109273_S_715_739:102157S_557_566 01.08.2011 9:47 Uhr Seite 727 Bildgebende Verfahren 727 A B C Abb. 20-24. Szintigraphische Abbildungen der Vorderextremitäten (A und B) und des Beckens (C) beim Pferd. Die von den Radionukliden emittierte Gammastrahlung ergibt in einem Summationsbild eine Aktivitätsverteilung, die durch eine Farbskala wiedergegeben wird. Aufnahmen Dr. M. Zengerling, München. A B C Abb. 20-25. Szintigraphische Abbildungen der Hinterextremität (A), des Kopfes (B) und des Brustkorbs (C) beim Pferd. Die Farbe rot dokumentiert gegenüber den blauen Farbtönen eine deutlich vermehrte Aktivität in Form von Funktionsstörungen in den dargestellten Knochen. Aufnahmen Dr. M. Zengerling, München. Radiologie Die Radiologie befasst sich als Teilgebiet der Medizin mit der Anwendung ionisierender Strahlen zu diagnostischen, therapeutischen und wissenschaftlichen Zwecken. Anfänglich wurden in der Radiologie ausschließlich Röntgenstrahlen verwendet. Die Röntgenstrahlung wurde am 8. November 1895 von Wilhelm Conrad Röntgen im Physikalischen Institut der Universität Würzburg entdeckt und von ihm als X-Strahlung benannt. Diese Bezeichnung wird bis heute im anglo-amerikanischen Sprachbereich verwendet (X-rays). Bereits kurze Zeit später wurden Röntgenstrahlen bei Mensch und Tier erstmals zur Diagnostik eingesetzt. Neben den Röntgenstrahlen kommt in der medizinischen Diagnostik heute auch andere ionisierende Strahlung, wie beispielsweise die Gammastrahlung (u.a. bei der Szintigraphie), zur Anwendung. Zur Radiologie werden als bildgebende Verfahren auch die Magnetresonanztomographie und die Sonographie gerechnet, obwohl bei beiden keine ionisierenden Strahlen zum Einsatz kommen. Das Fachgebiet gliedert sich noch weitergehend in die Gebiete diagnostische Radiologie und Strahlentherapie bzw. interventionelle Radiologie. Die diagnostische Radiologie umfasst die Projektionsradiographie (konventionelle Röntgendiagnostik) und die Schnittbildverfahren (Röntgen-Computertomographie, Magnetresonanztomographie oder Sonographie). Dabei können je nach klini- scher Fragestellung zusätzlich Kontrastmittel eingesetzt werden, die die Darstellung bzw. Abgrenzung bestimmter Strukturen erleichtern oder Aufschluss über die Funktion eines Organsystems geben. Als Kontrastmittel in der Projektionsradiographie eignen sich beispielsweise unlösliche Bariumsalze als Aufschwemmung (Verdauungsapparat), lösliche Jodverbindungen (Cavum subarachnoidale, Harntrakt), Luft (Dickdarm) und Kohlendioxid (Harnblase). Nuklearmedizinische diagnostische Verfahren Bei der Szintigraphie werden mit Radionukliden markierte Stoffe (sog. Radiopharmaka) appliziert. Die Verteilung dieser Substanzen im Organismus ist von der chemischen Struktur des Trägerstoffs abhängig. Die zur Markierung verwendeten Radionuklide (meist 99mTechnetium) senden Gammastrahlung aus. Die (veränderliche) Lokalisation dieser Strahlenquelle wird mit einer Gammakamera »von außen« aufgezeichnet. Hierbei entsteht ein Summationsbild. Mit der Messeinrichtung ist es auch möglich, Veränderungen der Aktivitätsverteilung im zeitlichen Verlauf darzustellen. Auf diese Weise können Funktionsstörungen (z.B. von Niere, Schilddrüse und Gelenken) festgestellt und quantifiziert werden (Abb. 20-24 u. 25). 