Wie eine große Familie - Fachhochschule Südwestfalen

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ORTSGESPRÄCH
MITTWOCH
23. NOVEMBER 2016
Psychologie und
Pädagogik die Renner
Diese Studiengänge stehen hoch im Kurs
SOEST � Knapp 80 Prozent der
Abiturienten eines Jahrgangs
wählen nach der Schule ein
Studium, 20 Prozent machen
eine Ausbildung. Der Trend
der Abiturienten geht also
ganz klar hin zum Studium,
weiß Rainer Tambach, Berufsberater für akademische
Berufe bei der Agentur für Arbeit in Soest.
Jeder Zweite nimmt
eine Auszeit
Steffen Cizelsky, Fiona Wischer, Kristine Köpe und Claudia Remmers (von links) studieren an der FH in Soest. Drei von ihnen sind Erstsemestler und haben sich in Soest nach
gut sechs Wochen schon gut eingelebt. � Foto: Dahm
Wie eine große Familie
Der Standort Soest der FH Südwestfalen punktet durch seine überschaubare Atmosphäre
Lehre als technische Zeichnerin gemacht. Auch diese praktische Erfahrung kommt ihr
jetzt im Studium zu Gute. Sie
möchte später gerne bei einer Firma im Projektmanagement arbeiten.
Die Studenten lernen gerne
in Lerngruppen – so könne
man sich und die anderen
besser motivieren und sich
gegenseitig helfen.
SOEST � Wie ist es so, in Soest
zu studieren? Was ist interessant am Standort Soest der
Fachhochschule Südwestfalen
mit fünf Standorten Iserlohn,
Hagen, Meschede, Lüdenscheid
und Soest? Was für Vorzüge hat
es, in Soest zu studieren? Der
Anzeiger traf vier Studenten, die
darüber berichten, warum sie in
Soest studieren und für welchen
Studiengang sie sich entschieden haben.
Für Fiona Wischer (19) und
Kristine Köpe (19) hat der Studien-Alltag erst seit wenigen
Wochen begonnen. Beide haben sich für Maschinenbau
entschieden und sind im ersten Semester. Fiona kommt
aus Paderborn, Kristine aus
Bergkamen.
Der
Anteil
männlicher Kommulitonen
ist natürlich hoch: Zum Wintersemester 2016/2017 sind
insgesamt 86 Studierende gestartet, darunter vier Frauen.
Dumme Sprüche müssen sich
die beiden nicht anhören –
diese Zeiten seien zum Glück
vorbei. „Ich bin mit Technik
groß geworden“, sagt Kristine Köpe, der Vater führt ein
Lohnunternehmen. „Ich habe
ihm oft geholfen, die Maschinen zu reparieren.“ Da lag
das Maschinenbau-Studium
auf der Hand. Ihr Traumjob:
Bei Claas eine Anstellung zu
finden. Auch Fiona Wischer
hat einen Hang zur Technik.
„Ich möchte was Praktisches
machen.“ In Soest und in den
Studentenalltag haben sich
die beiden jungen Frauen, die
seit wenigen Wochen zu dritt
Ortsgespräch
STUDIEREN
IN SOEST
Der Standort Soest der Fachhochschule Südwestfalen aus der Vogelperspektive: Die Blöcke der ehemaligen Kaserne dienen heute dem Lernen. � Foto: Dahm
in einer WG in Soest wohnen,
bereits prima eingelebt. „Es
ist sehr kollegial und freundschaftlich hier, man hilft sich
gegenseitig viel“, sagen die
beiden. Steffen Cizelsky und
Claudia Remmers nicken.
