Entdeckung eines neuen Herpesvirus: HHV-8

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M E D I Z I N
AKTUELL
Entdeckung eines neuen
Herpesvirus: HHV-8
Reinhold Munker1, 2
Walter Verbeek2
Taizo Tasaka2
Jonathan Said3
Jürgen Haas4 HHV-8 in Kaposi-Sarkomen und seltenen
H. Phillip Koeffler2 lymphoproliferativen Erkrankungen
Das Humane Herpesvirus 8 (HHV-8) wurde kürzlich bei Patienten mit AIDS-assoziiertem Kaposi-Sarkom entdeckt. Es
gehört wie das Epstein-Barr-Virus (EBV) zur Familie der
Gammaherpesviren, hat jedoch im Gegensatz zu EBV eine
wesentlich geringere Durchseuchung in Westeuropa und
Nordamerika. Neben dem AIDS-assoziierten Kaposi-Sar-
K
aposi-Sarkome sind zusammen mit malignen Lymphomen die häufigste Neoplasie
bei Patienten mit AIDS, wurden jedoch schon lange vor der
Ära der HIV-Infektion beobachtet.
AIDS-Patienten mit Kaposi-Sarkom
kommen zum weit überwiegenden
Teil aus der Risikogruppe der Homosexuellen und sind männlich. Die
Kaposi-Sarkome, die nicht AIDSassoziiert sind, kommen endemisch
gehäuft in mediterranen Ländern sowie in Zentralafrika vor. Darüber
hinaus treten Kaposi-Sarkome vereinzelt auch nach Organtransplantationen bei Immunsupprimierten
auf. Aufgrund dieser epidemiologischen Verteilung wurde bereits vor
Jahren der Verdacht auf eine infektiöse Ätiologie des Kaposi-Sarkoms
geäußert und nach einem auslösenden Agens gesucht. Nachdem
zunächst eine ganze Reihe verschiedener Erreger, wie Zytomegalievirus,
Humanes Herpesvirus 6, Papillomviren, Mykoplasmen und schließlich
HIV-1 selbst, als Auslöser diskutiert
wurden, konnten Chang und Mitarbeiter im Jahr 1994 mittels „Representational Display Analysis“,
einer neuentwickelten Methode, die
auf der Polymerase-Kettenreaktion
(PCR) basiert, bisher unbekannte
DNA-Sequenzen im Tumorgewebe
eines Kaposi-Patienten identifizieren
(7). Diese DNA-Sequenzen waren
verwandt mit dem Epstein-Barr-Virus des Menschen sowie einem weiteren Vertreter der Gammaherpesvi-
kom wurde das Humane Herpesvirus 8 inzwischen in allen
anderen Formen des Kaposi-Sarkoms sowie in einer Reihe
von seltenen lymphoproliferativen Erkrankungen identifiziert, aber auch vereinzelt bei gesunden Individuen. Die
Rolle, die HHV-8 in der Pathogenese der genannten Erkrankungen spielt, ist derzeit Gegenstand heftiger Diskussionen.
ren, Herpesvirus saimiri, welches in
einigen Affenarten fulminante Lymphome auslöst (23). In den beiden
letzten Jahren wurden erstaunliche
Fortschritte bei der Erforschung des
Aufbaus und der Verbreitung dieses
neuen Herpesvirus gemacht.
Biologie von HHV-8
HHV-8, welches initial auch als
Kaposi-Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV) bezeichnet wurde,
gehört taxonomisch aufgrund der Sequenzhomologie zur Unterfamilie
der Gammaherpesviren, ähnlich wie
EBV und Herpesvirus saimiri. Das
Genom von HHV-8 besitzt eine
Größe von etwa 140 000 Basenpaaren
und wird von mehreren repetitiven
Sequenzen mit einer Länge von ungefähr 800 Basenpaaren flankiert (30).
HHV-8 hat mehrere Gemeinsamkeiten mit EBV: Der Aufbau des Genoms ist sehr ähnlich, es infiziert auch
1Medizinische
Klinik III (Direktor: Prof. Dr. med.
Dr. h. c. Wolfgang Wilmanns), Klinikum
Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität, München
2Department of Hematology (Direktor: Prof. Dr.
med. H. Phillip Koeffler), UCLA Cedars Sinai
Medical Center, Los Angeles, CA, USA
3Division of Surgical Pathology (Direktor: Prof.
Dr. med. Jonathan Said), UCLA Medical Center, Los Angeles, CA, USA
4 Max-von-Pettenkofer-Institut, Lehrstuhl Virologie (Direktor: Prof. Dr. med. Ulrich Koszinowski), Ludwig-Maximilians-Universität, München
A-2642 (50) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 41, 10. Oktober 1997
B-Lymphozyten und wird ebenfalls
als Tumorvirus verdächtigt. EBV
kann bei der Primärinfektion, die in
der Regel im Kindes- und Jugendlichenalter stattfindet, die infektiöse
Mononukleose verursachen und persistiert im weiteren Verlauf in niedriger Frequenz in B-Lymphozyten (latente Infektion). Darüber hinaus jedoch besteht eine Assoziation von
EBV mit dem in Afrika endemisch
vorkommenden Burkitt-Lymphom
sowie dem in Südostasien endemischen Nasopharynx-Karzinom.
Durch die enge Verwandschaft mit
EBV und die Assoziation mit mindestens zwei menschlichen Tumoren ist
anzunehmen, daß auch HHV-8 transformierende Potenz besitzt. Bei der
Sequenzierung wurden gleich mehrere Gene entdeckt, die eine potentielle
Rolle bei der malignen Transformation besitzen könnten. HHV-8 kodiert
ein Zyklin-D-ähnliches Protein, welches durch Aktivierung der Proteinkinase cdk6 in den Zellzyklus eingreift (3, 17), ein Homolog zu dem
Anti-Apoptose-Protein bcl-2 (34) sowie zwei homologe Proteine zu den
Chemokinen MIP-I und MIP-II (27).
Besonders interessant jedoch erscheint ein Interleukin-6-homologes
Protein, da Interleukin 6 sowohl bei
Kaposi-Sarkomen als auch bei einer
weiteren Erkrankung, bei der HHV-8
gefunden wurde, der Castlemanschen Erkrankung, offensichtlich eine
wichtige Rolle spielt (26, 27). Außerdem kodiert HHV-8 ein Protein, das
mit der CD95-(Fas-)Apoptose inter-
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feriert (virales FLIP) (38). Als weiterer Hinweis auf einen infektiösen
Prozeß konnten bei Patienten mit Kaposi-Sarkom spezifische Antikörper
gegen HHV-8 im Serum nachgewiesen werden (11).
Zellinie einzuordnen. In Abbildung
1 ist KS-1 in einer elektronenmikroskopischen Aufnahme zu sehen.
Deutlich sind mehrfach umhüllte Viruspartikel zu erkennen. Eine Übertragung von HHV-8 aus Zellinien
Elemente gemischt sind. Mittels Insitu-Techniken wurde HHV-8 sowohl in den vaskulären Endothelzellen als auch in Spindelzellen lokalisiert (5, 16). Klinisch fallen KaposiSarkome als erhabene pigmentierte
Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Darstellung von viralen Einschlußkörpern in der HHV-8-infizierten
Zellinie KS-1 (perinukleäre Zisterne, siehe Pfeil, Vergrößerung 1: 56 000)
Abbildung 2: Multiple Läsionen eines bioptisch gesicherten Kaposi-Sarkoms bei einem Patienten mit AIDS
(generalisierter Befall, teilweise mit Verplattung)*
Die Erforschung der Biologie
von HHV-8 wurde durch die Etablierung von Zellinien entscheidend erleichtert. Wenn Biopsate von Kaposi-Sarkomen in Kultur genommen
werden, so läßt sich HHV-8 meist
nur in frühen, jedoch nicht mehr
in späteren Passagen nachweisen.
Aus HHV-8-assoziierten B-Zell-Lymphomen konnten inzwischen mehrere konstant infizierte Zellinien etabliert werden, die das Virus während
der Kultur nicht verlieren (23, 31).
Diese B-Zellinien tragen darüber
hinaus im Vergleich zu den Primärläsionen der Kaposi-Sarkome ein
Vielfaches an Virus. In einigen dieser latent infizierten Zellinien, in denen HHV-8 episomal vorliegt, kann
mittels stimulierender Substanzen,
wie zum Beispiel Butyrat, eine lytische Infektion induziert werden (13,
16). Eine von uns aus einem malignen Pleuraerguß eines HIV-negativen Patienten gezüchtete HHV-8positive Zellinie, KS-1, ist negativ
für die meisten B- und T-Zellantigene. Aufgrund umgelagerter Immunglobulingene ist sie als unreife B-
oder Biopsaten auf andere Zellen
erwies sich als schwierig, wurde jedoch kürzlich zumindest für einige
Passagen auf die embryonale Nierenzellinie 293 beschrieben (10).
HHV-8-assoziierte
Krankheitsbilder
HHV-8 wurde zuerst in AIDSassoziierten Kaposi-Sarkomen entdeckt. Mittels PCR konnten HHV-8Sequenzen von verschiedenen Arbeitsgruppen in 65 bis 100 Prozent
der Läsionen von Kaposi-Sarkomen
nachgewiesen werden. Es zeigte sich
jedoch sehr schnell, daß HHV-8 nicht
auf Kaposi-Sarkome bei HIV-Patienten beschränkt ist, sondern auch in
Kaposi-Sarkomen nach Organtransplantation und bei spontanen Kaposi-Sarkomen vorkommt. Inzwischen
gilt es als sicher, daß HHV-8 in allen
Kaposi-Sarkomen nachweisbar ist
(1, 7, 9). Histologisch sind KaposiSarkome gekennzeichnet durch eine
Proliferation von Endothel- und
Spindelzellen, in die entzündliche
A-2644 (52) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 41, 10. Oktober 1997
Hautläsionen auf, die bei HIV-infizierten Patienten häufig multizentrisch auftreten (Abbildung 2). Mit
Klonalitätsmarkern konnte gezeigt
werden, daß Kaposi-Sarkome keine
reaktive Proliferation, sondern eine
aus einer einzigen Zelle hervorgegangene Neoplasie sind (28). Der klinische Verlauf des Kaposi-Sarkoms
variiert von langsam progredient bis
fulminant. Ein Hinweis für die ätiopathogenetische Rolle von HHV-8
ist auch, daß diese Virussequenzen
in ganz verschiedenen Regionen
(Nordamerika, Europa, Asien, Afrika) in Kaposi-Sarkomen nachgewiesen wurden. Der Nachweis von
HHV-8 ist mittels PCR an Paraffinfixiertem Material möglich (6). In
HIV-infizierten Patienten korreliert
der Nachweis von HHV-8 im Blut
oder im Sperma direkt mit dem späteren Auftreten eines Kaposi-Sarkoms (39).
Wegen der Verwandtschaft mit
EBV wurde zunächst in Lymphomen
* Wir möchten uns bei Herrn Dr. Jäger, Kuratorium für Immunschwäche, München, für die
Überlassung des Fotos bedanken.
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nach HHV-8 gesucht. Die meisten
malignen Lymphome sind jedoch negativ für HHV-8, und nur in einer relativ seltenen Gruppe undifferenzierter Lymphome, den „body-cavity-based lymphomas“ oder primären Er-
ten vor. PEL proliferieren als Aszites,
Pleura- oder Perikarderguß, bilden
normalerweise keine Tumoren, sind
meist positiv für EBV und haben den
Phänotyp unreifer B-Zellen. Im Gegensatz zu Burkitt-Lymphomen ha-
Tabelle
Seroprävalenz von HHV-8
Nachweis von Antikörpern gegen HHV-8
Probandengruppe
IF latente
Antigene
(12,14,15,35)
IF lytische
Antigene
(15)
Immunoblot
(p40, p224/236)
(11,12,20)
ELISA
(ORF65)
(35)
1) Patienten
mit Karposi-Sarkom (KS)
a) KS bei
AIDS
52–82%
96%
67–80%
81%
b) klass. KS
94–100%
100%
100%
94%
2) Risikogruppen
Neben Kaposi-Sarkomen und
Erguß-Lymphomen konnte HHV-8
noch bei einigen atypischen lymphoproliferativen Syndromen nachgewiesen werden. Hierzu gehören
die Multizentrische Castleman-Erkrankung, insbesondere bei HIV-infizierten Patienten (36), und angioimmunoblastische Lymphadenopathien (19). Diese atypischen lymphoproliferativen Erkrankungen haben mit Kaposi-Sarkomen gemeinsam, daß eine Vermehrung proliferativer Zytokine wie Interleukin 6 im
Serum beobachtet wird. Auch bei einigen anderen, meist seltenen Erkrankungen wird noch eine Rolle
von HHV-8 diskutiert. In der Tabelle
sind die mit HHV-8 assoziierten
Krankheitsbilder stichpunktartig zusammengefaßt.
Diagnostik und
Epidemiologie
a) Homosexuelle (HIV+)
22–35%
b) Homosexuelle (HIV-)
12%
c) i.v.-Drogenabhängige (HIV-)
0%
d) Hämophile (HIV+)
0–3%
e) Hämophile (HIV-)
0%
15%
0%
1%
a) Blutspender
(USA)
0–1%
10–20%
0%
5%
b) Blutspender
(D, GB)
3%
d) Kinder
(USA)
0%
6%
e) Erwachsene
(Afrika) [12,14]
6–25%
32–82%
90%
13%
23%
31%
5%
0%
3) Normalbevölkerung
2–3% [2]
guß-Lymphomen (PEL), ist HHV-8
reproduzierbar nachzuweisen (13,
25). PEL gehören wie Kaposi-Sarkome zu den AIDS-assoziierten Neoplasien, kommen jedoch selten ebenfalls bei nicht HIV-infizierten Patien-
ben primäre Erguß-Lymphome keine
Überexpression des c-myc-Onkogens. In Abbildung 3 ist der Nachweis
von HHV-8 in den Tumorzellen von
Patienten mit PEL mittels PCR dargestellt.
Die initialen Untersuchungen
zeigten eine Spezifität der Expression von HHV-8 für die Läsionen der
Kaposi-Sarkome und einige Lymphome beziehungsweise lymphoproliferative Erkrankungen. Bei Patienten mit Kaposi-Sarkom konnte
HHV-8 auch in CD19-positiven Zellen nachgewiesen werden, was auf
B-Lymphozyten als mögliches Reservoir des Virus hinweist (14). Später wurde HHV-8 mittels PCR im
Blut, im Ejakulat und der Prostata
von HIV-negativen immunsupprimierten Patienten und vereinzelt bei
gesunden Individuen nachgewiesen
(4, 8, 22). Diese Daten konnten jedoch zum Teil in anderen Studien
nicht reproduziert werden und sind
deshalb umstritten (18, 37). Als
mögliche Ursache werden PCR-Artefakte oder geographische Unterschiede in der Verbreitung von
HHV-8 diskutiert.
Doch auch die serologischen
Befunde, die im Verlauf des letzten
Jahres publiziert wurden, lieferten
kein ganz eindeutiges Bild über die
Prävalenz des Virus. Der Nachweis
von Antikörpern gegen HHV-8-Antigene im Serum ist als Indiz für eine
floride oder abgelaufene Infektion
zu werten und läßt daher eher
Schlüsse über den Verbreitungsgrad
Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 41, 10. Oktober 1997 (53) A-2645
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eines Virus zu als die Polymerase-Kettereaktion. Die in mehreren
Studien verwendeten Immunfluoreszenztests basierten auf infizierten BZellinien, die entweder unstimuliert
zum Nachweis latenter oder stimuliert zur Detektion lytischer Antigene eingesetzt wurden. Zum Nachweis im Immunoblot wurden Zellysate von infizierten Zellen entspreM
1
2
3
4
5
6
7
klassischem oder AIDS-assoziiertem Kaposi-Sarkom seropositiv für
HHV-8-Antikörper sind. Bei Risikopatienten, bei denen vor Auftreten
eines Kaposi-Sarkoms Serumproben gesammelt wurden, wurde eine
Serokonversion sechs bis 75 Monate
vor dem klinischen Auftreten des
Kaposi-Sarkoms beobachtet (11).