109273_S_715_739:102157S_557_566 01.08.2011 9:47 Uhr Seite 728 728 20 Schnittanatomie und bildgebende Verfahren Septum nasi Meatus nasi dorsalis Endoturbinale I Endoturbinale II (= Concha nasalis media) Meatus nasi communis Endoturbinale III Maxilla Endoturbinale IV Nasopharynx Palatum durum Cavum oris proprium M1 Tubus Corpus linguae Vestibulum buccale M2 Corpus mandibulae Abb. 20-26. Transversales Computertomogramm (Knochenfenster) durch den Kopf eines Deutschen Schäferhundes in Höhe von M1–M2. Nuklearmedizinische Schnittbildverfahren – die aus Kostengründen derzeit in der kurativen Veterinärmedizin kaum eingesetzt werden – sind die Single-Photonen-Emissions-Computertomographie (SPECT) und die Positronen-Emissions-Computertomographie (PET). Bei der SPECT rotiert die Messeinrichtung (Einzel- oder Doppeldetektoren) um den Patienten und führt dabei kontinuierliche Messungen durch. Die Lokalisation der Strahlenquelle kann auf diese Weise wesentlich genauer bestimmt werden als bei der Szintigraphie. Auch hier ist die Gammastrahlung die eigentliche Quelle der Information. Im Unterschied zur SPECT werden bei der PET kurzlebige Radionuklide verwendet, die unter Aussendung von Positronenstrahlung zerfallen. Das Positron tritt unmittelbar nach seiner Freisetzung mit einem Elektron in Wechselwirkung. Beide werden dabei vernichtet und es entstehen zwei Gammaquanten, die sich in einem Winkel von 180° voneinander entfernen. Diese Gammastrahlung trifft jeweils zwei gegenüberliegende Detektorelemente eines Detektorrings, was den Nachweis und die Ortsbestimmung der Positronenemission ermöglicht. Im Unterschied zu den Verfahren, die Röntgenstrahlung zur Bildgebung nutzen (Röntgenuntersuchung, Computertomographie), sind bei der Anwendung von Radionukliden umfangreiche Strahlenschutzmaßnahmen erforderlich, die über die Untersuchungszeit hinausgehen. Nicht nur während der Untersuchung des Tieres sind Personen der Strahlung ausgesetzt. Auch die Herstellung und der Transport der Radiopharmaka, die Betreuung der Patienten nach der Untersuchung und die Ausscheidungen des Tieres gehen mit einer Strahlenbelastung für die anwesenden Personen einher. Röntgendiagnostik Röntgenstrahlen werden beim Durchtritt durch die Gewebe des Körpers in unterschiedlichem Maße geschwächt. Die Schwächungsunterschiede werden mit Hilfe eines Röntgenfilmes bzw. digitalen Aufzeichnungssystems in einem Summationsbild sichtbar gemacht. Im gesunden Organismus können vier Stufen mit zunehmender Grauwertdichte unterschieden werden: ● ● ● ● Knochendichte: Knochengewebe, mineralisiertes Knorpelgewebe; Weichteil- oder Flüssigkeitsdichte: parenchymatöse Organe, Muskulatur, Lymphgewebe, Nervengewebe, alle Körperflüssigkeiten; Fettdichte: Netz, retroperitoneales Fettgewebe; Gasdichte: Trachea, Luft in der Lunge, Gas im Magen-Darm-Trakt. Eine Abgrenzung von Strukturen ist nur dann möglich, wenn sie sich in ihrer Röntgendichte unterscheiden und deshalb im Bild einen Grauwertunterschied (Kontrast) aufweisen. Ein großer Nachteil der Röntgendiagnostik liegt darin, dass alle Strukturen, die »Weichteil- bzw. Flüssigkeitsdichte« aufweisen, das gleiche Absorptionsverhalten besitzen. Daher ist es nicht möglich, z.B. Strukturen innerhalb der Leber (Leberparenchym, Gallengänge, Gallenblase, Gefäße) zu differenzieren. Durch den Einsatz von Kontrastmitteln kann dieser Nachteil jedoch überall dort, wo dies »biologisch« möglich ist, wenigstens teilweise