scinexx | Kyoto-Protokoll: Top oder Flop?: Max-Planck-Wissenschaftler über eine globale Super-Aufgabe Freitag, 14.12.2007 Kyoto-Protokoll: Top oder Flop? Max-Planck-Wissenschaftler über eine globale Super-Aufgabe 1995 wiesen Klimaforscher nach, dass der Mensch die globale Erwärmung beeinflusst. Vor genau zehn Jahren unterzeichneten die Vereinten Nationen dann das Protokoll von Kyoto. Damit verpflichteten sich die Industrieländer, ihren Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren. Auf Bali verhandeln die Vertreter der Staaten nun über Strategien für die Jahre nach 2012. Kann das Kyoto-Protokoll dabei als Vorbild dienen - oder war es ein Misserfolg? Max-Planck-Wissenschaftler haben dazu jetzt eine Bilanz gezogen. Sie wagen aber auch eine Prognose zur Weltklimakonferenz: Etwas konkretes wird in Bali nicht herauskommen. Mit dem Kyoto-Protokoll wurde vor genau zehn Jahren der Versuch gestartet, weniger Treibhausgase in der Atmosphäre zu blasen. „Diese Entscheidung war ein großer globaler Erfolg“, meint Hartmut Graßl, ehemaliger Direktor des MaxPlanck-Instituts für Meteorologie, der damals als Direktor des WeltklimaForschungsprogramms der UN die Verhandlungen in Kyoto miterlebt hat. Premiumbereich >> Login Benutzer Kennwort Newsletter Bestellen Sie jetzt den kostenlosen Newsletter! Diaschauen zum Thema Atmosphäre © NASA Schwierige Geburt Das Kyoto-Protokoll ist das erste völkerrechtlich verbindliche Regelwerk, mit dem die UN sich zum Klimaschutz verpflichtet haben. Aber schon seine Geburt war schwierig, denn einige Staaten sträubten sich von Anfang an dagegen. Sie befürchteten, die Reduktion der CO2-Emissionen würde ihre Wirtschaft bremsen. Dass es überhaupt formuliert wurde, verdankt die Welt den Forschern des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg um den inzwischen emeritierten Klaus Hasselmann. Seine Arbeitsgruppe bewies 1995 zum ersten Mal, dass ein http://www.scinexx.de/index.php?cmd=wissen_details&id=7501&datum=2007-12-06 (1 von 6)14.12.2007 16:44:03 Suche Solarenergie OffshoreWindenergie Geothermie Klimaforschung scinexx | Kyoto-Protokoll: Top oder Flop?: Max-Planck-Wissenschaftler über eine globale Super-Aufgabe wesentlicher Teil der globalen Erwärmung menschlichen Ursprungs ist. Die Ergebnisse der Forscher aus Hamburg gingen in den Bericht des Weltklimarats ein, eines beratenden Organs der UN. „Klaus Hasselmann prägte im März 1995 einen ziemlich wichtigen Satz dieses Berichtes vor“, sagt Hartmut Graßl. „The balance of evidence suggests a discernible human influence on global climate.“ Dieser Satz entfaltete eine weltweite Signalwirkung. Und er überzeugte auch vorherige Zweifler. Offiziell am 10. Dezember 1997 einigten sich die Staaten der UN schließlich. „In Wahrheit sogar noch später", wie Graßl sich erinnert. „Wir saßen in dem Raum und warteten die ganze Nacht.“ Die Verhandlungen waren erst am Folgetag um 11.30 Uhr zu Ende. „Immer auf den letzten Drücker“, sagt Graßl. „So ist das, wenn Menschen etwas entscheiden müssen.“ Das große Zögern Die Idee, die hinter dem Protokoll steht, ist überzeugend. Die Vertragsstaaten verpflichteten sich darin, den Ausstoß von Treibhausgasen um 5,2 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu verringern. Dabei sollten die einzelnen Länder unterschiedliche Anteile zur Reduktion beitragen. Die Größe der Anteile richtete sich nach dem Grad ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. So verpflichtete sich die EU zum Beispiel, den Stand von 1990 um acht Prozent zu unterbieten. Bringt der Mensch das irdische Klima aus dem Gleichgewicht? Streit ums Klima Klimawandel unter noch zu retten? Klimakonferenz 2006: Zukunft Verhandlungssache Klimakiller Methan Landwirtschaft als Industrie-Emissionen © Nasa Signal zum gemeinsamen Handeln „Natürlich wusste jeder Wissenschaftler, dass das viel zu wenig war“, sagt Meinrat Andreae, Leiter der Abteilung für Biogeochemie am MaxPlanck-Institut für Chemie in Mainz. „Das Kyoto-Protokoll war letztlich nur ein Signal dafür, dass Nationen gemeinsam handeln müssen.