Strategie & Management Strategie & Management Kino im Kopf „Sex sells“ ist eine der ältesten Marketingweisheiten überhaupt. Aber stimmt das überhaupt? Eine Neuromarketing-Analyse der aktuellen Spots von drei Erotikanbietern zeigt: Selbst die Profis der Branche wissen nicht immer, wo es langgeht Autorin: Elke Schwarz 1 Erotikwerbung abseits der schmuddeligen Klischees – geht das überhaupt? Der Beate-Uhse-Konzern, dessen Gründerin den Deutschen in der Nachkriegszeit dabei half, den Muff aus ihren Betten zu vertreiben, versucht seit Jahren, sein Image zu verbessern, und hat Frauen als seine Hauptzielgruppe auserkoren. Dem trägt auch die neue Kampagne Rechnung. Sie steht unter dem Motto „Trau Dich was“ und soll „selbstbe2 wusst, hochwertig, feminin und mit dem passenden Augenzwinkern“ sich dabei oft erheblich von dem, was daherkommen. die Probanden bewusst zu Protokoll geZum Vergleich hat die Ratingagentur ben würden, wenn man sie direkt nach Advertising die Spots zweier Wettbewerihrer Meinung befragt. Der Grund daber mithilfe des Subconscious Decision für ist, dass unser Gehirn die meisten Marketing Index (SDMI) auf ihre WirEntscheidungen im Unterbewusstsein kung im Unterbewusstsein untersucht: trifft. Unsere scheinbar rationalen ArAmorelie, 2013 gegründet, will die Erogumente für oder gegen einen Kauf sind tikbranche mit neuen, zukunftsweisensomit nichts weiter als eine nachträgliden Ideen aufmischen. Sexspielzeug sei che Rechtfertigung. in der heutigen Zeit kein Tabuthema Der Emotion-Index ist deshalb auch mehr und gehöre zu einem offenen, moder wichtigste der fünf Indizes, auf dedernen Lebensstil, so das Unternehmen. nen der SDMI fußt. Die HerausfordeDritter im Wettbewerb ist EIS, nach eirung ist, Erotik auf eine „saubere“ und genen Angaben der führende deutsche dennoch prickelnde, annehmbare Art Onlineanbieter für intime Lifestyleund Weise erlebbar und sichtbar zu maProdukte rund um die Themen Liebe, chen. Dies ist umso wichtiger, als die AkLust und Leidenschaft. Alle drei Untertivierung der „Lustnehmen versuchten zentren“ im Gehirn zuletzt, Kunden mit Fantasie wirkt sehr starke emotioneuen Fernsehspots besser als nale Impulse auslöst, zu überzeugen. Die nackte Haut die unmittelbar mit Frage war: Welcher der Marke verbunden Spot erhöht die Kaufwerden. Bei rein sexuellem Verlangen motivation? konzentriert sich die Hirnaktivität auf Eine Überprüfung der Filme anden hinteren Bereich des Striatums und hand der Kriterien des SDMI liefert ein der Inselrinde, bei Liebesgefühlen wird präzises Bild der Wirkung, die sie im zusätzlich der vordere Teil des Striatums Unterbewusstsein des Betrachters ausaktiv, der mit dem Streben nach Erfüllösen. Die Ergebnisse unterscheiden 72 absatz wirtschaft 5 2015 1 Beate Uhse: Deutschlands älteste Erotikkette will ihr Schmuddel-Image aufbessern 2 Amorelie: Das Start-up gehört zum Medienkonzern ProSiebenSat.1 3 EIS: Der Versandhandel setzt auf derben Humor 3 lung und Befriedigung verknüpft ist. Je nachdem, wie intensiv diese Regionen aktiviert werden und welche positiven (Belohnung) oder ablehnenden (Flucht) Impulse dabei ausgelöst werden, ändert sich die Kaufmotivation. Schauen wir einmal genauer hin. Die Kunst eines erfolgreichen Erotikspots ist es, den Bereich der Fantasien zu betreten, um Neugierde zu wecken, jedoch nicht zu viel zu zeigen, da sonst eine Abwehrreaktion auftritt. Erotik ist ein Spiel mit dem Feuer: Wird zu wenig gezeigt, wirkt es langweilig. Wird zu viel gezeigt, weckt es Aversionen. Es ist wie bei einem attraktiven Menschen, den man am Strand trifft: Der Bikini bzw. die Badehose verhüllt das Wesentliche, lässt jedoch das Mögliche erahnen. Das Gehirn ist bekanntlich das wichtigste Sexualorgan. Erotisches Kopfkino sorgt für die Ausschüttung von Hormonen wie Dopamin und Adrenalin. Die Hormone steuern aber nicht nur das Verlangen nach körperlicher Liebe. Auch unser Glücksempfinden oder das Hochgefühl beim Kaufen werden von diesen Hormonen maßgeblich mit beeinflusst. Werbung, die sich vor allem an die Zielgruppe Frauen richtet, sollte den Zuschauerinnen folglich Platz für ihr Kopfkino lassen. Vor allem Amorelie nutzt diesen Effekt – die Verknüpfung der Bilder mit dem Thema Sex entsteht erst im Kopf des Betrachters. Beate Uhse ist mit einer Kuss-Szene zum