ausgeglichen werden. Jodhaltige Kontrastmittel können in Blutgefäße, in die Harn- 109273_S_715_739:102157S_557_566 01.08.2011 9:47 Uhr Seite 729 Bildgebende Verfahren 729 M. temporalis Os parietale Ventriculus tertius (III) Os zygomaticum Hypophysis Articulatio temporomandibularis Os basisphenoidale Nasopharynx M. masseter Mandibula Tubus M. digastricus A. und V. lingualis A. und V. sublingualis Abb. 20-27. Transversales Computertomogramm (Weichteilfenster) durch den Kopf eines Hundes in Höhe des Kiefergelenks. blase oder in den Subarachnoidalraum injiziert werden. Eine Bariumsulfatsuspension kann zur Darstellung des Magen-Darm-Trakts genutzt werden. Computertomographie (CT) Die Computertomographie basiert wie die Projektionsradiographie auf der Darstellung von Absorptionsunterschieden der Röntgenstrahlung. Mit Hilfe eines fächerförmigen Röntgenstrahls findet während des Umlaufs der Röntgenröhre um den Patienten (Umlaufzeiten bei modernen Geräten weniger als 1 s) durch die Detektoreinheit eine kontinuierliche Dosismessung statt. Aus den Messwerten werden dann für jedes einzelne Voxel (Volumenelement) die Grauwerte (Schwächungskoeffizienten) errechnet. Die Darstellung im Schnittbild erlaubt damit eine sehr gute räumliche Orientierung (Abb. 20-26 bis 29). Mit modernen Geräten und modifizierten Verfahren (Spiral-CT, Mehrschichttechnik) ist es möglich, Schichtdicken unter 1 mm (hohe Ortsauflösung) innerhalb kurzer Untersuchungszeiten zu erzielen. Damit wird es möglich, kaum merkliche Veränderungen räumlich und zeitlich aufzulösen. Da die Bildqualität (Kontrastauflösung, Ortsauflösung, SignalRausch-Verhältnis, Auftreten von Artefakten) mit der Geräteeinstellung variiert, ist es notwendig, spezifische Untersuchungsprotokolle in Abhängigkeit von den Kontrastmerkmalen und Dimensionen der zu untersuchenden Region und der erwarteten Zielstruktur zu erstellen. Die gezielte Anwendung von Nachbearbeitungsalgorithmen dient dazu, den Informationsgehalt des aufgezeichneten Datensatzes umfassend zu nutzen. Mit Hilfe der multiplanaren Reformation (MPR) ist es möglich, aus den transversalen Datensätzen beliebig orientierte weitere Schnittebenen (dorsal, sagittal, schräg, kurvig) und/oder Volumendatensätze (3-D) zu errechnen. Die Darstellung knöcherner Strukturen wird damit erleichtert. Die 3-D-Darstellung und nachfolgende Bearbeitung der dreidimensionalen Datensätze (»volume rendering«) vereinfachen auch die topographische Zuordnung (Abb. 20-30 bis 34). Im Unterschied zur Projektionsradiographie können auch geringe Schwächungsdifferenzen im Bild wiedergegeben werden. Knochen, mineralisierte Strukturen, Metalle und Gase sind aufgrund des zu ihrer weichteildichten Umgebung deutlich abweichenden Absorptionsverhaltens sehr gut beschreibbar. Darüber hinaus können auch »Weichteile« (Muskulatur, Haut, Lymphknoten, Parenchym, Rückenmark) im Schnittbild differenziert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Strukturen von Fettgewebe umgeben sind. Auch bei der CT können Kontrastmittel appliziert werden, um die Abgrenzung von Geweben zu verbessern. Die Einsatzgebiete der Computertomographie sind vielfältig. Besonders in Regionen mit großen Schwächungsunterschieden ist das Potenzial dieses Verfahrens sehr hoch; dies gilt z.B. für: ● ● ● ● ● Thorax: Lunge, Mediastinum, Kopf: Nasenhöhle, Nasennebenhöhlen, Ohren, Gefäße, Skelett und Gelenke sowie Abdomen. 