttgart, Villingen 1993, S. 10. 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Setze nach dem Zwischenatmen wieder leise und unmerklich mit dem gleichen Ton ein. Finde nun einen gemeinsamen Ton mit den anderen zusammen. Verlasse sehr langsam diesen Ton nach oben oder unten, du kannst auch mehrfach zu ihm zurückkehren. Entferne dich nun immer weiter davon, werde leiser und verstumme. 2. Summen mit Solo Summe leise einen Ton gemeinsam mit allen. Du kannst jetzt mit einem kurzen Solo davon abweichen und kommst dann zu dem Ton zurück, dabei weiterhin summen. Variiere Tonhöhe, Tempo und Lautstärke. Finde mit den anderen zusammen ein gemeinsames Ende. 3. Kanon Alle singen auf Silbe oder summen eine Kanon- oder Liedmelodie. Dann wird individuell mit der Melodie experimentiert: auf einzelnen Tönen stehen bleiben einzelne Töne/Phrasen besonders hervorheben das Tempo individuell variieren die Melodie frei fortführen Dabei immer wieder zur Originalmelodie zurückkehren, die immer zu hören sein muss. M2 Anleitung zum Malen Nimm den Bleistift und setze ihn in die Mitte des Blattes. Schließe nun die Augen. Warte, bis sich die Hand bewegen will, und folge ihr mit dem Stift. Experimentiere mit verschiedenen Tempi. Variiere den Druck, den du auf den Stift gibst. Experimentiere auch mit der Länge der Linien. Verdichte eine Stelle. 1Du kannst auch Punkte setzen. Wenn deine Hand zum Stillstand kommt, bist du fertig und öffnest die Augen. Lege nun das bemalte Blatt zur Seite. Die weitere Arbeit geschieht zur Musik Nimm ein neues Blatt oder nutze die Rückseite des ersten Blattes. Nimm erneut einen Bleistift in die Hand. Setze den Stift auf das Blatt. Schließe nun die Augen. Du hörst jetzt Musik. Lass dich in den entstehenden Formen von der Musik lenken. Wenn die Musik aufhört, komme langsam zum Ende und öffne die Augen. Ab hier geht es mit offenen Augen weiter. Du hörst nun die Musik noch einmal. Entscheide, ob du hierzu ein neues Blatt nehmen möchtest, oder ob du an deinem bisherigen Blatt weiterarbeiten möchtest. Benutze nun alle Farben nach deiner Wahl. Lass dich in den entstehenden Formen von der Musik lenken. Wenn die Musik aufhört, komme langsam zum Ende. Gib deinem Blatt einen Titel und schreibe ihn auf die Rückseite. M3 Charles Ives (1874–1954): Psalm 24 für gemischten Chor a cappella (T. 35–43; Reduktion des Chorsatzes auf Sopran und Alt) Aufgaben Sprecht den Text des Soprans in dem Notenbeispiel rhythmisch exakt. Vergleicht die Rhythmisierung des Psalmtextes von Charles Ives mit der von Georg Friedrich Händel (1685–1759) aus seinem Oratorium Messiah („Der Messias“). Untersucht die Melodie und die Zusammenklänge in der Vertonung von Charles Ives. Welches Konstruktionsprinzip könnt ihr erkennen? Hört die gesamte Passage der beiden Psalmvertonungen von Ives und Händel im Vergleich. Lest dabei nur den Psalmtext mit und markiert in verschiedenen Farben, wo sich die Musik ändert. Lift up your heads, O ye gates, and be ye lift up, ye everlasting doors: and the King of glory shall come in. Who is the King of glory: The Lord strong and mighty, the Lord mighty in battle. Lift up your heads, O ye gates, and be ye lift up, ye everlasting doors: and the King of glory shall come in. Who is the King of glory : The Lord of hosts, he is the King of glory. M4 Heitor Villa-Lobos (1887–19590): Bendita Sabdoria Nr. 4 H‹7 3 Œ Œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ 4 /4Œ Œ A 3 Kl Br 3 Br Kl Br Br Kl Br Br Kl H‹7 A7 # &#Œ œ 4 GŒ„Š7 j j œ œ œ œ 3 Br Br E‹7 DŒ„Š7 j j œ œ œ™ Kl Br Br Kl Br Br Kl Br Br Kl E6/Cis / 3 sa - pi - ens Os Kl Br Br Kl Br Br # &# 9 for - tis est. E‹ Ó j œ œ̇ œ œ ˙ J J Ba Ba Os Ba Ba Os Ba Ba Os Ba Ba Os ∑ Br Br H‹7 GŒ„Š7 H‹7 Vir Œ œ œ œ Ó œ Œ œ œ Œ œ œ œ œ œÓ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ Ó Vir œ Óœ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ Ó œ E‹6/Cis Fis(“4) Kl Br Br Ba Ba Os Kl Br Br Ba Ba Os H‹ ∑ œJ œJ ˙ ∑ H‹7 Œ Œ œ œ œ œ œ œœœœœœ œœ œœœœœœœœ Œ œ œ œ œ Œ œ œ œ œ œ sa - pi ens 3 ∑ for - tis est. 3 Fis‹7 A Kl Br Br Kl Br Br Kl Br Br Kl Br Br ∑ DŒ„Š7 E‹6/Cis Fis(“4) H‹7 Cis(b5) Œ Œ Ó Óœ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ Œ Œ Ó œ œ Ó œ E‹6/Cis / Fis‹7 DŒ„Š7 Œ Œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ Œ Œ E‹6/Cis Kl Br Br Kl Br Br Kl Br Br Kl Br Br Kl Br Br Ba Ba Os Kl Br Br Ba Ba Os Kl = Klatschen Br = Klatsch auf das Brustbein (erst rechts, dann links) Ba = Klatsch auf den Bauch (erst rechts, dann links) Os = Patscher auf den Oberschenkel Kl Br Br Ba Ba Os Kl Br Br Ba Ba Os D C D j œ œ ˙™ 3 for - tis est. ∑