„Der Zusammenhalt
ist toll“
„Der Zusammenhalt unter
den Studenten ist toll. Es gibt
auch eine große Gemeinschaft in der Fachschaft“, sagt
der 23-jährige Erstsemestler
der Argrarwirtschaft. Cizelsky stammt aus der Landwirtschaft: Seine Eltern führen einen Vollerwerbshof mit 60
Milchkühen in Westerkappeln nahe Osnabrück. Doch
den Hof will er nicht übernehmen: „Da musst du 365
Tage ran, ich möchte lieber
Arbeitnehmer als Selbständiger sein.“ Ihm schwebt vor,
später in einer Saatgutfirma
oder einer Zuchtorganisation
in der Koordination zu arbeiten. Warum er gerade in
Soest studiert? Cizeslsky
zuckt die Achseln: Osnabrück
wäre seine erste Wahl gewesen, doch nc-technisch hätte
er dort keine Chance gehabt.
Aber mit Soest ist der Student
jetzt auch hochzufrieden.
Schwierig sei es gewesen,
eine Wohnung zu finden,
sagt er. Zuerst habe er sich in
einem Studentenwohnheim
beworben – keine Chance.
„Da musst du mindestens ein
Jahr warten, das war mir zu
lang. Inzwischen hat er in der
Nähe der FH mit einem Kommilitonen eine Wohnung bezogen. Cizelsky hat vor dem
Studium eine Ausbildung
zum Landwirt absolviert und
ein Jahr auch als Geselle gearbeitet. Da habe er Geld verdient, was ihm jetzt zu Gute
käme.
Claudia Remmers (28) hat
ebenfalls vor ihrem Studium
des Wirtschaftsingenieurswesen (früher Engeneering and
Projektmanagement)
eine
„Interessant ist auch, dass
fast jeder zweite Abiturient
nach der Schule erstmal ein
Jahr Auszeit nimmt und ein
Freiwilliges Jahr oder Work
and Travel im Ausland
macht“, sagt Tambach. Das
habe ganz klar mit G8 zu tun;
Die Schüler sind ein Jahr jünger, wenn sie mit der Schule
fertig sind, viele fühlten sich
zu jung für ein Studium und
wollen erstmal Erfahrungen
bei Praktika, dem FSJ oder bei
Auslandsaufenthalten sammeln. Damit sei das komplette Gegenteil von dem erreicht
worden, was G8 erreichen
wollte, so Tambach. „Die jungen Leute sollten früher in
Studium und Beruf, das ist
nicht erreicht worden.“ Im
Rahmen der berufskundlichen Vortragsreihe der Berufsberatung sei der Vortrag,
in dem es darum geht, was
man nach dem Abitur und bis
zum Studium machen kann,
mit etwa 250 Zuhörern am
stärksten besucht. „Das zeigt
das große Interesse.“
Großes Interesse haben die
jungen Leute zum Beispiel an
Studiengängen wie Psychologie und Pädagogik, Sozialpädagogik und Erziehungswissenschaften. Ein weiterer
Renner seien nach wie vor
die Studiengänge Jura, Medizin und die Management-Studiengänge wie BWL und
Wirtschaftswissenschaften.
Aus Sicht vieler Unterneh-
men sei die nur mittelmäßige
Nachfrage nach den Ingenieurwissenschaften
nach
wie vor nicht wirklich befriedigend. Außer der TH in Aachen, die einen NC auf den
Ingenieurwissenschaften hat,
bieten die anderen Hochschulen in Deutschland den
Studenten eine Studienplatzgarantie an. Das heißt, wer
zum Beispiel Elektrotechnik
in Paderborn studieren will,
bekommt auch dort einen
Studienplatz. Obwohl viele
Schulen die naturwissenschaftslichen-mathematischen Fächer besonders in
den Fokus rücken, wählen
doch viele Schüler nach der
zehnten Klasse Physik ab.
„Man müsste die Kinder in
der Mittelstufe noch mehr
fördern, was die Physik betrifft.“
Tambach erkennt: Viele der
Abiturienten wählen ihren
Studiengang nach Interessen,
nicht nach Berufschancen,
obwohl es zum Beispiel in Ingenieur-Berufen gute Zukunftschancen gebe.
