ArbeitEgger

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I
Verbesserung von subjektiver und objektiver Sprachverstehensleistung
durch Cochlea-Implantation beim Erwachsenen
der Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie
der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Direktor: Prof. Dr. med. Heinrich Iro
Zur Erlangung des Doktorgrades Dr. med.
vorgelegt von
Hannes Egger
aus
Graz
II
Als Dissertation genehmigt
von der Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der mündlichen Prüfung 30.09.2013
Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Schüttler
Gutachter: Prof. Dr. Dr. Ulrich Hoppe
Gutachter: Prof. Dr. Johannes Zenk
III
Gewidmet meiner Familie
IV
I. Deckblatt
II. Erlaubnis zum Druck
III. Widmung
IV. Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ..................................................................................................... 5
1.1
Anatomische Grundlagen: Das Ohr ....................................................... 5
1.2
Physikalische Grundlagen: Schall .......................................................... 7
1.3
Physikalische Grundlagen: Schallleitung ............................................... 8
1.4
Schwerhörigkeit ..................................................................................... 9
1.4.1
Schallleitungsschwerhörigkeit ......................................................... 9
1.4.2
Schallempfindungsschwerhörigkeit ............................................... 10
1.4.3
Innenohrschwerhörigkeit ............................................................... 10
1.5
Tinnitus ................................................................................................ 12
1.5.1
Ätiologie und Pathogenese ........................................................... 12
1.5.2
Diagnose ....................................................................................... 12
1.5.3
Therapie ........................................................................................ 12
1.6
Diagnostik in der Audiometrie .............................................................. 13
1.6.1
Tonaudiometrie .............................................................................. 13
1.6.2
Sprachaudiometrie ........................................................................ 13
1.7
Cochlea Implantat ................................................................................ 14
1.7.1
Aufbau ........................................................................................... 14
1.7.2
Funktionsweise.............................................................................. 14
1.7.3
Indikation ....................................................................................... 15
1.7.4
Operation ...................................................................................... 15
1.7.5
Nachsorge ..................................................................................... 16
1.8
Lebensqualität ..................................................................................... 17
1.8.1
2
Hören und Lebensqualität ............................................................. 17
Methoden ................................................................................................... 19
2.1
Ziel der Arbeit und Fragestellung ......................................................... 19
2.1.1
Verbesserung des objektiven Sprachverstehens .......................... 19
2.1.2
Verbesserung des subjektiven Sprachverstehens ......................... 19
2.1.3
Verbesserung des Tinnitus ............................................................ 20
2.1.4
Studiendesign ............................................................................... 20
2.1.5
Das Cochlear Implant Centrum Erlangen (CICERO)..................... 21
2.1.6
Patientenkollektiv .......................................................................... 21
V
3
2.2
Datenauswertung ................................................................................. 23
2.3
Arbeitsmaterialien ................................................................................ 25
2.3.1
Oldenburger Inventar .................................................................... 25
2.3.2
Cochlear Implant Function Index (CIFI)......................................... 25
2.3.3
Tinnitusfragebogen ........................................................................ 27
2.3.4
Hörgerätebewertung...................................................................... 28
2.3.5
Tonaudiometrie .............................................................................. 28
2.3.6
Freiburger Zahlen- und Einsilberverstehen ................................... 29
Ergebnisse ................................................................................................. 30
3.1
Objektive Sprachverstehensleistung .................................................... 30
3.1.1
Maximales Verstehen der Freiburger Zahlen und Einsilber ........... 30
3.1.2
Vergleich Freiburger Einsilber bei 65 dB ....................................... 30
3.2
Subjektive Sprachverstehensleistung und Lebensqualität ................... 32
3.2.1
Oldenburger Inventar .................................................................... 32
3.2.2
Cochlear Implant Function Index (CIFI)......................................... 35
3.3
Tinnitus ................................................................................................ 38
3.4
Weitere Ergebnisse.............................................................................. 39
3.4.1
Tonaudiometrie: Pure Tone Average ............................................. 39
3.4.2
Hörgeräte-Bewertung .................................................................... 40
3.4.3
Freiburger Einsilber und Lebensqualitätsbewertung prä- und
postoperativ ............................................................................................... 42
4
3.4.4
Tinnitus .......................................................................................... 43
3.4.5
Alter und Geschlecht ..................................................................... 44
Diskussion ................................................................................................. 46
4.1
Objektive Sprachverstehensleistung: ................................................... 46
4.2
Subjektive Sprachverstehensleistung: ................................................. 48
4.3
Tinnitus ................................................................................................ 51
4.4
Weitere Ergebnisse: Alter und Geschlecht........................................... 52
4.5
Limitationen und methodische Einschränkungen ................................. 53
5
Ausblick ..................................................................................................... 54
6
Literaturverzeichnis .................................................................................... 56
7
Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. 63
8
Danksagung............................................................................................... 64
9
Lebenslauf ................................................................................................. 65
1
Zusammenfassung
1) Hintergrund und Ziele
Innenohrschwerhörigkeit geht mit einer starken Beeinträchtigung der
Lebensqualität einher und stellt vor allem durch die stetig steigende
Lebenserwartung ein immer größeres Problem in Deutschland dar. Die
Versorgung mit einem Cochlea Implantat ist eine etablierte und wirksame
Therapie und deshalb ein rasch wachsender Zweig der Audiologie [3] [26] [57]
[13]. Einen wichtigen Einfluss auf diese Entwicklung haben immer neue
Erkenntnisse auf dem Gebiet der hörbezogenen Lebensqualität, welche halfen,
die Indikation für eine CI-Versorgung kontinuierlich zu erweitern [36]. Ziel dieser
Arbeit ist, mittels etablierter Tests die objektive und subjektive
Sprachverstehensleistung sowie die Belastung durch Tinnitus vor und nach
Implantation zu vergleichen.
2) Methoden
Das Patientenkollektiv setzt sich aus 154 erwachsenen, nach Spracherwerb
ertaubten, einseitig implantierten CI-Trägern zusammen, welche bis inklusive
Juli 2010 im Erlanger Cochlear-Implant-Centrum CICERO zur Nachbetreuung
vorstellig wurden. Das Alter bei Implantation lag bei 54 (±17.80) Jahren. Als
objektive Daten wurden die Ergebnisse des Freiburger Einsilbertest in Ruhe bei
65 dB ermittelt, sowie das maximale Einsilberverstehen vor Implantation. Die
subjektive Sprachverstehensleistung wurde mittels Oldenburger Inventar R,
sowie mit dem Cochlear Implant Function Index (CIFI) gemessen. Die
Belastung durch Tinnitus wurde mit dem Tinnitusfragebogen von Goebel und
Hiller erfasst.
3) Ergebnisse und Beobachtungen
Es kam zu einer deutlichen Verbesserung des objektiven Sprachverstehens,
gemessen mit dem Freiburger Einsilbertest in Ruhe bei 65 dB von
durchschnittlich 7.87% vor OP auf 59.36% der gebotenen Wörter postoperativ.
Im Oldenburger Inventar verbesserte sich der durchschnittliche Gesamt-Score
von 2.53 (±0.68) mit Hörgerät vor OP auf postoperativ 3.27 (±0.5). Im CIFI
Gesamt-Score konnte keine signifikante Verbesserung bei verbundenen
Stichproben gefunden werden, im Gesamtkollektiv waren die Werte der CI-
2
Träger aber signifikant höher als die der Patienten vor Implantation. Die
Belastung durch Tinnitus wurde signifikant reduziert, der durchschnittliche
Punktescore von 46.69 (±17.01) vor Implantation sank auf 35.69 (±22.24) nach
Implantation. Die Teilbereiche Hörprobleme, Penetranz des Tinnitus und
Schlafstörungen wurden ebenfalls signifikant verbessert. Die Ergebnisse des
Oldenburger Inventars und des CIFI korrelieren postoperativ sowohl
untereinander, als auch mit dem Freiburger Einsilberverstehen in Ruhe bei 65
dB.
4) Praktische Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse entsprechen demnach denen anderer Arbeiten, in welchen eine
Verbesserung der objektiven Sprachverstehensleistung nachgewiesen wurde
[28] [46] [48]. Ebenso kam es zu einer Verbesserung der subjektiven
Sprachverstehensleistung bzw. der hörbezogenen Lebensqualität in ähnlichem
Ausmaß wie in anderen aktuellen Studien [8] [23] [38] [46]. Die Belastung durch
Tinnitus wurde durch die Implantation reduziert, was, wie in anderen Studien
beschrieben, zu einem weiteren Gewinn an Lebensqualität führt [2] [46] [47].
Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, dass ein Cochlea Implantat
geeignet ist, die objektive und subjektive Sprachverstehensleistung und somit
die Lebensqualität bei hörgeschädigten Erwachsenen deutlich zu steigern.
Ebenso wird die Belastung durch Tinnitus reduziert und den Patienten die
Teilnahme am täglichen Leben deutlich erleichtert. Weitere Arbeiten müssen
zeigen, ob diese Ergebnisse sich bei anderen Patientengruppen (bilateral
Versorgte, Kinder, prälingual Ertaubte) reproduzieren lassen.
3
Abstract
1) Background
Sensorineural hearing loss is associated with severe impairment of quality of life
and is an increasing problem in Germany due to the rising life expectancy.
Cochlear implantation is an established and effective therapy and a fast growing
part of audiology [3] [26] [57] [13]. The reasons for this development are,
amongst others, new findings associated with hearing related quality of life
which helped to continuously extend the indications for cochlear implantation
[36]. The purpose of this study was to compare objective and subjective speech
perception ability and tinnitus before and after implantation.
2) Methods
154 postlingually deafened, unilaterally implanted adults were included. All of
them were in rehabilitation-treatment at the Cochlear-Implant-Centrum CICERO
Erlangen until conclusively July 2010. The mean age at the time of implantation
was 54 (±17.80) years. The Freiburg monosyllable test in quiet (65 dB) was
used for the objective speech perception. Also the maximum monosyllable
perception before implantation was measured. The subjective speech
perception was evaluated with the Oldenburger Inventar R questionnaire and
the Cochlear Implant Function Index (CIFI). Tinnitus-related distress was
evaluated with the Tinnitus Questionnaire by Goebel and Hiller.
3) Results
The objective speech perception in the Freiburg monosyllable test in quiet (65
dB) significantly increased from 7.87% before to 59.36% after implantation. The
Oldenburger Inventar total score with hearing aid was 2.53 (±0.68) before and
improved to 3.27 (±0.5) after implantation. There was no significant change in
the CIFI total score, using the Wilcoxon matched pairs test. However,
comparing all patients with the unmatched pairs test, the CIFI total score was
significantly higher in implanted patients than in patients before implantation.
Tinnitus-related distress was significantly reduced from a total score of 46.69
(±17.01) to 35.69 (±22.24) after implantation. The subscales auditory perceptual
difficulties, intrusiveness and sleep disturbances also showed a significant
4
decrease. A positive correlation was found between the total scores of the
Oldenburger Inventar and the CIFI after implantation. Also, both the
Oldenburger Inventar and the CIFI correlated positively with the Freiburg
monosyllable test in quiet (65 dB) after implantation.
4) Conclusions
The results match those of other studies which showed an improvement of the
objective speech perception ability after cochlear implantation [28] [46] [48]. As
with prior studies the subjective speech perception ability and the hearing
related quality of life were improved [8] [23] [38] [46]. Tinnitus-related distress
was reduced, associated with further improvement of hearing related quality of
life [2] [46] [47].
Conclusively, the results of this study show that cochlear implantation is able to
improve the objective and subjective speech perception ability as well as the
hearing related quality of life among adults with severe hearing loss. Tinnitusrelated distress is noticeably reduced and the patients are able to participate in
their daily life much easier. Future studies will have to show if the results are
reproducible in different patient groups (bilingually implanted patients, children,
prelingually deafened patients).
5
1
1.1
Einleitung
Anatomische Grundlagen: Das Ohr
Das Ohr ist ein paarig angelegtes Sinnesorgan, welchem die Aufgabe der
Schallwahrnehmung und des Gleichgewichtssinnes zukommt. Im Rahmen
dieser Arbeit soll kurz auf die Schallwahrnehmung eingegangen werden. Man
unterscheidet einen peripheren sowie einen zentralen Anteil des Ohres. Der
periphere Anteil besteht aus der Ohrmuschel, welche über den äußeren
Gehörgang mit dem Mittelohr verbunden ist. Am Ende des Gehörgangs liegt
das Trommelfell, welches gleichzeitig die seitliche Wand des Mittelohres bildet.
Dahinter befindet sich die luftgefüllte Paukenhöhle mit den Gehörknöchelchen.
Das Trommelfell ist über den Hammer mit den anderen Gehörknöchelchen
Amboss und Steigbügel verbunden. Der mediale Anteil des Steigbügels liegt
der Membran des ovalen Fensters an, einer Öffnung im Schneckengang der
Gehörschnecke. Darunter liegt die Membran des ebenfalls mit der Schnecke
verbundenen runden Fensters.
Abbildung 1: Schema von Mittelohr und Innenohr, Quelle: Klinke (2006), S. 661
6
Die flüssigkeitsgefüllte Gehörschnecke bildet das Innenohr und besteht aus
dem cochleären Labyrinth, welches sich aus dem gewundenen
Schneckenkanal und dessen knöcherner Hülle im Felsenbein zusammensetzt.
