Fatigue noch immer ein ungelöstes Problem in der Onkologie? Prof. Dr. Petra Feyer Klinik für Strahlentherapie, Radioonkologie und Nuklearmedizin Vivantes Klinikum Berlin Neukölln, Charité Universitätsmedizin Berlin La Fatigue Paris 2010 Fatigue Laut französischem Wörterbuch: Müdigkeit, abgeschlagen Fatigue „Ich will, aber ich kann nicht!“ www.deutsche-fatigue-gesellschaft.de Fatigue Definition von Fatigue Zum subjektiven Erleben von Müdigkeit gehören ein unüberwindbares, anhaltendes Gefühl der Erschöpfung und eine verminderte Kapazität für physische und mentale Betätigung. Dabei tritt Müdigkeit entweder unabhängig von der Aktivität oder Anstrengung auf oder es besteht ein Missverhältnis zwischen dem Müdigkeitsgrad und Aktivitätsgrad. Müdigkeit im Sinne von Fatigue bessert sich nicht nach Phasen der Ruhe und Erholung. Stärken und Schwächen in der onkologischen Versorgung 9 Arzt-Patient-Beziehung 13 Behandlungsräume, Praxisausstattung allgemein 30 Mitbestimmung und gemeinsame Entscheidungsfindung Praxisorganisation 27 5 Schwester-Patient-Beziehung 15 Einbeziehung von Familie und Freunden 39 Umgang mit Nebenwirkungen 30 Nebenwirkungen (Symptome) 19 Kommunikation mit Ärztinnen und Ärzten 24 Austausch mit anderen Patientinnen und Patienten 19 Weitere Information 3 Weitere Unterstützung im Alltag 19 Schmerzen und Schmerzbehandlung 0 10 20 30 40 50 Problemhäufigkeiten PASQOC Feyer et al JSCC 2008 Nebenwirkungen (Symptome) Müdigkeit ("Fatigue") 60 Haarausfall 55 Übelkeit 51 Schlafstörungen 42 Gewichtsabnahme 36 Durchfall 31 Mundschleimhautentzündungen 31 Schmerzen 29 Veränderungen der Finger-/Zehennägel 28 Erbrechen 27 Übermäßiges Schwitzen 25 Gewichtszunahme 24 Atemnot 23 Potenzstörungen/Libidoverlust 17 Charakterveränderungen Blutungen der Haut Andere Nebenwirkungen 13 6 10 0 10 20 30 Problemhäufigkeiten PASQOC 40 50 60 70 Prozent Feyer et al JSCC 2008 Evaluation of side effects during oncological care Tumorzentrum Berlin Studien – Ergebnisse (n=272) Symptom Mäßige und starke Beschwerden Rasche körperliche Erschöpfung 70,50% Überdurchschnittliche Müdigkeit 52,60% Schwitzen 49,30% Haarausfall 46,70% Luftnot 45,30% Schmerzen in der Muskulatur 42,30% Kribbeln / taubes Gefühl in Händen / Füßen 39,30% Geschmacksveränderung 38,20% Appetitlosigkeit 36,50% Merk- und Konzentrationsfähigkeitsstörungen 36,10% Übelkeit 34,20% Durchfall 30,60% Nagel-oder Hautveränderungen 26,90% Schmerzen in der Brust 26,50% Verstopfung 24,60% Projektgruppe „Supportive Maßnahmen“ des Tumorzentrum Berlin e.V. Feyer 2008 Fatigue-Syndrom bei Krebs Akut: direkte Therapiefolge, in der Regel nach 3 Monaten überwunden (60 – 80 %) Chronisch: noch Monate bis Jahre nach Abschluss der Therapie anhaltend (30 – 40 %) Entstehung von Fatigue Ebene der Störung Schädigung Physisch: Typ und Stadium des Karzinoms, Zytokine, biochemische Faktoren, Stoffwechselstörungen, Behandlung, Energieumwandlungsmuster Psychosozial: Psychische Erkrankung, Krankheitsverarbeitung, Soziale Isolation Wahrnehmung Geschwächte Schutzfunktionen (seelische Stabilität, körperliche Widerstandskraft, soziales Netz, Kognitionen, Selbstgefühl) Ausdruck Auf einer physischen, affektiven und kognitiven Ebene Interaktion Fatigue-Syndrom Tumorerkrankung und Therapie Psychische Verarbeitung