Out sind bei jungen Leuten
aus dem Kreis Soest zur Zeit
die Studienfächer Theologie
und auch Archäologie werde
kaum nachgefragt. Geschichte sei hingegen stark nachgefragt. „Viele fragen mich, was
man denn mit Geschichte
werden kann, wenn man
nicht Lehrer werden will.“
Zu wenig Angebote
für duales Studium
Auf einem ganz anderen
Blatt stehen die dualen Studiengänge, denn die Zahl der
dual Studierenden ist sehr
klein. „Nur drei Prozent der
Studienanfänger
studieren
dual, 97 Prozent konventionell.“ Das liege daran, dass zu
wenig duale Studiengänge an
den Firmen und Verwaltungen des Kreises Soest angeboten würden. � agu
Und wie steht es um das Studentenleben in Soest? „Ganz
gut“, so die Meinung der Vier.
Vor allem die Agrarwirtschaftler seien da recht aktiv.
„Man trifft sich schon mal auf
ein Bierchen in der Stadt“,
sagt Steffen Cizelsky. Claudia
Remmers bedauert, dass im
Anno nichts mehr stadtfindet. „Da schwärmen doch
noch einige von.“ Ansonsten
sind der Mad Club und das
Primo bevorzugte Orte des
Studentenlebens in Soest.
„Eine Disko mit guter Musik
fehlt aber leider in Soest“, finden die Studenten.
Was könnte man hier sonst
noch verbessern? Manchmal Vor zwei Jahren wurde im Hörsaal das Jubiläum „50 Jahre studieren
hapere es in einigen Gebäu- in Soest“ gefeiert. � Foto: Dahm
den mit der WLAN Verbindung. „Und es fehlen definitiv Parkplätze, das habe ich in
den vielen Monaten gemerkt,
als ich von Paderborn gependelt bin“, sagt Claudia Remmers. � agu
14017 Leute studieren an FH Südwestfalen
3087 Studenten
SOEST � Zum Wintersemester
2016/2017 sind an den fünf
Standorten der Fachhochschule Südwestfalen 14017
Studierende eingeschrieben.
Damit ist die Zahl gegenüber
dem Vorjahr leicht angestiegen: 13859 junge Leute studierten im Wintersememester 2015/2016 an einem der
Standorte. Im Wintersemester 2015/2016 waren es 72
Prozent männliche und 28
Prozent weibliche Studenten.
„In Soest studieren aktuell
3087 Männer und Frauen“,
sagt Sandra Pösentrup, Sprecherin für den Standort
Soest. „Im vergangenen Jahr
waren wir knapp unter 3000
Studierenden. Dieses Jahr liegen wir leicht drüber.“ Für
mehr Studenten sei der
Standort Soest allerdings gar
nicht ausgelegt, die räumlichen Kapazitäten seien so gut
wie erschöpft. „Es ist auch
gar nicht unser Ziel, jedes
Jahr neue Rekorde aufzustelDen Campus nutzen im Sommer viele, um sich auf dem parkähnli- Den Karrieretag an der FH nutzen viele junge Leute, um mit Firmen ins Gespräch zu kommen. Hier in- len“, so Pösentrup. Die Stärke
der FH Soest sei die familiäre
chen Grundstück zu erholen. � Foto: Niggemeier
formieren sich Convos-Schüler am Stand der Firma Grimme. � Foto: Dahm
Atmosphäre, wir kümmern
uns um jeden einzelnen. Die
Betreuung der Studierenden
durch die Professoren und
die Mitarbeiter ist prima.“ Es
gebe zum Beispiel auch einen
„Studenten-Coach“, der für
Probleme der Studenten –
fachlich und privat – Ansprechpartner sei.
1964 wurde die Errichtung
einer staatlichen Ingenieurschule in Soest in einem Gebäude am Immermannwall
mit einer Außenstelle in Meschede eingerichtet – die
Keimzelle
der
heutigen
Standorte der Fachhochschule Südwestfalen war gelegt.
Der jüngste Studiengang
der FH ist der Präsenzstudiengang Frühpädagogik (Bachelor), der seit dem Wintersemester 2013/2014 angeboten
wird.
Das Gebäude 17 wurde vor
fast genau einem Jahr eröffnet: Hier sind das Fraunhoferanwendungszentrum, Seminarräume und ein Medienlabor untergebracht. � agu
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