Abbildung 2: Querschnitt Cochlea, Quelle: Klinke (2006), S. 662
Der Schneckenkanal ist dreistöckig und besteht aus der Scala vestibuli, der
Scala media und der Scala tympani. Scala vestibuli und Scala tympani sind an
der Schneckenspitze, dem Helicotrema, miteinander verbunden. Die Scala
media endet blind. Die Basilarmembran trennt Scala media und Scala tympani
voneinander, auf dieser befindet sich das sogenannte Corti-Organ, in welchem
die Haarzellen, also die eigentlichen Sinneszellen des Hörorgans, liegen. Der
Mensch besitzt pro Ohr etwa 16.000 dieser Haarzellen, welche in innere und
äußere Haarzellen unterteilt werden. An der Oberfläche besitzen diese je etwa
80 Stereozilien (kleine haarähnliche Fortsätze), welche bei einer
Lageveränderung durch das Öffnen von Ionenkanälen ein Aktionspotential
auslösen können[29].
7
Abbildung 3: Querschnitt Corti-Organ, Quelle: Klinke (2006), S. 663
Die äußeren Haarzellen liegen mit den längsten dieser Stereozilien der
Tektorialmembran an. Sie fungieren als Verstärker, da sie durch
Längenveränderung die Schwingungen des Corti-Organs beeinflussen können,
sodass es zu einer Erregung der inneren Haarzellen auf der Innenseite des
Corti-Organs kommt. Die inneren Haarzellen leiten den Reiz über afferente
Nervenfasern von hier aus an die Spiralganglien, wo die Zellkörper dieses
bipolaren Nervs liegen. Als Gehörnerv ziehen diese zusammen mit dem
Gleichgewichtsnerv als Nervus vestibulocochlearis zu den jeweiligen
Kerngebieten. Die Gehörfasern bilden den Nukleus cochlearis, von dort aus
werden über die Hörbahn Großhirn und Hörrinde erreicht [54].
1.2
Physikalische Grundlagen: Schall
Wird ein Körper in Schwingungen versetzt, wird er diese an ein Medium wie Luft
weitergeben, wodurch eine wellenförmige Bewegung der Moleküle entsteht. In
Luft bewegen sich diese Wellen mit etwa 335m/s. Der dabei entstehende
Schalldruck wird in N/m² angegeben, in der Praxis wird der Schalldruckpegel in
Dezibel verwendet. Berechnet wird dieser nach der Formel L=20 * 10 log
(px/p0) [dB], wobei p0 dem Bezugsschalldruck 2*10^-5 N/m² entspricht. Die
8
Frequenz des Schalls (1/s = Schwingungen pro Sekunde) wird in Hertz
angegeben und besitzt bei Tönen und Klängen eine Periode. Ein Geräusch
besteht hingegen aus ungeordneten Frequenzanteilen. Die subjektiv
wahrgenommene Tonhöhe ist abhängig von der Frequenz eines Tons, Töne mit
hohen Frequenzen werden als hoch, solche mit niedrigen Frequenzen als tief
wahrgenommen. Das Gehör fasst dabei nahe zusammen liegende Teiltöne zu
Frequenzgruppen zusammen, wovon das menschliche Ohr etwa 24 besitzt [29].
1.3
Physikalische Grundlagen: Schallleitung
Trifft nun eine Schallwelle auf das Ohr, wird diese über den äußeren Gehörgang
an das Trommelfell weitergeleitet. Dort versetzt sie dieses in Schwingungen,
welche über die untereinander gelenkig verbundenen Gehörknöchelchen und
schließlich über die Fußplatte des Steigbügels an das ovale Fenster übertragen
werden. Durch den Impedanzunterschied zwischen der luftgefüllten
Paukenhöhle und dem flüssigkeitsgefüllten Innenohr würde ein großer Teil des
Schalls reflektiert werden. Durch den Größenunterschied des Trommelfells
gegenüber dem deutlich kleineren ovalen Fenster sowie durch die Hebelarme
der Gehörknöchelchenkette wird diese Reflexion vermindert. Über die Membran
des ovalen Fensters wird die in der Scala vestibuli befindliche Perilymphe in
Stoßwellen versetzt, was zu einer Auslenkung der Basilarmembran und
Tektorialmembran führt. Die Basilarmembran besitzt eine im Verlauf von Stapes
bis Schneckenspitze abnehmende Steife. Dadurch erreicht sie je nach
Frequenz an einer bestimmten Stelle das Schwingungsmaximum. An dieser
Stelle der größten Auslenkung werden durch Scherkräfte die Zilien der äußeren
Haarzellen abgebogen, was sie zu einer Längenänderung und damit zur
Verstärkung der Welle reizt. Dies führt zum Ablenken der Zilien der inneren
Haarzellen, wodurch in diesen ein Aktionspotential ausgelöst und über afferente
Fasern weitergeleitet wird [29] [6]. Der Hörbereich eines Menschen liegt beim
jungen Erwachsenen zwischen 20 Hz und 16 kHz, wobei im Laufe des Lebens
die Hörleistung im höheren Frequenzbereich abnimmt. Der Hauptsprachbereich
reicht von etwa 500 Hz bis 4000 kHz, der Bereich der höchsten Empfindlichkeit
liegt bei 2 - 5 kHz [56].
9
Abbildung 4: Sprachfeld des Menschen Quelle: Strutz (2005), S. 28
1.4
Schwerhörigkeit
Pathophysiologische Veränderungen des Hörorgans können zu einer
Einschränkung sowie zum Verlust der Schallwahrnehmung führen. Im
Folgenden sollen die verschiedenen Formen mit Schwerpunkt auf der
Innenohrschwerhörigkeit behandelt werden.
1.4.1 Schallleitungsschwerhörigkeit
Eine Schallleitungsschwerhörigkeit bezeichnet eine Hörminderung, deren
Ursache im Bereich des äußeren Ohres oder des Mittelohres liegt. Die
Schallwelle kann das, ansonsten intakte, Innenohr nicht vollständig erreichen.
Charakteristisch ist eine verminderte Schallwahrnehmung über Luftleitung bei
normaler Schallwahrnehmung über Knochenleitung. Beispiele hierfür sind der
10
Verschluss des Gehörgangs durch Cerumen, entzündliche Prozesse wie z.B.
Otitis media oder Otosklerose (eine progrediente Verknöcherung der
Steigbügelplatte).
1.4.2 Schallempfindungsschwerhörigkeit
Hier befindet sich die Schädigung im Bereich des Innenohres oder des
Hörnervs. Der Schall erreicht in normalem Ausmaß die Sinneszellen, die
Verarbeitung oder zentrale Weiterleitung ist aber gestört.
1.4.3 Innenohrschwerhörigkeit
Eine Innenohrschwerhörigkeit kann sowohl angeboren, etwa im Rahmen eines
Syndroms, als auch erworben sein. Da diese Arbeit sich mit erwachsenen,
postlingual ertaubten Patienten beschäftigt, werden im Folgenden nur
erworbene Ursachen für Hörstörungen behandelt.
Infektionen
Häufige Ursachen für Schwerhörigkeit sind Infektionen, bei Kindern zum
Beispiel im Rahmen einer Meningitis oder Otitis media oder auch durch andere
Erreger (Tuberkulose, Herpesviren, Typhus). Infolge einer Infektion kommt es
zu einer Labyrinthitis mit teilweise irreversiblen Schädigungen des Innenohrs.
Akustisches Trauma
Hierbei handelt es sich um physikalische Schäden des Innenohres, ausgelöst
durch Schallimpulse. Dabei kann einerseits eine akustische Schädigung der
Cochlea auftreten, andererseits auch durch mechanische Einwirkung das
häutige Labyrinth direkt geschädigt werden. Bei einer akuten Schädigung durch
Lärm, etwa durch längeren Aufenthalt in einer lauten Umgebung, werden die
äußeren Haarzellen erst reversibel, dann irreversibel geschädigt. Nach
Exposition kommt es zu einer temporären Verschiebung der Hörschwelle
(Temporary Threshold Shift), welche als Vertäubungsgefühl wahrgenommen
wird. Durch chronische Lärmeinwirkung kommt es ab einem Geräuschpegel
von 85 dB zur Degeneration der äußeren Haarzellen. Dauert die Lärmbelastung
11
an, werden auch die inneren Haarzellen und infolge die Nerven des Ganglion
spirale in Mitleidenschaft gezogen. Die resultierende
Schallempfindungsschwerhörigkeit ist irreversibel. Eine berufsbedingte
Lärmschwerhörigkeit (anerkannte Berufskrankheit Nr. 2301) ist die häufigste
Berufskrankheit in Deutschland [56].
Presbyakusis
Durch die konstante Schallbelastung der Haarzellen kommt es im Alter zu einer
physiologischen 'Abnutzung', welche zur sogenannten Altersschwerhörigkeit
führt. Diese ist gekennzeichnet durch einen beidseitigen Hörverlust bei hohen
Frequenzen, typischerweise ab dem 5. Lebensjahrzehnt. Ursache ist die
Zerstörung der 'Tip-Links', jener Stereozilien der äußeren Haarzellen, welche
mit der Tektorialmembran verbunden sind.
Toxische Schäden
Ototoxisch wirksame Medikamente sind etwa Aminoglykosidantibiotika,
Zytostatika (Cisplatin), Schleifendiuretika (besonders Furosemid) sowie
Nichtsteroidale Antirheumatika (Acetylsalicylsäure). Am häufigsten ist die durch
Acetylsalicylsäure medikamentös induzierte, reversible Schwerhörigkeit. Andere
ototoxische Substanzen sind Schwermetalle und aromatische
Kohlenwasserstoffe. In Kombination mit einer Hörminderung treten häufig auch
Schäden des Gleichgewichtsorgans sowie Tinnitus auf.
Weitere Ursachen
Weitere Ursachen für eine Innenohrschwerhörigkeit sind raumfordernde
Prozesse wie z.B. das Akustikusneurinom, mechanische Traumata sowie die
progressive Innenohrschwerhörigkeit [6] [56] .
12
1.5
Tinnitus
Tinnitus aurium (lat. "Klingeln der Ohren") bezeichnet die Gruppe der
subjektiven Ohrgeräusche. Darunter versteht man meist im Rahmen einer
Schallempfindungsschwerhörigkeit aufgetretene Hörempfindungen ohne
messbare Schallquelle, welche über einen bestimmten Zeitraum oder
andauernd wahrgenommen werden. Die Tonqualität kann je nach Patient
variieren (Pfeifen, Zwitschern etc.), die Lokalisation kann ein- oder beidseitig
sein [56].
1.5.1 Ätiologie und Pathogenese
Die Entstehung von Tinnitus ist nicht endgültig geklärt. Neuere Forschungen
sehen den Ursprung statt wie lange angenommen nicht nur in der Cochlea
sondern auch in der zentralen Hörbahn durch veränderte neuronale Aktivität [1].
Als Auslöser in der Cochlea wird eine erhöhte Spontanaktivität der äußeren
Haarzellen angenommen [32].
1.5.2 Diagnose
Tinnitus ist nur in sehr seltenen Ausnahmefällen messbar, etwa durch
Otoakustische Emissionen. Aus diesem Grund lässt sich die Diagnose nur
durch Anamnese und Audiometrie stellen. Eine Möglichkeit zur subjektiven
Beurteilung des Tinnitus ist der Tinnitus-Fragebogen von Goebel und Hiller
(2000) [19], sowie das Tinnitus Handicap Inventory [39].
1.5.3 Therapie
Eine kausale Therapie ist bisher nicht bekannt, die bestehenden
Therapieformen zielen entweder auf Schulung des Patienten im Umgang mit
Tinnitus oder Behandlung von den Tinnitus verstärkenden Erkrankungen wie
Depressionen. In mehreren Studien wurde von Patienten, welche mit einem
Cochlea Implantat versorgt wurden, ein deutlicher Rückgang des subjektiv
wahrgenommenen Tinnitus beschrieben [46] [21] . Die Ursache für diese
Verbesserung ist derzeit noch unklar. Einige Arbeiten gehen davon aus, dass
13
bereits die Implantation an sich einen positiven Effekt auf den Tinnitus hat [18],
da hierdurch die dysfunktionalen Sinneszellen zerstört werden. House stellte
1976 fest, dass ein CI bei über der Hälfte der Patienten den Tinnitus
verbesserte [27]. Inzwischen liegen zahlreiche Untersuchungen über den
Einfluss von CIs auf Tinnitus vor, wobei in der Mehrzahl der Fälle eine
Verbesserung festgestellt wurde [51] [50] [21] [18] [40] [47] . Nach aktuellen
Leitlinien gilt chronischer Tinnitus als indikationsverstärkend für ein Cochlea
Implantat bei Hörstörungen [14].
1.6
Diagnostik in der Audiometrie
1.6.1 Tonaudiometrie
Mittels der Tonaudiometrie wird die frequenzabhängige Hörleistung gemessen.
Dabei werden dem Patienten reine Töne verschiedener Frequenzen zugespielt,
deren Schalldruckpegel sukzessiv erhöht wird. Hört der Patient den Ton, muss
er einen Knopf betätigen. Die Töne werden dabei sowohl über Kopfhörer als
auch via Knochenleitung appliziert. Die frequenzabhängige Hörschwelle wird in
ein Audiogramm eingetragen, dessen X-Achse die Frequenz und die Y-Achse
den Schalldruckpegel in dB angibt. Die sich hierdurch ergebende Hörkurve ist
für verschiedene Hörstörungen charakteristisch.
Aus dem Tonaudiogramm kann der Pure Tone Average (PTA) berechnet
werden. Dieser ergibt sich aus den gemittelten Schalldruckpegeln bei 500, 1000
und 2000 Hz und gilt als Maß für den Sprachwahrnehmungspegel [7] [17].
1.6.2 Sprachaudiometrie
Freiburger Zahlen und Einsilberverstehen
Der Freiburger Sprachtest ist der im deutschen Sprachraum am häufigsten
eingesetzte Test der Sprachaudiometrie [56]. Er besteht aus 10 Gruppen von je
10 zweistelligen Zahlen (Freiburger Zahlen) und 20 Gruppen zu je 20
einsilbigen Wörtern (Freiburger Wörter). Dem Patienten werden
Aufzeichnungen der Zahlen und Wörter vorgespielt, welche sich in der
14
Lautstärke regeln lassen, ohne die Klangfarbe zu ändern. Dies ist wichtig, da
ansonsten bei lautem Sprechen die Vokale, bei leisem die Konsonanten
überwiegen würden. Der Normwert für Alltagssprache aus einem Meter
Entfernung liegt bei etwa 65dB, weswegen dieser Wert meist den
Ausgangsschallpegel für die Sprachaudiometrie bildet. Praktisch lässt sich
daraus auch die Beeinträchtigung des Patienten im Alltag ableiten, etwa ab
60% Wortverstehen kann man einem normalen Gespräch folgen [37].
1.7
Cochlea Implantat
Ein Innenohrimplantat ist eine Hörprothese, welche die Aufgaben
Schallrezeption, Weiterleitung und Übertragung der Schallinformationen an den
Hörnerv übernimmt. Anders als bei einem Hörgerät wird der Schall nicht einfach
verstärkt, sondern muss in elektrische Impulse umgewandelt werden.
1.7.1 Aufbau
Ein Cochlea Implantat (CI) besteht aus einem extern getragenen und einem
implantierten Teil. Der externe Teil umfasst einen Sprachprozessor mit
mehreren Mikrophonen sowie eine Sendespule. Der Sprachprozessor wird
hinter dem Ohr getragen und ist über ein Kabel mit der Sendespule verbunden,
welche über der Empfangsspule magnetisch befestigt ist.
Das Implantat besteht aus Empfangsspule und der in der Cochlea liegenden
Elektrode. Die Empfangsspule liegt unter der Haut und führt sowohl eine
Referenz- sowie eine Stimulationselektrode. Die Reizelektrode wurde operativ
in die Cochlea eingeführt und liegt in der Scala tympani, die Referenzelektrode
unter dem Musculus temporalis.
1.7.2 Funktionsweise
Die über das Mikrophon von extern empfangenen Schallwellen werden über
den Sprachprozessor je nach System unterschiedlich analysiert und codiert, um
an die Sendespule weitergeleitet werden zu können. Dabei werden
verschiedene Kodierungsstrategien angewendet; das bedeutet, dass akustische
15
Signale in elektrische Muster umgewandelt werden, welche dann als Stimulus
im Innenohr von den Elektroden auf den Hörnerven übertragen werden können.
Die Kodierungsstrategien sind herstellerabhängig und wurden im Laufe der CIEntwicklung immer weiter für das Sprachverstehen optimiert [15].
Von der Sendespule aus werden die Signale durch die Haut induktiv an das
Empfangssystem geleitet und in Impulse umgewandelt, welche die einzelnen
Elektrodenkontakte der Reizelektrode in der Cochlea aktivieren. Diese
stimulieren an der jeweiligen Stelle den Hörnerv und lösen so Aktionspotentiale
aus. Die so erzeugten elektrischen Reize werden über den gleichen Weg wie
die beim Gesunden durch die inneren Haarzellen ausgelösten Reize an das
zentrale auditorische System übertragen und verarbeitet [37].
1.7.3 Indikation
Die Indikation für ein CI ist bei Patienten mit hochgradiger
Innenohrschwerhörigkeit auf beiden Seiten gegeben, sofern zu erwarten ist,
dass sie vom Implantat mehr profitieren als von einem Hörgerät. Nach Lenhardt
(2009) [37] ist ein Einsilberverstehen von weniger als 40% mit Hörgerät im
Freiburger Sprachverständlichkeitstest ausschlaggebend. Voraussetzung ist,
dass sowohl Gehörnerv als auch die zentrale Hörbahn intakt sind. Bei
prälingual ertaubten Patienten muss geprüft werden, inwieweit von einem CI
profitiert wird, da das Erlangen von Sprachverstehen und Sprachfähigkeit mit
dem Alter schwieriger wird und nach dem 12. Lebensjahr normalerweise
abgeschlossen ist [6]. Besonders bei prälingual ertaubten Kindern ist es wichtig,
möglichst früh das CI einzusetzen, um ein optimales Ausreifen der Hörbahn und
des auditorischen Cortex zu gewährleisten.
1.7.4 Operation
Die Operation erfolgt, wenn die Indikation für ein Implantat gegeben ist, die OPFähigkeit des Patienten festgestellt wurde und dessen schriftliche
Einverständniserklärung vorliegt. Die Voruntersuchungen beinhalten eine
ausführliche Anamnese, Funktionsprüfungen von Cochlea und Hörnerv sowie
16
eine Otoskopie zur Überprüfung des äußeren Gehörgangs, des Mittelohres und
des Trommelfels. Regelhaft erfolgt eine Bestimmung der Hörschwelle und des
Sprachverstehens, sowie weitere objektive Hörprüfungen wie die Messung der
Otoakustischen Emissionen und Brainstem/Cortical Evoked Response
Audiometry (BERA/CERA). Des Weiteren kommen bildgebende Verfahren
(hochauflösende Computertomographie, ggf. Kernspintomographie) zur
Ermittlung des Zustandes der Hörschnecke und des Hörnervs zum Einsatz.
Unter Vollnarkose erfolgt als erstes ein C-förmiger Hautschnitt hinter dem Ohr
mit anschließendem Wegklappen des Hautlappens und Freilegung des
Schädelknochens. Für das Implantat wird nun, mit Abstand von mehreren
Zentimetern hinter dem Ohr für den Sprachprozessor, ein Knochenbett
ausgefräst, in welchem die Empfangsspule fixiert wird. Bei der anschließenden
posterioren Tympanotomie wird ein Kanal zur Paukenhöhle geschaffen und das
runde Fenster freigelegt. Nun wird die Cochlea eröffnet (Cochleostomie) und
die Stimulationselektrode in die Scala tympani eingeführt. Die Öffnung in der
Cochlea wird verschlossen, danach erfolgt der restliche Wundverschluss.
Intraoperativ erfolgt eine Erfolgskontrolle durch die Impedanzmessung, sowie
durch Neural-Response-Telemetrie (NRT) zur Beurteilung von Hörnerv und
Ganglion spirale [56] .
1.7.5 Nachsorge
Postoperativ wird nach abgeschlossener Wundheilung, etwa 4 Wochen nach
OP, die Anpassung des Sprachprozessors vorgenommen. Wichtige Werte sind
die Hörschwelle (Threshold-Level) und die Unbehaglichkeitsschwelle (ComfortLevel), anhand derer die individuellen Einstellungen vorgenommen werden.
Dabei handelt es sich um die Stromstärken, bei welchen ein Ton gerade noch
wahrgenommen wird (T-Level) bzw. gerade noch nicht als unangenehm
empfunden wird (C-Level). Gewählt werden kann zwischen mono- und
bipolarem Stimulationsmodus, wobei meist monopolar bevorzugt wird. Mittels
"pitch ranking" wird die Tonhöhenempfindung der Elektroden geprüft und
angepasst. Der Patient muss in der Handhabung seines Cochlea Implantat
umfassend geschult werden. Nach der Implantation ist intensives Training
erforderlich, um sich auf das Hören mit dem CI einzustellen. Das Hören mit
17
einem CI unterscheidet sich zwar vom normalen Hören, es findet aber mit der
Zeit eine Anpassung an die neuen afferenten Nervenimpulse statt. Zur
Verlaufskontrolle werden zur Messung des Sprachverstehens der Freiburger
Einsilbertest und Satztests (z.B. Oldenburger Satztest) verwendet. Begleitend
erfolgt Hör- und Sprachtraining, vorzugsweise in einem Implantationszentrum.
Die Anpassung sollte dabei schrittweise erfolgen, um Überstimulation zu
vermeiden. Als Ziel der Rehabilitation steht das offene Sprachverstehen,
welches mit modernen Implantaten von einem Großteil der Patienten auch
erreicht wird [4] [37] [56].
1.8
Lebensqualität
"Lebensqualität ist die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung
im Leben in Relation zur Kultur und den Wertsystemen, in denen sie lebt und in
Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen".
WHO-Definition von Lebensqualität (1993) [59].
Aus den Definitionen der WHO für Gesundheit und Lebensqualität geht hervor,
dass, wenn man die Lebensqualität im Bezug auf eine gesundheitliche
Fragestellung zu ermitteln beabsichtigt, drei Faktoren eine Rolle spielen: Das
Physische, Mentale und Soziale. Das Ziel sollte sein, die Differenz zwischen
Soll- und Ist-Zustand aller drei Faktoren eines Patienten wissenschaftlich
erfassbar zu machen. Dies lässt einen besseren Schluss auf den tatsächlichen
Nutzen einer Therapie für den Patienten zu als objektiv zu bestimmende
Faktoren, wie etwa Verlängerung der Lebenszeit oder das reine
Sprachverstehen [49] .
1.8.1 Hören und Lebensqualität
Das Hören ist einer der fünf Grundsinne und als solcher essenziell für alle drei
Faktoren gesundheitlicher Lebensqualität. Ob es um das Hören von Musik geht,
das Zurechtfinden im Straßenverkehr oder normale Alltagsgespräche, die
18
Verminderung oder der Verlust dieser Fähigkeiten sind mit einer massiven
Einschränkung der Lebensqualität verbunden. Dabei korreliert der Verlust von
Lebensqualität mit dem Ausmaß des Hörverlustes [11]. Moderne
Therapiekonzepte haben immer mehr das Ziel, nicht nur objektiv messbare
Ergebnisse zu erzielen, sondern vor allem den subjektiven Nutzen, auf Basis
einer evidenzbasierten Medizin, für den Patienten berücksichtigen. Wichtig ist
hierbei die richtige Wahl der Messinstrumente, da Lebensqualität aufgrund eben
jener Subjektivität deutlich schwerer erfassbar ist als rein objektive Parameter.
Gerade in der Audiologie ist es wichtig zu untersuchen, ob eine Verbesserung
etwa der Hörschwelle oder des Einsilberverstehens sich auch als Verbesserung
in der hörbezogenen Lebensqualität niederschlägt. Auch stark mit psychischen
Faktoren zusammenhängende Erkrankungen wie Tinnitus werden über die
Auswirkungen auf die Lebensqualität erfasst. Diese Arbeit soll untersuchen, ob
es durch ein Cochlea Implantat zu einer Verbesserung der Lebensqualität von
schwerhörigen Patienten kommt und wie diese mit der objektiven
Sprachverstehensleistung zusammenhängt.
19
2
2.1
Methoden
Ziel der Arbeit und Fragestellung
Mit dieser Arbeit soll die Veränderung der objektiven und subjektiven
Sprachverstehensleistung durch Einsatz eines Cochlea Implantats untersucht
werden. Des Weiteren soll die Veränderung der Belastung durch Tinnitus durch
die Implantation gemessen werden.
Die Fragestellungen wurden wie folgt formuliert.
2.1.1 Verbesserung des objektiven Sprachverstehens
Fragestellung 1: Kommt es durch die Verwendung eines Cochlea Implantats zu
einer statistisch signifikanten Verbesserung des objektiven Sprachverstehens
im Vergleich zum Sprachverstehen ohne Cochlea Implantat?
Die Verbesserung des objektiv messbaren Sprachverstehens war bereits
Gegenstand vieler Arbeiten [28] [23] [47] [46]. Hier wurde das Wortverstehen,
etwa durch Freiburger Zahlen und Einsilber als Maß für das objektive
Sprachverstehen verwendet. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Freiburger
Zahlen und die Freiburger Einsilber in Ruhe bei 65 dB als Messgröße für das
objektive Hörvermögen herangezogen.
2.1.2 Verbesserung des subjektiven Sprachverstehens
Fragestellung 2: Kommt es durch die Verwendung eines Cochlea Implantats zu
einer statistisch signifikanten Verbesserung des subjektiven Sprachverstehens
im Vergleich zum Sprachverstehen ohne Cochlea Implantat?
Durch mehrere Arbeiten [38] [46] [47] [23] wurde bereits eine solche signifikante
Verbesserung der Lebensqualität durch Implantation eines CI nachgewiesen.
Mit dieser Arbeit sollen diese Ergebnisse an einer großen Stichprobe von
Patienten mittels Oldenburger Inventar und dem Cochlear Implant Function
Index überprüft werden. Die Ergebnisse werden auf einen Zusammenhang mit
prä- und postoperativen Sprachverstehen sowie Tinnitus getestet.
20
2.1.3 Verbesserung des Tinnitus
Fragestellung 3: Kommt es durch die Verwendung eines Cochlea Implantats zu
einer statistisch signifikanten Verbesserung eines präexistenten Tinnitus?
Für die Messung einer Belastung durch Tinnitus wurde der Tinnitusfragebogen
von Goebel und Hiller verwendet. In zahlreichen anderen Arbeiten wurde
bereits ein positiver Effekt auf Tinnitus nachgewiesen [40] [51] [46]. Die
Bestätigung von Fragestellung 3 wäre ein weiterer Schritt zur Etablierung einer
Therapieempfehlung für ein Cochlea Implantat bei chronischem Tinnitus. Nach
aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-OhrenHeilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie wird chronischer Tinnitus als
indikationsverstärkender Faktor bei Schwerhörigkeit angesehen [14].
2.1.4 Studiendesign
Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine klinisch-statistische
Studie. Es wurden Fragebögen und audiometrische Messdaten von Patienten
vor und nach Versorgung mit einem Cochlea Implantat ausgewertet und
statistisch untersucht.