“ Leider blockierten einige Staaten es noch, nachdem sie es unterzeichnet hatten. Vor allem die USA, die sich unter George W. Bush wieder auf ihre wirtschaftlichen Interessen zurückzogen. „Amerika hat alles getan, um die schwankenden Staaten auf seine Seite zu ziehen", sagt Graßl. Verbindlich wurde das Papier daher erst 2005, als die russische Duma es ratifizierte. Erst dann war die erforderliche Mehrheit erreicht. http://www.scinexx.de/index.php?cmd=wissen_details&id=7501&datum=2007-12-06 (2 von 6)14.12.2007 16:44:03 Klimawandel Beschuss? S.O.S. - Ist das Klima Russland und die Ukraine wollten ihre eigene Emission von 1990 nicht überschreiten. Für China, Indien und die Entwicklungsländer galten damals keine verpflichtenden Vorgaben, da sie bis dato keine hohen Emissionen aufwiesen. Ganz konkrete Maßnahmen Dossiers zum Thema TreibhausgasSchleuder? Wohin mit dem CO2? Auf der Suche nach „Endlagern“ in Untergrund und Ozeanen Erneuerbare Energien Welche Zukunft haben die "Ressourcen der Zukunft" Biomasse Holz, Stroh und Biogas - Energielieferanten der Zukunft? Solarenergie Das Öl der Zukunft scinexx | Kyoto-Protokoll: Top oder Flop?: Max-Planck-Wissenschaftler über eine globale Super-Aufgabe Aber immerhin. Das Protokoll beeinflusst seit 2005 die globale Emission von Treibhausgasen mit ganz konkreten Maßnahmen. „Um die Vorgaben zu erreichen, haben die Experten der UN bestimmte Instrumente entwickelt“, sagt Graßl. „Und diese greifen vor allem auf der ökonomischen Ebene.“ Aerosole Ein solches Instrument ist der Handel mit Emissionsrechten. Große Konzerne wie zum Beispiel Betreiber von Kraftwerken dürfen nur eine bestimmte Menge an Treibhausgasen ausstoßen. Die Freimengen werden ihnen in Form von Zertifikaten zugeteilt. Überschreiten sie diese Grenze, müssen sie Zertifikate hinzukaufen. Unterschreiten sie sie, dann können sie ihre Freimengen an andere Konzerne oder Staaten verkaufen und somit sogar Gewinne erzielen. Das ist ein ökonomischer Anreiz, den eigenen CO2-Ausstoß zu verringern. Erste Klimakonferenz Ein weiteres Instrument ist der so genannte Mechanismus der sauberen Entwicklung. Dieser sieht vor, dass sich entwickelte Staaten höhere Emissionen erkaufen können. Dazu müssen sie Schwellenländern mit sauberen Technologien unter die Arme greifen. „Der Atmosphäre ist es doch egal, wo Emissionen eingespart werden“, sagt Graßl. „Das können Sie in München oder in Asien machen.“ Industrieländer können sich so in den Schwellenländern engagieren und dort die schmutzigen Fabriken durch neue und sparsamere ersetzen. Damit moderiert das KyotoProtokoll den unvermeidbaren Fortschritt in den unterentwickelten Ländern auf klimafreundliche Art und Weise. Die Erfolge könnten größer sein „Aber das allgemeine Zögern bis zur Ratifikation hatte Folgen“, sagt Andreae. „Das Kyoto-Protokoll hätte viel schneller umgesetzt werden müssen.“ Die 39 Industrieländer werden ihre Kyoto-Vorgaben bis 2012 zwar wahrscheinlich erreichen. Aber im Mittel stiegen die weltweiten Emissionen laut dem letzten Bericht des Weltklimarats seit 1990 trotzdem weiter stark an. Das zeigt auch eine Studie des Global Carbon Project, das den weltweiten CO2-Kreislauf untersucht. „Während es um 2000 noch Grund zu leichtem Optimismus gab, liegen die CO2-Emissionen von 2005 und 2006 weit über den Szenarien, die als extreme Obergrenze definiert worden sind“, sagt Andreae. „Das ist eine Horrornachricht, weitaus schlimmer als in den Büchern von Stephan King.