Die mittels Immunfluoreszenz er8
9
10
Abbildung 3: Nachweis von HHV-8-DNA-Sequenzen im Tumorgewebe von
Patienten mit Kaposi-Sarkom beziehungsweise primären Erguß-Lymphomen (PEL); HHV-8-spezifische Primer, M: Marker für Basenpaare, Agarose-Gel von PCR-Produkten, gefärbt mit Ethidium-Bromid, 1: Kontrolle ohne DNA, 2: positive Kontrolle mit KS-1-DNA; 3: DNA der HHV-8-negativen
Zellinie K562, 4: DNA einer Hautläsion eines Kaposi-Sarkoms, 5–10:
DNA-Proben von in Los Angeles untersuchten Fällen von PEL
chend ihrem Molekulargewicht aufgetrennt und anschließend Antikörper gegen einzelne Virusproteine
nachgewiesen. Als stark immunogene Antigene erwiesen sich die
latenten HHV-8-Proteinkomplexe
p226 und p234, die nukleär lokalisiert sind (12, 20), sowie das in der
lytischen Phase exprimierte Protein p40 (11). Einzelne rekombinante
Antigene wie p18 (orf 65) (35) oder
das von uns verwendete Kapsidprotein orf25 sind in der Regel weniger
immunogen und besitzen daher eine
geringere Sensitivität (2). Andererseits wird bei Verwendung von rekombinanten Virusproteinen die
Spezifität zum Beispiel von kreuzreaktiven Antikörpern gegen verwandte Herpesviren besser kontrolliert. In der Tabelle sind die bisher
publizierten Daten zur Seroprävalenz von HHV-8 bei Patienten mit
Kaposi-Sarkom, bei HIV-Infizierten
und in der Gesamtbevölkerung zusammengefaßt. Aus diesen Daten
geht hervor, daß je nach Test bis zu
hundert Prozent aller Patienten mit
null und 20 Prozent (15). In diesen
Untersuchungen haben Personen mit
einem höheren Risiko für Geschlechtskrankheiten wie HIV-negative Homosexuelle und HIV-positive
Drogenabhängige auch eine höhere
Seroprävalenz von HHV-8, was auf
eine primäre Übertragung durch Sexualkontakte hinweist. Deutliche
Unterschiede scheinen auch zwi-
Abbildung 4: Spezifische Antikörper im Serum eines Patienten mit Kaposi-Sarkom, die mit
Immunfluoreszenz auf der KS-1-Zellinie nachgewiesen wurden (überwiegende zytoplasmatische Fluoreszenz nach Behandlung der Zellen mit Butyrat, Verdünnung des Serums 1:80, Detektion mit einem FITC-markierten Kaninchen-anti-menschlichen Immunglobulin-Serum)
faßten Infektionsraten liegen meist
höher im Vergleich zu Immunoblot
und ELISA. Die Sensitivität der Immunfluoreszenztests ist höher, da eine polyvalente Immunantwort gegen mehrere Antigene erfaßt wird.
Die Sensitivität der Immunfluoreszenztests ist besonders hoch, wenn
lytische Antigene untersucht werden, was jedoch möglicherweise auf
Kosten der Spezifität geht. Die Seroprävalenz bei HIV-positiven Homosexuellen variiert zwischen 30
und 90 Prozent. Bei Hämophilen, die
kein wesentlich erhöhtes Risiko haben, an Kaposi-Sarkom zu erkranken, und bei i.v.-Drogenabhängigen
wurde eine Seroprävalenz von 15 beziehungsweise 23 Prozent ermittelt,
was sich nicht wesentlich von der
Allgemeinbevölkerung im gleichen
Testsystem unterschied.