In die Studie aufgenommen wurden Patienten, welche in der Hals- NasenOhrenklinik Erlangen mit einem CI versorgt wurden und deren Patientenakten
oder Hörfragebögen im Cochlear Implant Centrum Erlangen (CICERO) bis
inklusive Juli 2010 vorlagen. Fehlende Daten von Patienten wurden aus dem
Archiv der HNO-Klinik Erlangen angefordert und, soweit vorhanden, ergänzt.
Präoperative Daten: 60 Patienten hatten präoperativ das Oldenburger Inventar
ausgefüllt. 18 Patienten hatten den CIFI-Fragebogen ausgefüllt. Ebenfalls
präoperativ erfasst wurde die Hörgerätebewertung von 67 Patienten. Von 19
Patienten lag ein präoperativer Tinnitus-Fragebogen vor. Für die vorliegende
Arbeit wurden auch folgende, präoperativ erfasste audiometrische Messdaten
ausgewertet: Maximales Verstehen der Freiburger Einsilber in Prozent und dB,
Schallpegel der Freiburger Zahlen bei 50% (Sprachverstehensgrenze) jeweils
mit und ohne Hörgerät. Aus den Tonaudiogrammen wurde der PTA errechnet,
die Unbehaglichkeitsschwelle übernommen und Informationen über das
21
Vorliegen eines Tinnitus zu den Daten hinzugefügt.
Postoperative Daten: 69 Patienten hatten postoperativ das Oldenburger
Inventar ausgefüllt. 92 Patienten hatten den CIFI-Fragebogen ausgefüllt. Von
13 Patienten lag ein postoperativer Tinnitus-Fragebogen vor. Die Ergebnisse
der bei der Nachkontrolle durchgeführten Freiburger Wörter und Zahlentests in
Ruhe bei 65 dB wurden erfasst.
2.1.5 Das Cochlear Implant Centrum Erlangen (CICERO)
Das CICERO ist ein im Mai 2009 eröffnetes Zentrum zur Nachbetreuung von
mit einem CI versorgten Patienten. Es ist Teil der Hals- Nasen- Ohrenklinik des
Universitätsklinikums Erlangen und bildet eine interdisziplinäre Schnittstelle
zwischen Fachärzten und Audiologen sowie Ergotherapie und Logopädie. Die
Nachbehandlung implantierter Kinder und Erwachsener erfolgt sowohl stationär
als auch ambulant. Hier wird das CI an den Patienten individuell angepasst und
mittels audiometrischer Messungen überprüft, als auch das für die
Rehabilitation wichtige Sprach- und Hörtraining durchgeführt.
2.1.6 Patientenkollektiv
Bei den Patienten handelt es sich um im Universitätsklinikum Erlangen mit
einem CI versorgte Patienten, bei welchen die ambulante Nachbetreuung im
CICERO durchgeführt wurde. Da die verwendeten Sprachtests und Fragebögen
für erwachsene Patienten entwickelt wurden, wurde als Mindestalter für die
Teilnahme an der Studie ein Alter von 18 Jahren festgelegt. In die Studie
aufgenommen wurden Patienten, deren Krankenakten und
Untersuchungsbögen bis einschließlich Juli 2010 vorlagen. Der
Implantationszeitpunkt lag zwischen 1992 und 2010. Es wurden insgesamt
Daten von 154 Patienten erhoben, 80 Männer (52%) und 74 Frauen (48%).
22
Abbildung 5: Alter der Patienten zum Operationszeitpunkt in Jahren, geordnet nach
Altersgruppen
Der jüngste Patient war zum Zeitpunkt der Datenerhebung 20, der älteste 90
Jahre alt. Zum Zeitpunkt der Untersuchung lag das Durchschnittsalter bei 56
(±17.92) Jahren, bei der Implantation waren die Patienten durchschnittlich 54
(±17.80) Jahre alt. 36 Patienten hatten zusätzlich zur Hörminderung ein
Ohrgeräusch, davon 22 Männer und 14 Frauen. Die unten gezeigte Abbildung
stellt die Geschlechtsverteilung in den einzelnen untersuchten Tests dar.
Das Geschlechterverhältnis ist in den jeweiligen Untersuchungen in etwa
ausgeglichen und überschreitet nie das Verhältnis 2/3 zu 1/3.
23
Abbildung 6: Geschlechterverteilung im Gesamtkollektiv und in den durchgeführten
Untersuchungen
2.2
Datenauswertung
Die Daten zum audiometrisch erfassten Hörvermögen wurden aus den
Audiogrammen der Patientenakten entnommen. Zum Berechnen der Scores
des Oldenburger Inventars, des Tinnitusfragebogen sowie des CIFI wurden die
jeweiligen Fragebögen ausgewertet. Unvollständige und fehlerhaft ausgefüllte
Fragebögen wurden nicht in die Studie aufgenommen.
Zur Ersterfassung wurden die Scores in mit Microsoft Excel erstellte Tabellen
eingegeben und berechnet.
Zur statistischen Auswertung der CIFI- und Oldenburger Inventar Fragebögen
wurden die in Microsoft Excel erfassten Daten in das Statistikprogramm SPSS
Version 19 importiert. Zur Anonymisierung der Patientendaten wurde jeder
Patientenname in eine eindeutig zugeordnete Nummer umgewandelt. Die
statistische Auswertung der Daten erfolgte mit IBM SPSS Version 19. Alle
24
Stichproben wurden auf Normalverteilung überprüft. Bei Daten, welche
mindestens ordinalskaliert waren wurde der Kolmogorov-Smirnov-Test
angewandt. Dichotome Werte wie das Geschlecht wurden mittels Chi-QuadratTest auf Normalverteilung überprüft. Da es sich bei den Scores und Kategorien
der Fragebögen um ordinalskalierte Variablen handelt wurden nichtparametrische Tests für die Errechnung des Signifikanzniveaus verwendet. Für
abhängige Stichproben ist im vorliegenden Fall der Wilcoxon Test
(Vorzeichenrangtest) geeignet. Dieser bildet Rangsummen und entscheidet
anhand der Vorzeichen, ob ein Unterschied zwischen zwei verbundenen
Stichproben vorliegt. Für den Vergleich unverbundener Stichproben, in der
vorliegenden Arbeit die prä- und postoperativen CIFI-Scores im
Gesamtkollektiv, wurde der U-Test nach Mann-Whitney verwendet. Dieser teilt
die Daten ebenfalls in Ränge ein und vergleicht, wie viele Fälle aus der
Vergleichsgruppe einen höheren Rangplatz haben. Korrelationen wurden
mittels Rangkorrelation nach Spearman berechnet und das Ergebnis als
Spearmans ρ ausgegeben.
Zur Ermittlung der statistischen Signifikanz wurde ein 95 %-Konfidenzintervall
gewählt. Die Ergebnisse wurden graphisch zur besseren Veranschaulichung
von Unterschieden zwischen den Gruppen mittels Boxplot dargestellt.
Korrelationen wurden mit Streudiagrammen dargestellt.
Zur Auswertung des maximalen Freiburger Zahlen- und Einsilberverstehens
wurde jeweils der Mittelwert der Ergebnisse aller Patienten gebildet. Es wurde
ebenfalls der mittlere Schalldruckpegel des maximalen Zahlen- und
Einsilberverstehens angegeben, da dieser je nach Patient unterschiedlich war.
Vor und nach Implantation wurden bei den Patienten die Freiburger Einsilber in
Ruhe bei einem Schalldruckpegel von 65 dB gemessen. Diese Werte wurden
für den direkten Vergleich des objektiven Sprachverstehens verglichen.
Die Fragebogen-Scores (CIFI, Oldenburger Inventar) und die Ergebnisse der
Sprachaudiometrie wurden mittels Streudiagrammen in Beziehung zueinander
gesetzt, um Zusammenhänge zwischen je 2 Variablen darzustellen. Zeichnete
sich eine lineare Beziehung ab wurde für die beiden dargestellten Messwerte
die Rangkorrelation nach Spearman errechnet, um Richtung und Ausmaß der
Korrelation zu bestimmen.
25
2.3
Arbeitsmaterialien
Im Folgenden werden die für diese Arbeit ausgewerteten Tests und Fragebögen
erläutert.
2.3.1 Oldenburger Inventar
Das Oldenburger Inventar gehört zum Fragebogeninventar der Firma HörTech
GmbH in Oldenburg und wurde entwickelt, um den subjektiven Nutzen einer
Hörgeräteversorgung zu erfassen. Die erste Version des Fragebogens wurde
von Holube und Kollmeier (1991) zur Erfassung der subjektiven
Selbsteinschätzung des Patienten entwickelt [24]. Das Oldenburger Inventar
besteht aus ausgewählten Fragen der modifizierten Form des Fragebogens von
Holube und Kollmeier [25]. Die für diese Studie verwendeten Fragebögen sind
einerseits das 'Oldenburger Inventar R einzeilig', andererseits das 'Oldenburger
Inventar R zweizeilig'. In der zweizeiligen Variante sind die Fragen jeweils
untergliedert in Items 'mit Hörgerät' und 'ohne Hörgerät'. Beide bestehen aus 12
geschlossenen Fragen, welche das subjektive Hörempfinden in realitätsnahen
Situationen abfragen. Abgefragt werden die Bereiche Verständlichkeit in Ruhe,
Verständlichkeit unter Störgeräuschen, Lokalisationsfähigkeit und
psychosoziale Hörbeeinträchtigungen. Ziel ist eine Aussage über das Hören in
Ruhe und im Störschall sowie das Richtungshören. Die Items werden auf einer
Punkteskala mit 'immer', 'oft', 'manchmal', 'selten' und 'nie' bewertet. Für die
Auswertung wurden pro Kategorie Zahlenwerte vergeben, wobei 'immer' als die
bestmögliche Antwort mit 5, 'nie' als schlechteste Antwort mit 1 bewertet wurde.
Für die Berechnung des Scores wurde gemäß der Anleitung der Firma HörTech
der Mittelwert aller Antworten gebildet, beim zweiteiligen Fragebogen wurden
die Antwortsummen zunächst getrennt in 'mit Hörgerät' und 'ohne Hörgerät' und
danach gemittelt.
2.3.2 Cochlear Implant Function Index (CIFI)
Der Cochlear Implant Function Index, kurz CIFI, ist ein Fragebogen zur
26
Überprüfung der praxisbezogenen Effektivität von Cochlea-Implantaten beim
Erwachsenen. In einer Studie von Coelho et al. (2009) wurde die innere
Validität und Reliabilität des CIFI geprüft [10] .
Es handelt sich um Aussagen in 6 Kategorien mit insgesamt 22 Items. Diese
beziehen sich auf das Hören 1. unter verschiedenen Lautstärken und
Hintergrundgeräuschen, 2. mit unterschiedlichen Hilfsmitteln, 3. am Telefon, 4.
in sozialen Gruppen, 5. im Arbeitsumfeld und 6. bei öffentlichen
Veranstaltungen wie Lesungen oder im Theater. Für je 3 oder 4 Items pro
Aussage muss der Proband seine Antwort auf einer Punkteskala ankreuzen.
Die Antwortoptionen sind 'immer', 'häufig', 'gelegentlich', 'selten', 'nie' und 'Trifft
nicht zu'. Für Aussage 1 und 3 gibt es je 3, für Kategorie 2, 4, 5 und 6 jeweils 4
Items.
Für die Auswertung wird pro Aussage jeweils die Nummer des letzten Items,
welche mindestens mit 'immer' oder 'häufig' bewertet wurde, gezählt. Wenn also
beispielsweise in Kategorie 1 Aussage Nr. 1 und 2 mit 'häufig' bewertet wurde,
Aussage 3 aber mit 'selten', gingen 2 Punkte in den Score mit ein. Als GesamtScore wird die Summe aller Punkte berechnet.
Für die vorliegende Arbeit wurden auch präoperativ ausgefüllte, leicht
abgewandelte CIFI-Fragebögen ausgewertet. Diese trugen die Überschrift
'Hörfragebogen' und wurden von den Patienten vor der Implantation des CI,
bezogen auf das Hören mit einem Hörgerät, ausgefüllt.
27
Beispielfrage aus dem CIFI:
I. Ich höre und verstehe mit meinem Cochlea Implantat (Ohne den
Gebrauch von helfendem Zubehör)
[x] Ja
[ ] Nein
Wenn ja, markieren Sie ob Sie hören und verstehen können…
Abbildung 7: Beispiel für eine Aussage des CIFI. Im gewählten Beispiel werden für
Aussage I. 2 Punkte gezählt, da das letzte mit 'immer' oder 'häufig' markierte Item die
Nummer 2 trägt.
2.3.3 Tinnitusfragebogen
Der Tinnitusfragebogen von Goebel und Hiller (1998) ist ein Instrument zur
Erfassung der subjektiven Belastung durch Ohrgeräusche [19]. Er wird
ergänzend zu technischer Diagnostik für die Quantifizierung eines Tinnitus
verwendet und hat sich im gesamten deutschsprachigen Raum durchgesetzt
[52]. Er besteht aus 52 geschlossenen Fragen und wird auf einer Punkteskala
bewertet. Der Gesamt-Score des Tinnitus Fragebogens kann Werte zwischen 0
und 84 Punkten annehmen. Für jede Frage stehen die Antwortmöglichkeiten
'stimmt', 'stimmt teilweise' und 'stimmt nicht' zur Auswahl. Ausgewertet wird der
Test anhand einer Schablone. Pro Frage werden 0, 1 oder 2 Punkte vergeben,
wobei 2 Punkte für große Belastung, 1 für mittlere und 0 Punkte für keine
Belastung stehen.
Mit dem Gesamt-Score des TF wird der Schweregrad des Tinnitus erfasst,
28
wobei vier Schweregrade unterschieden werden: 0-30 leicht, 31 bis 46
mittelgradig, 47 bis 59 schwer, 60 bis 84 sehr schwer. Zusätzlich wird nach
kompensiertem (leicht- und mittelgradig, bis 46 Punkte) und dekompensiertem
Tinnitus (schwer, sehr schwer, ab 47 Punkten) unterschieden. Die einzelnen
Fragen richten sich nach häufigen Symptomen von Patienten mit chronischem
Tinnitus und werden in die Unterkategorien 'Emotionale Belastung', 'Kognitive
Belastung', 'Penetranz des Tinnitus', 'Hörprobleme', ' Schlafstörungen' und
'Somatische Beschwerden' eingeteilt. Die Scores der Kategorien 'Kognitive
Belastung' und ' Emotionale Belastung' können zur Kategorie 'Psychische
Belastung' zusammengefasst werden. Die Information über das Vorliegen eines
Tinnitus wurde aus den Patientenakten übernommen.
2.3.4 Hörgerätebewertung
Dieser ebenfalls von HörTech GmbH veröffentlichte Fragebogen enthält 17
Fragen zur Zufriedenheit des Patienten mit seinem Hörgerät. Diese umfassen
die Dauer der Benutzung und Gewöhnung, die Benutzerfreundlichkeit,
Tragekomfort, Design, Sprachverstehen, Klang, Wahrnehmung der eigenen
Stimme, Lautstärke, Störgeräusche wie Wind und Rückkopplungen,
Telefonieren und Gesamtzufriedenheit mit einem Hörgerät. Diese sind teils
geschlossen, teils frei zu beantworten.
Für die Auswertung wurde gemäß den Empfehlungen der Firma HörTech
vorgegangen und der Mittelwert der Kategorien 'Klang' und 'Komfort' berechnet.
Für die Studie verwendet wurde auch die Gesamtzufriedenheit mit dem
Hörgerät, welche auf einer Punkteskala von 'sehr unzufrieden' (=6) bis 'sehr
zufrieden' (=1) bewertet werden konnte.
2.3.5 Tonaudiometrie
Die sprach- und tonaudiometrischen Ergebnisse wurden aus den
Patientenakten übernommen.
Aus den Audiogrammen wurde der Pure-Tone-Average (PTA) errechnet. Für
den PTA werden die Schalldruckpegel bei 500, 1000 und 2000 Hz im
Tonschwellenaudiogramm erfasst und deren Mittelwert gebildet. Nach
29
Goodman kann man den Grad der Schwerhörigkeit anhand dieser Werte
folgendermaßen einteilen: < 15 Normal, 15–25 Slight, 26–40 Mild, 41–55
Moderate, 56–70 Moderately severe, 71–90 Severe, > 90 Profound [20] .
2.3.6 Freiburger Zahlen- und Einsilberverstehen
Präoperativ erfasst wurden das maximale Freiburger Einsilberverstehen in
Prozent sowie der jeweilige Schalldruckpegel bei der Messung am später
operierten Ohr. Ebenso wurde der Schalldruckpegel bei einem Zahlenverstehen
von 50% angegeben. Lag das maximale Zahlenverstehen bei weniger als 50%,
wurde das maximal erreichte Zahlenverstehen bei höherem Schalldruckpegel
angegeben. Im Rahmen der Hörgeräte-Überprüfung wurde das Verstehen der
Freiburger Einsilber mit und ohne Hörgerät in Ruhe und im Störschall bei 65 dB
gemessen und die Werte ebenfalls für diese Studie verwendet. Das Verstehen
der Freiburger Einsilber in Ruhe mit Hörgerät bei 65 dB wurde als präoperativer
Vergleichswert für die postoperativen Freiburger Einsilber mit CI herangezogen.
Dafür wurden jeweils die Werte am später operierten Ohr verglichen.
30
3
Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der statistischen Auswertung nach
Fragestellung geordnet beschrieben. Weitere Ergebnisse, welche nicht in erster
Linie der Überprüfung der 3 Fragestellungen dienen, werden danach aufgeführt.
3.1
Objektive Sprachverstehensleistung
Die postoperativen Angaben wurden am operierten Ohr unter Verwendung des
CI erhoben.
3.1.1 Maximales Verstehen der Freiburger Zahlen und Einsilber
Das maximale Zahlenverstehen betrug vor OP am später operierten Ohr
durchschnittlich 33.6% (± 22.01%). Der Schalldruckpegel lag durchschnittlich
bei 100.55 dB (± 19.72dB). Das präoperativ erfasste maximale
Einsilberverstehen betrug durchschnittlich 30.25% (±28.93%) bei 110.42 dB
(±11.23 dB) am später operierten Ohr.
Zahlen
Einsilber
N
Mittelwert
SA
N
Mittelwert
SA
[%]
86
33.6
22.01
59
30.25
27.93
[dB]
86
100.55
19.72
59
110.42
11.23
Tabelle 1: Maximales Verstehen der Freiburger Zahlen und Einsilber am später operierten
Ohr in [%] und der dabei angewandte Schalldruck in [dB], N=Anzahl der Patienten,
SA=Standardabweichung
3.1.2 Vergleich Freiburger Einsilber bei 65 dB
Das Einsilberverstehen im Freiburger Einsilbertest bei 65 dB wurde prä- und
postoperativ gemessen. Verglichen wurden die Ergebnisse des später
operierten Ohres in Ruhe. Vor der Implantation verstanden die Patienten
31
durchschnittlich 7.87% (±11.35%) der gebotenen Wörter, nach Implantation
59.36% (±22.74%). Von 51 Patienten lagen prä- und postoperative Werte vor,
diese wurden für die Ermittlung einer signifikanten Verbesserung verwendet.
Bei den Freiburger Einsilbern präoperativ konnte keine Normalverteilung
gefunden werden, weshalb zum Vergleich der Wilcoxon Vorzeichenrangtest für
verbundene Stichproben verwendet wurde. Die postoperativen Werte waren
signifikant (p<0.01) höher als die Werte vor Implantation.
Prä-OP
N
FBE 65 [%]
Mittelwert
51 7.87
Post-OP
SA
Mittelwert
SA
p
11.35
59.36**
22.74** <0.01
Tabelle 2: Verstehen der Freiburger Einsilber bei 65 dB in Ruhe vor und nach Operation
in [%]. Vergleich mittels Wilcoxon Vorzeichenrangtest für verbundene Stichproben;
*p<0.05; **p<0.01; N=Anzahl Patienten; SA=Standardabweichung; p=Signifikanz
Abbildung 8: Vergleich des Sprachverstehens im Freiburger Einsilbertest bei 65 dB in
Ruhe vor OP mit Hörgerät (7.87% [±11.35%]) und nach OP unter Verwendung des Cochlea
Implantats (59.36% [±22.74%])
32
3.2
Subjektive Sprachverstehensleistung und Lebensqualität
3.2.1 Oldenburger Inventar
Verglichen wurden mittels nichtparametrischer Tests die Mittelwerte des
Oldenburger Inventars prä- und postoperativ. Bei 17 Patienten lagen
präoperativ Fragebögen ohne Hörgerät vor. Ein Patient hatte den Fragebogen
nur in den Zeilen "Hören ohne Hörgerät" ausgefüllt, weshalb zum Vergleich von
Hören mit Hörgerät nur 16 Fragebögen vorlagen. Sowohl die prä- als auch die
postoperativen Werte wurden mittels Kolmogorov-Smirnov-Test auf
Normalverteilung überprüft. Für die Berechnung des Gesamt-Scores wurde der
Mittelwert aller Fragen berechnet.
Im Gesamtkollektiv lag der Gesamt-Score des Oldenburger Inventars
präoperativ bei 60 Patienten mit Hörgerät bei 2.48 (±0.97) und ohne Hörgerät
bei 1.24 (±0.52), postoperativ bei 69 Patienten durchschnittlich bei 3.22 (±0.77).
Von 17 Patienten lagen sowohl prä- als auch postoperative Fragebögen vor,
von einem Patient lag präoperativ nur ein Fragebogen ohne Hörgerät vor. Der
Gesamt-Score lag hier präoperativ bei 1.20 (±0.32) ohne Hörgerät bzw. 2.53
(±0.68) mit Hörgerät und postoperativ mit CI bei 3.26 (±0.50). Die Signifikanz
wurde hier mittels Wilcoxon Vorzeichenrangtest überprüft, da bei den
präoperativen Scores ohne Hörgerät keine Normalverteilung vorlag. Es ergab
sich eine signifikante (p<0.05) Verbesserung des Gesamt-Scores ohne
Hörgerät von präoperativ 24% auf postoperativ 65.4% des maximal
erreichbaren Scores. Im Vergleich zum präoperativen Gesamt-Score mit
Hörgerät wurde eine signifikante (p<0.05) Verbesserung um 14.8% (von 50.6%
auf 65.4%) gemessen.
33
Abbildung 9: Vergleich des Oldenburger Inventar Gesamt-Score vor OP ohne Hörgerät
(1.20 [±0.32]), vor OP mit Hörgerät (2.53 [±0.68]) und nach OP unter Verwendung des
Cochlea Implantats (3.26 [±0.50]) mittels Wilcoxon Vorzeichenrangtest
Von den 16 Patienten, welche einen Fragebogen präoperativ unter Verwendung
eines Hörgeräts ausgefüllt hatten, wurde ein Vergleich der einzelnen Kategorien
des Oldenburger Inventars durchgeführt. In jeder der Kategorien Hören in
Ruhe, im Störschall und Richtungshören waren die postoperativen Scores
signifikant höher als die vor Operation.
34
Prä-OP
Post-OP
Kategorie
N
Mittelwert
SA
Mittelwert
SA
p
Gesamt-Score
16
2.53
0.68
3.26*
0.50*
0.02
Ruhe
16
2.88
0.82
3.53*
0.72*
0.02
Störschall
16
2.21
0.69
2.81*
0.80*
0.03
Richtungshören
16
2.45
0.82
2.88*
0.85*
0.01
Tabelle 3: Veränderungen des Gesamt-Score und der Kategorien des Oldenburger
Inventars präoperativ unter Verwendung des Hörgeräts und postoperativ unter
Verwendung des Cochlea Implantats, gemessen mittels Wilcoxon Vorzeichenrangtest;
*p<0.05; **p<0.01; N=Anzahl Patienten; SA=Standardabweichung; p=Signifikanz
Dabei zeigten sich signifikant höhere postoperative Werte der Kategorien Hören
im Störgeräusch, am Telefon und in sozialen Gruppen. Keine signifikante
Verbesserung konnte in den Bereichen Hören mit Hilfsmittel, im Arbeitsumfeld
und in öffentlichen Veranstaltungen festgestellt werden.
4
3,5
3
2,5
Prä-OP
2
Post-OP
1,5
1
0,5
0
Gesamt-Score
Ruhe
Störschall
Richtung
Abbildung 10: Veränderungen des Gesamt-Score und innerhalb der Kategorien ‚Hören in
Ruhe‘, ‚Hören im Störschall‘ und ‚Richtungshören‘ des Oldenburger Inventars durch CIOperation
35
3.2.2 Cochlear Implant Function Index (CIFI)
Der präoperative CIFI-Gesamt-Score (n=18) lag durchschnittlich bei 5.17
(±4.91), postoperativ (n=84) bei 10.06 (±6.11). Damit liegt der Wert der
postoperativen Gruppe signifikant höher als der Wert der nicht implantierten
Gruppe. In den einzelnen Kategorien des CIFI konnte keine Normalverteilung
gefunden werden, weshalb die erreichten Punktzahlen mittels Mann-Whitney-UTest für unabhängige Stichproben verglichen wurden.
Abbildung 11: Vergleich des CIFI Gesamt-Score präoperativ unter Verwendung des
Hörgeräts (5.17 [±4.91]) und postoperativ unter Verwendung des CI (10.06 [±6.11]) im
Gesamtkollektiv mittels Mann-Whitney-U-Test für unabhängige Stichproben
36
Hier hatte die Gruppe der nicht implantierten Patienten signifikant niedrigere
Werte in den Kategorien Hören im Störschall und Hören in der Gruppe. In den
Kategorien Hören mit Hörhilfe, am Telefon, in der Arbeit und bei
Veranstaltungen wurde kein signifikanter Unterschied gefunden.
Kein CI (N=18)
CI (N=84)
Kategorie
Mittelwert
SA
Mittelwert
SA
Störschall
0.72
0.96
1.49*
0.96*
0.02
Hörhilfe
2.06
1.63
2.54
1.56
0.18
Telefon
0.33
0.97
0.81
1.21
0.07
Gruppe
0.63
1.20
1.76*
1.65*
0.01
Arbeit
1.07
1.71
1.96
1.91
0.10
Veranstaltungen
0.73
1.53
1.56
1.70
0.07
Gesamt-Score
5.17
4.91
10.06**
6.11**
p
<0.01
Tabelle 4: Vergleich von Kategorien und Gesamt-Score des Cochlear Implant Function
Index zwischen der implantierten und nicht implantierten Gruppe mittels Mann-WhitneyU-Test für unabhängige Stichproben; *p<0.05; **p<0.01; N=Patientenzahl;
SA=Standardabweichung; p=Signifikanz
12
10
8
6
4
Prä-OP
Post-OP
2
0
Abbildung 12: Vergleich der Mittelwerte des Cochlear Implant Function Index vor und
nach Operation in den einzelnen Kategorien
37
Bei 8 Patienten lagen prä- und postoperative CIFI-Fragebögen vor. Der
Wilcoxon Vorzeichenrangtest ergab bei den normalverteilten Scores keine
signifikanten Unterschiede. Der durchschnittliche Punktescore lag hier
präoperativ bei 5.00 (±3.62), postoperativ bei 7.00 (±6,59). In den Subdomänen
des CIFI (Hören im Störschall, Hilfsmittel beim Hören, Telefonieren, Hören in
der Gruppe, Hören bei der Arbeit und bei Veranstaltungen) zeigten sich
ebenfalls keine signifikanten Veränderungen vor und nach Operation.