“ Das liegt zum Teil daran, dass sich die Vorgaben des Kyoto-Protokolls auf eine alte Situation stützen. China und Indien zum Beispiel, die in Kyoto gar keine Verpflichtungen erhalten haben, entwickelten sich in den letzten Jahren rasant. Ihr CO2-Ausstoß steigt rapide an. Zum anderen ist es eine Frage der Gerechtigkeit. Warum sollte zum Beispiel Afrika seine http://www.scinexx.de/index.php?cmd=wissen_details&id=7501&datum=2007-12-06 (3 von 6)14.12.2007 16:44:03 Würzstoffe in der Klimaküche Countdown für das Klima? nach Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls tagt Wetterextreme Klimatische "Ausrutscher" oder Folgen des Klimawandels? OffshoreWindenergie Sauberer Strom oder ökologisches „Eigentor“? GeothermieKraftwerke in Deutschland Technische Spielerei oder ernsthafte Alternative? News des Tages Megakurzschlüsse auf ultrakaltem Zwergenstern Riesenschritt für mehr Klimaschutz? Was Eiweiße bewegt Röstkaffee als Krebshemmer Kyoto-Protokoll: Top oder Flop? Neue Handwerker fürs Gehirn scinexx | Kyoto-Protokoll: Top oder Flop?: Max-Planck-Wissenschaftler über eine globale Super-Aufgabe wirtschaftliche Entwicklung zu Gunsten des Klimawandels bremsen, wenn es im Vergleich zu den Industrieländern bisher einen viel kleineren CO2Ausstoß verursacht hat? Auf der Suche nach einem neuen Energiekonzept „Das Kyoto-Protokoll war der erste Schritt der Weltgemeinschaft, geschlossen etwas konkretes zu tun“, sagt Graßl. Aber jetzt gilt es, noch umfassendere Vorgaben auszuhandeln. Den Ausstoß von Treibhausgasen um 5,2 Prozent zu reduzieren, ist viel zu wenig. Das bestätigt nur noch ein weiteres Mal der neue Bericht des Weltklimarats, der sich auch auf die wissenschaftlichen Ergebnisse von zahlreichen Max-Planck-Forschern stützt. Die Wissenschaftler aus Hamburg oder Mainz oder auch vom MaxPlanck-Institut für Biogeochemie in Jena tragen schon seit Jahrzehnten Daten zum Klimawandel zusammen. Sie speisen sie in Modelle ein, die in Hamburg berechnet werden. Und sie stellen Vorhersagen über die Entwicklung des Weltklimas und ihre Folgen auf. „Die Ergebnisse des neuen Abschlußberichts des Weltklimarats alarmieren auch die letzten Zweifler“, sagt Graßl. „Es muss nun ein ganz neues Energiekonzept gefunden werden." Bis 2050 muss die Welt ihren Ausstoß von Treibhausgasen extrem reduzieren, damit Offshore-Windpark die globale Erwärmung nicht zu einem © DOE/NREL völlig unkontrollierbaren Klimazustand führt. Dabei ist das Prinzip der Emissionsgerechtigkeit einzuhalten. „Das, was sich die Weltgemeinschaft an Emissionen leisten kann, damit die Erderwärmung im Bereich von zwei Grad Celsius bleibt, lässt sich in Form eines Kuchens darstellen“, sagt Andreae. „Und die Industrienationen haben etwa die Hälfte dieses Kuchens schon gegessen.“ Gerade aber Entwicklungsländer werden die schlimmsten Folgen des Klimawandels tragen. „Bangladesh darf nicht die Abwehr der Flutkatastrophe bezahlen, die Portugal oder die USA durch ihren CO2Ausstoß verursacht haben“, sagt Graßl. Solche Überlegungen werden nun in Bali zur Sprache kommen. Kein Bali-Protokoll? Vor allem die EU setzt sich inzwischen für ein weit konsequenteres Protokoll nach 2012 ein. Auf der Konferenz in Bali will sie diesbezüglich Verhandlungen anstoßen. Die Staaten der EU selbst haben auf ihrem EUKlimagipfel im März dieses Jahres sehr ehrgeizige Ziele formuliert. Den CO2-Jahresausstoß will die Gemeinschaft bis 2020 um 20 Prozent gemessen am Stand von 1990 reduzieren. Deutschland als Vorreiter will sogar 40 Prozent erreichen. Dabei helfen soll zum Beispiel, erneuerbare