109273_S_715_739:102157S_557_566 01.08.2011 9:47 Uhr Seite 730 730 20 Schnittanatomie und bildgebende Verfahren Tentorium cerebelli osseum Pars petrosa des Os temporale Meatus acusticus cartilagineus Meatus acusticus externus osseus Cochlea Bulla tympanica laterale Luftsackbucht M. longus capitis Plica neurovasculosa Stylohyoideum Scheidewand zwischen den Lufsäcken mediale Luftsackbucht Tubus Abb. 20-28. Transversales Computertomogramm (Knochenfenster) durch den Kopf eines Pferdes in Höhe der Luftsäcke. Einschränkungen ergeben sich durch die Strahlenexposition sowie durch Artefakte (Metalle, Bewegung). Die computertomographische Untersuchung von Tieren muss im Gegensatz zur Röntgenoder Ultraschalluntersuchung immer unter Allgemeinanästhesie erfolgen. Magnetresonanztomographie (MRT) Eine Alternative zur Computertomographie stellt die Magnetresonanztomographie dar, auch Kernspintomographie genannt. Die Vorteile dieses Verfahrens gegenüber der CT sind, dass es zu keiner Strahlenbelastung kommt, da ohne Röntgenstrahlung gearbeitet wird, und Organe und Gewebe auch ohne Kontrastmittel mit hohem Weichteilkontrast abgebildet werden können. Nachteile sind demgegenüber der höhere Anschaffungs- und Wartungspreis der MRTGeräte und die längeren Untersuchungszeiten (Abb. 20-2, 4, 9, 18, 19, 36, 38 bis 40). Bei der Magnetresonanztomographie beruht die Signalgebung auf Wechselwirkungen, die Protonen (Atomkerne des Wasserstoffs) mit einem starken Magnetfeld und Hochfrequenzimpulsen eingehen. Kontraste in der MRT basieren auf der Wiedergabe des unterschiedlichen Wasserstoffgehaltes der Gewebe (»Protonenimaging«). Da sehr geringe Unterschiede gemessen werden können, ist die MRT für die Diagnostik von Weichteilveränderungen besonders geeignet. Durch die Änderung der Geräteparameter kann man zudem unterschiedliche Gewebegewichtungen erzielen: ● ● ● T1-gewichtete Bilder (T1), T2-gewichtete Bilder (T2), Protonendichte-gewichtete Bilder (PDW). Mit Hilfe spezieller Sequenzen kann außerdem das Signal bestimmter Gewebe (Fett, Liquor) selektiv unterdrückt werden. Die Untersuchung besteht aus einer Kombination von geeigneten Sequenzen (Impulsfolgen) in unterschiedlicher Orientierung der Schnittebenen. Hierdurch kann der »Charakter« der Gewebe (Normalgewebe, Entzündung, Tumor) beschrieben werden. Die Messzeit pro Sequenz beträgt durchschnittlich 3–5 min. Daraus ergeben sich Untersuchungszeiten von etwa 20–45 min für eine Region. Kontrastmittel (Gadolinium) verändern im Gewebe – z.B. in einem Tumor – das Relaxationsverhalten der Spins und erlauben somit eine Abgrenzung vom umgebenden Gewebe. Gadolinium-Atome verfügen über ein lokales Magnetfeld, das die Protonen in der unmittelbaren Umgebung zur Abgabe eines stärkeren Signals veranlasst (»Positivkontrastmittel«). Es gibt auch »Negativkontrastmittel« (Eisenoxidnanopartikel). Auch bei der Magnetresonanztomographie bestehen gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Parametern der Abbildungsgüte. Um eine der klinischen Fragestellung entsprechende Darstellung zu erzielen, sind daher vor dem Hintergrund der Abbildungsmerkmale von Region und erwarteter Läsion Anpassungen der Parameter zu treffen. Das Potenzial bei der Wiedergabe von Weichteilkontrasten macht die Magnetresonanztomographie besonders interessant für die Diagnostik von: