HIV Dr. med. Stefan Esser Universitäts-Hautklinik Essen HIV-Übertragung • Die statistische Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung liegt für die unterschiedlichen Übertragungswege zwischen 1 Infektion pro 100 Kontakten und 1 Infektion pro 1000 Kontakten oder Expositionen. • Übertragungen sind möglich vor allem durch Blut, Sperma und Vaginalsekret, Liquor, Gewebe, Kulturmaterial. • Geschätztes Übertragungsrisiko nach Exposition mit HIV-infiziertem Blut: - Perkutane Stich- oder Schnittverletzung 0,3 % - Schleimhautkontakt 0,03 % • Grundsätzlich gilt, je länger die Verweildauer infektiöser Flüssigkeiten auf Wunden, geschädigter Haut oder auf Schleimhäuten und je höher die HIViruslast der Indexperson ist, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung. Universitätshautklinik Essen Klinischer Verlauf der HIV-Infektion: Surrogatmarker: CD4, HIViruslast Akutes HIV-Syndrom: Dissemination des Virus, Lymphknotenbefall 1100 1000 210.000 190.000 Opportunistische Erkrankungen 900 CD4 230.000 Tod Primär Infektion 1200 170.000 800 150.000 700 130.000 600 110.000 500 90.000 VL Klinische Latenz 400 70.000 300 50.000 200 30.000 100 10.000 0 0 0 3 6 9 Wochen 12 1 2 3 4 5 Jahre 6 7 8 9 10 11 Universitätshautklinik Essen HIV-Infektion und AIDS Epidemiologie 2012: Deutschland • 78 000 HIV-Infizierte (davon etwa 200 Kinder) • 3400 Neuinfektionen 2012 • 1100 neue AIDS-Erkrankungen 2012 • 550 HIV/ AIDS Todesfälle 2012 • Seit Beginn der Epidemie starben 27 000 Menschen an den Folge von AIDS. • Geschätzte nicht diagnostizierte HIV-Infektionen 14 000 • Antiretroviral behandelte HIV-Infizierte 50 000 Epidemiologisches Bulletin Die CDC – Klassifikation AIDS ist eine klinische Diagnose! Labor CD4-Zellzahl Klinische Kategorien AIDS ≥ 500 /µl A1 B1 C1 200-499 /µl A2 B2 C2 < 200 /µl A3 B3 C3 Stadien-definierende Hautmanifestationen bei HIV und AIDS Kategorie A • Akute, symptomatische (primäre) HIVInfektion (auch in der Anamnese): HIV-Exanthem Universitätshautklinik Essen Stadien-definierende Hautmanifestationen bei HIV und AIDS Kategorie B: • Oropharyngeale Candida-Infektionen • Vulvovaginale CandidaInfektionen • Herpes zoster bei Befall mehrerer Dermatome oder nach Rezidiven in einem Dermatom • Orale Haarleukoplakie • Zervikale Dysplasien oder Carcinoma in situ • Idiopathische thrombozytopenische Purpura • Bazilläre Angiomatose Universitätshautklinik Essen Stadien-definierende Hautmanifestationen bei HIV und AIDS Kategorie C • Ösophageale CandidaInfektion oder Befall von Bronchien, Trachea oder Lungen oder Sepsis • Chronische Herpes simplex-Ulzera (> 1 Mo.) o. Herpes-Bronchitis, Pneumonie oder – Ösophagitis • CMV-Infektion der Haut sowie der Schleimhäute • Tuberkulose • Atypische Mykobakteriose Infektionen mit Mykobakterium avium complex oder M.kansasii, disseminiert oder extrapulmonal • Extrapulmonale kutane Kryptokokkeninfektionen Universitätshautklinik Essen Kategorie C, AIDS-definierende Neoplasien • Kaposi-Sarkom (HHV-8) • Non-Hodgin Lymphome (EBV, HHV-6, HHV-8) (Burkitt’s, immunoblastisches oder primäres zerebrales Lymphom) • Invasives Zervix-Karzinom (HPV) Universitätshautklinik