Die Prävalenz von HHV-8 in der
Allgemeinbevölkerung konnte bisher jedoch auch mit serologischen
Methoden nicht eindeutig geklärt
werden. Sie variiert zum Beispiel in
den USA je nach Studie zwischen
A-2646 (54) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 41, 10. Oktober 1997
schen afrikanischen Ländern und
Europa beziehungsweise den USA
zu bestehen. In Ländern, in denen
das Kaposi-Sarkom endemisch vorkommt, liegt die Durchseuchung der
Bevölkerung wesentlich höher. Trotz
der schlüssigen Hinweise auf eine sexuelle Übertragung sind jedoch auch
andere Infektionswege nicht absolut
ausgeschlossen. Zusammenfassend
läßt sich feststellen, daß sowohl die
serologischen wie auch die PCRTests noch einer Verbesserung und
Standardisierung bedürfen, um eindeutige Aussagen, zum Beispiel über
die Prävalenz in der Normalbevölkerung, machen zu können. Solche
Tests würden es auch vereinfachen,
die derzeit nicht bekannten klinischen Zeichen einer akuten HHV-8Infektion zu untersuchen.
Therapie
Vor der Entdeckung von HHV-8
wurden Kaposi-Sarkome mit wechselndem Erfolg abhängig vom klini-
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AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT
schen Stadium entweder mit lokalen quitär verbreitet. HHV-8 wird in al- koms erhöht. Aufgrund der EpideMaßnahmen wie Exzision und Be- len Formen des Kaposi-Sarkoms so- miologie kann davon ausgegangen
strahlung oder mittels systemischer wie bei primären Ergußlymphomen, werden, daß HHV-8 hauptsächlich,
Therapie mit Vinblastin, Doxorubicin mit geringerer Häufigkeit bei der jedoch nicht ausschließlich, durch Seund Interferon-a behandelt. Nach sei- Castlemanschen Erkrankung sowie xualkontakte übertragen wird. Rener Entdeckung wurde zunächst in re- in angioimmunoblastischen Lymph- trospektive Studien lassen eine Wirktrospektiven Studien bei HIV-Infi- adenopathien gefunden. HHV-8-po- samkeit der Virostatika Foscarnet
zierten die Wirkung von Virostatika sitive Malignome entstehen wahr- und Ganzyklovir vermuten, die jeuntersucht. Tatsächlich wurde in we- scheinlich aufgrund multifaktorieller doch noch nicht als gesichert gelten
nigstens einer Studie eine verminder- Genese: Die Infektion mit HHV-8 ist darf. Derzeit sind noch zahlreiche
te Inzidenz von KaposiFragen zu HHV-8, zum
Sarkomen bei Patienten
Beispiel die MechanisKrankheitsbilder assoziiert mit HHV-8
gefunden, die wegen anmen der Transformation
derer Herpesvirusinfek- AIDS-assoziiertes Kaposi-Sarkom Chang et al. 1994(7)
durch HHV-8, die InfekDupin et al. 1995 (9)
tionen mit Ganzyklovir Klassisches Kaposi-Sarkom
tionswege und die PrävaNador et al. 1996 (25)
oder Foscarnet behandelt Primäre Ergußlymphome
lenz in gesunden IndiviSoulier et al. 1996 (36)
wurden (21). Prospektive Castlemansche Krankheit
duen, nicht vollständig
Studien über die Wirkung Angioimmunoblastische
beantwortet. Bereits zum
Luppi et al. 1996 (19)
dieser Virostatika bei Pa- Lymphadenopathie
jetzigen Zeitpunkt ist zu
Sander et al. 1996 (33)
tienten mit Kaposi-Sar- Mycosis fungoides
erkennen, daß die ErSaid et al. 1997 (32)
kom sind im Moment Enzephalitis
forschung von HHV-8
nicht publiziert, jedoch
neue therapeutische und
wurde über eine positive
präventive Strategien für
Wirkung von Foscarnet in Einzelbe- zwar notwendig, aber nicht hinrei- die mit HHV-8 assoziierten Erkranobachtungen berichtet (24). Über den chend für eine Transformation der in- kungen bringen dürfte.