38
3.3
Tinnitus
16 Patienten hatten prä- und postoperativ einen Tinnitusfragebogen ausgefüllt.
Die Mittelwerte von zuvor 46.69 (±17.01) bzw. danach 35.69 (±22.24) wurden
mittels Wilcoxon Vorzeichenrangtest verglichen und ergaben einen signifikant
niedrigeren postoperativen Wert.
Prä-OP
Post-OP
Kategorie
N
Mittelwert
SA
Mittelwert
SA
p
Emotionale Belastung
16
13.06
4.61
10.63
6.71
0.10
Kognitive Belastung
16
8.63
4.15
7.19
4.92
0.18
Psychische Belastung
16
21.69
8.44
17.81
11.43
0.10
Penetranz d. Tinnitus
16
10.13
3.61
7.50*
4.97*
0.04
Hörprobleme
16
8.81
3.47
6.56*
4.30*
0.02
Schlafstörungen
16
3.75
3.13
1.94*
2.54*
0.02
Somatische Beschwerden 16
2.31
1.78
1.88
1.96
0.22
Gesamt-Score
46.69
17.01
35.69*
16
22.24* 0.02
Tabelle 5: Tinnitusfragebogen-Kategorien und Gesamt-Score im Vergleich vor und nach
Implantation im Wilcoxon Vorzeichenrangtest für verbundene Stichproben; *p<0.05;
**p<0.01; p=Signifikanz; N=Patientenzahl, SA=Standardabweichung
Vor Implantation litten 8 Patienten an dekompensiertem Tinnitus, danach ging
ihr Anteil auf 5 zurück, also konnten sich 3 Patienten von dekompensiertem auf
kompensierten Tinnitus verbessern. Kein Patient entwickelte nach OP einen
dekompensierten Tinnitus. Die Kategorien emotionale Belastung, kognitive
Belastung, psychische Belastung sowie somatische Beschwerden zeigten keine
signifikante Verbesserung. Dafür wurden die Kategorien Penetranz des
Tinnitus, Hörprobleme und Schlafstörungen nach Implantation signifikant besser
bewertet.
Bei 5 Patienten lag ein Ohrgeräusch am später operierten Ohr vor. Bei diesen
Patienten verbesserte sich der Tinnitus Gesamt-Score signifikant von 53.20
(±12.37) auf postoperativ 25.80 (±9.94).
Bei Patienten, die ein Ohrgeräusch am nicht operierten Ohr angaben, kam es
zu keiner signifikanten Verbesserung des Tinnitusscores.
Bei den restlichen Patienten lag keine Angabe über die Seite des Tinnitus vor.
39
1
0
0
0
Score
0
Prä-OP
0
Post-OP
0
0
0
0
0
Em
Ko
Ps
Pe
Hö
Sc
So
Gesamt
Abbildung 13: Veränderung der Belastung durch Tinnitus in den einzelnen Kategorien
vor und nach Operation; Em=Emotionale Belastung, Ko=Kognitive Belastung,
Ps=Psychische Belastung, Pe=Penetranz des Tinnitus, Hö=Hörprobleme,
Sc=Schlafstörungen, So=Somatische Beschwerden
3.4
Weitere Ergebnisse
3.4.1 Tonaudiometrie: Pure Tone Average
Der Pure Tone Average (PTA) betrug präoperativ am später operierten Ohr
durchschnittlich 93.20 dB (±19.37 dB) und am nicht operierten Ohr 66.43 dB
(±35.06 dB). Die Unbehaglichkeitsschwelle lag am später operierten Ohr bei
115 dB (±6.07 dB), am nicht operierten Ohr bei 111.7 dB (± 8.67 dB).
PTA
N
Mittelwert
Standardabweichung
OP-Seite
120
93.20
19.37
Gegenseite
120
66.43
35.06
Tabelle 6: Prä-OP Pure Tone Average am später operierten und nicht operierten Ohr in
[dB]
40
UBS
N
Mittelwert
Standardabweichung
OP-Seite
47
115
6.07
Gegenseite
47
111.7
8.67
Tabelle 7: Prä-OP Unbehaglichkeitsschwelle am später operierten und nicht operierten
Ohr in [dB]
Der PTA korrelierte dabei signifikant positiv mit dem präoperativen maximalen
Zahlenverstehen- und Einsilberverstehen-Schalldruckpegel bei einem
Spearmans Korrelationskoeffizienten von 0.71 bzw. 0.46. Auch mit dem
präoperativen Einsilberverstehen bei 65 dB in Ruhe lag eine Korrelation vor, je
schlechter das Einsilberverstehen umso höher der gemessene PTA. Mit den
Fragebögen zur hörbezogenen Lebensqualität konnte kein Zusammenhang
gefunden werden.
3.4.2 Hörgeräte-Bewertung
Insgesamt 66 Patienten gaben präoperativ eine Hörgeräte-Bewertung ab.
Die Zufriedenheit wurde durchschnittlich mit 3.16 (±1.3), Komfort mit 3.75
(±0.91) und die Klangqualität mit 5.02 (±1.70) Punkten bewertet.
HG-Bewertung
N
Mittelwert
SA
Zufriedenheit
66
3.16
1.3
Komfort
66
3.75
0.92
Klang
66
5.02
1.7
Tabelle 8: Ergebnisse der Hörgeräte-Bewertung in den Kategorien Komfort und Klang,
wobei 1 Punkt die jeweils beste, 6 Punkte die schlechteste Bewertung darstellt; N=Anzahl
der Patienten; SA=Standardabweichung
Die Zufriedenheit mit dem Hörgerät korrelierte dabei signifikant negativ mit dem
präoperativen CIFI-Gesamt-Score bei einem Korrelationskoeffizienten von
-0.75. Ebenso korrelierte die Zufriedenheit mit dem präoperativen OldenburgerInventar Gesamt-Score signifikant negativ (Spearman r = -0.48). Mit den
Freiburger Einsilbern bei 65 dB konnte kein Zusammenhang gefunden werden.
41
Abbildung 14: Korrelation von CIFI Gesamt-Score präoperativ unter Verwendung des
Hörgeräts und der Hörgeräte-Bewertung in der Kategorie 'Zufriedenheit' (1 Punkt=beste
Bewertung, 6 Punkte=schlechteste Bewertung); Spearman R = -0.75
Abbildung 15 Korrelation des Oldenburger Inventar Gesamt-Score mit Hörgerät vor OP
mit der Hörgeräte-Bewertung in der Kategorie 'Zufriedenheit' (1 Punkt=beste Bewertung,
6 Punkte=schlechteste Bewertung); Spearman R = -0.48
42
3.4.3 Freiburger Einsilber und Lebensqualitätsbewertung prä- und
postoperativ
Präoperativ zeigten CIFI und Oldenburger Inventar keinen signifikanten
Zusammenhang mit dem Freiburger Einsilbertest. CIFI und Oldenburger
Inventar korrelierten signifikant mit einer Spearman Rangkorrelation von 0.58.
Postoperativ ergaben sich folgende signifikante Zusammenhänge: Bei den CIFI
und Oldenburger Inventar-Scores ergab sich ein Zusammenhang mit dem
Freiburger Einsilbertest. Der CIFI korrelierte mit den Freiburger Einsilbern mit
einem Korrelationskoeffizienten nach Spearman von 0.52, das Oldenburger
Inventar mit 0.29. Der Korrelationskoeffizient von CIFI und Oldenburger
Inventar betrug postoperativ 0.66.
Prä-OP:
Oldenb. Inventar CIFI
Freiburger Einsilber
r
p
r
p
r
p
Oldenburger Inventar -
-
0.58*
0.01
0.27
0.1
CIFI
0.58*
0.01
-
-
0.11
0.74
Freiburger Einsilber
0.27
0.1
0.11
0.74
-
-
Post-OP:
Oldenb. Inventar CIFI
Freiburger Einsilber
r
p
r
p
Oldenburger Inventar -
-
0.66** <0.01 0.29*
CIFI
0.66**
<0.01
-
Freiburger Einsilber
0.29*
0.04
-
r
0.52**
0.52** <0.01 -
p
0.04
<0.01
-
Tabelle 9: Korrelation von Oldenburger Inventar Gesamt-Score mit CIFI (=Cochlear
Implant Function Index Gesamt-Score) sowie mit dem Sprachverstehen im Freiburger
Einsilbertest bei 65 dB in Ruhe in [%] jeweils vor Operation mit Hörgerät bzw. nach
Operation unter Verwendung des Cochlea Implantats; r=Korrelation nach Spearman,
*p<0.05; **p<0.01; p=Signifikanz
43
Abbildung 16: Korrelation zwischen Cochlear Implant Function Index Gesamt-Score und
Oldenburger Inventar Gesamt-Score prä-OP unter Verwendung des Hörgeräts (links
oben); Korrelation zwischen Cochlear Implant Function Index Gesamt-Score und
Oldenburger Inventar Gesamt-Score post-OP unter Verwendung des Cochlea Implantats
(rechts oben); Korrelation zwischen Oldenburger Inventar Gesamt-Score und dem
Sprachverstehen im Freiburger Einsilbertest bei 65 dB post-OP unter Verwendung des
Cochlea Implantats (links unten); Korrelation zwischen Cochlear Implant Function Index
Gesamt-Score und dem Sprachverstehen im Freiburger Einsilbertest bei 65 dB post-OP
unter Verwendung des Cochlea Implantats (rechts unten)
3.4.4 Tinnitus
Es konnte kein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen des
Tinnitusfragebogens und den Fragebögen zur hörbezogenen Lebensqualität
festgestellt werden. Auch der Freiburger Einsilbertest zeigte hier weder vor
noch nach Implantation einen Zusammenhang mit Tinnitus. Das Patientenalter
bei Implantation zeigte ebenfalls keinen Zusammenhang mit der Belastung
durch Tinnitus. Die Daten wurden mittels Mann-Whitney-U-Test für unabhängige
Stichproben verglichen.
44
3.4.5 Alter und Geschlecht
Prä-OP
r
Post-OP
p
r
p
Alter vs. Oldenb. Inventar -0.09
0.49
-0.27*
0.03
Alter vs. CIFI
-0.18
0.48
-0.30**
<0.01
Alter vs. FBE 65 dB
0.07
0.65
-0.08
0.40
Tabelle 10: Korrelation von Implantationsalter mit Oldenburger Inventar Gesamt-Score,
CIFI Gesamt-Score (=Cochlear Implant Function Index) und FBE (=Freiburger
Einsilbertest bei 65 dB in Ruhe in [%]); r=Korrelation nach Spearman, *p<0.05; **p<0.01;
p=Signifikanz
Präoperativ ergaben sich keine signifikanten Korrelationen zwischen dem Alter
und den Fragebögen zur Lebensqualität, genauso konnte kein Zusammenhang
mit den Freiburger Einsilbern gefunden werden.
Postoperativ zeigten sowohl das Oldenburger Inventar als auch der CIFI eine
negative Abhängigkeit vom Alter der Patienten. Jüngere Patienten hatten
signifikant bessere Werte in beiden Fragebögen. Die Freiburger Einsilber
zeigten auch nach der Implantation keine Abhängigkeit vom Patientenalter.
45
Abbildung 17: Korrelation von Implantationsalter und Oldenburger Inventar GesamtScore nach Operation
Abbildung 18: Korrelation von Implantationsalter und Cochlear Implant Function Index
Gesamt-Score nach Operation
46
4
Diskussion
In der vorliegenden Studie wurden Daten zum Vergleich der subjektiven und
objektiven Sprachverstehensleistung sowie der Tinnitusbelastung von Cochlea
Implantat Trägern erhoben. Alle Patienten waren zur Nachbehandlung im
Cochlea-Implant-Centrum Erlangen, mit einem Altersspektrum von 20 bis 90
Jahren sind alle Altersgruppen erwachsener CI-Träger im Kollektiv vertreten.
Das Durchschnittsalter des Patientenkollektivs lag bei Implantation bei 54
(±17.80) Jahren, die Geschlechterverteilung lag bei 80 Männern (52%) und 74
Frauen (48%). Damit entspricht die Zusammensetzung des Gesamtkollektivs in
etwa der anderer vergleichbarer Studien [46] [23].
4.1
Objektive Sprachverstehensleistung:
Durch die Verwendung eines Cochlea Implantats kommt es zu einer statistisch
signifikanten Verbesserung der objektiven Sprachverstehensleistung im
Vergleich zum Hörvermögen ohne Cochlea Implantat.
Vor der Operation lag im Gesamtkollektiv der Pure Tone Average auf der
Implantatseite bei 93.20 dB (±19.37 dB), das maximale Verstehen der
Freiburger Zahlen und Einsilber bei 100.55 dB (±19.72) bzw. 110.4 dB (±11.23).
Die Freiburger Einsilber bei 65 dB in Ruhe waren mit durchschnittlich 7.87%
(±11.35%) deutlich unter der für eine Implantation geforderten 40% Grenze.