soziale Auswirkungen FatigueSyndrom Somatische Nebenwirkungen und Organinsuffizienzen Fatigue-Syndrom Spezielle Tumorerkrankung Physische Beschwerden und Organinsuffizienzen Tumorbezogene Symptome Individuelle Tumortherapie Psychische Belastungen und Soziale Probleme Therapiebezogene Nebenwirkungen Fatigue-Symptome • • • • • • • • • • Müdigkeit Konzentrationsschwäche Asthenie erhöhte Infektanfälligkeit Schlafstörungen Angstzustände Depressionen Kopfschmerzen sexuelle Unlust Unruhe Diagnostik von Fatigue Patientenfragebogen zur Selbsteinschätzung Betreuerfragebogen (Fremdanamnese) Laboranalyse hämatologischer Parameter Erfassung der Kofaktoren für Fatigue Suche nach weiteren körperlichen und psychischen Symptomen (Ausschluss einer Depression) und Aufnahme der Krankengeschichte Faktoren für die Diagnostik von Müdigkeit Schlaf Physische Parameter Müdigkeitsmuster Behandlungsmaßnahmen Komorbiditäten (Anämie, Hypothyreose, Depression, Schmerz) Faktoren Emotionaler Zustand Begleitmedikation Gedächtnis und Aufmerksamkeit Leistungsfähigkeit im Rahmen der täglichen Routine Fatigue bei Tumorpatienten - Screening. gering (1 – 3) Schulung plus allgemeine Strategien des Fatigue-Managements Wiederholung bei Nachuntersuchung Screening Fatigue (F) bei jeder Diagnostik Score-Klassifikation: 0 = keine F 1 – 3 = geringe F 4 – 6 = moderate F 7 – 10 = schwere F moderat (4 – 6) oder schwer (7 – 10) Siehe Primärdiagnostik NCCN Practice Guidlines in Oncology 2010 Fatigue – Evaluation (NCCN 2010) Gezielte Evaluation möglicher Ursachen (Score > 4): Schmerzen Emotionale Belastungssituationen (Depression) Schlafstörungen Anämie Schilddrüsenunterfunktion Erschöpfungsproblematik und ihre ungenügende Behandlung 78 % aller Patienten haben regelmäßig Erschöpfungszustände: 32 % täglich 21 % an den meisten Tagen 14 % einmal pro Woche 11 % einige Tage im Monat 12 % haben Erschöpfung mit Todeswunsch Dabei sehen nur 27 % (!) aller Ärzte Behandlungsnotwendigkeit und die Therapie in Form von: aber Ruhe 68 % Diät / Ernährung 37 % Medikamenten 30 % Cella D., 1999 Beurteilung der Behandlungsnotwendigkeit von Fatigue und Schmerzen durch Patienten und Onkologen Vogelzang N. J. et al., Semin Hematol 1997;34 (3 Suppl): 4 - 12 Beeinträchtigung der verschiedenen Lebensbereiche durch Fatigue Stone P. et al., Annals of Oncology 11: 971 – 975, 2000 (34) Therapieassoziierte Toxizitäten verstärken Fatigue Nausea und Emesis Schmerz Alopezie Infektionsneigung Blasenentzündung Blutungsneigung Diarrhoe / Obstipation u.v.a. Nebenwirkungen (Symptome) Müdigkeit ("Fatigue") 60 Haarausfall 55 Übelkeit 51 Schlafstörungen 42 Gewichtsabnahme 36 Durchfall 31 Mundschleimhautentzündungen 31 Schmerzen 29 Veränderungen der Finger-/Zehennägel 28 Erbrechen 27 Übermäßiges Schwitzen 25 Gewichtszunahme 24 Atemnot 23 Potenzstörungen/Libidoverlust 17 Charakterveränderungen Blutungen der Haut Andere Nebenwirkungen 13 6 10 0 10 20 30 Problemhäufigkeiten PASQOC 40 50 60 70 Prozent Feyer et al JSCC 2008 Mit Zunahme der Zahl der aufgetretenen Nebenwirkungen steigt der Grad der Fatigue Prozent 100% ausgeprägte Erschöpfung mäßige Erschöpfung 80% leichte Erschöpfung 60% keine Erschöpfung 40% 20% N = 3931 0% 1 n = 277 PASQOC 2 419 3 552 4 523 5 514 6 444 7 378 8 280 9 229 10 136 11 91 12 13 14 