Erfolg von Virostatika bei HHV-8-as- fizierten Zellen. Weitere, derzeit
soziierten lymphoproliferativen Er- nicht eindeutig identifizierte Fakto- Zitierweise dieses Beitrags:
krankungen ist derzeit nichts be- ren, wie zum Beispiel Immunsup- Dt Ärztebl 1997; 94: A-2642–2647
pression und Zytokine spielen offen- [Heft 41]
kannt.
sichtlich ebenfalls eine wichtige Rolle
in der Pathogenese HHV-8-assoziier- Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
ter Erkrankungen. Die klinischen das Literaturverzeichnis, das über den SonSchlußfolgerungen
Zeichen einer akuten HHV-8-Infek- derdruck und über die Internetseiten (unter
HHV-8 ist ein neuentdecktes hu- tion sind derzeit nicht bekannt. Ein http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
manes Herpesvirus, das mit dem Ep- Nachweis von HHV-8 ist im Moment
stein-Barr-Virus eng verwandt ist und nur möglich mittels PCR. Serologi- Anschrift für die Verfasser
ähnlich wie EBV B-Lymphozyten in- sche Tests sind in Entwicklung, kom- Priv.-Doz. Dr. med. R. Munker
fiziert und als tumorinduzierendesVi- merziell jedoch noch nicht erhältlich. Medizinische Klinik III der
rus verdächtigt wird. Im Gegensatz Durch den molekularen Nachweis Ludwig-Maximilians-Universität
zu EBV ist HHV-8 in der Gesamtbe- von HHV-8 hat sich die diagnostische Klinikum Großhadern
völkerung in Nordamerika und Mit- Sicherheit für unklare Hautläsionen Marchioninistraße 15
teleuropa wahrscheinlich nicht ubi- und Frühformen des Kaposi-Sar- 81377 München
Knochendichte bei Frauen mit Depression
Depressionen sind komplexe
Krankheiten, die genetische, entwicklungs- oder umweltbedingte Ursachen
haben können. Bei Frauen mit einer
depressiven Störung wurde eine verminderte Knochendichte festgestellt.
Beim Vergleich der Knochendichte
an Hüfte/Femur und Wirbelsäule zwischen 24 Frauen mit aktuellen oder
vorausgegangenen Episoden von Depression und ebensovielen psychisch
gesunden gleichaltrigen Frauen mit
ähnlichem Gewicht und gleichem Me-
nopausenstatus zeigte sich bei den
depressiven Patientinnen eine um
6,5 Prozent verminderte Mineralisierung der Wirbelsäule, im Bereich des
Oberschenkelhalses lag der Unterschied bei 13,6 Prozent.
Bei der Untersuchung des Knochenstoffwechsels zeigt sich bei den
Frauen mit Depression unter anderem eine höhere Kortisolausscheidung im Urin und eine niedrigere Kalzitoninkonzentration im Serum. Daher kamen die Autoren zu dem
Schluß, daß veränderte Verhaltensweisen und neuroendokrinologische
Regulationsmechanismen bei Depression die Knochendichte nachweislich in einem Maß verringern,
daß besonders bei jüngeren Frauen
ein erhöhtes Risiko für spätere pathologische Frakturen entsteht.
silk
Michelson D, Stratakis C, Hill L et al.:
Bone mineral density in women with depression, N Engl J Med 1996; 335:
1176–1181.
Dr. Michelson, Warren G. Magnuson Clinical Center, Room 2D 46, MSC 1284,
National Institutes of Health, Bethesda,
MD 20892–1284, USA.
Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 41, 10. Oktober 1997 (55) A-2647
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