Dies entspricht einer hochgradigen und an Taubheit grenzenden
Schwerhörigkeit und stellt damit die Hauptindikation für ein Cochlea Implantat
dar [31, 36].
Zur Messung der objektiven Sprachverstehensleistung wurden das Freiburger
Zahlen- und Einsilberverstehen herangezogen. Präoperativ wurde auch der
Pure Tone Average bestimmt. Wie schon von Carhart et al. (1946) und Fletcher
et al. (1950) beschrieben, korreliert dieser in hohem Maße mit der
Sprachverstehensschwelle [7] [17]. Dazu passt, dass der PTA in der
vorliegenden Arbeit einen Zusammenhang mit dem Schalldruckpegel der
maximal verstandenen Zahlen und Einsilbern zeigt. Zusätzlich wurde noch eine
47
negative Korrelation mit den Freiburger Einsilbern bei 65 dB vor Implantation
gefunden. In der Literatur ließ sich keine solche Übereinstimmung vergleichen.
Eine naheliegende Erklärung dafür ist, dass der PTA gleichermaßen eine
Annäherung an die Sprachverstehensschwelle und das Einsilberverstehen
darstellt und Patienten mit besserem Restgehör in beiden Tests besser
abschneiden.
Das Zahlenverstehen im Freiburger Test lag postoperativ bei 84.81%, über die
Hälfte der Probanden konnten alle gebotenen Zahlen verstehen.
Das Sprachverstehen im Freiburger Einsilbertest bei 65 dB verbesserte sich
durchschnittlich von präoperativ 7.87% auf postoperativ 59.40%. Vor der OP lag
das maximale Einsilberverstehen bei 30.25% (110 dB) am später operierten
Ohr. Nach Lenhardt (2009) ist es ab einem Verstehen von 50% der gebotenen
Wörter möglich, Alltagssprache zu verstehen und zu telefonieren [37]. Das
bedeutet, das Sprachverstehen in Ruhe wurde in einem Maß verbessert,
welches die Teilnahme am täglichen Leben bedeutend erleichtert.
Vergleichbare Arbeiten von Klenzner et al. (1999), Olze et al. (2011) und Park et
al. (2011) zeigten ebenfalls eine signifikante Verbesserung der
Sprachverstehensleistung, gemessen durch den Freiburger Einsilbertest [28]
[46] [48]. Bei Klenzner et al. (1999) verbesserten sich alle Patienten von
präoperativ weniger als 30% Verstehen der gebotenen Wörter auf postoperativ
über 60%, bei Olze et al. kam es zu einer Verbesserung von 4% auf 48.1%
nach OP.
In der vorliegenden Arbeit zeigte das Sprachverstehen, gemessen durch den
Freiburger Einsilbertest, postoperativ eine Korrelation mit dem CIFI GesamtScore sowie mit dem Gesamt-Score des Oldenburger Inventars.
Vor Implantation ist der Zusammenhang nicht signifikant, hier waren aber
deutlich weniger Daten zum Vergleich verfügbar als nach Operation. Demnach
könnte das Sprachverstehen als Indikator für eine Verbesserung der
Lebensqualität und der auditiven Selbstwahrnehmung nach OP herangezogen
werden.
In der Literatur finden sich hierzu unterschiedliche Ergebnisse. Bei Hirschfelder
et al. (2008) konnte eine signifikante Korrelation von FBE und Lebensqualität
festgestellt werden [23]. Im Gegensatz dazu wurde bei Park et al. (2011) weder
vor noch nach Operation ein signifikanter Zusammenhang von FBE und
48
Lebensqualität gefunden [48]. Die Ergebnisse sind untereinander sowie mit
dieser Arbeit nur bedingt vergleichbar, da jeweils andere Fragebögen zur
Erfassung der Lebensqualität benutzt wurden; Park et al. benutzten das
Hearing Handicap Inventory, Hirschfelder et al. das Nijmegen Cochlear Implant
Questionnaire.
4.2
Subjektive Sprachverstehensleistung:
Durch die Verwendung eines Cochlea Implantats kommt es zu einer statistisch
signifikanten Verbesserung der subjektiven Sprachverstehensleistung im
Vergleich zum Hörvermögen ohne Cochlea Implantat.
Zur Überprüfung wurden das Oldenburger Inventar und der Cochlear Implant
Function Index (CIFI) prä- und postoperativ ausgewertet.
Das Oldenburger Inventar stellt ein etabliertes Instrument zur Messung des
subjektiven Hörvermögens dar und wurde in anderen Studien benutzt um
Verbesserungen nach Implantation oder im Verlauf zu messen [44] [22]. Sowohl
in der Gesamtkohorte als auch im direkten Vergleich kam es zu einer
signifikanten Verbesserung des Gesamt-Scores und der Teilbereiche.
Durch die Implantation besserte sich der Gesamt-Score des Oldenburger
Inventars signifikant von 2.53 auf 3.27 Punkte. Die subjektiven auditorischen
Fähigkeiten der Patienten wurden demnach mit CI als höher eingeschätzt.
Postoperativ kam es in jedem Teilbereich zu einer signifikanten Verbesserung
der subjektiven Hörleistung, wobei die Bereiche 'Hören im Störschall' und
'Hören in Ruhe' sich in gleichem Ausmaß besserten.
Das Richtungshören zeigte einen etwas geringeren Zugewinn, was daran liegen
könnte, dass das CI technisch nicht primär auf das Erfassen der Richtung einer
Schallquelle ausgelegt ist und hier auch andere, zentrale Mechanismen eine
Rolle spielen. In mehreren Arbeiten wurde eine Besserung des
Richtungshörens durch bilaterale CI-Versorgung gezeigt [53] [34].
Die Gesamt-Scores des Oldenburger Inventars korrelierten sowohl vor als auch
nach Operation positiv mit denen des CIFI. Die Ergebnisse beider Fragebögen
zusammengenommen zeigen eine deutliche Verbesserung der subjektiven,
hörbezogenen Lebensqualität durch die Implantation.
49
Die Ergebnisse des CIFI sind nicht eindeutig. Bei den 8 vorliegenden prä- und
postoperativ ausgefüllten Fragebögen konnte kein statistisch signifikanter
Unterschied vor und nach Implantation festgestellt werden. Dennoch kam es zu
einem Anstieg des mittleren Gesamt-Scores um 2 Punkte, von 5 Punkten vor
auf 7 Punkte nach OP. In den Teilbereichen zeigten sich im direkten Vergleich
keine signifikanten Zugewinne nach OP. Abgesehen von der Kategorie 'Hören
mit Hilfe' waren alle postoperativen Scores höher als die Scores vor OP. In der
gesamten Kohorte zeigt sich ein signifikant höherer Unterschied von 5.17
(±4.91) auf postoperativ 10.06 (±6.11) Punkte. Das Hören im Störgeräusch und
in Gruppen war in der implantierten Gruppe signifikant höher als in der Gruppe
ohne CI.
Insgesamt ist bei der geringen Anzahl von 8 prä- und postoperativen CIFIFragebögen die Fehlerwahrscheinlichkeit hoch, weshalb gegebenenfalls in
späteren Studien größere Patientenzahlen verglichen werden könnten. Wie das
Ergebnis der Gesamtkohorte zeigt, wäre bei höheren Fallzahlen eine
Verbesserung des CIFI zumindest beim Sprachverstehen mit Störgeräusch und
in sozialen Gruppen zu erwarten.
Präoperativ korrelieren sowohl Oldenburger Inventar als auch CIFI mit der
Hörgeräte-Bewertung in der Kategorie 'Zufriedenheit'. Demnach kann ein
Zusammenhang beider Fragebogen-Scores mit der subjektiven Zufriedenheit
mit dem Hörgerät angenommen werden.
Der Gesamt-Score des CIFI korreliert postoperativ stark positiv mit dem
Oldenburger Inventar sowie mit den Freiburger Einsilbertest. Es lässt sich ein
Zusammenhang zwischen auditiver Selbstwahrnehmung sowie dem
Sprachverstehen und der subjektiven Lebensqualität herstellen. Patienten mit
besseren Ergebnissen im Freiburger Einsilbertest in Ruhe hatten also auch
eine bessere subjektive Sprachverstehensleistung und hörbezogene
Lebensqualität. Dies entspricht auch den Ergebnissen älterer Studien.
Hirschfelder et al. und Olze et al. beschreiben in ihren Arbeiten einen
Zusammenhang zwischen dem objektiven Sprachverstehen und der
gesundheitsbezogenen Lebensqualität nach Implantation [47] [23]. Je höher
hier die Verbesserung des objektiven Sprachverstehens, gemessen durch den
Freiburger Einsilbertest in Ruhe sowie den HSM Satztest, ausfiel, desto höher
war auch der Gewinn an Lebensqualität, gemessen durch das Nijmegen
50
Cochlear Implant Questionnaire.
In anderen Studien, welche sich mit dem Thema gesundheitsbezogene
Lebensqualität und Cochlea Implantation beschäftigten, wurden zur Erfassung
der Lebensqualität andere Fragebögen benutzt. Hirschfelder et al. (2008)
konnten eine Verbesserung der HRQoL bei 56 CI-Trägern feststellen [23]. Das
für diese Studie benutzte Nijmegen Cochlear Implant Questionnaire enthält die
Kategorien: basic sound perception, advanced sound perception, speech
production, self-esteem, activity und social interaction. Diese korrelierten
signifikant positiv mit den Leistungen der Patienten im Freiburger Einsilbertest.
In einer Studie von Olze et al. aus dem Jahr 2011 wurde an 43 postlingual
ertaubten Patienten, welche zum Zeitpunkt der Implantation 51.7+-16.9 Jahre
alt waren, Untersuchungen zur hörbezogenen Lebensqualität sowie Tinnitus
durchgeführt. Olze et al. benutzten das NCIQ, das Perceived Stress
Questionnaire, den COPE Fragebogen, die General Depression Scale und den
Generalized Anxiety Disorder-Fragebogen (GAD 7) zur Bestimmung von
Lebensqualität und psychologischer Komorbidität. [46]
In dieser Studie verbesserten sich die Patienten in allen Kategorien des NCIQ,
auch Stress, Depression und Angst wurden signifikant reduziert.
Durch Hörverlust kommt es zu einem massiven Abfall der Lebensqualität des
Betroffenen [9]. Ein großer Teil dieser Patienten leidet zusätzlich unter einem
Tinnitus, welcher eine psychische Dauerbelastung darstellt und sich ebenso
negativ auf die Lebensqualität auswirkt [5] . Im Rahmen dieser Arbeit wurde
eine Verbesserung sowohl von objektiver und subjektiver
Sprachverstehensleistung als auch eines Tinnitus nachgewiesen. Die auf die
Hörleistung bezogene Lebensqualität, gemessen durch den CIFI, änderte sich
bei 8 Patienten durch die Implantation nicht signifikant. In der Gesamtkohorte
lag bei den Nichtimplantierten der CIFI Gesamt-Score aber signifikant niedriger
als bei Patienten welche über ein CI verfügten. Oldenburger Inventar und
Freiburger Einsilber verbesserten sich nach Operation deutlich und zeigten
einen signifikanten Zusammenhang mit den CIFI-Gesamt-Scores. Insgesamt
wurde beim untersuchten Patientenkollektiv eine eindeutige Verbesserung der
Lebensqualität durch die Implantation nachgewiesen. In der Literatur finden sich
zahlreiche Nachweise für eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität durch
ein Cochlea Implantat [46] [23] [38] [8].
51
4.3
Tinnitus
Durch die Verwendung eines Cochlea Implantats kommt es zu einer statistisch
signifikanten Verbesserung eines präexistenten Tinnitus.
Im direkten Vergleich der Patienten vor und nach OP zeigt sich, dass der
Gesamt-Score des Tinnitusfragebogen nach Operation deutlich sinkt, die
subjektive Wahrnehmung des Tinnitus also bei der Gruppe mit CI als weniger
belastend eingestuft wird. Bei insgesamt 12 Patienten kam es zu einer
Reduktion des Gesamt-Score, das entspricht einem Prozentsatz von 75%. Bei
16 Patienten, von welchen prä- und postoperativ ein Fragebogen vorlag, waren
die Werte signifikant niedriger nach Implantation. Die Teilbereiche Penetranz
des Tinnitus, Hörprobleme und Schlafstörungen besserten sich durch die
Implantation signifikant. In den Kategorien emotionale Belastung, kognitive
Belastung und psychische Belastung kam es zu keiner signifikanten
Verbesserung. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass die Penetranz des
Tinnitus sowie bestehende Hörprobleme durch das CI direkt gebessert wurden,
wie etwa durch das verbesserte Sprachverstehen. Die psychischen
Komponenten eines Ohrgeräusches bessern sich möglicherweise erst
langsamer oder werden durch das CI weniger beeinflusst.
Bei 5 Patienten wurde ein CI auf demselben Ohr implantiert, auf welchem sie
einen Tinnitus angegeben hatten, hier kam es zu einer signifikanten
Verbesserung des Tinnitusscores von 53.2 vor OP auf 25.8 nach OP. Bei
Patienten, die den Tinnitus am nicht operierten Ohr angegeben hatten kam es
zu keiner signifikanten Veränderung des Scores.
Dies lässt den Schluss zu, dass Tinnituspatienten nach Versorgung mit einem
Cochlea Implantat subjektiv weniger unter Tinnitus leiden als vor der Operation.
Dies entspricht auch den Ergebnissen von Olze et. al. (2011) und Amoodi
(2011), wonach die Implantation eines CI einen supprimierenden Effekt auf
Tinnitus besitzt [2] [46] [47]. Bei Olze et al. wurde von 64% der implantierten
Patienten eine Reduktion oder ein Verschwinden des Tinnitus angegeben, bei
Amoodi 66%. In einer Studie von Kompis et al. (2012) wurden 147 Patienten
vor Implantation und 6 Monate danach auf Tinnitus untersucht [30]. Bei 20%
52
verschwand der Tinnitus, 51.2% gaben eine subjektive Verbesserung an. Auch
ältere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen [40] [51] [12]
Nach einer Arbeit von Punte et al. (2011) ist ein Cochlea Implantat zur
Behandlung eines Tinnitus bei einseitiger Ertaubung geeignet [50]. In einer
Studie von Negrila-Mezei (2011) wurde neben der niedrigeren Lebensqualität
auch eine Korrelation von Tinnitus mit Diabetes mellitus, Hypertension und
Arteriosklerose festgestellt [42]. Es konnte kein Zusammenhang mit den
Fragebögen zur hörbezogenen Lebensqualität oder mit dem objektiven
Sprachverstehen gefunden werden, ebenso ergab sich keine Abhängigkeit mit
dem Alter und Geschlecht der Patienten. Olze et al. fanden einen positiven
Zusammenhang mit Tinnitus und der hörbezogenen Lebensqualität bei CITrägern, gemessen mit dem NCIQ. Wie in der vorliegenden Arbeit konnten auch
Greimel et al (2003) keinen Zusammenhang zwischen Tinnitus und den
Ergebnissen im Freiburger Einsilbertest finden [21]. Unterrainer et al. (2001)
konnten keinen Zusammenhang von einer Beeinträchtigung durch Tinnitus mit
Alter und Geschlecht bei 153 Patienten feststellen [58].
4.4
Weitere Ergebnisse: Alter und Geschlecht
Alter und Geschlecht der Patienten zeigten mit wenigen Ausnahmen keinen
Einfluss auf die Ergebnisse der objektiven und subjektiven Hörleistung vor und
nach Operation. Ausnahmen sind hier das Oldenburger Inventar sowie der CIFI
postoperativ. Hier fand sich eine signifikante negative Korrelation mit dem Alter.
Demnach schätzen jüngere Patienten ihre subjektive Hörleistung und
Lebensqualität nach OP höher ein als ältere. Arbeiten von Park (2011) und
Noble (2009) fanden keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Hörleistung
und dem Alter der CI-Träger [48] [43]. Eine Erklärung könnte sein, dass vor
Implantation die Hörleistung der Patienten unabhängig vom Alter in etwa gleich
schlecht war. Bei allen Patienten wurde unabhängig vom Alter die Indikation zur
Implantatversorgung gestellt, was ähnlich schlechte Ergebnisse im
Sprachverstehen und in der Tonaudiometrie voraussetzt. Altersspezifische
Unterschiede könnten sich dadurch erst nach der Implantation ausgebildet
haben, etwa unterschiedlich schnelle Gewöhnung an das CI und Anpassung an
die neu erworbene Hörleistung. Das Geschlecht der Patienten zeigte keinen
53
Zusammenhang mit der objektiven und subjektiven Sprachverstehensleistung
oder Tinnitus, ebenso konnte in der Literaturrecherche ein solcher
Zusammenhang nicht gefunden werden.
4.5
Limitationen und methodische Einschränkungen
Gesundheitsbezogene Lebensqualität und subjektive Sprachverstehensleistung
sind, wie der Name schon sagt, in höchstem Maße vom individuellen
Empfinden abhängig und daher schwer vergleichbar. Für diese Arbeit wurden
die Daten von erwachsenen Patienten aller Altersgruppen in allen
Lebensabschnitten erhoben, unabhängig von sozialem Status, Beruf,
Familienstand. Dementsprechend konnten bestimmte Faktoren nicht
berücksichtigt werden, wie etwa der unterschiedliche Stellenwert des Hörens im
Arbeitsumfeld bei verschiedenen Berufsgruppen, oder die Wichtigkeit von
Kommunikation in sozialen Gruppen je nach Lebensalter. Die Fallzahl ist mit
154 eingeschlossenen Patienten im Vergleich mit anderen Studien eher groß,
da aber nicht alle Patienten vor und nach Operation Fragebögen ausgefüllt
haben sinkt die Anzahl der direkt vergleichbaren Daten je nach Untersuchung
deutlich [47] [23] [8]. Dies macht die vorhandenen Daten anfälliger für
statistische Fehler und schränkt die Aussagekraft der Ergebnisse ein.
Ein weiterer Punkt ist, dass für die verwendeten Fragebögen zur hörbezogenen
Lebensqualität wenige Studien zum Vergleich vorliegen. Für das Oldenburger
Inventar wurde Studien von Olze et al. (2012) und Haumann (2012)
herangezogen [44] [22]. Der Cochlear Implant Function Index wurde bisher für
eine vergleichbare Studie noch nicht verwendet, weshalb die in dieser Arbeit
gefundenen Ergebnisse mit künftigen Daten ergänzt werden müssen.
Insbesondere die Anzahl präoperativer Daten müsste für eine aussagekräftige
Untersuchung erhöht werden.
Nicht bestimmt für die vorliegende Arbeit wurden die Art und der Zeitpunkt der
Ertaubung. Dies kann zu abweichenden Ergebnissen führen, da sich Dauer und
Art der Ertaubung auf die postoperative Entwicklung auswirken können [55].
Aufgrund der vielfältigen Ursachen der Ertaubung sowie der teilweise
komplexen Krankengeschichten der Patienten war eine Berücksichtigung im
Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Für eine derartige Untersuchung wären
54
deutlich höhere Fallzahlen erforderlich um verlässliche Aussagen treffen zu
können.
5
Ausblick
Die Versorgung mit einem Cochlea Implantat stellt einen stetig wachsenden
Zweig der Audiologie dar. Jährlich werden Implantationen an über 2000
Patienten in Deutschland durchgeführt, davon in Erlangen etwa 100 [26]. Laut
der U.S. Food and Drug Administration gab es 2010 weltweit etwa 219.000 CITräger [57], in Deutschland wurden seit 1984 über 22.000 Erwachsene
implantiert [13]. Einen wichtigen Einfluss auf diese Entwicklung haben immer
neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der hörbezogenen Lebensqualität, welche
halfen, die Indikation für eine CI-Versorgung kontinuierlich zu erweitern. Nach
aktuellen Leitlinien ist die Indikation derzeit gegeben bei Patienten ohne
verwertbare Hörreste mit gleichzeitig erhaltener Funktion des Hörnervs und der
zentralen Hörbahn. Viele aktuelle Studien beschäftigen sich mit dem Thema der
Lebensqualität, der subjektiven Sprachverstehensleistung sowie insbesondere
mit dem Einfluss auf Tinnitus [44] [46] [47] [23] [38] [51] .
Zum Zeitpunkt des Verfassens der vorliegenden Arbeit stand die von der
Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und HalsChirurgie e.V. in Auftrag gegebene und von der Arbeitsgemeinschaft
Deutschsprachiger Audiologen, Neurootologen und Otologen (ADANO)
entwickelte Leitlinie „Cochlea Implantat und Hirnstamm-Implantat“ kurz vor der
Fertigstellung (Internetseite http://www.hno.org/adano/leitlinien.htm) [36]. Im
Rahmen dieser Arbeit wurde eine signifikante Verbesserung der objektiven und
subjektiven Sprachverstehensleistung sowie Tinnitus durch ein unilaterales
Cochlea Implantat beim nach Spracherwerb ertaubten Erwachsenen
nachgewiesen. Damit reihen sich die Ergebnisse in die anderer Arbeiten zum
Thema der hörbezogenen Lebensqualität sowie der subjektiven und objektiven
Sprachverstehensleistung ein [46] [23] [38] [48] [8] [41] [35]. Ebenso wurde ein
weiterer Nachweis für die Verbesserung der Belastung durch Tinnitus nach
Implantation erbracht, wie ihn schon frühere Studien zeigten [51] [21] [18] [46]
[50] [40]. Zukünftige Studien werden zeigen, ob sich vergleichbare Ergebnisse
etwa bei prälingual ertaubten Patienten und bei Kindern erzielen lassen. Dazu
sind natürlich andere Messmethoden für subjektive Sprachverstehensleistung
55
und hörbezogene Lebensqualität nötig als sie bei den erwachsenen Patienten
in der vorliegenden Studie verwendet wurden. Gegenstand mehrerer aktueller
Studien ist die bilaterale Versorgung mit Implantaten bei diversen Indikationen.
Auch hier wurden bereits positive Auswirkungen auf Hörleistung, Lebensqualität
und Tinnitus gezeigt [45] [16]. In einem Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft
Deutschsprachiger Audiologen, Neurootologen und Otologen (ADANO) zu
diesem Thema (http://www.hno.org/adano/Bilaterale-CI-Versorgung.pdf) [3] wird
vorgeschlagen, die bilaterale Versorgung als Regelversorgung anzustreben, da
diese unter anderem eine Verbesserung des Sprachverstehens im Störschall
sowie des Richtungshörens zu erzielen vermag [33].
Das Vorliegen eines Tinnitus gilt bei hochgradiger Schwerhörigkeit nach
aktuellen Leitlinien als indikationsverstärkend für ein Cochlea Implantat [36].
Künftige Studien müssen zeigen, ob die Indikation zur Implantation erweiterbar
und wann ein Cochlea Implantat anderen Tinnitustherapien überlegen ist.
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63
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Abkürzungsverzeichnis
ADANO
Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Audiologen, Neurootologen
und Otologen
BERA
Brainstem Evoked Response Audiometry
CERA
Cortical Evoked Response Audiometry
CI
Cochlea Implantat
CICERO
Cochlear Implant Centrum Erlangen
CIFI
Cochlea Implant Function Index
FBE
Freiburger Einsilber
GAD 7
Generalized Anxiety Disorder-Fragebogen
HSM
Hochmair, Schulz, Moser Satztest (1997)
N
Anzahl der Probanden
NCIQ
Nijmegen Cochlear Implantation Questionnaire
NRT
Neural Response Telemetrie
OI
Oldenburger Inventar
OP
Operation
P
Signifikanz
PTA
Pure Tone Average
R
Korrelation
SA
Standardabweichung
SA
Standardabweichung
SA
Standardabweichung
TF
Tinnitusfragebogen
UBS
Unbehaglichkeitsschwelle
WHO
World Health Organisation
64
8
Danksagung
Ich danke Herrn Prof. Dr. Dr. Ulrich Hoppe sowie Frau Dr. Anne Hast für die
professionelle Betreuung, ebenso wie dem gesamten Team des CICERO für die
freundliche Unterstützung.
65
9
Lebenslauf
Zur Person
Name:
Hannes Elias Egger
Geburtsdatum:
07.10.1985
Geburtsort:
Graz
Nationalität:
Österreich
Familienstand:
ledig
Adresse:
Hindenburgstrasse 44, D-91054 Erlangen
Telefon:
0176 78630700
Email:
[email protected]
Eltern und Geschwister
Eva Egger-Zeidner
Psychologin, Studentenberatung Graz
Josef W. Egger
Psychologe, Leiter der medizinischen Psychologie
und Psychotherapie am Universitätsklinikum Graz
Lukas E. Egger
Student der Politikwissenschaften, Universität Wien
Schulbildung
1992-1996
Volksschule in Graz, Nibelungengasse
1996-2004
Bundes-Gymnasium in Graz, BG/BRG
Seebachergasse, Matura mit ausgezeichnetem
Erfolg
Zivildienst
2004-2005
Österreichisches Rotes Kreuz/Landesverband
Steiermark: Blutspendedienst (12 Monate)
Hochschulbildung
09/2005
Beginn des Studiums Humanmedizin an der
Medizinischen Universität Graz
04/2006
Fortsetzung des Humanmedizin-Studiums an der
Medizinischen Fakultät der FAU Erlangen-Nürnberg
04/2008
1. Abschnitt der ärztlichen Prüfung, Note "gut"
06/2012
2. Abschnitt der ärztlichen Prüfung, Note "gut"
66
Famulaturen
02/2009
Allgemeinmedizin, Sozialmedizinisches Zentrum
Graz-Libenau
08/2009
Psychiatrie, Universitätsklinikum Graz, Prof. Dr.
Kapfhammer
03/2010
Strahlenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Prof.
Dr. Fietkau
03/2010
Rheumatologie und Immunologie,
Universitätsklinikum Erlangen, Prof. Dr. Schett
08/2010
Urologie, Paracelsus Klinik Reichenbach, Dr. Dorn
09/2010
Dermatologie, Universitätsklinikum Graz, Prof. Dr.
Aberer
Praktisches Jahr
02/2011
Chirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, Prof. Dr.
Hohenberger
06/2011
Innere Medizin, Kantonsspital Frauenfeld, Schweiz,
Prof. Dr. Frauchiger
10/2011
Psychiatrie, Universitätsklinikum Erlangen, Prof. Dr.
Kornhuber
Dissertation
ab 11/2009
"Verbesserung von objektiver und subjektiver
Sprachverstehensleistung sowie Tinnitus durch
Cochlea-Implantation beim Erwachsenen"
Hals-Nasen-Ohrenklinik, Kopf- und Halschirurgie
Erlangen, Abteilung Audiologie
Prof Dr. Hoppe
Arbeitsstelle
ab 3/2013
Assistenzarzt für Psychiatrie am St.-MarienKrankenhaus Dresden
67
EDV-Kenntnisse
Microsoft Office
IBM SPSS
Programmiersprachen Visual Basic, C++
Fremdsprachen
Englisch (fließend)
Italienisch
Latein
Hobbys/Interessen
Gitarrenunterricht
Audio- und Videobearbeitung
Schifahren
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