Einstieg schon wesentlich deutlicher, während die Symbolik von EIS beim Betrachter keinerlei Zweifel aufkommen lässt, worum es inhaltlich geht. Deshalb erzielt Amoreli im Emotions-Index 56 Punkte auf einer Skala von –100 bis +100 Punkten, Beate Uhse landet mit 48 Punkten knapp dahinter. EIS liegt mit 13 Punkten auf Platz drei. Eine Werbung, die den Zuschauer und Humor hervorgerufen werden. Der zum Nachdenken anregt und ihn dazu sehr eigenwillige Stil sorgt zunächst bringt, sich mit ihr zu beschäftigen, für einen hohen Wiedererkennungswird besser abgespeichert. Jedes Mal, wert, macht es dem Zuschauer jedoch wenn ein Impuls über eine Nervenschwer, sich mit den Figuren zu idenbahn läuft, hinterlässt dieser eine Spur. tifizieren. Der derbe Humor und die Spuren im Kopf von Kunden zu hinterteils drastischen Bilder lösen im Unterlassen ist eines der wichtigsten Ziele bewusstsein tendenziell Fluchtreflexe in der Werbung. Doch auch wichtig ist, aus. Die skurrilen Szenen aktivieren dass die Spuren die richtigen Informanämlich vor allem die Amygdala, auch tionen verbinden, damit diese auch Mandelkern genannt, die zum limbizum Kauf führen. schen System gehört. Die Amygdala ist Beate Uhses Botschaft „Trau Dich wesentlich für die Verarbeitung von newas“ schafft einen motivationalen Imgativen Emotionen zuständig und spielt pact. Die Zuschauerinnen werden aktiv eine entscheidende Rolle bei der emoangesprochen und setzen sich mit der tionalen Bewertung von Situationen. Botschaft auseinander. Im Mittelpunkt Ergebnis: Während der Zuschauer noch stehen die handelnden Frauen. Die beschmunzelnd damit beschäftigt ist, das worbenen Produkte wie das aufreizend Geschehen zu verarbeiten, findet im knappe rote Kleid, die Handschellen, Unterbewusstsein bereits ein verkaufsdie Wäsche passen gut zur Botschaft. hemmender Lern- bzw. KonditionieWas jedoch fehlt, ist eine eigene Handrungsprozess statt. Werte wie modern, schrift. Die Wiedererkennung ist ge„sauber“/frisch und vertrauenswürdig, ring, eine eindeutige die für den Erfolg eiZuordnung zur Marnes ErotikunternehIronie geht nach ke Beate Uhse damit mens entscheidend hinten los kaum gegeben. sind, werden indes Amorelie wählt nicht angesprochen. durch eine erotischSomit erzielt EIS im zarte Frauenstimme und eine geschickte Memory-Index wegen der UnverwechSprach-Bild-Kombination erneut einen selbarkeit des Spots mit 78 Punkten zwar subtileren Weg, um Frauen zum Nacheinen hohen Wert. Da dieser aber mit nedenken zu bringen. Fragen wie: „Wenn gativer Emotion verknüpft wird, ist der es sich gut anfühlt, kann es dann falsch hohe Erinnerungswert in diesem Fall sein?“ lösen Denkprozesse aus, die gut sogar von Nachteil. Amorelie (64 Punkgespeichert werden. Der Spot erzählt zute) und Beate Uhse (56 Punkte) haben dem eine Geschichte, die den Zuschauer dieses Problem nicht. Mit jeweils über dazu animiert, sich vorzustellen, wie es 50 Punkten erzielen beide Unternehwohl weitergehen mag. Abzüge gibt es men respektable Ergebnisse. für die sehr späte Einführung der ProInsgesamt schneidet der Beateduktbotschaft. Erst ganz am Schluss erUhse-Spot in der SDMI-Analyse mit fährt der Zuschauer, dass es keineswegs 36 Punkten am besten ab, knapp gefolgt um Süßigkeiten geht. von Amorelie mit 33 Punkten. EIS landet Die Botschaft von EIS könnte mit mit elf Punkten deutlich dahinter. Dies „Lebt eure Fantasien – wie auch immer bedeutet, dass der Beate-Uhse-Spot diese aussehen“ interpretiert werden. insgesamt am verkaufsförderndsten Alle Szenen werden ironisch übertriewirkt und sich der EIS-Spot am besten ben, die positive Emotion soll vor aleinprägt, jedoch eine eher geringe verlem durch die Verbindung von Erotik kaufsfördernde Wirkung hat. Die Methode Der SDMI der Erotikbranche Der Subconscious Decision Marketing Index (SDMI) erfasst wichtige Prozesse im Unterbewusstsein und beziffert, wie stark ein Spot Emotionen (Emotion-Index) und Verlangen auslöst (Benefit-Index), wie viele Hormone er freisetzt (HormonIndex), wie lange er in Erinnerung bleibt (Memory-Index) und inwiefern ein Kaufimpuls (Impuls-Index) aktiviert wird. Anbieter Beate Uhse Amorelie EIS Emotion-Index48 56 13 Benefit-Index 38 3221 Hormon-Index 35 33–13 Memory-Index 78 6456 Impuls-Index –16 –17–21 Gesamt 36,633,611,2 absatz 5 2015 wirtschaft 73