48 20 15 15 17 3 2 Feyer et al JSCC 2008 Die Wahrnehmung von Nebenwirkungen unterscheidet sich in den einzelnen Altersklassen 80% Erbrechen Prozent der patienten mit Nebenwirkungen 70% Übelkeit 60% Müdigkeit ("Fatigue") 50% 40% 30% 20% N = 4457 10% 0% 18-35 PASQOC 36-54 55-64 65-74 74+ Alter Feyer et al JSCC 2008 Der Lebensweg Behandlung von Fatigue Anerkennung als gravierende Befindensstörung Behandlung der körperlichen und seelischen Grunderkrankungen Behandlung von Kofaktoren wie Schmerz, Anämie, Hypothyreose, Schlafstörung, Mangelernährung, etc. Lebensstil und Lebensführung anpassen Dosiertes Bewegungstraining Supportive Psychotherapie Medikamentöse Therapie Fatigue - Treatment Guidlines (NCCN 2010) Anämiebehandlung: EPO, Fe, Folinsäure, Transfusionen SD-Unterfunktion: Substitutionstherapie Mögliche Medikation: Steroide, Stimulantien (Methylphenidat, Modafenil), Antidepressiva Nicht-medikamentöse Behandlung: Leichte körperliche Belastung, ausgewogene Ernährung und Flüssigkeit, Ausgleich von Schlafstörungen Medikamentöse Therapieansätze bei chronischem Fatiguesyndrom bei Krebs Erythropoetin (chemotherapieinduzierte Anämie) Psychostimulanzien (Methylphenidat, Modafinil) Ginseng (Wisconsin, 1 – 2 g/d, ASCO 2007) L-Carnitin (3 – 6 g/d, bei Carnitinmangel) Etanercept (TNF-alpha-Blocker unter Docetaxel) Megesterolacetat, Omega-3-Fettsäuren (bei Mangelernähung) Therapieempfehlungen bei Fatigue modifiziert nach NCCN 2010 Allgemeine Nicht-pharmakologische Pharmakologische Strategien Ansätze Ansätze Energie sparen, Prioritäten setzen Planbare Aktivitäten zu Zeiten der höchsten Energie (Aktivitätstagebuch) Nur eine Aktivität zu einem Zeitpunkt Tempo verringern, delegieren Keine Unterbrechung des Nachtschlafes Entspannung einplanen www.nccn.org Aktivitätserhöhung Aufstellung eines individuellen Übungsprogramms Physiotherapie und Rehabilitationsmaßnahmen Ernährungsberatung Schlaftherapie Psycho-soziale Interventionen Stressmanagement Entspannung Behandlung der Komorbiditäten wie Anämie, Schmerz, Hypothyreose Erwägung von Psychostimulantien nach Ausschluss aller anderen möglichen Ursachen von Fatigue Erwägung von Methylphenidat, Antidepressiva, Steroide „Sport ist so wichtig wie ein Krebsmedikament“ Eigentlich sollten supportive Massnahmen den Patienten wie ein Regenschirm schützen ... doch oftmals bleibt es beim eigentlich... Integrative supportive Versorgung im Kontinuum des onkologischen Therapiekonzeptes Phase II Symptome und Rehabilitation Phase I Therapie + Symptome Phase III Palliativtherapie Terminal Care Supportivmedizin Akutmedizin Supportivmedizin Rehabilitationsmedizin Supportivmedizin Palliativmedizin Lebensqualität schafft Lebensfreude Dimeo 2009 Dimeo 2009 Dimeo 2009 Dimeo 2009 Dimeo 2009 Dimeo 2009 Kleine Tebbe 2009 Kleine Tebbe 2009 Kleine Tebbe 2009 Kleine Tebbe 2009 Kleine Tebbe 2009 Motivationshilfen Pedometer Broschüren Sportgruppen Angebote in der Krebsnachsorge Krankenkassen Landessportbund Regionale Selbsthilfegruppen Laufevents Vor dem Trainingsstart Anamnese, körperliche Untersuchung Belastungs-EKG Ergometrie Maximalen Puls bestimmen optimalen Trainingspuls ermitteln Jeder Mensch der sich belasten darf, sollte trainieren! Antrag auf Kostenübernahme für Rehabilitationssport Kleine Tebbe 2009