http://www.scinexx.de/index.php?cmd=wissen_details&id=7501&datum=2007-12-06 (4 von 6)14.12.2007 16:44:03 Bücher zum Thema Eine unbequeme Wahrheit von Al Gore, Richard Barth, Thomas Pfeiffer Wir Wettermacher von Tim Flannery Der Klimawandel von Stefan Rahmstorf und Hans J. Schellnhuber Wetter und Klima Das Spiel der Elemente - Atmosphärische Prozesse verstehen und deuten von Harald Frater (Hrsg.) Wissen hoch 12 Ergebnisse und Trends in Forschung und Technik von Harald Frater, Nadja Podbregar und Dieter Lohmann Atmosphäre im Wandel Die empfindliche Lufthülle unseres Planeten von Thomas E. Graedel, Paul J. Crutzen Wetterwende Vision: Globaler Klimaschutz von Hartmut Graßl scinexx | Kyoto-Protokoll: Top oder Flop?: Max-Planck-Wissenschaftler über eine globale Super-Aufgabe Energietechnologien zu fördern. Und auch die Haushalte sollen ihre Energie effizienter nutzen. „Etwas konkretes wird in Bali aber nicht herauskommen“, sagt Graßl. „Es geht nur um einen Fahrplan für weitere Verhandlungen.“ So werden die Länder der Vereinten Nationen ihre unterschiedlichen Vorstellungen auf den Tisch bringen. Die EU wird drängen. China und Indien werden ihren Aufschwung schützen wollen. Afrika und andere Entwicklungsländer werden Gerechtigkeit fordern. In Bali müssen die UN erst Ausschüsse bilden, die in den Folgejahren alle diese Forderungen prüfen. Auf dieser Basis verhandeln sie dann auf der Vertragsstaaten-Konferenz 2009 in Kopenhagen. „Wenn wir Glück haben, bekommen wir 2009 dann ein Kopenhagen-Protokoll“, sagt Graßl. Dieses müsse so verbindlich wie das Kyoto-Protokoll sein. Aber in seinen Vorgaben müsse es weit darüber hinausgehen. „Uns Wissenschaftlern ist klar, dass es eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf ist“, sagt Andreae. „Und das Problem wird mit jedem Jahr schwerer zu lösen sein.“ (idw - MPG, 06.12.2007 - DLO) Voller Energie Die globale Faktor VierStrategie für Klimaschutz und Atomausstieg von Peter Hennicke, Amory B. Lovins Erneuerbare Energie von Thomas Bührke und Roland Wengenmayr Wetterkatastrophen und Klimawandel Sind wir noch zu retten? von Hartmut Artikel drucken Grassl u. a. Genius - Task Force Nach verwandten Themen suchen: Biologie Klimaschutz, Klimawandel, Globale Erwärung, CO2, Erneuerbare Energien, Strom, Treibhausgase Weitere News zum Thema Ein Netzwerk für das Klima (13.12.2007) Kieler Meereswissenschaftler fordert in Nature Geosciences Aufbau eines Klimainformationssystems Halbzeitbilanz in Bali (10.12.2007) Deutsche Delegation zuversichtlich, Umweltorganisation fordert mehr Engagement der Industrieländer Höllen-Mikrobe als Treibhausgas-Fresser (07.12.2007) Extrem widerstandsfähiges Methan fressendes Bakterium als Klimaschutzwerkzeug Klimaschutz-Index 2008: Deutschland auf Platz 2 (07.12.2007) Aber: Auch Klassenbeste nur mit durchschnittliche Noten Riesenschritt für mehr Klimaschutz? (06.12.2007) Bundesregierung beschließt Klimaprogramm http://www.scinexx.de/index.php?cmd=wissen_details&id=7501&datum=2007-12-06 (5 von 6)14.12.2007 16:44:03 Strategiespiel zu umweltweltverträglichem Handeln 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Welt zu retten... von Andreas Schlumberger scinexx | Kyoto-Protokoll: Top oder Flop?: Max-Planck-Wissenschaftler über eine globale Super-Aufgabe Top-Clicks der Woche 1. Höllen-Mikrobe als Treibhausgas-Fresser 2. Schmelzwasser löste Klimaabkühlung aus 3. Tiefsee: Wimmelndes Leben auch an kalten Quellen 4. Megakurzschlüsse auf ultrakaltem Zwergenstern 5. Roter Sonnenuntergang auf extrasolarem Planeten Copyright (c) 1998 - 2007 scinexx Springer-Verlag, Heidelberg - MMCD NEW MEDIA, Düsseldorf http://www.scinexx.de/index.php?cmd=wissen_details&id=7501&datum=2007-12-06 (6 von 6)14.12.2007 16:44:03