Essen EuroSIDA November 2000 Deaths AIDS Patients on HAART (%) Calendar period Patients on HAART (%) Incidence (per 100 pt-years) Klinische Effektivität der HAART Incidence von AIDS und Death (1994–2000) Universitätshautklinik Essen Ziele der antiretroviralen HIV-Therapie Unmittelbares Therapieziel: Viruslast unter der Nachweisgrenze Langfristiges Therapieziel: Stabilisierung des Immunsystems, Verbesserung der Lebenserwartung Verbesserung der Lebensqualität Zukunft: HIV – eine chronische Erkrankung, die obwohl sie unheilbar ist, unter konsequenter Therapie nicht mehr zum Tode führt? Universitätshautklinik Essen Virale Replikation und HAART Vor 2007 zugelassene Substanzklassen HIV gp41 gp120 virale RNA EntryInhibitoren: -Fusionsinhibitoren (FI) -CCR5Chemokinrezeptor-Antagonisten Reverse Transkriptase/ Ribonuklease H provirale DNA Protease Integrase virale Proteine Nukleus Reverse CD4-T-Lymphozyt Transkriptase Inhibitoren (RTI): zelluläre -nukleosidale (NRTI) DNA mRNA -Nicht nukleosidale (NNRTI) Protease Inhibitoren (PI) Universitätshautklinik Essen Deutsch-Österreichische Leitlinien 2011 zur antiretroviralen Therapie von Erwachsenen: Regimewahl Efavirenz** NNRTI Nevirapin*** „Backbone“ Atazanavir/r Tenofovir + Emtricitabin Abacavir + Lamivudin* Tenofovir + Lamivudin Darunavir/r + Lopinavir/r PI/r Fosamprenavir/r Saquinavir/r Raltegravir empfohlen *nur für HLA-B*5701-Negative; Cave: evtl. erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, virologisch leicht unterlegen S. Esser Universitätshautklinik Essen INI Alternative **nicht bei Schwangerschaft und Frauen mit Kinderwunsch ***Cave: Hepatotoxizität erhöht bei Frauen mit CD4+-Zellen >400/Männern mit >250/µL Was bedeutet Therapieversagen und Resistenzentwicklung? • Therapieversagen: – Viraler “Rebound” durch Verlust der Viruskontrolle • Resistenz: – Verlust der Empfindlichkeit gegenüber der antiviralen Aktivität eines Wirkstoffes in Abhängigkeit vom Medikamentenspiegel • Durch Kreuzresistenzen Wirkverlust ganzer Substanzklassen und bei suboptimalem Einsatz verschiedener Substanzklassen Multiresistenz gegen mehrere Substanzklassen Antivirale Aktivität Selektionsdruck Auftreten von Resistenzen Therapieversagen Vermehrung Mutationsrate Verlust der Kontrolle über HIV Zusammenfassung • Klinische Zeichen der HIV-Infektion werden häufig nicht oder zu spät erkannt: – Hauptursache für AIDS und HIV-assoziierte Todesfälle in westlichen Industrieländern • Ein umfangreiches diagnostisches Instrumentarium steht bei HIV zur Verfügung: – Surrogatmarker (CD4-Lymphozyten, HIViruslast) – Geno-/phänotypische Resistenzbestimmung – Medikamentenspiegelmessung • Ein umfangreiches therapeutisches Arsenal steht für die Behandlung der HIVInfektion zur Verfügung: NRTI, NNRTI, PI, FI, CCR5 I, INI • ART sollte die HIVirusreplikation maximal (unter die Nachweisgrenze) suppremieren. • Patienten unter ART mit erfolgreicher HIViruskontrolle erreichen eine relativ normale Lebenserwartung. • Je besser die Substanzen werden, desto mehr kommt es auf die Erfahrung des Arztes und die Compliance des Patienten an. Universitätshautklinik Essen